4956/J XX.GP

 

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Graf

und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend willkürliche Verzögerung der Nachbesetzung einer Höchstrichterstelle beim

Verfassungsgerichtshof durch die Bundesregierung

 

Der Verfassungsgerichtshof besteht nach Art. 147 Abs. 1 B - VG aus einem Präsidenten,

einem Vizepräsidenten, zwölf weiteren Mitgliedern und sechs Ersatzmitgliedern. Der

Präsident, der Vizepräsident und sechs weitere Mitglieder sowie drei Ersatzmitglieder

werden auf Vorschlag der Bundesregierung, drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder

auf Vorschlag des Nationalrates und drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied auf Vorschlag

des Bundesrates jeweils vom Bundespräsidenten ernannt.

 

Das bisherige Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes Dr. Rudolf Müller wurde am

21. Jänner 1998 vom Nationalrat zum Mitglied des Gerichtshofes nominiert und kurz

darauf vom Bundespräsidenten ernannt. Dr. Müller wurde seinerzeit auf Vorschlag der

Bundesregierung zum Ersatzmitglied bestellt.

Nach § 1 Abs. 2 VerfGG 1953 ist eine vakante Stelle vom Vorsitzenden jenes Organes,

das den Vorschlag zu erstatten hat, im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und in den für

amtliche Kundmachungen bestimmten Landeszeitungen zur allgemeinen Bewerbung

auszuschreiben. Der Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung und hat die

durch die Ernennung Dr. Rudolf Müller zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofes

freigewordene Stelle eines Ersatzmitglieds jedoch bisher nicht ausgeschrieben. Es kann

nicht hingenommen werden, daß die Bundesregierung auf diese Weise die

Zusammensetzung eines Höchstgerichtes manipuliert und auf längere Sicht damit auch

die Arbeit des Gerichtshofes behindert.

 

Die Vorschläge zur Nachbesetzung vakanter Richterstellen wurden in der Vergangenheit

stets ohne nachvollziehbares Auswahlverfahren erstattet, was angesichts der großen

Bedeutung des Verfassungsgerichtshofes immer wieder zu heftiger Kritik führte. Der

Bundesrat ist daher bei der Erstattung des letzten Vorschlages von dieser bisher geübten

Praxis abgegangen und hat den Bewerben auf Grund einer Initiative der FPÖ - Bundesräte

im Rahmen eines Hearings Gelegenheit gegeben, sich den Mitgliedern des Bundesrates

persönlich vorzustellen und Aspekte der Bewerbung vorzutragen. Zweifellos hat dieses

Hearing als weitere wichtige Entscheidungshilfe maßgebend dazu beigetragen, dem

Bundesrat eine nachvollziehbare Entscheidung zu erleichtern.

 

Auch der Nationalrat hat bei der Erstattung seines letzten Vorschlages die Bewerber

erstmals einem Hearing unterzogen. Wenngleich von einer objektiven Richterbestellung

angesichts der damals in aller Öffentlichkeit kolportierten Vorgänge um die Bestellung

von Dr. Rudolf Müller nicht gesprochen werden kann (vgl. dazu die im Kurier vom 22.

Jänner 1998 wiedergegebene Aussage von Klubobmann Dr. Khol: “Peter Kostelka hat

mich gerade angerufen, die SPÖ läßt Matzka fallen."), bietet sich diese Vorgangsweise,

die im Bundesrat und im Nationalrat von allen Fraktionen einstimmig mitgetragen

wurde, auch bei der bevorstehenden Erstattung eines Vorschlages zur Nachbesetzung

der freiwerdenden Richterstelle beim Verfassungsgerichtshof als Entscheidungshilfe an.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

 

ANFRAGE

 

1. Warum wurde die seit der Berufung von Dr. Rudolf Müller zum Mitglied vakante, auf

    Vorschlag der Bundesregierung nachzubesetzende Stelle eines Ersatzmitgliedes des

    Verfassungsgerichtshofes bis jetzt nicht ausgeschrieben?

 

2. Wann wird diese Richterstelle endlich ausgeschrieben werden?

 

3. Teilen Sie die Auffassung, daß eine freiwerdende Richterste e eim

    Verfassungsgerichtshof jeweils unverzüglich nachzubesetzen ist?

4. Werden Sie dafür sorgen, daß bezüglich der vakanten Richterstelle ein Hearing

    stattfinden wird?

    Wenn nein, warum nicht und welche anderen Veranlassungen werden Sie treffen,

    um eine objektive und nachvollziehbare Entscheidung zu gewährleisten?

 

5. Sind Sie der Auffassung, daß ein Hearing der Bewerber als Entscheidungshilfe für ein

    objektives nachvollziehbares Verfahren sinnvoll wäre?

    Wenn nein, warum nicht?

 

6. Werden Sie dafür eintreten, daß bei der Nachbesetzung von Richterstellen beim

    Verfassungsgerichtshof künftig ein Hearing zwingend vorzusehen ist?

    Wenn nein, warum nicht?

    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen planen Sie in diesem Zusammenhang?

 

7. Ist Ihnen bekannt, daß innerhalb der Bundesregierung oder zwischen den

    Koalitionsparteien bereits eine Absprache über die Nachbesetzung der

    gegenständlichen Richterstelle beim Verfassungsgerichtshof besteht?

    Wenn ja, was ist der Inhalt dieser Vereinbarung?

 

8. Können Sie ausschließen, daß eine derartige Absprache bei der bevorstehenden

    Nachbesetzungsentscheidung Anwendung finden wird?

    Wenn ja, inwiefern?