4514/J XX.GP

 

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde

an den Bundeskanzler

betreffend Truppenübungsplatz Allentsteig; Plattform SOS -Waldviertel; wird das

Waldviertel ein Militärviertel?

“Der “Führer”.... will einen Truppenübungsplatz, ausgerechnet rund um den Geburtsort

seiner Großmutter, und beginnt unbarmherzig mit der Entvölkerung dieses Landstrichs, um

den TÜPL ‚“Döllersheim” zu schaffen. Eine der größten Tragödien Österreichs in

Friedenszeiten nimmt ihren Lauf.

Hitler befiehlt eine in der jüngeren Geschichte einzigartige großflächige Verwüstung von

Kulturland. Er zerstreut die Bewohner seiner “alten” Heimat in alle Winde, tastet aber ihre

Häuser nicht an, er schafft “nur” eine Art Freilichtmuseum des Krieges.

Hubert Margl, Dörfer ohne Schatten in : die Presse, 18.119. Juni 1988, Beilage Seite III.

Trotz der Beschlüsse der provisorischen Staatsregierung Österreichs aus dem Jahr 1945 und

anderer politischer Willenserklärungen kam es nach den Krieg nicht zur versprochenen

Rückgabe und Wiederbesiedelung des Gebietes; im Gegenteil: die Aussiedelungen und

Vertreibungen dauerten auch in den 60iger Jahren unseres Jahrhunderts weiter an.

Trotz dieser unheilvollen Geschichte des Truppenübungsplatzes lehnt die örtliche

Bevölkerung weder das Bundesheer noch den Truppenübungsplatz generell ab, wohl aber

die immer undemokratischeren und inakzeptablen Übergriffe gegen zivile und

wirtschaftliche Aktivitäten in der Umgebung. Mittlerweile werden gegen die Bevölkerung

Hundestaffeln eingesetzt, nehmen die nächtlichen Schießübungen mit extremer Lärm - und

Druckwellenbelastung überhand, ist die Landesstraße durch den Truppenübungsplatz

praktisch ganzjährig gesperrt, und kommt es verstärkt zu Übungen fremder Armeen auf

österreichischem Gebiet. Es muß als extreme Provokation gewertet werden, wenn es in

Presseaussendungen ausländischer Militärs etwa heißt: "Dieser nordwestlich von Wien

gelegene Truppenübungsplatz ermöglicht es, die geplanten Einsätze praktisch ohne

Auflagen unter realistischen Bedingungen durchführen zu können. Die Vorteile des

Übungsgeländes überwiegen den Nachteil des Aufwandes für Material - und

Personentransporte nach Österreich bei weitem.” (Presseaussendung des eidgenösischen

Militärdepartements EMD, vom 9.11.1995).

Im Rahmen der Übungen fremder Armeen in Österreich kommt es auch zu

Datenübertragungen an das Ausland: “Es ist schon die dritte gemeinsame Erprobung mit der

Schweiz. (...) Krieg der Sterne über Allentsteig (...) Der gesamte Truppenübungsplatz

wurde digitalisiert und ist dreidimensional am Bildschirm zu sehen. Der Satellit spielt die

Fahrzeugbewegungen nach. Die Waffenwirkung wird über Lasersimulatoren

wirklichkeitstreu nachgestellt. Per Datenleitung sind das Rechenzentrum der Schweizer

Armee in Lyss und die Übungsleitung in Allentsteig miteinander verbunden.” (Mobility

1996, Verlautbarungsblatt der dritten Panzergrenadierbrigade).

Leitende Befehlshaber des Bundesheeres vollziehen offenbar nicht mehr ausschließlich das

Neutralitätsgesetz, sondern bereiten - in Übereinstimmung mit führenden Politikern der

ÖVP - auch in der Realität den NATO - Beitritt Österreichs vor. “Daß nach einem etwaigen

NATO - Beitritt auch unsere zukünftigen Verbündeten Allentsteig nutzen können,

bezeichnete Brigadier Teszar als in der Natur der Sache liegend, schränkte aber ein, daß

sich diese internationale Kooperation im Inland wahrscheinlich mit Aktivitäten des

österreichischen Bundesheeres im Ausland die Waage halten würde. Außerdem sei der

TÜPL mit 80% Auslastung an der Grenze der maximalen Nutzbarkeit. “ (Der Waldviertler,

2/l998, Seite 5).

Durch die in letzter Zeit extrem angewachsenen Belastungen entstehen schwere Schäden für

nichtmilitärische Wirtschaftszweige und für das zivile Leben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1) Sie haben sich als Bundeskanzler gegen einen raschen NATO - Beitritt ausgesprochen.

Wie beurteilen Sie unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität

Österreichs die Übungen fremder Truppen in Österreich, insbesondere auf dem

Truppenübungsplatz Allentsteig?

2) Wie beurteilen Sie Aussagen ausländischer Militärangehöriger, wonach ausländische

Truppen in Österreich “ohne Auflagen” üben könnten, was im Herkunftsland dieser

Truppen nicht möglich sei? Was werden Sie tun, um eine zusätzliche Belastung der

österreichischen Bevölkerung durch Übungen fremder Truppen auf neutralem Gebiet

zu verhindern?

3) Haben Sie als Chef der Bundesregierung diese Frage des Übens fremder Truppen auf

österreichischem Staatsgebiet im Rahmen der Ministerratssitzungen thematisiert?

Wenn ja, wann, mit welchen Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

4) Medienberichten zufolge kommt es im Rahmen von derartigen Übungen auch zur

Übermittlung von Daten an fremde Armeen. Wie beurteilen Sie diesen Umstand

angesichts des Art. 20 (3) B - VG (Geheimhaltung im Interesse der ULV und der

auswärtigen beziehungen) und des Artikel I Neutralitätsgesetzes?

5) Sind Sie persönlich der Meinung, daß die Ressortleitung durch Minister Fasslabend

dem Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs noch

entspricht? Wenn ja, wie begründen Sie dies, wenn nein, was werden Sie

unternehmen?

6) Sind Sie der Meinung, daß die auf die NATO ausgerichtete Beschaffungspolitik des

Bundesheeres eine aktive Neutralitätspolitik Österreichs erschwert? Wenn ja, was

werden Sie dagegen unternehmen?