2923/J XX.GP
der Abgeordneten Schaffenrath, Kier, Partnerinnen und Partner
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Opferschutz für Betroffene des Frauenhandels
Menschen- und hier insbesondere Frauenhandel, eine besonders widerwärtige Form
der organisierten; aber auch nicht-organisierten Kriminalität, nimmt in ganz Europa,
besonders jedoch in Österreich, ständig zu. Bei den Opfern handelt es sich dabei in
der Regel um Frauen, die in das Bundesgebiet geschleppt werden und dort gegen
ihren Willen (durch Gewalt, Nötigung, Mißbrauch von Machtverhältnissen etc.)
und/oder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Prostitution gezwungen
werden. Auch jene ausländischen Frauen, die zunächst wissen, was auf sie
zukommt, dann jedoch unter Ausschaltung jeglicher Selbstbestimmung in einer
Zwangslage diesem Gewerbe nachgehen müssen, können zu dieser Kategorie
gezählt werden.
Bei mehreren internationalen Tagungen wurde in den daraus hervorgegangenen
Beschlüssen und Resolutionen Frauenhandel als Menschenrechtsverletzung
verurteilt und umfassende Strategien und Maßnahmen zu deren Bekämpfung und
Prävention vorgeschlagen (vgl. etwa „Wiener Erklärung‘ der UN-Menschenrechts-
konferenz 1993, „Pekinger Aktionsplattform " der UN-Weltfrauenkonferenz 1995,
Ergebnisse der Wiener EU -Tagung über Frauenhandel 1996 und die „Den Haager
Erklärung“ der EU-Minister im April 1997).
Als besonders notwendig stellen sich fremdenrechtliche Maßnahmen zugunsten der
betroffenen Opfer heraus (Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, keine vorzeitige
Abschiebung oder Verhängung der Schubhaft), damit diese als Zeuginnen gehört
werden können, um gegen Menschenhändler Straf- und Zivilverfahren einleiten und
genügend Beweise für Verurteilungen sammeln zu können. Dies kann sich auch in
vielen Fällen als wirksames Instrument zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität erweisen, da Menschenhändler und Zuhälter oft ein Glied in der Kette
zur Ausforschung großer Drogenhändlerringe oder Geldwäscher sind.
In das im Jänner 1998 in Kraft tretende Fremdengesetz wurde nun in den § 10 Abs.
4 folgender Satz eingefügt. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf
Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel
zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine.. Aufenthalts-
erlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden.“ Leider wurden konkretere
Vorschläge für fremdenrechtliche Bestimmungen zugunsten der betroffenen Frauen
die von unterfertigten Abgeordneten im Zuge der Beschlußfassung der
Fremdenrechtsnovellen eingebracht wurden, von der Mehrheit des Nationalrates
abgelehnt. Deshalb soll nun versucht werden herauszufinden, wie ernst die
Beschlüsse internationaler Konferenzen von der Bundesregierung genommen
werden und inwieweit die neue Bestimmung des § 10 Abs 4 FrG konkretisiert
werden kann.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
ANFRAGE
an den Bundesminister für Inneres:
1. Wird sich der gemäß § 51 des Fremdengesetzes 1997 einzurichtende
Integrationsbeirat auch mit Opfern des Menschenhandels befassen? Wenn ja, wie
wird sichergestellt, daß mit dieser Fachfrage befaßte Expertinnen und Experten,
vor allem Vertreterinnen von Opferschutzeinrichtungen eingebunden werden?
2. Können Sie definieren, welche Opfer oder Opfergruppen des Menschenhandels
für fremdenrechtliche Schutzmaßnahmen (z.B. Erteilung eines humanitären Sicht-
vermerks) in Frage kommen?
3. Werden für die Erteilung eines humanitären Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 4
FrG 97 auch solche Frauen in Frage kommen, die unter Vorspiegelung falscher
Versprechungen (Visum Arbeit etc.) nach Osterreich kamen, aber nicht in der
Prostitution arbeiten? Wenn nein, warum nicht?
4. Wie wird sichergestellt, daß in Fällen, bei denen es sich letztendlich nicht um
Opfer des Menschenhandels handelt, das gelindere Mittel gemäß § 66 FrG 1997
angewendet wird und diese Frauen wenigstens nicht in Schubhaft genommen
werden?
5. Wie ist der konkrete Ablauf des Opferschutzes in Verbindung mit
fremdenrechtlichen Maßnahmen geplant gegenüber Frauen die a) aus eigenen
Stücken bei der Polizei Anzeige wegen Frauenhandel erstatten, b) von der
Fremdenpolizei festgenommen werden und dann eine Aussage machen, die auf
Frauenhandel hinweist, c) von der Kriminalpolizei in einem Bordell oder einer Bar
festgenommen werden und eine Aussage machen, die auf Frauenhandel hinweist?
Ist gewährleistet, daß diese zumindest nicht in Schubhaft genommen werden?
6. Für wie lange wird Opfern des Menschenhandels (auch wenn sie nicht Zeuginnen
oder Zeugen sind) ein Aufenthaltstitel erteilt? Werden Sie sich dafür einsetzen,
daß dieser zumindest für 3 Monate erteilt wird? Wenn nein, warum nicht?
7. Für wie lange wird Opfern des Menschenhandels, die Zeuginnen oder Zeugen in
einem strafgerichtlichen Verfahren bzw. in einem Zivilverfahren sind, ein
Aufenthaltstitel erteilt? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß dieser für
mindestens ein Jahr erteilt wird und dann ein weiteres Jahr verlängerbar ist, wenn
das Straf- oder Zivilverfahren länger dauert? Wenn nein, warum nicht?
8. Wie wird gewährleistet, daß die Betroffenen ggf. eine Zivilklage auf
Schadenersatz einbringen können?
9. Wird nach Ende des Gerichtsverfahrens für die Opfer eine (befristete)
Niederlassungsbewilligung erteilt, wenn dies aus Gründen ihrer Sicherheit
notwendig ist bzw. eine Heimreise nach Auslaufen des Aufenhaltstitels nicht
möglich ist? Wenn nein, warum nicht?
10.Teilen Sie die Auffassung, daß über Frauen, die Opfer von Menschenhandel
geworden sind, trotz illegalem Aufenthalt und illegaler Ausübung der Prostitution
kein Aufenthaltsverbot und keine Verwaltungsstrafen verhängt werden dürfen?
Wenn ja, werden Sie eine entsprechende Verordnung erlassen? Wenn nein
warum nicht?
11. Wie gewährleisten Sie die Zusammenarbeit der Polizeibehörden mit
Opferschutzein-richtungen?
12.Wie werden Sie die Den Haager EU-Ministerdeklaration über europäische
Richtlinien für effektive Maßnahmen um Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen
Ausbeutung vorzubeugen und zu bekämpfen (24.-26. April 1997), umsetzen, im
speziellen für Mitgliedstaaten vorgesehene Maßnahmen (außer den schon
angesprochenen) wie Zurverfügungsstellung von sozialer und Gesundheits -
betreuung, Rechtsberatung und Dolmetschern für Opfer, Zusammenarbeit mit
NGO‘s, Schutz der betroffenen Zeuginnen und Zeugen gegen jegliche Form der
Einschüchterung oder Bedrohung während und auch nach Gerichtsverfahren,
Hilfe für die Herkunftsländer zur Reintegration heimkehrender Frauen sowie ganz
allgemein die Stärkung der Position der Frauen, um Frauenhandel die Basis zu
entziehen?
13.Welche sachliche Begründung führen Sie für die fremdenrechtliche Gleich-
behandlung von "illegalen" Prostituierten mit Zuhältern an, vor allem betreffend
die Bestimmungen über das Aufenthaltsverbot (vgl. etwa § 36 Abs. 2 Z 4 FrG 97)
an?