2927/J XX.GP
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und Genossen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Richter contra richterlicher Unabhängigkeit
Der Richter am OLG Wien, Dr. Michael B. ist der interessierten Öffentlichkeit zunehmend
auch durch seine - recht spolitisch höchst diskussionswürdigen - Auffassungen und
Vorgangsweisen bekanntgeworden. So hat Dr. Michael B. etwa im Sommer 1996 als Autor in
der Zeitschrift „Gewinn“ unter dem Titel „die stornierte Reise“ aus einem Urteil eines
Rechtsmittelgerichtes - damals war es das Handelsgericht Wien - zitiert, wiewohl dieses
Urteil den Parteien zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht zugestellt war. Dazu kam, daß im
damaligen Fall Dr. Michael B. Richter im Senat war, der diese Entscheidung zu treffen hatte.
Der Verein für Konsumenteninformation hat - als Partei - zum damaligen Vorfall durch
seinen Rechtsvertreter dem OLG Wien diesen Sachverhalt als Disziplinarrechtsverstoß zur
Anzeige gebracht. Aufgrund einer Entschuldigung von Dr. Michael B. wurde diese Anzeige -
in der Annahme, daß es sich um eine einmalige Verfehlung handelt - zurückgezogen.
Nun liegt aber eine weitere Rechtsmeinung dieses Richters am OLG Wien vor (Presse, vom
14.7.1997). Darin stellt sich Dr. Michael B. gegen die - konsumentenpolitische sachlich
gerechtfertigte — herrschende Judikatur zu der Frage der Überwälzung der „Inkassokosten“.
Dies scheint insofern auch nicht so verwunderlich zu sein, als Dr. Michael B, von der
Inkassobranche mit einem Gutachten zur Frage des „Kostenersatzes für Inkassokosten“
betraut wurde.
Im vorliegenden Artikel findet sich auch die Wendung: „Die Judikatur ist auch bei dieser
Variante sehr restriktiv; zur Zeit läuft beim OLG Wien ein Rechtsmittel-Verfahren, das dem
Vernehmen nach zu Gunsten der Zulässigkeit vorweg getroffener Vereinbarungen über
Inkassokosten ausgehen könnte“.
Diese Passage geht ganz offensichtlich auf eine Informationsweitergabe von Dr. Michael B.
zurück. Damit stellt sich auch die Frage, ob durch diese vorzeitige öffentliche Positionierung
(im Zeitungsartikel) die gerichtliche
Entscheidungsfindung beeinflußt wird.
Für das rechtsstaatliche Wirken unserer Justiz ist es nach Ansicht der Fragesteller absolut
erforderlich, daß zwischen der Rolle als unabhängiger Richter einerseits und einer Rolle als
entgeltlich tätiger Gutachter andererseits genau unterschieden wird. Richteramt und
entgeltliche Gutachtertätigkeit darf nicht miteinander vermengt werden - dies widerspricht
der Unabhängigkeit der Justiz!
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Wie stehen Sie zu dieser grundsätzlichen Frage?
2. Wie verträgt es sich mit der Rolle eines unabhängigen Richters, wenn dieser Richter
als Autor in Printmedien aus einem Urteil zitiert, an dessen Zustandekommen er im
erkennenden Senat beteiligt war und das zu diesem Zeitpunkt den Verfahrensparteien
noch nicht zugestellt worden ist?
3 Wie verträgt es sich mit der Rolle eines unabhängigen Richters, wenn - wie offenbar
im vorliegenden Fall - Informationen über den möglichen Ausgang eines
Rechtsmittelverfahrens an Journalisten von Printmedien weitergegeben werden?
4. Liegt in diesen Fällen „Befangenheit“ vor?
5. Wie verträgt sich die Beauftragung eines Richters mit einem entgeltlichen Gutachten
für die Inkassowirtschaft mit seiner Rolle als unabhängiger Richter? Können Sie eine
Beeinflussung der Entscheidungsfindung ausschließen?
6. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage ist es zulässig, daß Richter - anzunehmen
außerhalb der Dienstzeit - entgeltlich Gutachten erstellen? Gibt es
Ausschließungsgründe?
7. Müssen Richter, die Gutachten entgeltlich erstellen, dies Ihrer Dienststelle melden?
8. Wenn nein, warum nicht?
9. Beabsichtigen Sie sodann eine Meldepflicht oder eine Genehmigungspflicht
einzuführen?
10. (Wenn ja), in wievielen Fällen waren 1994, 1995 und 1996 Richter als Gutachter
entgeltlich tätig?
11. Hat der Richter am OLG Wien, Dr. Michael B. diese Meldung vorgenommen?
12. Welche Maßnahmen sind seitens des Justizministeriums geplant, daß die
unabhängige Rolle der Richter erhalten bleibt und beispielsweise Richter- und
Gutachterfunktionen nicht unzulässig vermengt werden?