4318/J XX.GP
der Abgeordneten Kier, Partnerinnen und Partner
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Abschiebung von Ausländern in Staaten, in welchen ihnen Verfolgung
droht
Innenminister Karl Schlögl betont bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auch in
parlamentarischen Anfragebeantwortungen (vgl z.B. 3536/AB, XX.GP), daß alle
Asylanträge immer gründlich und individuell überprüft werden und auch die
Fremdenpolizeibehörden verpflichtet seien, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob gemäß
§ 57 Fremdengesetz eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von
Ausländern in einen Staat unzulässig ist, weil stichhaltige Gründe für die Annahme
bestehen, daß sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe
oder der Todesstrafe unterworfen zu werden bzw. daß dort ihr Leben oder ihre
Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre.
Flüchtlingshilfsorganisationen, aber auch die unterzeichneten Abgeordneten haben
immer wieder Fälle aufgegriffen, die zeigen, daß die zuständigen Behörden in dieser
so hochsensiblen Materie nicht immer die notwendige Sorgfalt walten lassen,
sondern Menschen einem lebensbedrohenden Schicksal aussetzen, insbesondere
dadurch, daß sie die Gefährdungspotentiale in den Herkunftsländern falsch
einschätzen.
Nun wurde diese Kritik sogar durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes
(B 266/97 - 12 vom 27.11.1997), mit dem ein Abschiebungsbescheid gegen eine
somalische Staatsangehörige aufgehoben wurde, die gegen ihre Abschiebung vor
dem VfGH eine Beschwerde eingelegt hatte, bestätigt. Die Bundespolizeidirektion
Wien hatte mit Bescheid vom 12.8.1996 festgestellt, daß die Beschwerdeführerin in
Somalia im Sinne des § 37 FrG nicht bedroht sei. Dem hielt der VfGH in seiner
Begründung, mit der er der Somalierin im Ergebnis recht gab, folgendes entgegen:
„Der belangten Behörde ist bei Erlassung des angefochtenen Bescheides insofern
ein grober Verfahrensfehler unterlaufen, als sie ihre Entscheidung (...)
ausschließlich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin stützte. Sie hat es jedoch
unterlassen, sich mit der allgemeinen und menschenrechtlichen Lage in Somalia
auseinander - zusetzen oder ihrer Entscheidung geeignete Erkenntnisquellen
zugrunde zu legen, um beurteilen zu können, ob die Beschwerdeführerin bei einer
Abschiebung nach Somalia konkret Gefahr liefe, dort (...) bedroht zu sein.
Ungeachtet dessen, daß das Vorliegen solcher konkreter Gefahren für jeden
einzelnen Fremden für sich zu prüfen ist, ist für diese Beurteilung nämlich nicht
unmaßgeblich, ob bislang gehäufte Verstöße der umschriebenen Art gegen Art. 3
EMRK (...) durch den genannten Staat bekannt geworden sind. Solche Gefahren hat
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (...) hinsichtlich Somalia mit Bezug
auf den hier maßgeblichen Zeitraum
jedoch festgestellt (...)„
In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
ANFRAGE
an den Bundesminister für Inneres:
1. Wie lassen sich Ihre Beteuerungen, daß die Fremdenpolizeibehörden das
Refoulement - Verbot dem Fremdengesetz entsprechend überprüfen, mit dem hier
zitierten VfGH - Erkenntnis in Einklang bringen?
2. Ist davon auszugehen, daß die betroffene Somalierin eine Aufenthaltserlaubnis
erhält? Wenn nein, warum nicht?
3. Wie viele Bescheide, mit denen eine Abschiebung bzw. die Zulässigkeit einer
Abschiebung gegen Somalierinnen und Somalier verfügt wurde, sind nach dem
zitierten VfGH - Erkenntnis aufzuheben?
4. Wie viele Abschiebungen von Somalierinnen und Somaliern in ihr Heimatland
sind in den Jahren 1995 - 1998 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren) erfolgt?
5. Nach welchen Kriterien haben bisher die Fremdenpolizeibehörden über
Abschiebungen in Hinblick auf die Gefährdungslage in den Herkunftsländern der
betroffenen Fremden entschieden?
6. Werden Sie dem Bundesasylamt einerseits, den Fremdenpolizeibehörden (die
über Abschiebungen - in Nicht - Asyl - Fällen - zu entscheiden haben) andererseits
gemäß dem VfGH-Erkenntnis die Weisung erteilen, ihre Entscheidungen nicht nur
auf das Vorbringen der Ausländer zu stützen, sondern sich auch mit der
allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Lage in dem Herkunftsland
oder auch dem Drittstaat, aus dem sie eingereist sind, auseinanderzusetzen?
Wenn nein, warum nicht?
7. Existiert bei den für Ausländerangelegenheiten zuständigen Behörden eine
Länderdokumentation, aus der die jeweilige politische und menschenrechtliche
Lage aller Staaten dieser Welt ersichtlich ist? Wenn ja, mit welchen Informationen
wird diese gespeist? Wenn nein, warum nicht?
8. Aus welchem Grund wurde die vom VfGH eingemahnte Vorgangsweise bisher
offensichtlich nicht generell angewendet?
9. Welche Ausbildung besitzen die Fremdenpolizeibehörden um über das
Refoulement - Verbot gemäß FrG zu entscheiden? Welche
Fortbildungsmaßnahmen werden in diesem Bereich gesetzt?