3695/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Gredler, Partnerinnen und Partner
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Beitrag Österreichs zur Lösung der Kurden - Problematik
Das Problem der Kurden, die vor allem im Süden der Türkei, im Norden des Irak,
aber auch im Iran und in Syrien ohne ausreichenden Autonomiestatus leben, bleibt
bis auf weiteres auf der Tagesordnung der ungelösten internationalen Krisenherde.
Besonders die Beziehungen der Türkei zur EU bzw. deren möglicher künftiger
Beitritt hängen direkt mit der Menschenrechtslage in den Kurdengebieten
zusammen.
Die jüngsten Entwicklungen geben Anlaß zur Sorge und erfordern energische
Friedens- und Vermittlungsbemühungen der EU, aber auch von betroffenen
Mitgliedsländern. Die Türkei scheint seit Mai 1997 illegale Stützpunkte in den
Kurdengebieten des Irak zu unterhalten, die seit einigen Wochen im Zuge der Krise
um Saddam Hussein ausgebaut werden. Dadurch soll die PKK verstärkt bekämpft
werden. Zu diesem Zwecke dienen auch massive Bombardements und
Vertreibungen in den türkischen Kurdengebieten, weshalb die Anzahl der kurdischen
Flüchtlinge insgesamt schon nahe an drei Millionen Menschen herankommt. Für
1997 stellt die türkischen Menschenrechtsorganisation IHD fest, daß 114 Menschen
ohne ordentliches Gerichtsverfahren in Haft getötet wurden. Derzeit prüft das
türkische Staatssicherheitsgericht, ob Murat Bozlak, der Chef der Kurdenpartei
HADEP (der Nachfolgepartei, für die die seit 1994 in Haft befindliche Sacharow -
Preisträgerin Leyla Zana im Parlament saß), und sechs weitere Funktionäre wegen
Mitgliedschaft in der PKK vor Gericht gestellt werden. Auf der anderen Seite hat
auch die PKK von terroristischer Gewalt noch nicht eindeutig abgeschworen sich
nicht glaubhaft von ihren marxistisch - leninistischen Wurzeln gelöst und zu einer
demokratischen Organisation gewandelt.
All dies hat von November 1997 bis Januar 1998 zur in der EU Aufsehen errgenden
Flucht von (ohnehin nur) ca. 3500 Menschen per Schiff nach Italien geführt und
gezeigt, wie hilflos und manchmal unmenschlich manche Regierungen darauf
reagieren.
Im Nordirak wiederum stehen sich neben der PKK auch zwei weitere Kurdenparteien
(KDP und PUK) unversöhnlich gegenüber, was den Interessen der Kurden
keineswegs förderlich sein kann. Sie sind außerdem durch eine massive
Arabisierungspolitik Saddam Husseins bedroht. Die Folgen eines US - Militärschlages
und mögliche Vergeltungsschläge Husseins sind völlig unklar.
Vor diesem Hintergrund ist die auch in diesem Bereich inaktive Außenpolitik
Österreichs - besonders als Mitglied der EU - Troika - schädlich. Alle relevanten
Kurdenführer (Barzani, Talabani, Öcalan, vgl. Interviews in NEWS, 7198) betonen,
wie hilfreich eine Friedensvermittlung Österreichs und entsprechende EU -
Resolutionen wären und wie notwendig es in der derzeitigen Situation ist, daß
Europa seine Grenzen gegenüber kurdischen
Flüchtlingen nicht dicht macht. Doch
die einzige merkbare Initiative Außenminister Schüssels war sein Einsatz für einen
,,EU - Aktionsplan gegen illegale Einwanderung“ vom 27. Jänner 98 im Zuge der
Flüchtlingswelle nach Italien, wobei er sich sogar dafür einsetzte, daß allen
Flüchtlingen Fingerabdrücke abgenommen werden. Der Aktionsplan berücksichtigt
jedoch nicht die Tatsache, daß viele Flüchtlinge keine andere Wahl haben als
illegal nach Europa zu kommen, gerade wenn sie aus dem Irak stammen.
Nicht einmal beim kürzlichen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Mesut
Yilmaz in Wien haben Bundes - und Vizekanzler vernehmbar die Frage von
Autonomie und Menschenrechten in den Kurdengebieten angesprochen.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
ANFRAGE
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten:
1. Derzeit steht immer noch die Abhaltung einer ,,Europakonferenz“ mit den EU -
Staaten und der Türkei im Raum, Gibt es konkrete Pläne für eine Anberaumung
dieser Konferenz?
2. In welcher Form werden Sie bei dieser Konferenz, so sie stattfinden sollte, das
Kurdenproblem vorbringen?
3. Welche sonstigen Aktivitäten zur Lösung der Kurdenautonomie - Frage in der
Türkei, aber auch im Irak und Iran, sind seitens der EU in den nächsten 10
Monaten (also auch während Österreichs EU - Präsidentschaft) geplant bzw.
werden von Ihnen initiiert werden?
4. Soll aus Ihrer Sicht die Frage eines EU - Beitritts der Türkei mit der vollständigen
Einhaltung der Menschen - und Minderheitenrechte der Kurden in der Türkei
sowie deren politischer und kultureller Autonomie verknüpft werden? Wenn nein,
warum nicht?
5. Welche bilateralen Initiativen haben Sie im Laufe der letzten 12 Monate
gegenüber der Türkei gesetzt, um das Kurdenproblem zu lösen sowie die
Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen in dieser Region zu beenden?
6. Welche Informationen besitzen Sie über militärische Aktivitäten und Errichtung
von Stützpunkten der türkischen Armee in den türkischen Kurdengebieten und im
Nordirak bzw. über eventuelle terroristische Aktivitäten der PKK?
7. Haben Sie Informationen darüber, daß die türkische Regierung
Fluchtbewegungen von Kurden nach Europa fördert? Wenn ja, welche bilateralen
Maßnahmen ergreifen Sie dagegen?
8. Werden Sie in absehbarer Zeit eine Initiative zu einem Versöhnungsversuch
zwischen den verfeindeten Kurdenparteien im Irak starten?
9. Was unternehmen Sie gegen die fortschreitende Arabisierungspolitik Saddam
Husseins in den irakischen Kurdengebieten,
besonders rund um Kirkuk?
10.Welche Aktivitäten unternehmen Sie im Rahmen der GAS P, um einen Einsatz
von chemischen und biologischen Kampfstoffen durch Saddam Hussein in
Vergeltung eines US - amerikanischen Militärschlages zu verhindern?
11. Welche Auswirkungen hat Ihren Informationen nach das UN-Embargo gegen den
Irak auf die Kurden?
12.Werden Sie sich für die Abhaltung einer internationalen Konferenz zur Lösung
der Kurdenfrage, entweder unter Patronanz der UNO oder der EU oder der OSZE
einsetzen? Wenn nein, warum nicht?
13.Werden Sie sich in der Bundesregierung einserseits, auf Ebene der EU-
Außenminister andererseits dafür einsetzen, daß Kurden, die aus nachweislich
umkämpften Krisenregion in der Türkei oder dem Irak nach Österreich bzw. in die
EU kommen, grundsätzlich als Kriegsflüchtlinge, zumindest jedoch als
vorübergehend Vertriebene („de facto“ - Flüchtlinge analog zu den Bosniern)
anerkannt und nicht zurückgeschoben werden?
14.Sind Sie der Auffassung, daß im Rahmen der EURODAC - Initiative der EU allen
Flüchtlingen, die in der EU um Asyl ansuchen - auch wenn sie beispielsweise aus
dem Irak kommen -, Fingerabdrücke abgenommen werden sollten? Wenn ja,
warum?