4423/J XX.GP
der Abgeordneten DipI. - Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Herbert Haupt
und Kollegen
an den Bundesminister für Äußeres
betreffend die mögliche Einbeziehung des ehemaligen militärischen US —
Geheimdienstes CIC in das von der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land
eingeleitete Verfahren hinsichtlich der Auflösung des Vereines „Dichter -
stein Offenhausen“
In dem von der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land eingeleiteten Verfahren zur
Auflösung des Vereines ..Dichterstein Offenhausen' gem. § 24 Vereinsgesetz wegen
Überschreitung des Vereinszweckes wurde von der genannten Behörde der am 5. April 1911
geborene und nach Wien zuständig gewesene Robert Verbelen involviert.
Die genannten Abgeordneten befinden sich im Besitze eines ,,Dienstzettels des
Bundesministeriums für Inneres vom 20. April 1998 und legen diesen auszugsweise, soweit er
den genannten Verbelen betrifft, dieser schriftlichen Anfrage bei.
Bundesministerium für Inneres
Abteilung II/7
Sachbearbeiter:
RegRat SCHLEIFER. Kl. 3449
ADir. GLATTAUER, Kl. 3797
Dienstzettel
An die
Abteilung II/15
im Hause
Betreff: Verein „Dichterstein Offenhausen“;
hier: offiziell verwertbare Erkenntnisse zu
a.) WINDISCH Konrad, geb. 21.8.1932,
b.) VERBELEN Robert Jan, geb. 5.4.1911 und
c.) den vom Verein „Dichterstein Offenhausen“
herausgegebenen Medienwerken.
Zu b.)
Nach Absolvierung der Volks - und Mittelschule studierte Robert Jan VERBELEN,
geb. 05.04.1911, zwei Jahre an einer Universität in Belgien. Er war bereits mit 16
Jahren in der „Flämischen Bewegung“ tätig. Diese Vereinigung hatte den Zweck, das
flämische Volk in seiner Eigenart zu erhalten und gegen die franskiljonistischen
Bestrebungen der belgischen Machthaber zu schützen, die auch dem
niederdeutschen Teil Belgiens ein französisches Gepräge geben wollten. Später war
VERBELEN Mitglied der Führung der „Nationalen Partei Flanderns“ und der
"Deutsch - Flämischen Arbeitsgemeinschaft“.
Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges meldete sich VERBELEN zur Deutschen
Wehrmacht und kam mit den „Germanischen Freiwilligen“ in die Waffen - SS - Brigade
„Brabant und Limburg“. Hernach wurde er Stabsleiter der Deutsch - Flämischen
Arbeitsgemeinschaft „De Vlag“ und schließlich Führer des ,‚Sicherheitskorps -
Flandern“. Dieses Korps hatte die Aufgabe, gegen die in Belgien tätigen Partisanen
vorzugehen.
1945, bei Kriegsende befand sich VERBELEN in der Nähe von Zell am See. Hier
kam er mit den Amerikanern in Verbindung. Er wurde nicht ausgeliefert, sondern
wurde deren Berater und Dolmetscher.
1947 wurde VERBELEN in den amerikanischen Geheimdienst CIC aufgenommen.
Den Amerikanern war wahrscheinlich bekannt, daß VERBELEN Angehöriger der
Waffen - SS war.
Bis zum Ende der Besatzungszeit im Jahr 1955 verblieb VERBELEN in den Diensten‘
der CIC.
VERBELEN lebte unter falschem Namen und war ohne Papiere.
Er versuchte auf reguläre Art und Weise in Deutschland eingebürgert oder in
Österreich weiterhin mit falschen Papieren leben zu können.
1957 wurde in Wien eine verstärkte ND - Tätigkeit fremder Staaten wahrgenommen.
Die BPD Wien schritt ein und nahm einige Verhaftungen vor. Es wurde
umfangreiches Nachrichtenmaterial gesichtet,
wobei man auf VERBELEN stieß. Er
war nach dem vorhandenen Material zweifellos einer der ND - Leute, die in Österreich
eingesetzt waren.
Robert Jan VERBELEN wurde am 02.06.1959 vom Amt der Wiener Landesregierung
die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Er hielt sich zu dieser Zeit bereits
14 Jahre in Österreich auf, lebte seit Jahren mit einer Österreicherin in
Lebensgemeinschaft, aus der zwei Kinder entstammen. Er galt bis zu diesem
Zeitpunkt als unbedenklich.
Im April 1962 hat die belgische Regierung ein Auslieferungsbegehren betreffend
Robert Jan VERBELEN gestellt. Dadurch wurde bekannt, daß dieser mit Urteil des
Ständigen Kriegsrates der Provinz Brabant vom 14.10.1947 wegen Mordes in
Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war.
Aufgrund dieses Sachverhaltes hat das Amt der Wiener Landesregierung (MA 61)
das Staatsbürgerschaftsverfahren wieder aufgenommen und mit Bescheid vom
18.05.1962 das Ansuchen des Robert Jan VERBELEN um Verleihung der
österreichischen Staatsbürgerschaft abgelehnt.
Dieser Bescheid wurde nach Beschwerde des Robert Jan VERBELEN mit
Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.12.1962 aufgehoben.
Am 29.11.1965 wurde gegen VERBELEN Anklage wegen Mitschuld, Teilnahme und
Bestellung zum Mord erhoben (ausgelöst durch das Auslieferungsbegehren der
belgischen Regierung). Von dieser Anklage wurde er am 21.12.1965 freigesprochen,
da ihm von den Geschworenen unwiderstehlicher Zwang (Befehlsnotstand)
zugebilligt worden ist. Dieses Urteil ist nicht in Rechtskraft erwachsen, da der OGH
mit Urteil vom 11.05.1967 der von der Staatsanwaltschaft Wien erhobenen
Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge gegeben und die Causa zur neuerlichen
Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht zurückverwiesen hat;
von diesem wurde das Verfahren am 19.06.1978 gem. § 227/1. StPC (Rücktritt des
Anklägers von der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung) eingestellt.
Robert Jan VERBELEN befand sich im Zusammenhang mit diesem Verfahren vom
12.04.1962 bis 21.12.1965 in
Untersuchungshaft.
Als Autor von diversen einschlägige Büchern und ehemaliger SS - Angehöriger war er
ein begehrter Zeitzeuge bei rechtsextremen Organisationen in Österreich, wo er über
deren Einladung revisionistische und die NS - Zeit glorifizierende Vorträge hielt.
VERBELEN ist am 28.08.1990 verstorben.
Wien, am 20. April 1998
MinRat Dr. BERTL
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Äußeres
nachfolgende
Anfrage:
1.) Ist es üblich, daß Mitarbeiter der Nachrichtendienste befreundeter Staaten samt deren
Lebensgeschichte von den Polizeibehörden der Öffentlichkeit bekanntgegeben wer -
den?
2.) Wie beurteilen Sie - unter dem Blickwinkel der bisherigen freundschaftlichen Bezie -
hungen zu den Vereinigten Staaten - den Umstand, daß der einzige Verbelen bela -
stende Punkt, den die Abteilung II/7 der Gruppe II/C der Sektion II im Bundes -
ministerium für Inneres im angeführten Dienstzettel vom 20. April 1998 vorge -
bracht hat, offensichtlich in Verbelens Tätigkeit für den ehemaligen amerikanischen
militärischen Geheimdienst CIC besteht?
3.) Könnten sich dadurch Probleme diplomatischer oder sonstiger Art ergeben? -
Wenn ja, welche?