2808/J XX.GP
der Abgeordneten Gredler, Kier, Partnerinnen und Partner
an den Bundeskanzler
betreffend praktische Umsetzung des neu eingeführten Beschäftigungstitels “in den
EU - bzw. EG-Vertrag
Die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung haben die Einführung eines
eigenen ,‚Beschäftigungstitels“ sowie die Zielbestimmung eines „hohen
Beschäftigungsniveaus“ (nicht erreicht wurde der Terminus " Vollbeschäftigung“) in
den EU- und EG-Vertrag als großen Erfolg gefeiert, der angeblich auf öster-
reichische Initiative zustande kam. Man suggerierte der Bevölkerung, daß sich nun
„die EU“ viel stärker und erfolgreicher um die Schaffung neuer Arbeitsplätze
bemühen werde und könne. In Wirklichkeit bleibt die Kompetenz betreffend
Beschäftigungspolitik ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten was in diesem
Bereich angesichts der geringen Budgetmittel der Union und der völlig
unterschiedlichen Arbeitsmarktstruktur der einzelnen Länder auch sinnvoll ist.
Eingeführt wurde nur ein beschäftigungspolitisches Koordinations- und
Überwachungsverfahren‘ d.h. eine Berichtspflicht der Mitgliedstaaten und eine
sanktionsiose Überprüfung im Lichte von Leitlinien des Rates. Ansonsten werden
die Mitgliedstaaten „auf die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie“
hinarbeiten und „Anreize zur Förderung der Zusammenarbeit“ beschließen können.
Der Wirtschaftswissenschafter Erich Streißler nennt dies „Wortschaum gegen den
Euro-Crash“ und spricht von einer ,‚Beruhigungspille“‘ die man den Franzosen
verabreicht hätte (STANDARD, 2.7.1997).
Und tatsächlich: Angesichts eines Gesamthaushaltsplanes der EU von 89.137 Mio
ECU (ca. 1200 Mia. S) für 1997 erscheinen große gesamteuropäische
Beschäftigungsinitiativen nicht möglich, um so mehr wenn man bedenkt, daß davon
46,3 % für Agrarpolitik, aber nur 35,7 % für die schon eher beschäftigungs-
wirksamen Strukturmaßnahmen vorgesehen sind. Gerade die zukunftsorientierten
und für den zukünftigen Arbeitsmarkt entscheidenden Budgetposten sind hingegen
nach wie vor unterdotiert: „Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend, Kultur,
audiovisueller Bereich, Information und sonstige Sozialmaßnahmen“ erhält
zusammen 0,9 % der Budgetmittel, ,,Verbraucherschutz, Binnenmarkt‘ Industrie,
transeuropäische Netze“ kommt auf 1,0 %‚ „Forschung und technologische
Entwicklung“ nur auf 3,9 %. Nur massive Umschichtungen zwischen diesen
Bereichen würden die Einführung des „Beschäftigungskapitels“ glaubwürdiger
machen.
In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
ANFRAGE
an den Bundeskanzler:
1 Welche zusätzliche Wirkung hat die Festschreibung eines „hohen
Beschäftigungs - niveaus“ im Artikel 8 EUV für die betroffenen Menschen angesichts
der Tatsache, daß bereits bisher in den Grundsätzen des EG - Vertrages (Art. 2) „ein
hohes Beschäftigungsniveau“ gefordert wird?
2. Wieviele Arbeitsplätze können in Europa Ihrer Schätzung nach durch Einführung
des ,,Beschäftigungstitels“ in den EGV geschaffen bzw. erhalten werden?
3. Gemäß Artikel 4 Abs 4 des Beschäftigungstitels wird die Durchführung der
Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten einer Überprüfung durch den Rat
unterzogen. Wem obliegt die operative Durchführung dieser Überprüfung?
4. Welche Sanktionsmöglichkeiten sind vorgesehen, wenn Mitgliedstaaten die
beschäftigungspolitischen Leitlinien des Rates nicht erfüllen?
5. Bedeutet die „Förderung der Koordinierung der Beschäftigungspolitik“ (Änderung
des Artikels 3 EGV) auch, daß für Arbeitslose, die sich im gesamten Raum der EU
(und nicht nur in Österreich) auf Arbeitssuche befinden, für die gesetzliche
Anspruchsdauer Arbeitslosengeld bezahlt wird? Wenn nein, warum nicht?
6. Werden Sie sich für eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages Österreichs an die EU
einsetzen, damit auch das EU-Budget zugunsten arbeitsbeschaffender Maßnahmen
erhöht werden kann? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein, warum nicht?
7. Wenn nein, aus welchen EU-Budgetzeilen würden Sie europaweit arbeitsplatz-
schaffende Maßnahmen finanzieren?
8. Würden Sie nicht auch eine weitergehende Flexibilisierung der Arbeitszeiten, eine
Entlastung der Arbeitskosten, die Einführung einer europaweiten Energiesteuer oder
eine Förderung der Klein - und Mittelbetriebe für konkretere Maßnahmen gegen die
Arbeitslosigkeit halten als die Einführung einer Zielbestimmung in den EU -
Verträgen?
9. Werden Sie sich bei den Verhandlungen für die nächsten Gesamthaushaltspläne
der EU 1998 und besonders 1999, wenn sie unter der Vorsitzführung Österreichs
stattfinden, und in den Folgejahren dafür einsetzen, daß die Gewichte zugunsten
beschäftigungsrelevanter Bereiche verschoben werden? Wenn nein, warum nicht?
10. Wenn ja, um wieviel Prozent soll der Budgetanteil für Agrarausgaben, der nach
wie vor den Hauptteil des EU-Budgets ausmacht, aber ohnehin im Zuge der
geplanten Osterweiterung der EU zu überdenken ist, gesenkt werden zugunsten
a) Strukturmaßnahmen
b) Bildung, Jugend, Kultur
c) Industrie und transeuropäische Netze
d) Forschung und technologische Entwicklung?