4488/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Dipl. - Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Herbert Haupt
und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend einige merkwürdige Ungereimtheiten in der Begründung im
Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land zu Sich01-111-1998 -
PE/ZE; Sich-8009/1963 vom 24.April.1998 hinsichtlich des flämischen
Schriftsteller Robert Verbelen.
Die Tagungen des Vereins “Dichterstein Offenhausen” wurden 34 Jahre lang von der
politischen Behörde beobachtet. Dennoch hat die Bezirkshauptmannschaft Wels - Land im
oben angeführten Bescheid unter anderem deswegen vermeint, die Veranstaltung des Vereines
“Dichterstein Offenhausen”, die Ende April 1998 zum 35 Mal stattgefunden hätte, untersagen
zu müssen, weil dort unter anderem auch das schriftstellerische Wirken des vor acht Jahren
verstorbenen Robert Verbelen, dessen Bücher im Hörfunk des Österreichischen Rundfunk
seinerzeit wohlwollendste Aufnahme fanden, gewürdigt hätte werden sollen.
Hinsichtlich des 1990 verstorbenen und nach Wien zuständig gewesenen österr.
Staatsbürgers, Robert Verbelen, wird im genannten Bescheid auf Seite 6 angeführt, daß
Verbelen
• “mit Urteil des Ständigen Kriegsrates der Provinz Brabant am /4. Oktober 1947 in
Abwesenheit wegen Mordes zum Tode verurteilt”
worden sei
"zahlreiche einschlägige Bücher und Beiträge verfaßt”
habe, und schließlich auch noch
"revisionistische und die NS - Zeit glorifizierende Vorträge”
gehalten haben soll.
Unter den gegebenen Umständen”‘ so schlußfolgerte der zuständige Sachbearbeiter auf
Seite 7 des genannten Bescheids, erscheine darüber hinaus
"die Annahme begründet, daß allein schon Ehrungen dieser “ einschlägig verdienten"
Persönlichkeit eine “als dem Wiederbetätigungsverbot des § 2 VerbotsG zuwider -
laufende” Handlungen zu werten” seien, “die von vornherein in keinem Statut eines
Vereins nach österreichischem Recht eine Deckung finden können.
Endlich, so die - inzwischen vom Verein “Dichterstein Offenhausen” - belangte Behör -
de, erscheine
‚,vor dem Hintergrund der oben angeführten Judikatur zum 'komplexen Handeln‘ das
35. Treffen der Schriftsteller und des Freundeskreises in seiner Gesamtheit von der
hier
vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung umfaßt."
Während eines Zeitraumes von 35(!) Jahren nahezu einem halben Menschenalter -
haben der Verein, sein Vorstand und seine Mitglieder der Behörde nicht den geringsten Anlaß
geboten, gegen sie mit behördlichen Maßnahmen vorzugehen, wie der seinerzeitge Bundes -
kanzler, Dr. Franz Vranitzky, noch 1993 zugestehen mußte.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres
nachfolgende
Anfrage:
1.) Ist der “Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant” ein ordentliches Gericht, im Sinne
der österreichischen Rechtsordnung? -
Wenn ja, wann wurde das Urteil von den österreichischen Behörden vollzogen? -
Wenn nein, wurden die vom “Ständigen Kriegsrat der Provinz Brabant”‘ von allen
sonstigen “Ständigen Kriegsräten” oder aber auch die vom ‚,Internationalen Mili -
tärtribunal” in Nürnberg ausgesprochenen ‚,Urteile" je von den Behörden der Re -
publik Österreich anerkannt und vollzogen?
2.) War der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land bekannt oder hätte es ihr bekannt sein
müssen, daß der österreichische Staatsbürger, Robert Verbelen, am 21. Dezember
1965 von einem österreichischen Geschworenengericht vom Vorwurf der “Mit -
schuld, der Teilnahme und der Bestellung zum Mord” im Zuge der Bekämpfung der
Frankiteurs in Belgien während des Zweiten Weltkrieges freigesprochen wurde? -
Wenn ja, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
3.) War der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land bekannt oder hätte es ihr bekannt sein
müssen, daß die StA Wien zwar gegen diesen Freispruch Nichtigkeitsbeschwerde
erhoben hatte (der der OGH teilweise Folge gab und den Fall neuerlich zur Verhand -
lung und Entscheidung an das Geschworenengericht zurückverwies), der Staatsan -
walt jedoch am 19. Juni 1978 gern. § 227(1) StPO von der Anklage zurücktrat? -
Wenn ja, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
4.) Gibt es eine ständige Übung in der Verwaltung, wonach Staatsbürger, die von einem
österreichischen Gericht von einem bestimmten Vorwurf freigesprochen wurden,
selbst acht Jahre nach ihrem Tode nicht wegen ihrer literarischen Tätigkeit von
Vereinen oder sonstigen Rechts - aber auch natürlichen Personen grundsätzlich
geehrt werden dürfen und ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte sohin über den Tod
hinaus aberkannt werden? -
Wenn ja, welche Vereine wurden dafür bisher aufgelöst, aus welchen Gründen
erfolgte diese Auflösung, wie viele Personen wurden deswegen von den Bezirksver -
waltungsbehörden
in Österreich den ordentlichen Gerichten zur Anzeige gebracht
oder mit Verwaltungsstrafen belegt und auf Grund welcher Rechtsgrundlage erfolg -
ten diese Maßnahmen? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
5.) Sind die vom flämischen Schriftsteller, Robert Verbelen, verfaßten Bücher im Sinne
der von der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land herangezogenen Begründung “ein -
schlägig" und war diese ,,Einschlägigkeit” jemals im Sinne der österreichischen
Rechtsordnung erheblich? -
Wenn ja, in welcher Weise äußerte sich diese “Einschlägigkeit”? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
6.) Wie viele Bücher und Beiträge, die Robert Verbelen je verfaßt hat, kamen der
Behörde zur Kenntnis, so daß sie nach kritischer Beurteilung des Inhaltes dieser
Bücher und Beiträge zu ihrer im Bescheid angeführten Begründung gelangen konn -
te?
7.) Wie lauten die Titel und die Inhalte der Bücher und Beiträge, der die Behörde die
entsprechende ,‚Einschlägigkeit" beimißt?
8.) Wurden jemals gegen ein von Verbelen verfaßtes Buch staatsanwaltliche oder
sonstige behördliche Ermittlungen eingeleitet? -
Wenn ja, gegen welche Bücher und Beiträge wurde zu seinen Lebzeiten ermittelt,
welche Bücher und Beiträge wurden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, um
welche inkriminierten Stellen handelte es sich dabei, wurden die Anzeigen
zurückgelegt oder weiterverfolgt und zutreffendenfalls, welche Bücher wurden
beschlagnahmt, gegen welche Bücher wurde urteilsmäßig nach welchen
Gesetzesstellen erkannt und wurde die Behörde von Amts wegen oder auf Grund
von Anzeigen tätig und wie lauteten die Namen der Anzeiger? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
9.) Wäre angesichts des Umstandes, daß der österreichischen Rechtsordnung die Zensur
fremd ist und daher auch kein amtlicher Index, etwa im "Amtsblatt zur Wiener
Zeitung”, erscheint, der dem Leser verbotene Bücher gehörig kundmacht, ein
Nichtwissen möglicher diesbezüglicher Verfehlungen Verbelens dem Verein und
dem Vereinsvorstand zurechenbar gewesen, so daß die Behörde zu Recht hätte
davon ausgehen dürfen, daß nur etwaige, den Boden der österreichischen Rechtsord -
nung verlassende, Abschnitte Grundlage für die Würdigung sein würden? -
Wenn ja, wie lautet die gesetzliche Grundlage dieser Zurechenbarkeit ? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
10.) Was versteht die österreichische Rechtsordnung unter “revisionistischen" Vorträ -
gen?
11.) Hat Verbelen überhaupt jemals Vorträge “revisionistischen" Inhalts gehalten, die
im Sinne
der österreichischen Rechtsordnung strafbar waren? -
Wenn ja, wieviel ,,revisionistische" Vorträge sind der Behörde bekanntgeworden,
wann, wo und vor welchem Publikum wurden sie gehalten, wurde Verbelen jemals
dafür angezeigt, erhielt er dafür jemals eine Verwaltungsstrafe, gegebenenfalls auf
Grund welcher rechtlichen Grundlage, wie oft und von welchen Verwaltungsbe -
hörden, oder wurde er gar gerichtlich deswegen belangt und verurteilt, zutreffenden -
falls wie oft, von welchem Gericht, nach welcher Gesetzesstelle, mit Strafausmaß in
welcher Höhe? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
12.) Hat Robert Verbelen jemals die ,‚NS - Zeit glorifizierende Vorträge” gehalten? -
Wenn ja, wie oft, wann, wo und bei welchem Anlaß wurden diese Vorträge
gehalten, wie lautete ihr Titel, was war der Inhalt, wie lauten die inkriminierten
Stellen, wurden diese Vorträge angezeigt oder ermittelte die Behörde von Amts
wegen, wurden Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, wieviel und bei welcher
Behörde, wurden Straferkenntnisse ausgesprochen, zutreffendenfalls nach welcher
Gesetzesstelle oder wurden Einstellungen verfügt, wurde schließlich die Anklage
vor den ordentlichen Strafgerichten erhoben und zutreffendenfalls, bei welchen
Gerichten war dies, wurden die Verfahren mit Urteilen beendet und gegebenenfalls,
nach welcher Gesetzesstelle erfolgte die Verurteilung und welche Höhe hatte das
Strafmaß? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
13.) Wie erklären Sie den Umstand, daß - obwohl die Tagungen des Vereins “Dichter -
Stein Offenhausen” während 34 Jahren regelmäßig von der Abteilung 1 der SD für
Oberösterreich beobachtet wurden und es dabei zu keinerlei Beanstandungen hin -
sichtlich des Vereines “Dichterstein Offenhausen” kam und daher die Wahrschein -
lichkeit auch und gerade im Sinne des “komplexen Handelns” dafür gesprochen
hätte, daß dies auch im 35. Jahr seines Bestehens so bleiben werde - die
Bezirkshauptmannschaft Wels - Land - ohne erkennbaren sachlichen Anlaß und ohne
zumindest dahingehend Erkundigungen gem. § 39 (2) i.V.m. § 37 AVG angestellt
oder den Verein bzw. seinen Vorstand gem. § 37 AVG befragt zu haben, welcher
Art die Ehrung des Schriftstellers Robert Verbelen sein werde, und obwohl die Be -
zirksverwaltungsbehörde wußte oder wissen mußte, daß die zuständige Abteilung 1
der SD für OÖ beim Hauch einer strafbaren Handlung die Veranstaltung jederzeit
unter - oder sogar ganz abgebrochen hätte - die Behörde nichtsdestotrotz gleichsam
in einer überstürzten “Nacht - und Nebelaktion” dem geschäftsführenden Obmann
des Vereins am Samstag, den 25. April 1998, den diesbezüglichen Bescheid durch
Eilboten zustellen ließ, im Lichte des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung nach Art 18 B-VG?