2692/J XX.GP
der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Mag. Kaufmann, Dr. Stippel, Brix, DDr Niederwieser
und Genossen
an den Bundesminister ftir Wissenschaft und Verkehr
betreffend Forschungszentrum Seibersdorf
In einem internationalen Vergleich von europäischen Forschungseinrichtungen belegt das
Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf (ÖFZS) bei wirtschaftlichen und
wissenschaftlichen Kennzahlen Spitzenplätze. Das geht aus einer im Auftrag des
Wissenschaftsministeriums erstellten und im März veröffentlichten Studie hervor, die Eckdaten
wie Einnahmensteigerungen, Personalkosten oder die EU-Forschungskompetenz von
insgesamt 18 europäischen Forschungs- und Entwicklungs- (F&E-) Zentren im Zeitraum von
1991 bis 1995 vergleicht. Unter den untersuchten Forschungszentren finden sich namhafte
Organisationen wie die deutsche Fraunhofer Gesellschaft, die niederländische Organisation für
angewandte naturwissenschaftliche Forschung TNO oder das britische Forschungszentrum
AEA.
Das ÖFZS hat gegenwärtig mit großen Problemen zu kämpfen, weil unter anderem aufgrund
der Budgetkonsolidierung die Bundesmittel gekürzt wurden. Das Forschungszentrum wäre in
seiner Existenz bedroht gewesen, hätten nicht die Mitarbeiter - im Vertrauen auf die
Regierungserklärung und Zusagen zur Stärkung der gemeinnützigen außeruniversitären
Forschung und im Hinblick auf die Pläne der seit September 1996 neuen Geschäftsführung -
auf rund zwei Drittel von noch nicht ausbezahlten Überstunden, auf die Firmenpension,
Überzeiten, Gehaltsteile und noch auf vieles mehr verzichtet. Insgesamt haben die Mitarbeiter
in dreistelliger Millionenhöhe zur Sanierung des Unternehrnens beigetragen.
Nun sollen Teile des ÖFZS ausgegliedert werden, Personalabbau droht. Der Betriebsrat
fürchtet die existentielle Bedrohung des ÖFZS durch Kommerzialisierung und ,,Outsourcing".
Damit ginge der Hauptteil des Unternehmenszweckes verloren. Die Belegschaft befürchtet,
daß damit Österreichs gemeinnützige Innovationsleistungen für die bessere Zukunft des Landes
verringert werden und letztlich die intellektuelle Wettbewerbsfähigkeit Österreichs geschmälert
wird. Es bestehe die Gefahr der "Austrocknung" der außeruniversitären Forschung auf subtile
Art und Weise, so der Betriebsrat des ÖFZS: Nicht durch einen Kahlschlag, sondern auf der
Ebene von sukzessiven Kürzungen und dem Einfrieren von Teilen des Budgets. Dabei würde
die Unabhängigkeit der Forschung auf der Strecke bleiben.
Es bliebe dem ÖFZS nur die Alternative, den Status als gemeinnützige Forschungseinrichtung
aufzugeben und die gewonnenen Ergebnisse selbst zu vermarkten. Durch diese Umwandlung in
ein nur auf Gewinn orientiertes Unternehmen stünde das Know-how aber der Österreichischen
Wirtschaft wohl nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung.
Die österreichische Bundesregierung hat die Stärkung der außeruniversitären Forschung als
wesentlichen Teil der Technologiepolitik in ihrem Arbeitsprogramm festgeschrieben. Immer
wieder wird von der Bundesregierung betont, daß Wissenschaft und Forschung in Österreich
einen hohen Stellenwert haben. Ein Rückzug der öffentlichen Hand aus der außeruniversitären
Forschung wäre mit diesem Programm jedoch
nicht vereinbar.
Die Republik Österreich ist einerseits Mehrheitseigentümer und daher vom Wert und
Fortbestand des Unternehmens betroffen; und sie ist auch wesentlicher Auftraggeber, der im
ÖFZS technologiepolitisch relevante Themen beforschen und konkrete Auftragsleistungen
durchführen läßt.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister flir Wissenschaft und
Verkehr folgende
Anfrage:
1. Welche Bedeutung messen Sie der außeruniversitären unabhängigen Forschung als
Bindeglied zum Technologietransfer in die österreichische Wirtschaft und Industrie neben
der an den Universitäten betriebenen Grundlagenforschung bei?
2. Sind Sie der Meinung, daß der Technologiestandort Österreich eine außeruniversitäre
Forschung benötigt?
3. Sind Sie der Meinung, daß neben der kommerziellen Forschung auch die nichtkommerzielle
Grundlagenforschung eine solide Basisfinanzierung benötigt, um international
konkurrenzfähige Technologien hervorzubringen?
4. Welcher Stellenwert soll der angewandten unabhängigen Forschung als Instrument aktiver
Technologiepolitik künftig zukommen?
5. Welcher Stellenwert soll der Grundlagenforschung als Instrument aktiver
Technologiepolitik künftig zukommen?
6. Sind Sie der Meinung, daß österreichisches Know-how auf dem europäischen
Forschungsmarkt voll konkurrenzfähig ist?
7. Für wie effektiv und effizient halten Sie die gemeinnützige unabhängige Forschung in
Österreich?
8. Welchen Anteil hat die gemeinnützige unabhängige Forschung an den Investitionen in der
österreichischen Wirtschaft?
9. Gibt es Berechnungen, wieviel jeder durch die öffentliche Hand in die gemeinnützige
Forschung investierte Schilling durch Umwegrentabilität bewegt?
10.Wieviel Geld gab Österreich in den letzten Jahren für Forschung und Entwicklung pro Kopf
und Jahr im Vergleich zu vergleichbaren Staaten aus? Wie liegt Österreich damit im
Vergleich zum EU-Schnitt sowie zum OECD-Schnitt?
11 Wie hoch ist der Anteil der außeruniversitären Forschung an den Ausgaben lür Forschung
und Entwicklung (F&E) in Österreich? Wie sieht es in vergleichbaren Staaten aus? Wie liegt
dabei Österreich im Vergleich zum EU- und zum OECD-Schnitt?
12.Was werden sie unternehmen, um die außeruniversitäre Forschung in Österreich im
allgemeinen und das ÖFZS im besonderen wieder auf eine gesicherte finanzielle Basis zu
stellen?
13 Wollen und werden Sie sich als Eigentümervertreter dafür einsetzen, daß der größten
angewandten F&E-Einrichtung Österreichs, nämlich dem ÖFZS, trotz
Budgetkonsolidierung auch künftig jene finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, die
notwendig sind, um die Anbindung an internationale Schlüsseltechnologien zu gewährleisten
und um eine wirklich sinnvolle Grundlagenforschung betreiben zu können?
14.Ist die Einberufung eines Forschungsgipfels, unter Beteiligung von Bund, Sozialpartnern,
sowie Vertretern der universitären und außeruniversitären Forschung geplant? Wenn ja,
wann wird dieser stattfinden? Wenn nein, warum nicht?
15 Wie wird der Bund als Auftraggeber das Projektvolumen fur Forschungs- und
Auftragsleistungen in Zukunft gestalten?
16.Wie sehen Ihre Pläne das ÖFZS betreffend kurz…, mittel-und langfristig aus?
1 7.Sind zusätzliche Mittel fur das ÖFZS zu erwarten?
18.Werden Einsparungen die Rücknahme der bisherigen unabhängigen Forschung zur Folge
haben?
19.Wird es bei den Forschungsschwerpunkten des ÖFZS in Zukunft Änderungen geben? Wenn
ja, welche?
20.Wird es Verbesserungen der Infrastruktur, von den EDV- bis zu den
Heizungsinstallationen, geben? Wenn ja, wann und in welchen Ausmaßen? Wenn nein,
warum nicht?
21 Wird mit einem Personalabbau im ÖFZS zu rechnen sein? Wenn ja, wieviele Menschen
werden davon betroffen sein?
22.Am 12. Juni 1997 wurden dem Betriebsrat durch die Geschäftsleitung Kündigungen in der
Höhe von mehr als 100 Mitarbeitern angekündigt. Wie stehen Sie dazu?
23.Worauf sollte Ihrer Meinung nach Seibersdorf seine inhaltlichen Kompetenzen in Zukunft
konzentrieren?
24.Der Betriebsrat des ÖFZS stimmt mit der Geschäftsführung darin überein, daß das nominale
Einfrieren der Bundesmittel auf dem Niveau des Jahres 1997 das Ende des ÖFZS als
gemeinnützige Forschungseinrichtung bedeuten würde. Sehen Sie auch die Gefahr einer
,,Austrocknung" der außeruniversitären Forschung in Österreich - auf subtile Art und Weise,
nämlich nicht durch einen Kahlschlag, sondern auf der Ebene von Kürzungen und dem
Einfrieren von Teilen des Budgets?
25. Sehen Sie die Gefahr, daß die Zukunft eine stärkere Kommerzialisierung der Forschung mit
sich bringt, und daß dabei die Unabhängigkeit der Forschung eingeschränkt wird?
26.Ist es Ihr Ziel, daß das ÖFZS den Status als gemeinnützige Forschungseinrichtung aufgibt
und die gewonnenen Forschungsergebnisse selbst vermarktet? Wenn ja, würde durch eine
solche Umwandlung in ein selbständiges Unternehmen das Know-how auch dann der
Österreichischen Wirtschaft ohne weiteres zur Verfügung stehen? Welche Auswirkungen
würde eine solche Umwandlung fur
Österreichs Wirtschafiskraft haben?
27.Wie hat sich der Anteil der Arbeitsstunden, die im Österreichischen Forschungszentrum
Seibersdorf (ÖFZS) für Forschung und Entwicklung aufgewendet wurden, seit 1980
entwickelt?
28.Um wieviel ist der Betriebskosterizuschuß des Bundes an das ÖFZS seit 1980 jeweils erhöht
worden? In welchem Verhältnis steht dies zu den in diesem Zeitraum steigenden Kosten?
29.Wie beurteilen Sie die Rolle, die das ÖFZS kurz nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl
gespielt hat?
30.Halten Sie eine aktive Sicherheitsforschung in Atom- und Gentechnikfragen in Österreich
auch in Zukunft für sinnvoll und wichtig?
3 Sollte die Sicherheitsforschung in Österreich besser und stärker gefördert werden? Wenn ja,
wie stellen Sie sich das vor? Wenn nein, warum nicht?
32.Die Geschäftsführung des ÖFZS plant unter anderem in Linz, Innsbruck, Villach oder Wr
Neustadt Niederlassungen zu errichten oder Kooperationen mit bestehenden Einrichtungen
zu fördern Wie beurteilen Sie diese Pläne? Gibt es von Seiten des Ministeriums
diesbezügliche Überlegungen, Planungen, Maßnahmen etc?
33 Wie sieht der Ist-Zustand und die weitere Vorgangsweise bezüglich der Zusammenlegung
des ÖFZS mit dem Österreichischen Forschungszentrum Arsenal aus? Welche Probleme
könnten sich aufgrund der unterschiedlichen Strukturen der beiden Einrichtungen ergeben?
(So hat etwa das Arsenal im Gegensatz zu Seibersdorf pragmatisierte Beamte und
Vertragsbedienstete aufzuweisen.)