4811/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Ofner und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend die fragwürdige Auslegung des Volksgruppengesetzes bei der Bestellung von
Volksgruppenbeiräten durch die Bundesregierung
Das Volksgruppengesetz 1976 (VoGrG) sieht für die Bestellung von Mitgliedern der Volks -
gruppenbeiräte vor, daß die Bundesregierung dabei darauf Bedacht zu nehmen habe, welche
wesentlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen in der betreffenden Volksgruppe
entsprechend vertreten seien und kennt daher eine eigene Bestimmung für Mitglieder, die
zugleich Angehörige eines allgemeinen Vertretungskörpers sind (§ 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG).
Im Zusammenhang mit der Bestellung der Volksgruppenbeiräte für die Slowaken, die Kroa -
ten und die Ungarn in Österreich durch die Bundesregierung bzw. dem Ermittlungsverfahren
durch das Bundeskanzleramt muß man bei genauer Betrachtung der Fakten zu dem Ergebnis
kommen, daß das dafür maßgebliche VoGrG mehr als fragwürdig interpretiert wird. Innerhalb
des relativ weiten Spielraumes, den das Gesetz der Bundesregierung einräumt, hat sich trotz
allem eine gewisse Verwaltungspraxis entwickelt, die darauf abzielt, dem Grundsatz des “Le -
galitätsprinzipes” weitestmöglich zu entsprechen. Diese Maxime erscheint durch Vorgänge in
den letzten Monaten und Jahren gefährdet.
So wurde erstmals auf Vorschlag der Bundesregierung 1992 der Beirat für die ungarische
Volksgruppe um acht Mitglieder aus Wien erweitert. Im Ermittlungsverfahren wurde durch
das BKA damals die Ansicht vertreten, daß die Ungarn auch in Wien eine autochthone
Volksgruppe darstellten. Grundlage dafür sei die erwiesene Anwesenheit von Ungarn seit der
Jahrhundertwende in Wien. Der BKA - VD hatte damals auch erstmals den Standpunkt einge -
nommen, daß man in der wissenschaftlichen Diskussion vereinzelt bereits ab 25 Jahren An -
wesenheit von einer autochthonen Volksgruppe sprechen könne, während die überwiegende
Zahl der Fachleute von 90 bzw. 100 Jahren dauernder Seßhaftigkeit als Basis für die Aner -
kennung als
autochthone Volksgruppe ausgeht.
Bisher wurde vom BKA - VD bei der Bestellung von Mitgliedern des Volksgruppenbeirates,
die allgemeinen Vertretungskörpern angehören, gern. § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG vom Grundsatz
der Verteilung nach den Stärkeverhältnissen der dafür in Frage kommenden Parteien in dem
jeweiligen autochthonen Siedlungsgebiet ausgegangen. Dabei wurden die Gemeinderatswahl -
ergebnisse im Geltungsbereich der maßgeblichen Gesetze und Verordnungen in Volksgrup -
penfragen als Maßstab herangezogen.
Nunmehr wurde mehrfach, offensichtlich um zu verhindern, daß ein solcher Beiratssitz nach
§ 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG einem Volksgruppenangehörigen der Freiheitlichen zuzusprechen wä -
re, sogar von diesem fragwürdigen, aber bisher durchgehend eingehaltenen Prinzip abgegan -
gen. Im Falle des slowakischen Volksgruppenbeirates wurde das Ermittlungsverfahren inso -
ferne davon abweichend durchgeführt, als zur angeblichen Vereinfachung vom BKA - VD ein -
zelne Mitglieder des Beirates befragt wurden, welche Parteien ihrer persönlichen Meinung
nach in der Volksgruppe vertreten seien. Dadurch wurde der, einem freiheitlichen Volksgrup -
penangehörigen zukommende Sitz im Volksgruppenbeirat, zu Unrecht der ÖVP zugespro -
chen.
Folgt man den Erläuterungen zur Verordnung über die Volksgruppenbeiräte (101 HA, XVIII
GP), so verteilen sich im Falle des ungarischen Volksgruppenbeirates die Mitglieder zu glei -
chen Teilen auf die Bundesländer Wien und Burgenland als autochthones Siedlungsgebiet.
Innerhalb der zu bestellenden vier Sitze nach § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG ergibt dies je zwei Sitze
für das Burgenland und Wien. Dieser Verteilungsschlüssel wurde nach dem Stärkeverhältnis
je einen Sitz für SPÖ und ÖVP im Burgenland und je einen Sitz für SPÖ und FPÖ in Wien
bedeuten. Im Schreiben des BKA - VD an die Wiener Landesregierung wurde aber der eine
Wiener Beiratssitz, der einem freiheitlichen Mandatar zuzukommen gehabt hätte, zu Unrecht
der ÖVP zugesprochen.
Die Besetzung des Beirates für die ungarische Volksgruppe wird aber auch von den Volks -
gruppenvereinen immer wieder kritisiert. So haben die Unstimmigkeiten in diesem Zusam -
menhang auch zu einer monatelangen Verzögerung bei der Neukonstituierung geführt, die
überaus negative
Effekte für die Volksgruppe nach sich gezogen haben.
In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundeskanzler
folgende
Anfrage:
1. Weshalb wurde bei der Besetzung des Beirats für die slowakische Volksgruppe von der
üblichen Verwaltungspraxis abgegangen?
2. Wird durch die Befragung einzelner Mitglieder eines Beirates über deren Vermutungen
den Grundsätzen des § 4 Abs. 1 VoGrG und dem ,,Legalitätsprinzip” der Bundesverfas -
sung entsprochen?
3. Wenn nein: Warum wurde dann doch so vorgegangen?
4. Wurde der Beirat für die ungarische Volksgruppe auf Antrag des Bundeskanzlers um acht
Mitglieder für autochthone Wiener Ungarn erweitert?
5. Wenn ja: Nach welchem Schlüssel verteilen sich die Sitze im Beirat der ungarischen
Volksgruppe auf die Vereine der Bundesländer Wien und Burgenland?
6. Gilt dieser Verteilungsschlüssel auch für die politischen Parteien und Kirchen?
7. Wenn nein: Warum nicht und welcher Schlüssel wird dann herangezogen?
8. Weshalb hat das BKA mit Schreiben vom 13. März 1998 ein Mitglied der Wiener ÖVP
für einen der beiden Sitze gem. §4 Abs. 2 Z 1 VoGrG vorgeschlagen und ist somit von
seiner bisher geübten Verwaltungspraxis abgegangen?
9. Ist Ihnen bekannt, daß die Freiheitlichen in ihrem neuen Parteiprogramm nicht nur ihr
Bekenntnis zu den autochthonen Volksgruppen bestärkt haben, seit Jahren aktiv in den
Volksgruppenbeiräten mitarbeiten, mehrmals parlamentarische Anträge zur Erhöhung der
Volksgruppenförderung eingebracht haben, sondern darüber hinaus auch über Mandatare
in den allgemeinen Vertretungskörpern verfügen, die den anerkannten autochthonen
Volksgruppen
angehören?
10. Wenn ja: Sind Sie daher der Meinung, daß Angehörige allgemeiner Vertretungskörper der
Freiheitlichen Partei Österreichs, die zugleich Angehörige der anerkannten autochthonen
Volksgruppe sind, die Kriterien des § 4 Abs. 2 Z 1 erfüllen?
11. Wird die Bundesregierung daher entgegen ihrer ursprünglichen Intention einen freiheitli -
chen Mandatar als Beiratsmitglied gern. § 4 Abs. 2 Z 1 für den Beirat der ungarischen
Volksgruppe bestellen?
12. Wenn nein: Warum nicht?
13. Wann ist mit einer Besetzung des Volksgruppenbeirates für die Ungarn zu rechnen?
14. Weshalb verzögert sich diese Besetzung bisher?