3649/J XX.GP

 

der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen

an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

betreffend die Rolle der Österreichischen Galerie im Belvedere beim Ankauf und Tausch von

Schiele - Bildern aus dem ehemaligen Besitz von Dr. Heinrich Rieger

Im Zuge der Berichterstattung über die Beschlagnahme von Schiele - Bildern in New York

Anfang dieses Jahres wurde in einigen Beiträgen die Rolle, die die Österreichische Galerie im

Belvedere beim Erwerb und späteren Tausch von Schiele - Bildern spielte, problematisiert.

195 1 erwarb die Österreichische Galerie elf Schiele-Bilder - darunter „Die Umarmung" und

„Kardinal und Nonne" aus der ehemaligen Sammlung Heinrich Riegers. Heinrich Rieger, der

eine der bedeutendsten privaten Sammlungen moderner österreichischer Kunst besessen

hatte, war während der NS - Zeit in das KZ Theresienstadt deportiert worden, wo er 1940 starb.

Einige Bilder seiner Sammlung wurden nach dem Krieg entdeckt und in einem vom späteren

Justizminister Broda geführten Prozeß seinem nach New York emigrierten Sohn Dr. Robert

Rieger als Erben zuerkannt.

Dr. Robert Rieger war, da er in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebte, gezwungen,

diese zum Verkauf anzubieten. Berichten von Profil (5. Jänner 1998) Lind Standard (9. Jänner

1998) zufolge verkaufte Dr. Robert Rieger die Bilder nur deshalb an die Österreichische

Galerie. damit diese in öffentlichen Besitz gelangten. Mit dem Verkauf sei die Auflage

verbunden gewesen, daß die Bilder von der österreichischen Galerie mit der Bezeichnung

„aus der Sammlung Dr. Heinrich Rieger“ ausgestellt würden. Dr. Philipp Rieger, ein in Wien

lebender Verwandter von Dr. Robert Rieger, bestätigt diese Berichte mit Verweis auf

Korrespondenz aus den 70er Jahren und entsprechende Auskünfte durch den

Kanzleinachfolger Dr. Brodas: Dr. Robert Rieger habe der Sammlung seines Vaters eine

bleibende Erinnerung setzen wollen. Er sei davon ausgegangen, daß mit dem Verkauf an ein

staatliches Museum die Werke aus der Sammlung seines Vaters dort auf Dauer eine Bleibe

finden würden. Nur deshalb habe er dem Verkauf mit der oben erwähnten Auflage an die

Österreichische Galerie zugestimmt.

Verfolgt man die Berichterstattung der Medien, ergibt sich bei der Rolle der Österreichischen

Galerie betreffend einiger Punkte Klärungsbedarf:

1. Einem Interview mit Rudolf Leopold im Standard vom 10.111. Jänner 1998 ist zu

entnehmen, daß die Österreichische Galerie Rudolf Leopold bat, darauf zu verzichten, bei den

von Robert Rieger über die Kanzlei Broda zum Kauf angebotenen Schiele-Bildern als

Mitbieter aufzutreten. Die Österreichische Galerie versuchte dadurch offenbar einen

möglichst niedrigen Kaufpreis zu erzielen. Rudolf Leopold wurde dafür seitens der Galerie

eine spätere Tauschmöglichkeit in Aussicht gestellt. Leopold wörtlich: „Die Galerie wußte,

daß ich viel mehr bezahlt hätte, als sie zu bieten gedachte. Ich wurde daher gebeten nicht

mitzubieten. Ich kam dem nach. Denn ich war nur an dem „Bildnis  Wally“ und an „Kardinal

und Nonne“ interessiert, und da wurde mir von Direktor Karl Garzarolli - Thurnlackh in

Aussicht gestellt, daß wir diese Bilder später einmal tauschen könnten“.

2. Rudolf Leopold wurde in einem Artikel der New York Times vom 24. Dezember 1997

vorgeworfen, er habe bei Bildankäufen die triste finanzielle Situation österreichischer

Emigranten ausgenutzt. Profil berichtet in einem Artikel vom 5. Jänner 1998, die von Rudolf

Leopold gezahlten Summen (z.B. 30 000.- Schilling für die „Eremiten“ von Schiele) hätten

dem Marktwert Schieles Anfang der fünfziger Jahre entsprochen. Profil wirft in diesem

Zusammenhang allerdings der Österreichischen Galerie vor, nur einen Bruchteil dieses

Preises bezahlt zu haben - für „Kardinal und Nonne“, eines der Hauptwerke Schieles,

beispielsweise 7 000.- Schillinge.

3. Zeitungsberichten zufolge scheint die Österreichische Galerie über die eingangs erwähnte

Auflage, daß die Bilder aus der Sammlung Rieger mit einem entsprechendem Hinweis

ausgestellt werden müßten, nicht informiert zu sein (siehe dazu etwa Profil vom 5. Jänner

1998). In einem Schreiben vom September 1997 an Dr. Philipp Rieger teilte die

Österreichische Galerie ebenfalls mit, daß aus den Akten und dem Briefwechsel Dr. Robert

Riegers mit der Österreichischen Galerie in keiner Weise hervorgehe, daß dieser dem Verkauf

nur unter der eingangs erwähnten Auflage zugestimmt habe. Profil berichtet in seiner

Ausgabe vom 12. Jänner 1 998 dazu folgendes: „Der letzte in der Verkaufsurkunde

festgehaltene Punkt,..., wurde am 8.1. 1951 mit Rotstift durchgekreuzt und von Garzarolli mit

dem Vermerk versehen: ‚Punkt 6 nach Telefonat mit Dr. Broda gestrichen‘.“

4. Unklar bleibt, weshalb die Österreichische Galerie zwei der Hauptwerke Schieles - 1954

das „Bildnis WaIly“ und 1957 „Kardinal und Nonne“- im Tausch gegen andere Kunstwerke

Rudolf Leopold überließ. Der Standard vom 9. Jänner 1998 berichtet von „politischem

Druck“, Profil schreibt in seiner Ausgabe vom 5. Jänner 1998 von Protesten „kirchlicher

Kreise“.

5. Fragen stellen sich auch was die Herkunft des „Bildnis Wally“ betrifft. Der

geschäftsführende Leiter und Sprecher der Sammlung Leopold, Klaus Albrecht Schröder,

spricht in diesem Zusammenhang von ‚,Informationslücken“‘ insbesondere in der Zeit von

1945 bis 1950, also vor dem Ankauf durch die Österreichischen Galerie (siehe dazu Profil

vom 12. Jänner 1998).

Österreich hat, im Sinne eines verantwortungsbewußten und sensiblen Umganges mit seiner

Vergangenheit, Interesse an einer Klärung der hier angesprochenen Fragen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Unterricht und

Kultur

nachstehende

Anfrage:

1. Stimmt es, daß die Österreichische Galerie im Jahr 1950 Rudolf Leopold gebeten hat,

auf ein Mitbieten um die von Dr. Rieger über die Kanzlei Broda zum Verkauf angebotenen

Bilder zu verzichten und ihm dafür einen späteren Tausch der Bilder in Aussicht gestellt hat?

Wenn ja, wie beurteilen sie diese Vorgangsweise der Österreichischen Galerie in dieser

Frage?

2. War diese Vorgangsweise politisch gedeckt, bzw. gab es dafür

eine Weisung aus dem zuständigen Ministerium?

3. Entsprachen die von der Österreichischen Galerie bezahlten Beträge für die Bilder aus

der Sammlung Heinrich Rieger dem damaligen Marktwert?

4. Enthielt der von der Österreichischen Galerie mit Dr. Rieger abgeschlossene Vertrag

einen Punkt 6, der besagt daß die Ausstellung der Bilder nur mit dem Hinweis „aus der

Sammlung Dr. Heinrich Rieger“ erfolgen darf? Stimmt es, daß dieser Vertragspunkt, wie von

Profil berichtet, lediglich handschriftlich gestrichen und mit einem handschriftlichen

Vermerk „Punkt 6 nach Telefonat mit Dr. Broda gestrichen“ versehen wurde?

Wenn ja, wieso teilte die Österreichische Galerie in ihrem Schreiben vom 21. September 1997

Dr. Philip Rieger mit, daß eine entsprechende Auflage den Akten und dem Briefwechsel Dr.

Robert Riegers nicht zu entnehmen sei?

5. Welche Gründe bewogen die Österreichische Galerie, das „Bildnis Wally“ und

„Kardinal und Nonne“ gegen andere Kunstwerke mit Rudolf Leopold zu tauschen?

6. Welche „kirchlichen Kreise“ (Profil vom 5. Jänner 1998) hatten gegen die Ausstellung

von „Kardinal und Nonne“ protestiert? Gibt es diesbezüglich Briefe oder schriftliche

Interventionen?

7. Hat es für den Tausch des Bildes „Kardinal und Nonne“ eine Weisung aus dem

damaligen Unterrichtsministerium gegeben?

8. Hat die Österreichische Galerie von sich aus versucht, die Besitzverhältnisse des

„Bildnis Wally“ in der Zeit vor dem Ankauf durch die Galerie, insbesondere in der Zeit von

1945 - 1950 zu klären? Wenn nein, warum nicht?

9. Beabsichtigen Sie, die im Zusammenhang mit der Beschlagnahme der Schiele Bilder in

New York aufgetretenen Fragen, insbesondere die Österreichische Galerie betreffend, von

unabhängigen Experten prüfen zu lassen?