3728/J XX.GP

 

der Abg. Ing. Reichhold, Koller, Wenitsch, Dr. Salzl

an den Bundeskanzler

betreffend „Brief nach Brüssel“ - Grenzlandförderung

Die Erstunterzeichnerin befragte den Bundesminister für Land -

und Forstwirtschaft im Landwirtschafts - Unterausschuß am 30.1.1998,

in welcher Art und Weise der Rat des EU-Kommissärs Dr. Fischler

vom 15.1.1998 von österreichischen Stellen befolgt worden sei.

Er mahnte die Agrarspitze zur Eile: „Die Vorschläge Österreichs,

die gute Ideen und fundierte Begründungen für eine EU - Unter

stützung enthalten sollten, müßten jedoch bereits bis Ende

Jänner in Brüssel sein." Er meinte, bei der EU - Kommission sei man

sich der besonderen Lage Österreichs mit der längsten EU - Ost -

Grenze bei einer Erweiterung der Gemeinschaft durchaus bewußt

und stellte eine „positive Stimmung für Österreich“ in bezug auf

mögliche „Spezifische Förderungen“ für das Grenzgebiet, die durch

die EU - Osterweiterung notwendig werden könnten, fest.

Obwohl der Bundesminister für Land - und Forstwirtschaft in

einer Presseaussendung 16.1.98 behauptete, die Akkordierung

der Bundesregierung sei bereits erfolgt.“ Innerhalb der öster -

reichischen Bundesregierung ist klar, daß für die Osterweiterung

der Europäischen Union ein Sonderprogramm für die Regionen dies -

seits der Grenze notwendig ist": Der österreichische Vorschlag

strebe eine Verbesserung der Lebensfaktoren dieser Regionen

mittels Förderung der Infrastruktur und Unterstützung von

Gemeinschaftsinitiativen zwischen Landwirtschaft und Gewerbe

oder Tourismus an, ist der Briefinhalt bis heute unbekannt.

Trotz dieser angeblichen Akkordierung war der Bundesminister

für Land - und Forstwirtschaft im Unterausschuß am Freitag, den

30.1.1998, also dem letztmöglichen Abgabetermin, nicht in der

Lage, die Abgeordneten über den tatsächlichen Wortlaut dieses

Schreibens zu informieren, da dieses vom Bundeskanzler und vom

Vizekanzler unterfertigt und abgeschickt worden sei.

Der Bundesminister für Land - und Forstwirtschaft versprach der

Erstunterzeichnerin, sich dafür einzusetzen, daß die beiden

leitenden Regierungsmitglieder die Mandatare über den Inhalt

dieses Schreibens informieren. Dies ist bis heute nicht gelungen.

Die FPÖ - Agrar - Abgeordneten erfuhren aus Presseagenturmeldungen,

daß der ohne Wissen des Nationalrates verfaßte und abgeschickte

„Brief nach Brüssel“ offenbar so dillettantischen Inhalts ist,

daß die für Regionalförderungen zuständige EU - Kommissärin

Wulf - Mathies Österreichs Forderungspaket sowohl im EU - Parlament

als auch gegenüber der Presse mit harten Worten abschmetterte.

In der Fragestunde vom 12.2.1993 ersuchte Bundesrat Weilharter

den Vizekanzler um Stellungnahme zu den Äußerungen der EU - Kommis -

särin Wulf - Mathies, die Installierung eines eigenen Sonderprogrammes

für die österreichischen Ostregionen zur Abfederung der EU - Ost -

erweiterung sei unrealistisch.

Der Vizekanzler behauptete: „So hat das die Kommissarin nicht

gesagt. Ich selbst habe mit ihr darüber gesprochen, und zwar

zwei Stunden lang. Sie sagt, daß es unrealistisch ist, ein

eigenes Zielgebiet zu verlangen. Das verlangen wir aber auch

nicht. Ich möchte betonen, es ist mir überhaupt nicht wichtig,

wie so etwas heißt“ In diesem plauderton geht es weitere 12

Sätze lang weiter. Konkrete Aussagen über den Inhalt des

„Briefes nach Brüssel" und die tatsächlichen Konsequenzen

wurden seitens des Vizekanzlers nicht gemacht.

Auf die Frage der Bundesrätin Riess - Passer, wie Österreich

seine Forderungen durchbringen wolle, wenn es nicht in der

EU - Verhandlungsgruppe zur Osterweiterung, der Task Force,

vertreten sei, sagte der Vizekanzler: „Alles, was in der

Zeitung steht, ist reine Kaffesudleserei und stimmt ganz

einfach nicht.“

Für Abgeordnete und Bundesräte der Opposition sind aber die

Medien immer noch bessere Informationsquellen als die

Befragung von Regierungsmitgliedern, die ihre eigene Uninfor -

miertheit offenbar durch Desinformation der Opposition zu

überspielen trachten.

In der Hoffnung, daß wenigstens der Bundeskanzler dieser

Reoublik noch den Durchblick beim Thema Grenzlandförderung hat

und auch bereit ist, Fragen von Oppositionabgeordneten wahr -

heitsgemäß zu beantworten, richten die unterzeichneten

Abgeordneten an den Herrn Bundeskanzler die nachstehende

Anfrage:

Warum wurde weder Nationalrat noch Bundesrat bisher über

den Inhalt des Briefes betreffend Grenzlandförderung unter -

richtet, den der Bundeskanzler und der Vizekanzler unter -

fertigt und den zuständigen EU - Gremien im Jänner übermittelt

haben ?

2. Wie ist der genaue Wortlaut dieses Schreibens ?

3. Wer war der genaue Adressat dieses Schreibens ?

4. Wann langte dieses Schreiben beim Adressaten ein ?

5. Wie lautet die bisher eingetroffene Antwort des/der Adressaten

auf dieses Schreiben (genauer Wortlaut‘ ?

6. Wie lautete die mündliche Stellungnahme der EU - Kommissärin

Wulf - Mathies zu den im Brief dargelegten Forderungen Öster -

reichs ?

7. Wann hat der Vizekanzler mit EU  - Kommissärin Wulf - Mathies

in dieser Angelegenheit persönlich verhandelt ?

8. Wie verliefen diese mündlichen Verhandlungen mit EU -

Kommissärin WuIf - Mathies laut Bericht des Vizekanzlers

an Sie bzw. den Ministerrat ?

9. Wie verliefen diese mündlichen Verhandlungen zwischen dem

Vizekanzler und der EU - Kommissärin Wulf - Mathies gemäß

anderen, Ihnen zugänglichen Berichten ?

10. Da der Bundesminister für Land -  und Forstwirtschaft am

30.1.98 trotz angeblicher Akkordierung der Bundesregierung

nicht in der Lage war, die Abgeordneten über den Inhalt

des Briefes von Bundeskanzler und Vizekanzler nach Brüssel

zu informieren:

a) Wann wurde der Ministerrat mit dem Thema "EU - Grenzlandför -

derung“ befaßt ?

b) Wann wurden die Regierungsmitglieder außer Bundeskanzler und

Vizekanzler über den Inhalt des „Briefes nach Brüssel“

informiert ?

11. Wie lautet Ihre Stellungnahme als Unterzeichner des Briefes

nach Brüssel zu den Äußerungen der EU - Kommissärin Wulf - Mathies,

die Installierung eines eigenen Sonderprogramms für die

österreichischen ostregionen zur Abfederung der EU - Ost -

regionen sei unrealistisch ?

12. Wie lautet Ihre Stellungnahme als Unterzeichner des Briefes

nach Brüssel zu den Äußerungen der EU - Kommissärin Wulf - Mathies

Österreichs ostregionen hätten vom EU - Beitritt bisher sehr

profitiert ?

13. Wie lautet Ihre Stellungnahme als verantwortliches Regie -

rungsmitglied zu der Tatsache, daß die bei der EU für

Österreich derzeit noch bereitliegenden Struktur -  und

Regionalförderungsmittel erst zu einem Bruchteil abgerufen

werden konnten ?

14. Weiche Maßnahmen werden Sie ergreifen, daß diese Mittel

tatsächlich in konkrete Projekte in Österreich fließen

können und nicht verfallen ?

15. Von wem stammte die Idee, die Städte Wien und Graz in die

Sonderprogramme des Briefs nach Brüssl  aufzunehmen und

damit zu riskieren, die gesamte österreichische Ostregion

aus der Kategorie „ländlicher Raum“ oder „benachteiligtes

Gebiet“ hinauszukatapultieren ?

16. Ist die Meldung, Österreich sei nicht in der sogenannten

Task - Force, also dem EU - Verhandlungsgremium über die Ost -

erweiterung, vertreten, tatsächlich nur „reine Kaffesud -

leserei“ (Worte des Vizekanzlers) oder entspricht die

Meldung den Tatsachen ?

17. Wer hätte nach Ihrer Auffassung österreichisches Mitglied

der Task Force werden sollen ?

18. Welche konkreten Vorschläge für österreichische Mitglieder

der Task - Force wurden ihnen

a) vom Vizekanzler,

b) von anderen Regierungsmitgliedern

unterbreitet ?

19. Was haben Sie unternommen, damit Österreicher/innen in

die Task - Force aufgenommen werden ?

20. Mit welchen Förderungsbeträgen für Österreichs ostregionen

haben Sie auf der Basis des Briefes nach Brüssel kalkuliert ?

21. Mit welchen Förderungsbeträgen aus welchen EU-Förderungs-

töpfen für Österreichs Ostregionen ist nun realistischer

weise zu rechnen ?

22. Nach welchen Kriterien werden die anspruchsberechtigten

a) Regionen,

b) Personen

nach den verbleibenden EU - Fördertöpfen bestimmt ?

23. Wird es für Österreichs Bauern m Grenzland in Zukunft

noch eigene Förderprogramme geben ?

a) Wenn ja: welche (Art und Umfang) ?

b) Wenn nein: welche nationalen Existenzsicherungsprogramme

wird es statt dessen in Zukunft geben (Art und Umfang) ?