4758/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Kollegen
an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
betreffend den Verstoß gegen das Staatsgrundgesetz, die Europäi -
sche Menschenrechtskonvention, das Bundesgesetz über die äuße -
ren Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirchen, das Konkordat
sowie Falschauskunft an das BM f. Landesverteidigung
Am 15. Juni 1998 erhielt der M. G., österreichischer Staatsbürger, derzeit wohnhaft im
Internationalen Priesterseminar Herz Jesu/Zaitzkofen Deutschland, die Mitteilung der
Ergänzungsabteilung/Militärkommando Wien, zum nächsten Einrückungstermin einen
Einberufungsbefehl zugestellt zu bekommen.
Der Beweisaufnahme in Angelegenheit des Priesterseminaristen M.G. zugrundegelegt wird
eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
vom 20. April 1998, nach der das Priesterseminar Herz Jesu “kein Bestandteil der römisch -
katholischen Kirche und weiters keine in Österreich gesetzlich anerkannte Kirche im Sinne
des § 24 Abs. 3 WG 1990” sei.
Obwohl bis zum Fall des Priesterseminaristen M.G., Seminaristen an den Seminaren der
Priesterbruderschaft St. Pius X. stets vom Wehrdienst befreit waren und sich in den letzten
Jahren nichts am innerkirchlichen Status der Priesterbruderschaft St. Pius X verändert hat,
urteilt Ihr Ministerium über die Zugehörigkeit - bzw. Nicht - Zugehörigkeit innerkirchlicher
Organisationen.
Daß der Vatikan die gläubigen Anhänger der Priesterbruderschaft St. Pius X sehr wohl als
Bestandteile der römisch - katholischen Kirche betrachtet, deren Priester lediglich als
“suspendiert” und nur die vier von Erzbischof Lefebvre 1988 gültig geweihten Bischöfe als
,,exkommuniziert" gelten, geht aus den international veröffentlichten Briefwechseln (1991 -
1994) zwischen Frau Patricia Morley und dem Präfekten der Glaubenskongregation Joseph
Card. Ratzinger, dem Pro - Nuntius der Apostolischen Nuntiatur in den USA sowie aus dem
Zeitungsinterview (Le Matin, S.2, ,,Pour le Vatican, les traditionalistes sont catholiques" vom
12.10.1997) mit Mgr. Camillo Perl, Sekretär der vatikanischen Kommission ,,Ecclesia Dei”
hervor.
Da es sich also um eine rein innerkirchliche Disziplinarangelegenheit handelt, ist Ihr
Erkenntnis vom 20. April 1998 nicht nur inhaltlich falsch, sondern stellt einen massiven
Verstoß gegen den Art.15 Staatsgrundgesetz vom 21.12.1867, RGBl. Nr.142, Art 9 Abs 2 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (BGBl. 210/1958), den §1, II (BGBl. 182/1961),
die Art 1 und 2 des Konkordats 1934 (BGBl. II Nr.2/1934) dar.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesminister
für Unterricht
und kulturelle Angelegenheiten nachstehende
ANFRAGE:
1. Aus welchem Anlaß und auf wessen Wunsch hin verfaßte Ihr Ministerium eine
Stellungnahme zum Status des Priesterseminars Herz Jesu - Zaitzkofen/Schierling?
2. Aufgrund welcher Quellen kamen Sie zur Erkenntnis, daß es sich dabei um “keine in
Österreich gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft im Sinne des § 24 Abs. 3
WG 1990” handelt?
3. Ist Ihnen bekannt, daß durch Ihre Stellungnahme dem Bruch des Staatsgrundgesetzes, der
Europäischen Menschenrechtskonvention, sowie eines völkerrechtlichen Vertrags (s. oben)
Vorschub geleistet wurde?
-Wenn nein, warum nicht?
4. Was gedenken Sie zu unternehmen um hinkünftig Stellungnahmen Ihres Ministeriums,
welche die innere Autonomie der Kirche untergraben, zu unterlassen?
5. Gedenken Sie die inhaltlich falsche und völkerrechtlich bedenkliche Stellungnahme Ihres
Ministeriums zurückzuziehen?
Wenn nein, warum nicht?