3912/J XX.GP

 

der Abgeordneten Thomas Barmüller, Helmut Peter

und weitere Abgeordnete

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend Multilaterales Investitionsabkommen (MAI)

Um der Zunahme grenzüberschreitender Direktinvestitionen und den Forderungen nach

Abbau von lnvestitionsbeschränkungen und nichtkommerziellen lnvestitionsrisiken

mittels multilateral anerkannter und weitreichend gültiger Regelungen Rechnung zu

tragen, wird seit Mai 1995 auf Ebene der OECD - Staaten das Multilaterale Investitions -

abkommen (MAI) verhandelt. Intention der Verhandler ist es, mit diesem Abkommen

einen großen Teil der etwa 1200 bilateralen, 16 regionalen und 6 multilateralen

Investitionsabkommen zu ersetzen und 95% des Weltinvestitionsaufkommens vertrag -

lich abzudecken. Die Kernpunkte des MAI sind der Abbau bestehender Investitions -

beschränkungen, der lnvestitionsschutz und die Schaffung eines eigenen Streitbei -

legungsverfahrens.

Nach den Aussagen der Verhandler handelt es sich beim MAI um eines der wichtigsten

wirtschaftspolitischen Vorhaben der letzten Jahrzehnte, das in seiner wirtschaftlichen

und politischen Bedeutung mit GATT bzw. WTO vergleichbar ist. In seiner Entstehung

und der rechtlichen Konstruktion unterscheidet sich das MAI aber wesentlich vom WTO -

Abkommen. Anders als beim WTO - Abkommen nehmen an den Verhandlungen des MAI

nur OECD - Staaten teil. Nicht - OECD - Staaten, denen bei den Verhandlungen nur

Beobachterstatus eingeräumt wurde, wird nach Abschluß der Verhandlungen das

Abkommen zur Mitunterzeichnung angeboten. Während das WTO - Abkommen nur jene

Bereiche umfaßt, die ausdrücklich im Abkommen genannt wurden, ist das MAI einem

,,top - down - approach” folgend konzipiert. Das heißt, die Vereinbarung besitzt allgemeine

Gültigkeit. Ausnahmen und Schutzklauseln müssen explizit angeführt werden.

Diese Konzeption des Abkommens, der Ausschluß der Nicht - OECD - Staaten als

Teilnehmer der Verhandlungen, fehlende Untersuchungen über die Auswirkungen des

MAI, die mangelnde Transparenz des Verhandlungsprozesses und das dadurch

bedingte weitgehende Fehlen einer öffentlichen Debatten hat zu massiven Bedenken

betreffend die legislativrechtlichen, wirtschaftlichen, sozial -, umwelt -, regional - und

kulturpolitisch Effekte sowie bezüglich der Auswirkungen des MAI auf die Menschen -

rechte geführt.

Angesichts der Tragweite dieses Abkommens ist befremdend, daß das bei den

Verhandlungen federführende Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten

zwar anderen betroffene Ressorts, die Wirtschaftskammer Österreich, die Kammer für

Arbeiter und Angestellte sowie sonstige Arbeitgeber - und Arbeitnehmerverbände in die

Verhandlungen eingebunden hat, nicht jedoch das Parlament, als jenes Organ, das die

ausgehandelten Verträge nach einem positiven Abschluß der Verhandlungen ratifizieren

wird. Da die dafür politisch Verantwortlichen dem Anschein nach darauf bedacht sind,

das Abkommen und den Verhandlungsverlauf möglichst nicht an die Öffentlichkeit zu

tragen, hat in Österreich bisher keine öffentliche Debatte der Auswirkungen des MAI

stattgefunden. Dies wäre um so dringender notwendig, als sich die Verhandlungen über

das MAI offenbar bis zur nächsten OECD - Tagung Ende April in einer “heißen Phase”

befinden, bei denen die strittigen Punkte überwunden werden sollen, wodurch

möglicherweise das Abkommen während der EU - Präsidentschaft Österreichs paraphiert

werden wird.

Aus den angeführten Gründen richten die unterzeichneten Abgeordneten an den

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgende schriftliche

Anfrage:

1. Aus welchem Grund wurde das Parlament seit 1995 nicht über den Verlauf der

Verhandlungen zum MAI informiert?

2. Werden Sie das Parlament künftig - bis zum Abschluß der Verhandlungen

informieren? Wenn nein, warum nicht?

3. Wie setzt sich das internationale Schiedsgericht, das als Streitbeilegungs -

mechanismus vorgesehen ist, zusammen?

4. Wird dieses Schiedsgericht die letzte Instanz sein, die von den Streitparteien

angerufen werden kann, oder bestehen Berufungsmöglichkeiten, etwa bei

nationalen Gerichten oder beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag?

5. Wie sind “Investitionen”, die von dem MAI umfaßt sein sollen, definiert?

6. Was ist jedenfalls nicht als Investition im Sinne des MAI anzusehen, was

gemeinhin als Investition verstanden werden könnte?

7. Ab welcher finanziellen Größenordnung sollen Investitionen unter das MAI

fallen?

8. Welche Folgen würde das MAI in der Fassung des derzeitigen Verhandlungs -

textes auf die österreichische Bundesgesetzgebung, die Gesetzgebung der

Länder und den Vollzug österreichischer Gesetze, insbesondere in den

Bereichen Sozial -, Umwelt -, Regional -, Finanz -, Wirtschafts -, Verkehrs - und

Kulturpolitik haben?

9. Sieht die derzeitige Fassung des MAI irgendeine Bestimmung vor, die es

ermöglicht, eine eigenständige Umwelt - und Arbeitnehmerschutzpolitik der

Mitgliedsländer zu unterlaufen, zu konterkarieren oder zu beeinflussen?

10. Wird das MAI im Rahmen allgemeiner Wettbewerbskriterien für den

Wirtschaftsstandort Österreich einen Einfluß auf die Arbeitnehmerschutz -,

Sozial - oder Umweltpolitik haben?

11. Wie lautet nach derzeitigem Stand die vorgesehene Bestimmung, die ein

Verbot der Absenkung von Umwelt - und Sozialstandards vorsieht? Ist gewähr -

leistet, daß dieses Verbot rechtlich verbindlich gestaltet wird?

12. Was ist unter den im MAI vorgesehenen “generellen Ausnahmebestimmungen”,

die Regierungen vorsehen können, zu verstehen? Wie sind die damit offenbar

gemeinten “Maßnahmen im Namen des nationalen Interesses” definiert?

13. Gibt es Bereiche, zu denen Regierungen keine länderspezifischen Ausnahme -

regelungen definieren können?

14. Ist es möglich, nach dem Beitritt zu dem Abkommen einseitig weitere

Ausnahmebestimmungen zu definieren, wenn sich die Verhältnisse gegenüber

dem Beitrittszeitpunkt grundlegend gewandelt haben, etwa für den Fall der

Entwicklung neuer, also heute noch nicht absehbarer Technologien?

15. Werden Produkthaftungsstandards definiert, auf die sich gegebenenfalls

Konsumenten berufen können?

16. Werden Umwelt -  oder Sozialstandards definiert, auf die sich gegebenenfalls

auch einzelne Personen berufen können?

17. Werden Produkthaftungs -, Umweltschutz oder Sozialstandards definiert, auf die

sich im Zuge eines nationalen Gesetzgebungsverfahrens Regierungen berufen

können?

18. Im Rahmen der EU wurde im November 1997 eine Richtlinie über den

rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen verabschiedet, die unter

bestimmten Bedingungen vorsieht, daß Gene oder andere Bestandteile von

Lebewesen patentiert werden können. Hat das MAI auch für Investitionen im

Zusammenhang mit geistigen Leistungen Gültigkeit?

19. In welchem Ausmaß sollen geistige Eigentumsrechte sowie Kulturgüter und

Kulturindustrien vom MAI umfaßt sein?

20. Sollen durch das MAI bindend die Erlassung oder Vollziehung von Gesetzen

verboten werden, in denen Sanktionen gegen Unternehmen, die in bestimmten

Drittstaaten investieren (vgl. Helms - Burton - Act und D‘Amato - Act in den USA),

verhängt werden können? Wie ist Ihre Haltung zu dieser Frage?

21. Sollen durch das MAI Sanktionen gegen Investitionen in unrechtmäßig

enteignete Vermögenswerte verhängt werden können? Wie ist Ihre Haltung zu

dieser Frage?

22. Welche Vertreter haben für die Republik Österreich an den Verhandlungen des

MAI teilgenommen welche Berater sind im Zuge der Verhandlungen hinzuge -

zogen worden und welche Institutionen wurden eingebunden?

23. Wie lautete der Verhandlungsauftrag für die österreichischen Verhandlungs -

teilnehmer und welche Position vertritt Österreich in den Verhandlungen?

24. Welche Weisungen haben Sie im Zusammenhang mit dem Verhandlungs -

auftrag, der Verhandlungsführung und der Informationsweitergabe zu Beginn

und im Laufe der Verhandlungen gegeben?

25. Welche Position vertritt Österreich in den Verhandlungen

a) in Fragen der Aufrechterhaltung von arbeitsrechtlichen und sozialen

Mindestandards?

b) in Fragen der Aufrechterhaltung, gesamteuropäischen und

einzelstaatlichen Weiterentwicklung von Umweltstandards?

in der Frage der Vermeidung von Öko - Dumping durch Gewährung

besonders günstiger, jedoch ressourcenvernichtender Bedingungen

durch Staaten an investierende Unternehmen?

d) zur Ausgestaltung des Streitbeilegungsmechanismus?

26. Welche der unter 25 a - d vertretenen Positionen wurden wann schriftlich im Zuge

der bald 3 Jahre dauernden Verhandlungen eingebracht?

27. Welche länderspezifischen Ausnahmebestimmungen hat Österreich bisher

a) in Fragen des Umweltschutzes

b) in Fragen des Arbeitnehmerschutzes

c) in Fragen der Auflagenerteilung aus nationaler Prioritätensetzung (z.B.

nachhaltige Nutzung)

herausverhandelt bzw. welche Bestimmungen möchte Österreich noch durch -

setzen?

28. Welche spezifischen Positionen vertreten die wichtigsten OECD - Staaten USA,

Kanada, Australien, Japan, Frankreich, Großbritannien und Deutschland in

Fragen 25 a - d und 27 a - c? An welchen Fragen könnte der Abschluß des MAI,

nach Einschätzung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten,

scheitern?

29. In welcher Form werden Nicht - QECD - Staaten und Entwicklungsländer, die dem

MAI später beitreten können und sollen, in die Verhandlungen einbezogen?

30. Welche Möglichkeiten und welche Chancen haben Nicht - OECD - Staaten und

Entwicklungsländer nach Abschluß der Verhandlungen Bestimmungen die ihnen

zum Nachteil gereichen, zu verändern?