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der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer
und Genossen
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend das Demokratieverständnis des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman
lm Februar d. J. besuchte der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten im Rahmen
eines Arbeitsbesuc.hes Kroatien.
Der Außenminister bemerkte im Zusammenhang mit diesem-Besuch in der ZIB 2 vom
21. Februar 1996, :"und ich komm' als Freund".
Außenminister Schüssel gab gegenüber kroatischen Ministern auch die Zusage, "man werde
sich vor allem bemühen, bei der EU-Kommission die Mittel des Phare-Programms sobald wie
möglich zu deblockieren" und der Minister betonte wiederholt "das vielgerühmte historische
Nahverhältnis" zwischen Kroatien und Österreich.
Die "Salzburger Nachrichten" vom 23. Februar 1996 meldeten dazu: "Schüssel will für
Kroatien Eis brechen" und weiter "Schüssel will sich der allgemeinen Kritik an den
politischen Verhältnissen in Kroatien nicht anschließen".
Anerkannt sei aber auch, daß der österreichische Außenminister in Kroatien auch Vertreter
der Opposition getroffen hat.
Die Opposition hatte bei den letzten Wahlen trotz für sie ungünstigster Rahmenbedingungen -
so hatte Tudjman illegal und gegen jedes Völkerrecht auch im Nachbarstaat Bosnien-
Herzegowina wählen lassen - ein überraschend gutes Ergebnis erzielt. So konnte sie im
Stadtparlament von Zagreb gut 60 % der Stimmen auf sic.h vereinigen.
Gegen jede Demokratie hat der kroatische Präsident daraufhin zweimal einen mit klarer
Mehrheit gewählten Vertreter der Opposition als Bürgermeister nicht anerkannt und hat
vielmehr vor kurzem eine HDZ- Kandidatin einfach zur Bürgermeisterin von Zagreb ernannt.
Die hochangesehene deutsche Wochenzeitung Die Zeit" veröffentlichte in diesem
Zusammenhang am 15. März 1996 einen Artikel (siehe Beilage), in dem der kroatische
Präsident mit einer geradezu unglaublichen und skandalösen Erklärung für sein Handeln
zitiert wird. Demnach sagte Tudjman:
"Was bedeutet das, daß die Opposition in Zagreb 60 % der Stimmen hat ? Das wäre, als ob
ein Bauer sagte, er hätte in seinem Hof sechzig Stück Vieh. Aber sind das Ferkel oder
Kälber ? Während jeder vernünftige Bauer und Mensch weiß, daß ein Rassepferd, ganz zu
schweigen von zwei Rassepferden oder Rassekühen, mehr wert ist als eine ganze derartige
Herde."
Und "Die Zeit" schließt diesen Artikel mit der Bemerkung ab: "So spricht der Freund des
Westens, Franjo Tudjman. Wie lange wird Europa einen Politiker mit solchem
Demokratieverständnis noch schützen und hätscheln ?"
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für auswärtige
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1 . Wie sehen Sie als Außenminister den Vorwurf an die europäische Politik, "einen
Politiker (wie Franjo Tudjman) mit solchem Demokratieverständnis zu stützen und
zu hätscheln ?
2. Sind Sie der Auffassung, daß Ihr Amtsvorgänger sich von diesem Vorwurf betroffen
fühlen sollte ?
3. Sind Sie der Auffassung, daß die intensive Unterstützung der kroatischen Regierung,
die diese durch das österreicchische Außenministerium erfährt, angesichts des
Demokratieverständnisses der kroatischen Führung gerechtfertigt ist ?
4. Sie haben bei Ihrem Besuch dankenswerterweise auch Kontakte mit der kroatischen
Opposition gepflogen. Welche Einschätzung in bezug auf das Demokratieverständnis
des Franjo Tudjman hat Ihnen die kroatische Opposition vorgebracht ?
5. Sind Sie der Auffassung, daß sich die Situation der Demokratie und der
Menschenrechte in Kroatien seit lhrem Besuch (und seit lhrem Eintreten für diese
Werte bei diesem Besuch) gebessert oder verschlechtert hat ?
6. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das in der Einleitung gebrachte Zitat
des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman aus "Die Zeit" ?
7. Wie ist im Lic.hte dieses Zitats des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman Ihre
Aussage zu beurteilen, daß Sie "als Freund" kommen ?
Anlage wurde nicht gescannt !!!