4918/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Wabl, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Behinderungen der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in
Lassing
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat gegenüber der Zeitschrift
Profil (Nr. 33 vom 10. August 1998) folgendes erklärt:
Profil: Was haben Sie denn der Staatsanwaltschaft bisher zukommen lassen?
Farnleitner: Das einzige, was ich getan habe, war intervenieren, dass die
Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei die Bergungen nicht behindern, was letztere tat.
Profil: Inwiefern?
Farnleitner: Indem sie die Pläne zum Kopieren weggebracht haben, indem sie dem
Werksleiter angekündigt haben, sie brauchen vier bis sechs Stunden zum Verhör. Das hat
soweit geführt, dass in der Schlussphase der Bergung letzte Woche alle gedroht haben, die
Bergung einzustellen, wenn sie von der Kriminalpolizei ständig gefilmt werden. Die haben
sich gefragt: “Sind wir Kriminelle, oder was haben wir angestellt?"
In seinem Bericht an den Ministerrat kritisiert der Herr Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten u.a. "die Beeinträchtigung der Einsatzmannschaft durch die
Kriminalpolizei/Staatsanwaltschaft”.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat seine Interventionen damit
zu rechtfertigen versucht, dass es ihm darum gegangen sei, einen möglichst raschen und
ungestörten Verlauf der Bergungsarbeiten zu ermöglichen. Der Minister geht dabei von der
völlig weltfremden Annahme aus, ein Unternehmen, das Schwarzarbeiten durchführt und
dabei das Leben seiner Mitarbeiter und der Bewohner der über der Grube errichteten Bauten
riskiert, würde sich bei Bergungsarbeiten ausschließlich um die Rettung der Verschütteten
bemühen.
Das Gegenteil ist der Fall: Das Unternehmen hat zunächst am Unglückstag zehn Arbeiter
ins Bergwerk geschickt mit der
offensichtlichen Aufgabe, das Bergwerk zu retten. Es hat in
der Folge noch am Unglückstag an die Gendarmerie die Aufforderung gerichtet, das
deutsche Bohrgerät der Firma Anger (das später zur Rettung Hainzls verwendet wurde) an
der Grenze bei Passau zu stoppen. Dies mit der Begründung, der Einsatz dieses Gerätes
habe “eh keinen Sinn mehr”. (Kleine Zeitung vorn 19.7.1998) In der Folge hat der
Bergwerksbetreiber externen Rettern unvollständige und veraltete Planunterlagen zur
Verfügung gestellt, auf denen insbesondere die Schwarzabbauten nicht ersichtlich waren.
Dies, obwohl aktuelle Planunterlagen für die Rettung der elf Verschütteten
selbstverständlich essentiell gewesen wären. Seit Beendigung der Rettungsarbeiten
unternimmt der Bergwerksberechtigte nichts mehr, um eine völlige Überflutung der Grube
zu verhindern; die Bergungsarbeiten werden verschleppt, der Bergungszeitpunkt immer
weiter hinausgeschoben.
Zielstrebigere und mit mehr Nachdruck geführte Ermittlungen hätten somit keineswegs die
Rettungsmaßnahmen gefährdet. Im Gegenteil: Die wirkliche Unglücksursache hätte früher
eruiert werden können. Die Machenschaften der gewissenslosen Verantwortlichen eines
ausschließlich an der Steigerung seines Gewinns interessierten Bergwerksunternehmens
hätten früher aufgedeckt werden können. Verantwortliche des Bergwerksunternehmens
hätten davon abgehalten werden können, durch ihre Vertuschungspolitik (veraltete
Planunterlagen, Abbruch bzw nicht in Angriffnahme erfolgversprechendere
Rettungsmaßnahmen, Fernhalten betriebsfremder Experten von den Rettungsmaßnahmen,
etc.) die Rettungsmaßnahmen zu gefährden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat mehrmals öffentlich
zugegeben, in die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft im Fall Lassing durch
Interventionen eingegriffen zu haben. Worauf bezogen sich diese Interventionen im
Einzelnen?
2. Waren diese Interventionen erfolgreich und wurden Ermittlungsschritte unterlassen
bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt gesetzt?
3. Seit wann liegen der Staatsanwaltschaft
a) Hinweise
b) gesicherte Informationen
über Schwarzabbau bzw andere Malversationen der Naintsch Mineralwerke GmbH
vor?
4. Wurde die Ermittlungstätigkeit durch die Interventionen des Herrn Bundesminister für
wirtschaftliche Angelegenheiten
verzögert?
5. Haben Sie den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über die
Ermittlungsergebnisse im Sinne der Frage 3 a) und b) informiert?
6. Wieso hat die Staatsanwaltschaft den Interventionen des Herrn Wirtschaftsminister
nachgegeben?
7. Haben Sie den Schlussfolgerungen des Herrn Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten und dessen Bericht an den Ministerrat zugestimmt?
8. Haben Sie Herrn Bundesminister Farnleitner auf die oben dargestellte Möglichkeit der
Beeinträchtigung der Rettungsarbeiten der Tatverdächtigen hingewiesen?
9. Trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft - lediglich - wegen fahrlässiger
Gemeingefährdung (Strafrahmen im vorliegenden Fall zwischen sechs Monaten und
fünf Jahren) und nicht wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung (Strafrahmen im
vorliegenden Fall zehn bis zwanzig Jahre bzw lebenslange Freiheitsstrafe) ermittelt?
10. Kann man erfahrungsgemäß davon ausgehen, dass Tatverdächtige, die jahrelange
Freiheitsstrafen zu gewärtigen haben, Beweismittel beiseite schaffen bzw. unbrauchbar
machen?
11. Können Sie ausschließen, dass Verantwortliche der Naintsch Mineralwerke GmbH
Bergungs - und Sicherungsmaßnahmen so gestalten, dass Sachbeweise (etwa über die
Malversationen im Bergwerk) möglichst unbrauchbar gemacht werden?
12. Was haben Sie bzw der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
dagegen unternommen bzw was gedenken Sie dagegen zu unternehmen?
13. Wieso wurde bei den Naintsch Minderalwerke GmbH bisher keine Hausdurchsuchung
durchgeführt?
14. Können Sie das Vorliegen von Haftgründen (insbesonders Flucht - bzw.
Verdunkelungsgefahr) bei Verantwortlichen der Naintsch Mineralwerke GmbH
ausschließen, obwohl die Strafprozessordnung bei Verbrechen, die mit mehr als
zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, von der Vermutung ausgeht, dass
Haftgründe vorliegen?
15. Trifft die Meldung der Kleinen Zeitung vom 28.7.1998 zu, wonach in der
Berghauptmannschaft aktuelle Abbaupläne verschwunden sind?
16. Wurden bzw werden die Ermittlungen auch gegen Beamte der Berghauptmannschaft
als Beitragstäter ausgedehnt?
17. Welche Sachverständigen wurden von der Staatsanwaltschaft mit Untersuchungen
betraut?
18. Haben sich Sachverständige für Befangen erklärt und wenn ja, sofort oder erst nach
einigen Tagen?
19. Können Sie ausschließen, dass gegenwärtig noch immer Sachverständige bestellt sind,
die aus dem Umfeld der Berghauptmannschaft Leoben bzw der Naintsch
Mineralwerke GmbH stammen?
20. Ist die Staatsanwaltschaft Leoben in der Lage, die Vorerhebungen nunmehr rasch und
unbeeinflusst von politischen Interventionen durchzuführen?
21. Wann werden die Vorerhebungen abgeschlossen sein?