4611/J XX.GP
Anfrage
der Abg. Mag. Haupt, Dipl. - Ing. Schöggl, Aumayr
und Kollegen
an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie
betreffend mangelhafte Kontrolle der Abfall - und Schrottmengen
auf radioaktive Kontamination
Am 25. Mai 1998 oder knapp davor geriet angeblich irrtümlich im
Unternehmen Acerinox in Algeciras, Südspanien, gemeinsam mit einem
schrottreifen Apparat zum Sterilisieren von Blutkonserven ein Behälter
mit Cäsium 137 in die Schrottschmelze. Dabei wurden nachweislich
mindestens fünf Arbeiter verstrahlt. Die Verstrahlung des Schrottes
und der Schlacke wird geprüft.
Damit nicht genug, entwich bei dem Verschrottungsvorgang eine radioaktive
Wolke, die sich in den folgenden Tagen Richtung Mitteleuropa bewegte und
in Italien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland erhöhte Strahlungswerte
zwischen 150 und 2100 Mikrobecquerel Cäsium pro Kubikmeter Luft bewirkte,
wobei der sogenannte Normalwert mit 1 - 2 Mikrobecquerel angegeben wird.
Interessierte österreichische Experten, die im für Strahlenschutz zustän -
digen Bundeskanzleramt nach diesbezüglichen österreichischen Meßwerten
fragten, wurden mit nicht aussagekräftigen Wochenmittelwerten abgespeist.
Während die Staatsanwaltschaft von Turin die Verursacherfirma nach dem
geltenden italienischen Umweltschutzgesetz gerichtlich zur Verantwortung
ziehen will, ist man in Österreich offenbar nicht einmal interessiert,
die entstandene Kontamination zu erfassen, geschweige denn, alle nötigen
Maßnahmen zu ergreifen, damit verstrahltes Material nicht unkontrolliert
in Abfallverbrennungs - oder Verschrottungsanlagen wandert.
Sowohl bei der Beschlußfassung des Abfallwirtschafts - als auch des
Sonderabfallgesetzes verankerte die Koalition gegen den ausdrücklichen
Willen der freiheitlichen Mandatare für radioaktive Materialien bzw.
radioaktiven Abfall eine generelle Ausnahme, was seither als bequeme
Ausrede herhalten muß, um die Kontrolle nach radioaktiver Kontamination
einfach unterlassen zu können.
Als Beweis für diese Unterlassung möge die Aussage des Generaldirektors
der Entsorgungsbetriebe Simmering (EBS) am Tag des Bekanntwerdens der
Cäsiumkontamination und wenige Wochen vor seiner Pensionierung dienen:
Er beklagte am 16.6.1998 die fehlende Kontrolle bei der Müllentsorgung.
“Durch die fehlende Kontrolle der Abfallherkunft, der Abfallbehandlung
und des Abfallverbleibes entstünden jeden Tag neue Altlasten.
Durch die laxe Handhabung der Sonderabfall - Begleitscheine - übrigens der
einzigen Informationsquelle für die öffentlichen Dienststellen - unterbleibe
die notwendige exakte Erfassung von Quantität und Qualität des Sonderabfalls.
Zudem kritisierte der EBS - Chef das Preisdumping bei den Entsorgern: “Der
eine Konkurrent macht es billiger, der nächste noch billiger und die
Anständigen bleiben über.”
Die Untätigkeit des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie bei
der Kontrolle der Abfall - und Schrottmengen sowie deren Beschaffenheit
und eventuelle radioaktive Kontamination kann im Interesse der Öster -
reichischen Bevölkerung nicht länger
hingenommen werden.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister
für Umwelt, Jugend und Familie die nachstehende
Anfrage:
1. Ist Ihrem Ressort bekannt, an welchen Tagen, zu welcher Tageszeit heuer
an welchen Meßstellen in Österreich erhöhte Werte an
a) Cäsium 134,
b) Cäsium 137,
c) sonstigen Radionukliden
gemessen wurden ?
2. Ist Ihrem Ressort bekannt, welche erhöhten Meßwerte auf welche
Ursache(n) zurückzuführen sind ?
3. Wenn ja: was haben Sie getan, um die Verursacher zur Verantwortung
zu ziehen ?
4. Wenn nein: was haben Sie unternommen, um Ihr Kontrollmanagement zu
verbessern ?
5. Werden Sie - nach dem Vorbild Italiens - zu dem Vorfall der Cäsium -
kontamination der Firma Acerinox der Staatsanwaltschaft eine Sach -
verhaltsdarstellung übermitteln, damit diese im Sinne des geltenden
österreichischen Umweltrechts tätig werden kann ?
6. Wenn nein: warum nicht ?
7. Können Sie ausschließen, daß radioaktives Material in österreichische
Abfallverbrennungs - oder Verschrottungsanlagen gelangt ?
8. Wenn nein: warum nicht ?
9. Sind Ihnen oder Ihrem Ressort schon - abgesehen von der Verbrennung
radioaktiven Abfalls in Seibersdorf - solche Vorkommnisse bekannt ?
10. Wenn ja: welche und wann?
11. Welche Radionuklide in welchen Mengen gelangen bei der Entsorgung
radioaktiven Abfalls in Seibersdorf in die Atmosphäre ?
12. Entspricht die am 16. Juni 1998 gemachte Aussage des EBS - Generaldirektors:
"Durch die fehlende Kontrolle der Abfallherkunft, der Abfallbehandlung,
und des Abfallverbleibes entstünden jeden Tag neue Altlasten” der
Wahrheit ?
13. Wenn nein: warum nicht ?
14. Wenn ja: Was tun Sie, um diesen für Österreichs Bevölkerung und
Umwelt nicht tolerierbaren Sachverhalt zu
ändern ?
15. Entspricht die Aussage des EBS - Generaldirektors vom 16. Juni 1998:
“Durch die laxe Handhabung der Sonderabfall - Begleitscheine - übrigens
der einzigen Informationsquelle für die öffentlichen Dienststellen -
unterbleibe die notwendige exakte Erfassung der Quantität und
Qualität des Sonderabfalles.”
der Wahrheit ?
16. Wenn nein: warum nicht ?
17. Wenn ja: was haben Sie bisher getan, um diese lebensgefährliche
Schlamperei abzustellen ?
18. Entspricht die Aussage des EBS - Generaldirektors vom 16. Juni 1998
zum Thema Preisdumping bei den Entsorgern: “Der eine Konkurrent
macht es billiger, der nächste noch billiger und die Anständigen
bleiben übrig” der Wahrheit ?
19. Wenn nein: warum nicht ?
20. Wenn ja: Was unternehmen Sie gegen diese Risikoabwälzung auf
die österreichische Bevölkerung und die Unwelt ?
21. Ist Ihnen als Umweltminister und EU - Ratsmitglied inzwischen bekannt,
a) wo die aus einer Äthylen - Propylen - Fabrik in Sumgait bei Baku
in Aserbaidschan entwendeten und wieder sichergestellten
10 (zehn) Behälter mit Cäsium seit 1994 aufgefunden wurden,
wo die aus derselben Fabrik entwendeten und noch nicht wieder
sichergestellten 14 (vierzehn) Behälter mit Cäsium gelagert,
verbrannt oder sonstwie behandelt worden sein könnten ?
22. Wenn nein:
Was werden Sie als Umweltminister und EU - Ratsmitglied unternehmen,
um diese radioaktive Verseuchungsquelle rasch trockenzulegen ?