3522/J XX.GP
DRINGLICHE ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Umsetzung der Forderungen des Gentechnik-, Frauen- und Tierschutz-
Volksbegehrens
Die parlamentarischen Verhandlungen über das Gentechnik-, Frauen- und
Tierschutzvolksbegehren verliefen bisher sehr unbefriedigend bis ergebnislos. Damit wird
ein wesentliches Instrument der direkten Demokratie mißachtet und ein Anliegen von mehr
als zwei Millionen ÖsterreicherIinnen weitgehend ignoriert. Regierung und
Koalitionsparteien versprechen zwar regelmäßig unter den Druck der öffentlichen Meinung
die Forderungen erfolgreicher Volksbegehren ernst zu nehmen. Die Realität der
parlamentarischen Beratungen und der Regierungspolitik sieht aber anders aus:
Volksbegehren werden in den Ausschüssen schubladisiert (Beispiel
Tierschutzvolksbegehren, das nun seit nahezu zwei Jahren - allerdings mit monatelangen
Pausen - "beraten“ wird) bzw von Mitgliedern der Bundesregierung auf EU-Ebene
konterkariert (Beispiel Befürwortung der EU-Patentierungsrichtlinie durch den
Wirtschaftsminister).
Die Grünen unterstützen vor diesem Hintergrund das am heutigen Tag von Vertreter/innen
der drei betroffenen Volksbegehren vorgelegte Maßnahmenpaket zum Ausbau der direkten
Demokratie in Österreich.
Gentechnikvolksbegehren
Von 7. - 14. April 1997 fand das in Österreich bisher erfolgreichste parteiunabhängige
Volksbegehren statt, das von 1,266.551 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichnet
wurde. Das Volksbegehren richtete sich gegen den Einsatz der Gentechnik in der
Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion sowie gegen die Patentierung von Leben.
Aufgrund des großen Erfolges des Gentechnik-Volksbegehrens wurde im Parlament ein
eigener Sonderausschuß zur Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens gebildet. Im Zuge
der ersten Ausschuß-Sitzungen zeigte sich sehr rasch die äußerst gentechnikindustrie-
freundliche Haltung der Österreichischen
Volkspartei. So wurde etwa aufgrund des
Widerstandes der Volkspartei eine Bindung des Wirtschaftsministers im Hauptausschuß des
Nationalrates verhindert, wodurch die dritte Forderung des Gentechnik-Volksbegehrens
„Kein Patent auf Leben" unerfüllt blieb. Österreich stimmte im EU-Ministerrat vom
27. 11. 1997 für die sog. EU-Patentierungsrichtlinie, was einer Ablehnung der Forderung
„Kein Patent auf Leben“ gleichkommt.
Daraufhin wandten sich die Initiator/Innen des Gentechnik-Volksbegehrens an die beiden
Regierungsparteien mit einer Auflistung von MINDESTFORDERUNGEN betreffend der
Änderung des Gentechnikgesetzes hinsichtlich der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Sollten die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP nicht gewillt sein, diese
Mindestforderungen zu erfüllen, sähen sich die Initiator/Innen gezwungen, den
Sonderausschuß zu verlassen, da sichtlich keine Bereitschaft seitens der Regierung besteht,
das Gentechnik-Volksbegehren umzusetzen!
In der Folge legte die Fraktion der Sozialdemokraten einen Entwurf für einen
Entschließungsantrag vor, der im großen und ganzen diese Mindestforderungen erfüllt
hätte. Während der Sitzung des Gentechnik-Sonderausschusses vom 5.12.1997 zur
Behandlung des Themenkomplexes „Freisetzung“ wurde in einem Hinterraum eine
Änderung dieses Entschließungsantrages ausgearbeitet. Interessanterweise war der
Hauptverhandler der ÖVP der geschäftsführende Direktor des IMP und Cheflobbyist der
Gentechnik-Industrie in Österreich Dr. Nikolaus Zacherl.
So wurde aus dem ursprünglich akzeptablen Entwurf ein Entschließungsantrag, der die
Mindestforderungen bei weitem nicht erfüllte und einer Verhöhnung der Initiator/Inn/en des
Volksbegehrens gleichkommt. Daraufhin gaben die Initiator/Inn/en des Volksbegehrens
ihren Austritt des Gentechnik-Sonderauschusses bekannt. In der Folge wurde der
Entschließungsantrag vom 5.12.1997 wieder zurückgezogen und eine Mutation dieses
Antrages in der Sonderausschuß-Sitzung vom 13.1 1998 (der die Initiator/inn/en des
Volksbegehrens und die Grüne Parlamentsfraktion fernblieben) eingebracht. Doch auch in
dieser Neufassung waren die Regierungsparteien SPÖ Lind ÖVP nicht imstande, diesen
Mindestforderungen nachzukommen. Die ÖVP-Fraktion verstand es ein weiteres Mal unter
der Regie von Dr. lachen so unpräzise Formulierungen niederzuschreiben, daß nach wie
vor keine umfassende Parteienstellung bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Pflanzen zugesagt wird.
Die zweite zentrale Forderung der ausgewogenen Zusammensetzung der wissenschaftlichen
Ausschüsse und dem damit geforderten gleichberechtigten Nominierungsrechtes des Forums
österreichischer Wissenschaftler für den Umweltschutz mit jenem der Akademie der
Wissenschaften, wurde ebenfalls aufgrund des vehementen Druckes der Gen-Lobby nicht
erfüllt.
Die Verhinderungstaktik der ÖVP hinsichtlich rascher Maßnahmen zur Beseitigung der
Rechtslücken und der Verbesserungen des Gentechnikgesetzes, die übrigens schon bei den
Verhandlungen zur Gentechnik-Enquete 1992 und zum Gentechnikgesetz in den Jahren
1993 und 1994 seitens der Opposition immer wieder vorgebracht wurden, hätte schon
beinahe Erfolg gehabt. Der multinationale Konzern Pioneer versuchte -obwohl die
Kosumentenschutzministerin Prammer die Gentechnik-Unternehmen ersucht hatte, solange
keine Freisetzungsanträge in Österreich zu stellen, bis die Verhandlungen im
Sonderausschuß beendet sind und klare
Haftungsbestimmungen vorliegen- diese für die
Gentechnikindustrie rechtlich günstige Situation auszunützen und stellte zu Weihnachten den
Antrag auf Freisetzung von gentechnisch veränderten Maispflanzen an 10 Standorten in
Österreich. Aufgrund des vehementen Widerstandes der österreichischen Bevölkerung zog
die Firma ihren Antrag ‚1vorerst“ zurück.
Noch zählt Österreich zu jenen EU-Staaten, wo keine Freisetzungen von gentechnisch
veränderten Organismen stattgefunden haben. Wenn nicht raschest seitens der politisch
Verantwortlichen gehandelt wird, drohen jedoch noch heuer weitere Anträge auf
Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich (siehe Ankündigung der
Firma Pioneer). Es müssen daher raschest konkrete Maßnahmen verwirklicht werden, damit
nicht auch die erste Forderung des Gentechnik-Volksbegehrens „Keine Freisetzungen In
Österreich“ unberücksichtigt bleibt.
Frauenvolksbegehren
Von 7. 14. April 1997 fand das parteiunabhängige Frauenvolksbegehren statt, das von
645.000 Österreicher/innen unterzeichnet wurde. Dadurch wurde eindrucksvoll die - auch
von einer großen Anzahl der Österreicher/inne/n empfundene - Notwendigkeit
unterstrichen, endlich reale Chancengleichheit für Frauen zu verwirklichen. Zu einer
solchen ist es jedoch bis jetzt nicht einmal ansatzweise gekommen. Die zwölf Forderungen,
die das Volksbegehren demonstrativ auflistet (Lind die nur als Anfangsmaßnahmen
verstanden werden können), werden nun - mit reichlicher Verspätung - zwar
parlamentarisch diskutiert, die Wahrscheinlichkeit, daß es außer Lippenbekenntnissen auch
tatsächlich zu Gesetzesänderungen kommt, erscheint jedoch äußerst gering.
Tierschutzvolksbegehren
Im März 1996 hat eine Plattform mehrerer Tierschutzorganisationen per Volksbegehren
„Ein Recht für Tiere“ gefordert. 459.096 Österreicher/innen oder 7,96% der
Stimmberechtigten unterstützten mit ihrer Unterschrift die Forderung nach einem
Bundestierschutzgesetz. Die wesentlichen Forderung waren neben einem
Bundestierschutzgesetz die Verankerung des Tier- und Umweltschutzes als Rechtsgüter im
Verfassungsrang, die Einrichtung einer Tieranwaltschaft und die Förderung des
Tierschutzes.
Die Parlamentsfraktionen der Opposition sowie die SPÖ unterstützen diese Forderungen mit
entsprechenden Anträgen. Die ÖVP dagegen blockiert das Zustandekommen eines
Bundestierschutzgesetzes und argumentiert mit der Möglichkeit einer Vereinheitlichung auf
der Länderebene. Für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung wurde 1995 eine
Vereinbarung nach Art. 15a B-VG getroffen, wonach bestimmte Mindestanforderungen
nicht unterschritten werden dürfen. An dieser Vereinbarung wird seitens der Initiator/inn/en
des Volksbegehrens kritisiert, daß dies der kleinste gemeinsame Nenner sei, der zu keinen
wesentlichen Verbesserungen im Tierschutz geführt hat. Es ist davon auszugehen, daß
Bestimmungen, die über den Mindeststandard der 15a-Vereinbarung hinausgehen, aus
Wettbewerbsgründen unterbleiben werden. Ferner ist diese Vereinbarung nicht ausreichend
am Kenntnisstand der Wissenschaft und Technik orientiert. Die Vereinbarung ist ein
Vertrag Lind kann als solcher unter Einhaltung
einer sechsmonatigen Kündigungsfrist von
jedem Bundesland wieder gekündigt werden. Auch fehlen darin gänzlich Sanktionen,
Kontroll- und Vollzugsbestimmungen. Keine der Forderungen des Tierschutz-
Volksbegehrens wird darin erfüllt.
Die Bilanz nach fast zwei Jahren ist mehr als ernüchternd: weder bei der
verfassungsrechtliche Absicherung des Tierschutzes, noch bei der Errichtung einer
Tieranwaltschaft noch bei den Förderungsmaßnahmen für den Tierschutz wurden
Fortschritte erzielt.
Bei der letzten Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses wurde seitens der
Verbindungsstelle der Bundesländer über die ÖVP der Vorschlag für eine weitere 15a-
Vereinbarung betreffend den Bereich der außerlandwirtschaftlichen Tierhaltung vorgelegt.
Wieder wurden Expert/inn/en bemüht, zu dieser Vorlage - die als sehr mangelhaft kritisiert
wurde - Stellung zu nehmen. Die Hoffnung der ÖVP zielt offenbar darauf ab, die
Batteriehennen-Problematik auf die Zierfischebene zu bringen, um damit von der
Hauptproblematik, der landwirtschaftlichen Massentierhaltung, abzulenken. Mittlerweile
verhärtet sich der Eindruck, die ÖVP will durch Verzögerunstaktik Zeit gewinnen und
hofft, ein Volksbegehren werde das andere überlagern und damit in Vergessenheit geraten.
Die SPÖ hingegen macht zwar Vorschläge, will aber keinesfalls den Koalitionspartner
vergraulen oder wie Klubobmann Kostelka sagte, die Koalition gefährden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Unterstützen Sie das am heutigen Tage von den Initiator/inn/en der drei
Volksbegehren vorgelegte Maßnahmenpaket zum Ausbau der direkten Demokratie in
Österreich?
Gentechnikvolksbegehren
2. Sprechen Sie sich für ein gesetzlich verankertes fünfjähriges Freisetzungsmoratorium
von gentechnisch veränderten Organismen in Österreich aus?
Wenn nein, warum nicht?
3. Setzen Sie sich für eine umfassende Parteienstellung (umfaßt Anrainer, Bauern mit
Feldern in der Umgebung, Bürgerinitiativen, Umweltschutzorganisationcn und die
Umweltanwälte) im Zusammenhang mit der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen -und einer raschen diesbezüglichen Novellierung des Gentechnikgesetzes
ein?
4. Setzen Sie sich für eine ausgewogene Besetzung der wissenschaftlichen Ausschüsse
und einer raschen diesbezüglichen
Novellierung des Gentechnikgesetzes ein?
5. Setzen Sie sich für ein von den Initiator/inn/en des Gentechnik-Volksbegehrens
gefordertes - gleichberechtigtes Nominierungsrecht des Forums der österreichischen
Wissenschaftler für den Umweltschutz, analog zum Nominierungsrecht der Akademie
der Wissenschaften, ein?
6. Zur Zeit wird eine Novellierung des UVP-Gesetzes verhandelt. Sprechen Sie sich für
die UVP-Pflicht für Freisetzungsvorhaben von gentechnisch veränderten Organismen
aus?
Wenn nein, warum nicht?
Frauenvolksbegehren
7. Von Ihrer Seite wurde erst kürzlich ein Antrag vorgelegt, der die Bindung der
Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Ausbildung von Lehrlingen durch die
betreffenden Betriebe vorsieht. Seit April gibt es eine gleichlautende Forderung des
Frauenvolksbegehrens in Hinblick auf die Bindung von öffentlichen Aufträgen an das
Vorhandensein von Frauenfördermaßnahmen und -plänen in den Betrieben. Werden
Sie sich für die Erfüllung dieser Forderung des Volksbegehrens einsetzen?
8. Der Nationalrat hat am 13.3.1991 in einer Entschließung die Bundesregierung
aufgefordert, die nächsten freiwerdenden Richterstellen am VfGH mit Frauen zu
besetzen. Nunmehr wird der Nationalrat in der heutigen Sitzung selbst eine derartige
Nominierung vornehmen. Seitens Ihrer Fraktion wird ein männlicher Bewerber
vorgeschlagen. Wie erklären Sie diese Inkonsequenz?
9. Eine Forderung des Volksbegehrens lautet: Sicherung eines Mindesteinkommens von
15.000,-- brutto bei Vollerwerbstätigkeit Welche Überlegungen/Untersuchungen über
die Machbarkeit dieser Forderung gibt es von Ihrer Seite (dies vor allem angesichts
der Tatsache, daß derzeit in Österreich 226.000 Personen - davon 151.000 Frauen - in
unselbständiger Vollerwerbstätigkeit inklusive aller Sonderzahlungen weniger als
12.000,-- brutto verdienen) und werden Sie sich dafür einsetzen, daß diese Forderung
erfüllt wird?
10. Eine ausreichende Anzahl von Kinderbetreuungseinrichtungen ist eine wesentliche
Voraussetzung für Erwerbstätigkeit von Frauen. Bisher gibt es diese u.a. aufgrund
von Kompetenzproblemen nicht. Die versprochene Kindergartenmilliarde ist
geschrumpft zu einem einmaligen Betrag von 600 Millionen Schilling. Welche
Maßnahmen werden Sie setzen bzw. initiieren, um endlich die Einrichtung einer dem
Bedarf entsprechenden Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen zu sichern?
Befürworten Sie nötigenfalls eine Änderung der Kompetenzverteilungsnormen, um
dies sicherzustellen?
II. 1997 beschloß der Nationalrat eine Änderung des Artikel 7 B-VG dahingehend, daß
ein Diskriminierungsverbot betreffend behinderte Menschen ausdrücklich verankert
wurde. Das Frauenvolksbegehren fordert eine
Verankerung eines
Diskriminieningsverbotes betreffend Frauen im Art. 7 B-VG sowie die Feststellung,
daß vorübergehende Bevorzugungsmaßnahmen für Fratien zur beschleunigten
Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern
verfassungsrechtlich zulässig sind. Befürworten Sie eine solche Änderung des Artikel
7 B-VG?
Tierschutzvolksbegehren
12. Gab es aufgrund des Tierschutz-Volksbegehrens seitens der Bundesregierung
Gespräche mit den Ländern bezüglich einer Kompetenzverlagerung des Tierschutzes
auf den Bund?
Wenn ja, wann und was war das Ergebnis?
Wenn nein, wie beurteilen Sie die Stagnation der Verhandlungen Lind welche Schritte
werden Sie unternehmen, damit es auf Regierungsebene zu Resultaten kommt?
13. Wie beurteilen Sie die Äußerung von Klubobmann Kostelka, wegen des
Tierschutzvolksbegehrens werde man die Koaliton nicht gefährden?
14. Welche konkreten Schritte werden Sie unternehmen, den Forderungen des
Volksbegehrens zur Schaffung eines Bundestierschutzgesetzes Rechnung zu tragen?
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gemäß §93 (2)
GOG verlangt.