502/J
ANFRAGE
der Abgeordneten Langthaler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbau des Kraftwerks Theiß
Daß in Österreich erhebliche (und teure) Überkapazitäten bei der Strombereitstellung bestehen, ist offensichtlich. Erst vor kurzem bekräftigte Verbund-Vorstandsdirektor Hans Haider, daß es "... im Moment aber sicher so (ist), daß wir keinen weiteren Kraftwerksbedarf haben ".
Doch obwohl die Verbundgesellschaft (VG) mit erheblichen Stromüberschüssen kämpft, bauen die Landesversorger munter weiter Kraftwerke. Durch den Neubau von Block B des kalorischen Kraftwerks Theiß durch die Energieversorgung Niederösterreich (FVN) wird sich die 'Überschußsituation bei der Verbundgesellschaft weiter verschärfen. Der Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß mit einer elektrischen Leistung von 455 MW wird dazu führen, daß die ohnehin bereits jetzt sehr schwach ausgelasteten kalorischen Kraftwerkseinheiten des Verbundkonzerns in Zukunft noch schlechter ausgelastet sein werden. Nicht auszuschließen ist auch, daß es zu einer Substitution von Verbund-Wasserkraftstrom durch eine vermehrte kalorische Eigenerzeugung der EVN kommen wird.
Weiters stellt sich die Frage, ob ein Kraftwerksblock, der bei einem Jahresbetrieb von etwa 5 000 Stunden mehr als 2200 GWh elektrische Energie erzeugen kann, für einen Landesversorger, der einen durchschnittlichen jährlichen Stromabsatz von knapp über 5000 GWh aufweist, nicht eine Nummer zu groß geraten ist.
Es ist jedenfalls davon auszugeben, daß Block B des Kraftwerks Theiß von der EVN nicht nur zur Versorgung Niederösterreichs, sondern auch zur Versorgung anderer Märkte eingesetzt werden wird. Dann ist aber Block B nach den Bestimmungen des 2. Verstaatlichungsgesetzes 1947 als Großwerk einzustufen und von der VG zu betreiben.
Aus ökologischer Sicht ist der Bau des Blocks B des Kraftwerks Theiß in der geplanten Form jedenfalls abzulehnen, da der energetische Wirkungsgrad mit 48 % (bzw. 58 % bei Fernwärmeauskopplung) gering ist. Bei der Stromerzeugung in dezentralen Wärme-KraftKopplungsanlagen könnte hingegen problemlos ein Wirkungsgrad von über 80 % erreicht werden. Damit wären erhebliche Einsparungen an Primärenergie und CO2-Emissionen verbunden, ein Umstand, der auch der Bundesregierung und dem Wirtschaftsminister im Hinblick auf die Reduktion der Auslandsabhängigkeit und die Klimaschutzverpflichtungen Österreichs ein Anliegen sein sollte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten folgende schriftliche
ANFRAGE:
1 Das 2. Verstaatlichungsgesetz aus dem Jahr 1947 bietet Ihnen bzw. der Bundesregierung die Möglichkeit, koordinierend in den Kraftwerksausbau der Elektrizitätswirtschaft einzugreifen. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz sieht vor, daß die Bundesregierung - bzw. der für die Vollziehung des Gesetzes zuständige Wirtschaftsminister - nach Anhörung der Verbundgesellschaft unter Bedachtnahme auf energie- und wasserwirtschaftliche Rücksichten entscheidet, ob ein Kraftwerksprojekt durch Landesversorger errichtet werden darf.
In Beantwortung der dringlichen parlamentarischen Anfrage (183/J) vom 28. Februar 1996 zum Thema "Chaotische Zustände in der Elektrizitätswirtschaft am Beispiel Lambach" haben Sie ausgeführt, "eine Anhörung der Verbundgesellschaft im Hinblick auf den Neubau von Block B des Kraftwerks Theiß war ... gegenstandslos".
Wann hat die Verbundgesellschaft bzw. eine Sonder- oder Tochtergesellschaft der Verbundgesellschaft einen Antrag auf Entscheidung der Bundesregierung gemäß § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz bezüglich des Kraftwerks Theiß gestellt?
2. Wie war der genaue Wortlaut des entsprechenden Antrages? Legen Sie bitte eine Kopie des Antrages der VG der Anfragebeantwortung bei.
3. In welcher Form erfolgt die Anhörung der Verbundgesellschaft in diesem Fall? Wurde die Anhörung schriftlich oder mündlich durchgeführt?
4. Welchen Schriftwechsel zwischen Verbundgesellschaft und Ihrem Ministerium hat es diesbezüglich wann genau gegeben?
5. Welche mündlichen oder schriftlichen Mitteilungen (Bescheide, sonstige mündliche oder schriftliche Mitteilungen etc.) ergingen mit welchem Wortlaut in dieser Angelegenheit an die Verbundgesellschaft?
6. Wurde der Antrag der Verbundgesellschaft auf Einleitung eines Verfahrens gern. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz direkt nach Stellung des Antrags abgelehnt oder kam es zu einer Anhörung der Verbundgesellschaft?
7. Falls der Antrag direkt abgelehnt wurde: Mit welcher exakten Begründung seitens des Ministeriums (bitte geben Sie den genauen Wortlaut wieder) wurde der Antrag abgelehnt?
8 . Falls es zu einer Anhörung der Verbundgesellschaft kam: Welche Argumente hinsichtlich der Einleitung eines Verfahrens gem. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz hat die Verbundgesellschaft in dieser Anhörung vorgebracht?
9. Mit welcher Begründung hat Ihr Ministerium eine Einleitung eines Verfahrens gem. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz abgelehnt?
10. Konnte hinsichtlich der Ablehnung des Verfahrens gern. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz letztendlich Einvernehmen mit der Verbundgesellschaft erzielt werden? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?
11. Hat die Verbundgesellschaft Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Einleitung'eines Verfahrens gem. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz ergriffen? Wenn ja, wann, mit welcher Begründung und mit welchem Erfolg?
12. Falls die Verbundgesellschaft Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Einleitung eines Verfahrens ergriffen hat: Welche Mitteilungen (Bescheide, sonstige mündliche und schriftliche Mitteilungen etc.) hat es diesbezüglich seitens Ihres Ministeriums an die Verbundgesellschaft gegeben? Wie war deren genauer Wortlaut?
13. Haben Sie oder einer Ihrer Amtsvorgänger hinsichtlich des Antrags der Verbundgesellschaft auf Einleitung eines Verfahrens gem. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz bzw. eventuelle Einsprüche der Verbundgesellschaft eine oder mehrere Weisungen an die zuständigen Beamten erteilt? Wenn ja, wann und mit welchem Wortlaut?
14. Wurden von Ihrem Ministerium oder anderen Behörden in direkter oder indirekter Folge des Antrags der Verbundgesellschaft auf Einleitung eines Verfahrens gern. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz der EVN Auflagen hinsichtlich des Betriebs bzw. der Ausführung von Block B erteilt? Wenn ja, welche?
15. Welche sonstigen Anträge der Verbundgesellschaft hinsichtlich anderer Kraftwerke auf Einleitung eines Verfahrens gem. § 4 Abs. 5 2. Verstaatlichungsgesetz wurden gestellt und seitens Ihres Ministeriums abgelehnt? Wann wurden jeweils diese Anträge gestellt, kam es zu Anhörungen der Verbundgesellschaft und mit welcher Begründung
wurden die Anträge seitens Ihres Ministeriums abgelehnt?