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A n f r a g e
der Abgeordneten Schmidt, Kier und Partnerlnnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die sog, 'Geisteskrankenevidenz’
Veröffentlichungen von Telefonprotokollen, Finanzakten, die sich in den Medien wiederfinden, öffentliche Anschuldigungen das Privatleben einzelner betreffend, das Zitieren von Verschlußprotokollen in öffentlichen Plenardebatten und andere Beispiele mehr zeigen einen nicht gerade sorgfältigen Umgang mit Daten in Österreich. So ist auch im Zusammenhang mit den erweiterten Ermittlungsmethoden der Polizei der Datenerhebung mittels 'Geisteskrankenkartei' verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Die derzeitigen unbefriedigenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sind zu verändern.
Seit über 40 Jahren führt die Polizei Aufzeichnungen über psychisch Kranke. Unter anderen Berichten zitiert ein Artikel vom 1. 8. 1994 Erfahrungen von Einzelpersonen, die aufgrund einer Einzeldiagnose eines polizeilichen Amtsarztes durch eine kurzfristige Anhaltung in einem psychiatrischen Krankenhaus für den Rest ihres Lebens in der sogenannten'Geisteskrankenevidenz'aufscheinen und beträchtlichen beruflichen und persönlichen Benachteiligungen ausgesetzt sind.
Nun hat zwar das neue Unterbringungsgesetz eine gewisse Verbesserung gebracht, da nicht mehr einzig ein Polizeiarzt über die Einweisung entscheidet, aber die Aufzeichnungen werden weiterhin weitergeleitet.
Des weiteren sieht der Entwurf über besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität vor, daß alle Daten, welche von Gebietskörperschaften, Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der von ihnen betriebenen Anstalten stammen, miteinander verknüpft werden dürfen. Damit wird die Geisteskrankendatei zum Allgemeingut. Einmal dort Eingetragene sind für immer abgestempelt und werden, was noch viel schlimmer ist, automatisch zu
Verdächtigen, oftmals ohne zu wissen, in einer solchen Kartei gespeichert zu sein.
Von Fachkreisen der Psychiatrie wird die Weiterleitung der Daten an die Polizei abgelehnt, da es keinerlei sachliche Begründung dafür gibt. Die Polizei sieht dies aber erfahrungsgemäß anders und in dem Bestreben, möglichst viele Daten zu haben, um sinnvolle Verknüpfungen vornehmen zu können, wird auch vor dieser Datei nicht halt gemacht werden. Dabei wird mit dem Argument des öffentlichen Interesses, ein im übrigen rechtlich nicht klar definierter Begriff, womit fast alles gerechtfertigt werden kann, agiert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres
folgende
Anfrage:
1. Wieviele Zwangseinweisungen erfolgten 1992, 1993, 1994 und 1995 insgesamt, und wieviele davon waren Frauen?
2. Wieviele Zuweisungen wurden nicht aufgenommen, wieviele Personen wurden ambulant, wieviele stationär behandelt?
3. Mit wievielen Beschwerden von Betroffenen wurde Ihr Ministerium bereits konfrontiert?
4. Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?
5. Wie Sie sicherlich wissen, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen fraglich. Sind Sie aufgrund der erwiesenen Mißbrauchsmöglichkeiten bereit, rechtliche Schritte zu unternehmen, um den Schutz der Privatsphäre zu stärken und zumindest rechtliche Grundlagen dafür zu schaffen, daß der/die einzelne Einsicht in die Aufzeichnungen nehmen und eine Tilgung veranlassen kann?
6. An wievielen Stellen wird eine Ges.-Kartei geführt?
7. Wo werden die Daten verwahrt?
8. In weichen Bundespolizeidirektionen gibt es Panzerschränke?
9. Wenn die Daten nicht dort verwahrt werden, wo werden sie verwahrt?
1 0. Nach welchen Kriterien sind Personen zutrittsberechtigt?
1 1. Gilt für die Einsichtnahme ein Vier-Augen-Prinzip, oder können auch einzelne Personen Einsicht nehmen?
12.Werden die Einsichtnahmen protokolliert?
13. Wenn ja, wer unterschreibt die Protokolle?
14.Wenn ja, Ist auszuschließen, daß andere Zugriffe ohne ordnungsgemäße
Protokollierung möglich sind?
15. In welchem Zeitraum und nach welchen Kriterien erfolgt eine Oberprüfung der Eintragungen?
16.Wenn derartiges nicht erfolgt, warum nicht?
17.Wieviele "Karteileichen" befinden sich darin und wie gedenken Sie, diese in
Zukunft auszuschließen?
18. Aus welchen Gründen werden die Aufzeichnungen in psychiatrischen Krankenhäusern an die Polizei weitergeleitet?
19.Wie oft ist dies in den Jahren 1992 -1995 passiert und aufgrund welcher
Anfragen?
20. Was werden Sie als verantwortlicher Minister unternehmen, um die 'Ges.-Kartei' endlich zu tilgen?