4521/J XX.GP

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Herbert Haupt

und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend einiger ungeklärter Fragen hinsichtlich des flämischen Schrift -

stellers Robert Verbelen.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels - Land hat in ihrem Bescheid zu Sich01 -111 - 1998 -

P/ZE; Sich - 8009/1963 vom 24. April 1998 betreffend die Einstellung der Tätigkeit des Verei -

nes “Dichterstein Offenhausen” gemäß § 25 Abs. 2 Vereinsgesetz u. a. ins Treffen geführt,

daß der flämische Schriftsteller Robert Verbelen am 15. Oktober 1947 vom "Ständigen

Kriegsrat der Provinz Brabant” in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden sei und daher

dessen Ehrung gegen den § 3 g Verbotsgesetz verstoße. Außerdem habe Verbelen ,,zahlreiche

einschlägige Bücher und Beiträge” verfaßt und "revisionistische und die NS - Zeit

glorifizierende Vorträge" gehalten. In einem sog. ,,Dienstzettel" der Abt. II/7 des

Bundesministerium für Inneres vom 20. April 1998, für das Min. - Rat Dr. Bruno Bertl

verantwortlich zeichnet, wird darüber hinaus noch dargetan, daß Verbelen am 29. November

1965 wegen des Verbrechens der "Mitschuld, Teilnahme und Bestellung zum Mord”

angeklagt, jedoch von einem Geschworenengericht am 21. Dezember 1965 von den wider ihn

erhobenen Vorwürfen wegen Befehlsnotstand freigesprochen wurde. Dagegen habe die StA -

Wien Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, der der OGH mit Urteil vom 11. Mai 1967 teilweise

Folge gab und den Fall zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenen -

gericht zurückverwies. Das Verfahren wurde am 19. Juni 1978 gem. § 227 Ab. 1 StPO

eingestellt.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz

folgende

Anfrage:

1.) Besteht der “Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant” noch heute auf dem Gebiet

des Königreiches Belgien?

Wenn ja, ist sein Bestehen unumstritten oder gibt es unter den dortigen Rechtsge -

lehrten schwerwiegende Bedenken und zutreffendenfalls, um welche Bedenken

handelt es sich? -

Wenn nein, wann und durch wen wurde er aufgelöst bzw. sind seine ausgesproche -

nen Urteile auch heute noch heute in Rechtskraft, werden als gültig abgesehen und

gegebenenfalls vollzogen?

2.) Handelte oder handelt es sich beim "Ständigen Kriegsrat der Provinz Brabant” um

ein schon vor der Besetzung Belgiens durch die Deutsche Wehrmacht bestanden

habendes Militärgericht, dessen Zuständigkeit sich ausschließlich auf Angehörige

des belgischen Militärs erstreckte? -

Wenn nein, wer könnte von ihm und warum angeklagt werden?

3.) Wurde der "Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant” etwa erst während oder nach

der Besetzung Belgiens durch die Deutsche Wehrmacht eingerichtet? -

Wenn ja, wann und durch wen wurde er eingerichtet und nach welchem Verfahrens -

ablauf wurde dort angeklagt, verhandelt und entschieden?

4.) Entschied der "Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant” ausschließlich und endgül -

tig oder war ein Rechtszug an eine übeprüfende obere Instanz vorgesehen?

5.) Entsprechen die Urteile des ,,Ständigen Kriegsrates der Provinz Brabant” den

Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg

an die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten der EMRK heute stellt?

6.) Warum wurde das Urteil des “Ständigen Kriegsrates der Provinz Brabant” von der

österreichischen Justiz nicht anerkannt?

7.) Ist es zutreffend, daß der Staatsanwalt am 19. Juni 1978 gem. § 227 Abs. 1 StPO vor

Beginn der Hauptverhandlung von der Anklage gegen Robert Verbelen zurücktrat

und sohin das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde?

8.) Lag der Grund dafür in einer Weisung einer vorgesetzten Behörde? -

Wenn ja, um welche Behörde handelte es sich und wie lautete der Wortlaut der

Weisung? -

Wenn nein, welcher Grund war sonst dafür ausschlaggebend?

9.) Gilt Verbelen durch den Rücktritt des Staatsawaltes von der Anklage als unbeschol -

ten im Sinne der österreichischen Rechtsordnung? -

Wenn ja, ist dadurch der Wahrspruch der Geschworenen vom 21. Dezember 1965 in

Rechtskraft erwachsen oder hat der öffentliche Ankläger dadurch lediglich zum

Ausdruck bringen wollen, daß die Republik Österreich keinen weiteren Grund mehr

für eine Strafverfolgung zu erblicken vermag? -

Wenn nein, welche Rechtswirkungen sind damit sonst verbunden?

10.) Ist es nach der österreichischen Rechtsordnung zulässig, Verbelen das Urteil des

"Ständigen Kriegsrates der Provinz Brabant” neuerlich vorzuwerfen, ohne nicht

zumindest den Wahrspruch der Geschworenen und den Rücktritt des Staatsanwaltes

anzuführen? -

Wenn ja, warum? -

Wenn nein, welche Rechtsbehelfe stehen etwaigen Angehörigen oder Nachkommen

dagegen zur Verfügung?

11.) Ist es zutreffend, daß eine wissentliche Unterschlagung dieses Umstandes in der

Begründung eines Bescheides, alleine wegen des § 37 AVG geeignet sein kann, den

Tatbestand des Verbrechens des Amtsmißbrauches zu erfüllen? -

Wenn ja, werden Sie veranlassen, daß der Akt der Bezirkshauptmannschaft Wels -

Land zu Sich01 - 111 - 1998 - P/ZE vom 24. April 1998 der Staatsanwaltschaft Wels zur

Begutachtung vorgelegt wird?

Wenn nein, warum nicht?

12.) Wurde außer dem genannten Strafverfahren jemals gegen Verbelen Anklage erho -

ben, weil er “einschlägige Bücher und Beiträge”” verfaßt, und auch ,,revisioni -

stische und die NS - Zeit glorifizierende Vorträge” gehalten haben soll? -

Wenn ja, wann wurde Verbelen angeklagt, wo wurde er angeklagt, wessen wurde er

beschuldigt und wie endigten die Verfahren?

13.) Begründet die im oben genannten Bescheid erhobene Behauptung, Verbelen habe

die NS - Zeit glorifizierende Vorträge” gehalten, den Verdacht, daß hierbei regel -

mäßig der § 3 g Verbotsgesetz verwirklicht wurde, nach dem “jede einseitig

vorteilhafte Darstellung des Nationalsozialismus”” dem § 3 g Verbotsgesetz ent -

sprechend verboten ist? -

Wenn ja, ist jemals eine entsprechende Anzeige durch die zuständigen Sicherheits -

behörden oder das BMI bei den zuständigen Staatsanwaltschaften eingelangt und

zutreffendenfalls, was geschah mit diesen in der weiteren Folge? -

Wenn nein, wie erklären Sie sich das damalige Schweigen der zuständigen Behörden

und die nunmehrige Auskunftfreudigkeit derselben über sieben Jahre nach dem Tode

Verbelens?