3717/J XX.GP

 

der Abgeordneten Dipl. - Ing. Prinzhorn, Dipl. - Ing. Hofmann

und Kollegen

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend

Stranded Investments der E - Wirtschaft

In einer OTS Meldung vom 13. Februar wird seitens des Ministeriums für wirtschaftliche

Angelegenheiten bekanntgegeben, daß sich die vom Wirtschaftsministerium an die EU -

Kommission übermittelten Meldungen von ,,Stranded Costs“ der österreichischen

Elektrizitätsunternehmen auf maximal ATS 35,6 Mrd belaufen.

Diese sogenannten ,,stranded investments“ bzw. ,,stranded costs“ sind Altlasten, die nach der

Liberalisierung des Strommarktes aufgrund sinkender Preise nicht mehr verdient werden

können. Eine Liste dieser mittlerweile unrentablen Investitionen wurde am 19. Februar nach

Brüssel weitergegeben. Die E - Wirtschaft fordert eine Frist von zehn Jahren zur Abtragung

dieser Investitionen.

Ein Großteil der ,,stranded investments“ in Österreich entfällt auf den Verbund und stammt

aus unrentablen Kraftwerks anlagen und ungünstigen Langfristverträgen für Strombezug.

Allein das Donaukraftwerk Freudenau verursacht laut Verbund einen Betrag von ATS 15 - 16

Mrd. an nicht mehr verdienbaren Investitionen. Dazu kommt der teure Strombezugsvertrag

mit Ungarn, der auf das Bauvorhaben für das Kraftwerk Nagymaros zurückgeht und die

Verstmmung von Braunkohle im Verbund - Kraftwerk Voitsberg.

Die Hauptursache für ,,stranded investments“ sieht die E - Wirtschaft also in unrentablen

Kraftwerken, deren Bau im öffentlichen Interesse gelegen ist und in ungünstigen

Strombezugsverträgen. Die Kosten dieser ,,stranded investments“ sollen nach den

Vorstellungen der E - Wirtschaft von den Kunden getragen werden. Es wird dafür ein Zuschlag

zur Netzgebühr gefordert. Diskutiert wird aber auch eine Überwälzung der Kosten auf

Kunden, die ihren bisherigen Stromversorger verlassen, in Form sogenannter ,,switching

fees“.

Die Europäische Kommission legte bereits 1991 Richtlinienentwürfe für Elektrizität und Gas

vor, die gemeinsame Vorschriften für den Zugang zum Markt, Kriterien und Verfahren zur

Erteilung von Genehmigungen für die Elektrizitätserzeugung, Elektrizitätsübertragung

und/oder Elektrizitätsverteilung bzw. den Transport, die Speicherung und die Verteilung von

Erdgas sowie für den Betrieb von Verbundnetzen enthielten. Somit war für die heimische E -

Wirtschaft spätestens ab dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union klar, daß eine

Liberalisierung des europäischen und somit auch des österreichischen Strommarktes in

absehbarer Zeit erfolgen wird.

Im Entwurf des Elektrizitätswirtschafts - und - Organisationsgesetzes wird in § 47 (1)

folgendes normiert:

Die Ausführungsgesetze haben

ab 19. 2.1999 Endverbraucher, deren Verbrauch 40 GWh

2. ab 19.2.2000 Endverbraucher, deren Verbrauch 20 GWh

3. ab 19.2.2003 Endverbraucher, deren Verbrauch 9 GWh

im vorangegangenen Abrechnungsjahr überschritten hat, als zugelassene Kunden vorzusehen.

Der Verbrauch berechnet sich je Verbrauchsstätte und einschließlich der Eigenerzeugung.

Somit kann in den nächsten Jahren nur mit einer teilweisen Einschränkung der

Monopolstellung der österreichischen E - Wirtschaft gerechnet werden. Von einer gänzlichen

Liberalisierung und somit nicht mehr amortisierbaren Investitionen kann also keine Rede sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

Wer hat das öffentliche Interesse für den Bau der mittlerweile unrentablen Kraftwerke

formuliert? Gibt es dazu gesetzliche Grundlagen oder wurden Weisungen an die vorn

Bund entsandten Aufsichtsratsmitglieder des Verbundes erteilt?

2. Welches öffentliche Interesse stand hinter dem Strombezugsvertrag mit Ungarn und wie

wurde es seitens der Bundesregierung gegenüber der Verbundgesellschaft vertreten?

3. Fand die zu erwartende Liberalisierung des österreichischen Strommarktes nach dem EU -

Beitritt Eingang bei der Formulierung des öffentlichen Interesses in Hinblick auf neu zu

errichtende Kraftwerke?

4. Hat die Bundesregierung je verbindliche Vorgaben oder Richtlinien zum Ausbau der

Kraftwerke in Österreich erstellt und vorgelegt?

5. Wurden die investitionsentscheidungen zum Bau der mittlerweile ,,gestrandeten“

Kraftwerksprojekte von den einzelnen EVUs selbst getroffen?

6. Wie und in welcher Form wurde die Position der Bundesregierung zu der von den

österreichischen EVUs unter Federführung der Verbundgesellschaft periodisch erstellten

koordinierten Ausbauplanung formuliert?

7. Welche konkrete Informationen über Art und Ausmaß der Fehlinvestitionen umfaßt die

Liste der ,,stranded investments“?

8. Warum wurde die Liste der ,,stranded investments“, die am 13. Februar an die

Europäische Kommission weitergeleitet wurde, trotz einer entsprechenden Ankündigung

von Wirtschaftsminister Farnleitner im Wirtschaftsausschuß vorn 29. Jänner 1998 bis

heute nicht an die einzelnen Fraktionen weitergeleitet?

9. Welche konkrete Begründungen bzw. Ursachen werden seitens der Elektrizitätswirtschaft

geltend gemacht, damit einzelne Kraftwerke bzw. Verträge als „gestrandet“ aus der Sicht

der Elektrizitätswirtschaft anzusehen sind?

10. Ist es richtig, daß der Verbund den Bau des Kraftwerks Freudenau mit dem

Gesamtinvestitionsvolumen von rund ATS 15 Mrd. als ,,stranded investment“ geltend

macht? Wie hoch schätzen Sie den derzeitigen Wert des Kraftwerkes Freudenau ein?

Teilen Sie die Ansicht von namhaften Energiexperten, daß der tatsächliche Wert des

Kraftwerks Freudenau nur rund ATS 5 Mrd. beträgt?

11. Sind Sie der Ansicht, daß ,,stranded investments“ in der Höhe des

Gesamtinvestitionsvolumens geltend gemacht werden können?

12. Wenn seitens der Bundesregierung geplant ist, „Altlasten“ in Form sogenannter teurer

Wasserkraftwerke anzuerkennen, ist es dann nicht umgekehrt im Sinne der

Wettbewerbsgleichheit notwendig, die ökonomischen Renten, die sich aus den bereits

abgeschriebenen Wasserkraftwerken infolge der äußerst niedrigen Produktionskosten für

Elektrizität ergeben, fortan auf Dauer abzuschöpfen? Wenn nein, warum nicht?

13. Entsprechend dem vorliegenden Entwurf des Elektrizitätswirtschafts - und -

organisationsgesetzes kommt es bis zum Jahr 2003 nur zu einer teilweisen Liberalisierung

des österreichischen Strommarktes. Vor allem im Bereich der privaten Haushalte wird

noch wesentlich länger ein Versorgungsmonopol bestehen. Warum reichen diese langen

Übergangsfristen bis zu einer völligen Öffnung des Marktes nicht aus, um eine weitere

Amortisierung der ,,stranded investments“ zu ermöglichen?

14. Welche Maßnahmen planen Sie, um nicht im öffentlichen Interesse errichtete

Kraftwerksprojekte, die sich als Fehlinvestition erwiesen, von der Möglichkeit

auszuschließen, als ,,stranded investment“ geltend gemacht zu werden? Werden Sie

entsprechende Richtlinien vorgeben? Welchen Inhalt werden diese Richtlinien haben?

15. Wie ist es möglich, eine Liste der ,,stranded investments“ an die Europäische Kommission

weiterzuleiten, wenn in Österreich noch nicht einmal die Rahmenbedingungen für die

Liberalisierung des Strommarktes feststehen?

16. Wurden die Bundesregierung und die Öffentlichkeit durch die Elektrizitätswirtschaft, im

speziellen durch die Verbundgesellschaft,

- angesichts der Höhe der nunmehr angegebenen ,,stranded investments“ und

- angesichts der früheren Angaben der Verbundgesellschaft, wonach die Wasserkraft

besonders günstig sei

hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Ausbaues der Wasserkraft in Österreich falsch

informiert? Wenn ja, welche Rückwirkungen hat dies auf die Anerkennung der

aufgelisteten Wasserkraftwerke als ,,stranded investments“?

17. Handelt es sich bei dem Kraftwerksprojekt Lambach auch um ein ,,stranded investment“?

Wenn ja, warum sollen nun die Konsumenten über wahrscheinlich höhere Netzgebühren

oder über ,,switching fees“ ein Kraftwerksprojekt finanzieren, dessen Wirtschaftlichkeit

stets bezweifelt wurde? Warum wurde der Bau dieses Kraftwerkes begonnen, wenn

bereits vor dem EU - Beitritt Österreichs bekannt war, daß der Strommarkt iii Österreich

liberalisiert wird?

18. Sehen Sie in den Forderungen der E - Wirtschaft nach einem Zuschlag zur Netzgebühr

bzw. nach einem Einheben von ,,switching fees“ einen Versuch, weiterhin ihre

Monopolstellung aufrecht zu erhalten?

19. Welche Möglichkeiten bestehen von Seiten der Europäischen Kommission, sogenannte

,,stranded investments“ anzuerkennen?