4929/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Volker Kier, Heide Schmidt und PartnerInnen
an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
betreffend Psychoscrennings durch das AMS Wien
Das AMS Wien hat die Absicht, mit 1. Jänner 1999 ein privates Institut mit der Durchführung
von Tests an Arbeitsuchenden zu beauftragen. Die eingeladenen Bieter hatten die Anbote bis
zum 8. August 1998 bei der Landesgeschäftsstelle einzureichen, der Zuschlag durch das AMS
Wien soll in der zweiten Septemberwoche erfolgt sein. In den Ausschreibungsunterlagen fin -
det sich ein umfassendes Anforderungsprofil an die Testinstitute, in dessen Leistungsver -
zeichnis neben administrativen und fachlichen Anforderungen die Testung gesundheitlicher
und psychologischer Aspekte der arbeitslosen Testpersonen einen großen Schwerpunkt
einnimmt.
Mittlerweile wurde auch seitens der Frau Bundesministerin bestätigt, daß seit über zwei
Jahren das Rote Kreuz im Auftrag des AMS - Wien umfassende Psychoscreenings durchführt.
Die "Kunden" (Arbeitsuchenden) des AMS werden dabei im Regelfall unter dem Vorwand
einer notwendigen medizinischen Kontrolluntersuchung zum Roten Kreuz geschickt, dort
aber zusätzlich und unvermutet einer (tiefen - )psychologischen Testung unterzogen. Diese
Testergebnisse werden sowohl für eine Studie als auch für individuelle Auswertungen heran -
gezogen, wobei beide das AMS zur uneingeschränkten Verfügung erhält.
Die unterzeichneten Abgeordneten sind aufgrund der Studie der Ausschreibungsunterlagen
sowie der Tätigkeiten des Roten Kreuzes zur Überzeugung gelangt, daß es sich bei diesen
Vorhaben um einen schwerwiegenden Angriff auf den verfassungsmäßig festgeschriebenen
Datenschutz sowie auf die Integrität der betroffenen Personen handelt. Weder ist nämlich die
Voraussetzung der Freiwilligkeit gegeben, noch kann die Intention und Sinnhaftigkeit solcher
Screenings vom wissenschaftlichen Standpunkt her insgesamt erkannt werden.
In diesem Zusammenhang stellen die gefertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für
Arbeit, Gesundheit und Soziales nachfolgende
Anfrage
1. Welche Institute haben einen Teilnahmeantrag an der Ausschreibung gestellt, an welche
dieser Testinstitute erging die Einladung zur Anbotslegung seitens des AMS Wien und
welche Institute haben fristgerecht (10.8.1998) ihre Anbot eingereicht?
2. Welches Institut hat mittlerweile den Zuschlag erhalten (laut Ausschreibungsunterlage in
der Woche 7. - 12. September 98) und auf welcher Grundlage erfolgte der Zuschlag an das
konkrete Institut?
3. Wieviele Tests sollen im betreffenden Institut durchgeführt werden und wie hoch ist das
Volumen, das das AMS Wien ab 1999 jährlich dem Testinstitut zur Verfügung stellen
wird?
4. Wie beurteilen Sie die Aussagekraft solcher psychologischer Tests vom
wissenschaftlichen Standpunkt her?
5. Sind Sie der Ansicht, daß die Freiwilligkeit der Teilnahme an solchen Test gegeben ist, in
Anbetracht der Tatsache, daß derselbe AMS - Betreuer, der seine Kunden zur
Durchführung eines Screenings einlädt, auch die Entscheidungsbefugnis über die weitere
Auszahlungen von Leistungen aus dem AIVG an den betreffenden Arbeitslosen innehat?
6. Das Testinstitut (TI) soll gemäß den Ausschreibungsunterlagen dazu verpflichtet werden,
die Ergebnisse bzw. schriftliche Testberichte an das AMS weiterzugeben. Daraus ergeben
sich die folgenden Fragen:
a) In welcher Weise werden diese Daten gespeichert/gesichert?
b) Wer hat Zugangsberechtigung zu diesen Daten?
c) Wie ist die Verschwiegenheitspflicht der Zugangsberechtigten gesichert?
d) Wie lange dürfen/müssen diese Daten aufbewahrt werden?
e) An wen dürfen diese Daten (oder ein Teil derer) vom AMS weitergegeben werden?
f) Ist die Sicherheit der Datenübertragung (TI an AMS) gewährleistet?
g) Wie soll Einwänden von Testpersonen entsprochen werden?
h) Haben die Testpersonen einen Rechtsanspruch auf den Erhalt der vollständigen
Testergebnisse?
i) Kann der für das AMS vorgesehene schriftliche Bericht von den Testpersonen
eingesehen und beeinsprucht werden und wird dieser Bericht den Testpersonen von
den AMS - BetreuerInnen ausgehändigt?
j) Dürfen Daten, die für die Testpersonen von Nachteil - auch im Hinblick auf ihre
weitere Berufslaufbahn - sind, weitergegeben werden?
7. Im Hinblick auf die Qualifikation der zuweisungsberechtigten AMS - BeraterInnen sowie
der MitarbeiterInnen des Testinstituts ergeben sich folgende Fragen:
a) Sind Schulungsmaßnahmen für die AMS - BeraterInnen im psychologisch -
diagnostischen Bereich vorgesehen? Wenn ja, in welchem Ausmaß und durch wen?
b) Kann eine derartige Ausbildung bis zum 1.1.1999 (Zeitpunkt der Installation des TI)
realisiert werden?
c) Wie beurteilen Sie die Verläßlichkeit einer ausreichenden Qualifikation der TI -
MitarbeiterInnen angesichts der Tatsache, daß laut AMS - Ausschreibung der Punkt 1
unter den Kriterien für die Zuschlagserteilung die Preisgünstigkeit des Anbots ist?
d) Anhand welcher Kriterien erfolgte die Auswahl der MitarbeiterInnen des beauftragten
TI (psychologisches und fachliches Personal) und durch wen?
e) Kollidiert nach Ihrer Ansicht die Schweigepflicht der Psychologen nicht mit der
automatischen Ausfertigung der schriftlichen Testergebnisse an das AMS?
8. Hinsichtlich der arbeitsuchenden Testpersonen tauchen folgende Fragen nach
Zuweisungskriterien und Konsequenzen aus den Testergebnissen auf:
a) Aufgrund welcher Kriterien entscheidet ein AMS - Berater, wer und was getestet
werden soll?
b) Was passiert mit
Personen, die sich einer Testung nicht aussetzen wollen?
c) Von wem und wie werden die Mindestansprüche für eine berufsgruppenspezifische
Qualifikation festgelegt und was sind diese Mindestansprüche?
d) Was geschieht mit jenen Testpersonen, die den Mindestansprüchen nicht entsprechen
bzw. nur in gewissen Bereichen erreichen?
e) Sind die Empfehlungen der Testinstitute für den AMS - Berater bindend und bedingen
sie, je nach Ergebnis, eine Weiterfinanzierung bzw. einen Stopp von beruflichen
Qualifizierungsmaßnahmen durch das AMS?
9. Sind Sie bereit, eine lückenlose Darstellung der Aktivitäten des AMS Wien im
Zusammenhang mit der laufenden Durchführung von Tests durch das Rote Kreuz bzw. die
beabsichtigte Vergabe von Testen ("Psychoscreenings") zu beschaffen und diese dem
Parlament zuzuleiten?
10. Welche Maßnahmen gedenken Sie als Aufsichtsbehörde zu ergreifen, um diese den
verfassungsmäßigen Datenschutzbestimmungen fundamental widersprechenden
Tätigkeiten des AMS und der von diesem beauftragten Stellen (z.B. Rotes Kreuz) mit
sofortiger Wirkung zu unterbinden?
11. Sind Sie bereit, die disziplinar - und strafrechtlichen Konsequenzen aus den
Testdurchführungen - Beauftragung von Psychoscreenings durch das AMS - dadurch zu
ziehen, daß Sie im eigenen Wirkungsbereich die notwendigen Weisungen erteilen, bzw.
die zuständigen Strafverfolgungsbehörden umfassend informieren?
12. Wie beurteilen Sie die Aussage des AMS - Vorstandes Herbert Böhm, wonach an
Weiterverkauf von Qualifikationstests an die Unternehmen gedacht sei, und wie bewerten
Sie das Vorhaben des AMS, ab 1999 als "echtes" Personalberatungsunternehmen
aufzutreten und aufwendigere Beratungsleistungen in Rechnung zu stellen? (vgl. "Kurier",
12.8.1998)
13. In Anbetracht der Tatsache, daß das AMS künftig als Unternehmen auftreten will:
Weshalb räumen Sie anderen, privaten Arbeitsvermittlern nicht dieselben gesetzlichen
Möglichkeiten ein, und sehen Sie in diesem Vorhaben des AMS schon aufgrund dessen
Monopolstellung nicht einen Verstoß gegen den freien Wettbewerb?