3520/J XX.GP

 

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend das Multilateral Agreement on Investment MAI)

Seit mehr als zwei Jahren wird von den OECD-Ländern das Multilateral Agreement on

Investment (MAI) ausgehandelt, dessen Ziel der Schutz und die Liberalisierung

ausländischer Investitionen ist. Laut OECD ist das MAI „der erste Versuch, in einem

internationalen Abkommen multilaterale Verpflichtungen zu schaffen, welche den Schutz

von Investitionen, die Liberalisierung und Investitionstätigkeit und verpflichtende

Streitbeilegungsmechanismen kombiniert“. Es zielt auf die „Eliminierung von

Rahmenbedingungen, welche internationale Investitionsflüsse stören könnten“. Investoren

soll zumindest „nationale Behandlung“ und ein „Meistbegünstigungsstatus“ gewährt werden.

Multinationale Unternehmen sollen auch das Recht erhalten, Staaten auf die Einhaltung der

MAI-Bestimmungen zu klagen und Schadenersatz zu verlangen. Die Staaten verpflichten

sich, dem Urteil des MAI-Schiedsgerichtes Folge zu leisten. Da „Investitionen“ vom MAI

extrem weit definiert werden, (u.a. fallen auch geistiges Eigentum, Grund und Boden,

indirekte Investitionen wie Beteiligungen darunter) wird nahezu die gesamte Ökonomie

eines Landes prinzipiell von den MAI-Bestimmungen erfaßt.

Nach Ansicht von Kritikern stellt das MAI eine neoliberale Verschärfung der NAFTA-

Bestimmungen (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada

und Mexiko) dar und ist der Versuch ihrer Ausdehnung auf den ganzen Globus. Kritisiert

wird vor allem auch, daß die Verhandlungen bisher fernab jeder Öffentlichkeit erfolgten

und daß die Machtverschiebung zugunsten multinationaler Unternehmen und ihre

Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitswelt politisch nicht diskutiert werden. Die

Gewerkschaften wurden angeblich erst nach eineinhalb Jahren durch Dritte auf dieses

Vertragswerk aufmerksam gemacht. Wie wir informiert wurden, soll das MAI im Mai 1998

von den nationalen Parlamenten (auch dem österreichischen) abgesegnet werden. Die

unterzeichneten Staaten verpflichten sich, für mindestens 20 Jahre die Bestimmungen des

MAI zum Schutz internationaler Investoren einzuhalten. Dies bedeutet, daß die nationale

Wirtschaftspolitik der Beitrittstaaten für einen sehr langen Zeitraum auf dieses Experiment

verpflichtet und der nationale Handlungsspielraum wesentlich eingeschränkt wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Seit wann ist Österreich in die Verhandlungen über den Vertragsentwurf des MAI

eingebunden?

2. Aus welchen Personen setzt sich die österreichische Delegation zusammen?

3. Was lautet die offizielle Position der österreichischen Bundesregierung zu diesem

Vertragswerk?

4. Liegt der derzeit aktuelle Vertragsentwurf bei Ihnen auf und kann Einblick genommen

werden?

5. Welche Vorschläge wurden von österreichischer Seite eingebracht?

6. Welche Rahmenbedingungen, die internationale Investitionsflüsse stören könnten,

sollen eliminiert werden?

7. Wie werden "Investitionen" vom MAI definiert? Fallen auch Investitionen im Bereich

der Patente für pflanzliche, tierische und menschliche Gene darunter?

8. Wie können Sie die Kritik entkräften, daß mit diesem Vertragswerk die regulativen

Möglichkeiten und der staatliche Handlungsspielraum eingeschränkt werden?

9. Ist es richtig, daß im MAI-Entwurf den Investoren weitgehende Rechte garantiert

werden, die Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards aber nur

Empfehlungscharakter haben?

10. Was werden Sie unternehmen, daß nicht nur in der Präambel auf die Beachtung

internationaler Menschrechtspakte sowie Umwelt- und Sozialstandards Bezug

genommen wird, sondern daß das MAI eindeutige Bestimmungen enthält, die ein

Absenken bestehender Umwelt- und Sozialnormen verhindern und die Einführung

neuer Standards ermöglichen?

11. Ist es richtig, daß gemäß MAI-Abkommen Regierungen unter Druck kommen

könnten, die Investoren entschädigen zu müssen, wenn sie Regulierungen oder

Verbote im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder des Umweltschutzes erlassen

(Beispiel „Ethyl-Fall“, Kanada)?

12. Ist es richtig, daß seit mehr als zwei Jahren verhandelt wird und die Gewerkschaften

nur zufällig davon informiert wurden?

13. Seit wann sind die Gewerkschaften in die Verhandlungen mit eingebunden?

14. Inwiefern können Sie den Vorwurf entkräften, daß die Verhandlungen bisher fernab

jeder Öffentlichkeit stattgefunden haben?

15. Ist es richtig, daß das MAI schon im Mal 1998 dem österreichischen Parlament

vorgelegt werden soll?

16. Was werden Sie unternehmen, damit eine öffentliche Diskussion über dieses

Vertragswerk, welches Staaten unabhängig vom politischen Willen seiner BürgerInnen

20 Jahre lang bindet, geführt wird?

17. Wie rechtfertigen Sie diese rigorosen Maßnahmen zum Schutz der Investoren,

während die Unterzeichnerstaaten sich schwerwiegenden Verpflichtungen unterwerfen

und die Bevölkerung ungeschützt bleibt bei gleichzeitiger Tendenz in Richtung

Arbeitslosigkeit und Armut?

18. Welche Analysen („impact studies“) haben Sie anstellen lassen über die Auswirkungen

der MAI-Bestimmungen auf die ökologischen, arbeitsrechtlichen, sozialstaatlichen und

steuerlichen Regelungen? Gibt es EU-Studien über die Auswirkungen des MAI und

die Kompatibilität mit der bestehenden Umwelt- und Sozialgesetzgebung innerhalb der

EU? Wenn ja, welche?

19. Inwiefern kann der Vorwurf entkräftet werden, der vorliegende Entwurf sei

hauptsächlich ein Instrument zur Durchsetzung von Investoreninteressen und schränke

die Möglichkeit des interessenausgleiches ein, schwäche die Regierungen gegenüber

ausländischen Investoren und würde die unternehmerischen Risken und die sozialen

und ökologischen Kosten auf die Gesellschaft abwälzen?

20. Was werden Sie unternehmen, daß in diesem Vertragswerk auch Beschwerderechte

von Menschen, Gemeinschaften und Staaten gegenüber multinationalen

Unternehmungen eingeführt werden hinsichtlich der Einhaltung umweltpolitscher,

sozialer und arbeitsrechtlicher Mindeststandards? Inwiefern sollen die Konzerne für

die von ihnen verursachten sozialen und ökologischen Kosten haftbar gemacht

werden?

21. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die Bereiche Besteuerung und internationale

Wettbewerbspolitik in die „Built-in-Agenda“ aufgenommen werden?