4961/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Graf, Dr. Kurzmann, Jung, Haigermoser
und Kollegen
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Benesch - Dekrete und AVNOJ - Bestimmungen
Die Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen haben am 17. Juli 1998 an den
Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten eine schriftliche Anfrage betreffend
Aufhebung bestimmter “Benesch - Dekrete" und des Amnestiegesetzes von 1946 durch
die Tschechische Republik und bestimmter “AVNOJ - Beschlüsse" durch Slowenien
(4743/J, XX.GP) gestellt. Da die diesbezügliche Beantwortung der Anfrage (4519/AB,
XX.GP) aufklärungsbedürftig und angesichts der laufenden öffentlichen Debatte näher
hinterfragungswürdig erscheint, stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn
Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten nachstehende
ANFRAGE
1. Ist in Ihrem Ressort jemals eine politische, moralische und vermögensrechtliche
Wertung bestimmter “Benesch - Dekrete” und bestimmter “AVNOJ - Beschlüsse”
erfolgt?
• Wenn ja, wann und zu welchem Ergebnis ist Ihr Ressort gekommen?
• Wenn nein, warum nicht?
2. Der Rat der EU hat im Beisein österreichischer Vertreter die Folgerung der
Kommission, wonach der Schutz der Menschenrechte und der Minderheiten in den
Beitrittskandidatenländern den sog. Kopenhagener Kriterien entspricht,
gutgeheißen
und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit diesen Ländern beschlossen.
Warum hat Österreich diesbezüglich seine Zustimmung gegeben?
3. Bedeutet die diesbezügliche österreichische Zustimmung, daß bestimmte “Benesch -
Dekrete" und bestimmte "AVNOJ - Erlässe” mit den sog. Kopenhagener Kriterien und
den Grundsätzen der Europäischen Union vereinbar sind?
Wenn ja, inwiefern?
4. Der Anfragebeantwortung 4519/AB ist zu entnehmen, daß gemäß Artikel 10 der
tschechischen Verfassung die Bestimmungen der internationalen
Menschenrechtsübereinkünfte Vorrang vor den Bestimmungen des innerstaatlichen
Rechts haben und unmittelbar gelten. Nach Artikel 8 der Slowenischen Verfassung
müssen Gesetze und andere Vorschriften mit dem unmittelbaren völkerrechtlichen
Verträgen in Einklang stehen. Sind Sie der Auffassung, daß damit gewisse “Benesch -
Dekrete” und gewisse "AVNOJ - Beschlüsse” obsolet geworden sind und durch diese
Normen seinerzeit geschädigte Personen Anspruch auf Entschädigung bzw. auf
Klärung der Eigentumsfragen haben?
Wenn nein, warum nicht?
5. Bundesminister Fasslabend hat jüngst die Auffassung vertreten, daß die Benesch -
Dekrete in einer rechtsstaatlichen Ordnung nichts verloren haben und deren
Abschaffung gefordert (APA, 14.9.1998). Schließen Sie sich dieser Auffassung und
Forderung an? Wenn nein, warum nicht?
6. Werden Sie daher dafür eintreten, daß vor einem Beitritt der Tschechischen Republik
und Sloweniens zur Europäischen Union die völkerrechts - und
menschenrechtswidrigen Gesetze und Bestimmungen in diesen Ländern aufgehoben
werden?
Wenn nein, warum nicht?
7. Trifft es zu, daß Österreich befürchtet, wenn es die Problematik der Benesch - Dekrete
und AVNOJ - Bestimmungen im Rat der EU zur Sprache bringt, es Vorwürfen seitens
der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt sein könnte?
• Wenn ja, aus welchen Gründen?
• Wenn nein, warum nicht?
8. Präsident Havel hat die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten
Weltkrieg moralisch verurteilt Aus dieser Verurteilung würden jedoch keine
Konsequenzen gezogen, weil dies den tschechoslowakisch - österreichischen Vertrag
aus dem Jahre 1974 verletzen würde (APA, 23.9.1998). Teilen Sie diese Auffassung
von Präsident Havel?
• Wenn ja, warum?
• Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?