5099/J XX.GP

 

Anfrage

 

Der Abgeordneten Ing. Meischberger, Dr. Grollitsch und Kollegen

an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

betreffend Sicherheit in langen Eisenbahntunnels der ÖBB

 

Da im Zuge der Ausbaumaßnahmen der heimischen Eisenbahnstrecken immer mehr

lange Tunnels errichtet werden, ergibt sich zwangsläufig die Frage, wie im Falle eines nie

auszuschließenden Unfalles die Schäden möglichst gering gehalten werden können und

verhindert werden kann1 daß der Umstand der Unzugänglichkeit des Unfallortes zu

Folgeschäden führt, wobei vor allem die fehlende Fluchtmöglichkeit und

Zufahrtsmöglichkeit für Rettungs - und Löschfahrzeuge im Brandfall (Rauchgase) ins

Gewicht fällt.

 

Nicht zuletzt aufgrund diesbezüglicher Initiativen der Anfragesteller wurde in diesem

Zusammenhang etwa im Falle des Galgenbergtunnels in Zusammenarbeit mit der

Leobener Feuerwehr eigene Tunnelrettungszüge zusammengestellt, die im Falle eines

Unfalles zum Rettungseinsatz kommen sollen.

 

Mittlerweile wurde der Betrieb im Galgenbergtunnel allerdings aufgenommen, ohne

daß diese Rettungseinrichtungen voll funktionsfähig sind und darüber hinaus auch auf

die bisher vorgeschriebene Notbremsüberbrückung aller Personenfahrzeuge, die im

Tunnel verkehren, zumindest vorläufig verzichtet.

 

Hinsichtlich der Tunnelrettungszüge fand allerdings am 17. August eine Übung statt, die

katastrophale Mängel offenbarte: Auf der Südwestseite konnte der Zug in Ermangelung

einer funktionsfähigen Lokomotive (aus Knittelfeld war nach 40(!) Minuten zwar eine

Lok herbeigeholt worden, doch wurde diese dann auch schadhaft) nicht einmal den

Bahnhof St. Michael verlassen, die Rettungen mußten unverrichteter Dinge

zurückkehren.

 

Was sich in einem Ernstfall unter solchen Bedingungen abgespielt hätte, bleibt der

Phantasie überlassen, jedenfalls ein weiteres Beispiel dafür, daß das Versagen der

Rettungsmaßnahmen im Fall ziviler Katastrophen wie Lassing kein Einzelfall ist.

 

Noch bemerkenswerter ist allerdings die Reaktion der ÖBB auf einen Bericht über diese

Vorfälle in der Fachzeitschrift ‚Schienenverkehr aktuell‘: Ein Herr Mag. Ulz vom

Unfalldienst der ÖBB - Leitung schrieb einen langen Leserbrief, in dem die ‚mangelhafte

Recherche‘ kritisiert und ‚Klarstellungen‘ vorgenommen wurden: unter anderem wurde

folgendes festgestellt:

• Es hat überhaupt keine Alarmübung stattgefunden.

• Für keinen der beiden Tunnelrettungszüge besteht ein verbindliches Zeitkalkül.

• Daß der Zug und die übrigen Sicherheitsanlagen trotz Vollbetrieb noch nicht

   vollständig sei, sei ‚bescheidgemäß‘

• Ein Einfahren in den verqualmten Bereich des Tunnels ist in keinem Fall vorgesehen.

• Die Annahme, daß sich unverletzte Reisende gefahrlos von der Ereignisstelle zu

  einem bestimmten Punkt (750 m) bewegen können, gründet sich auf verschiedene

  Studien und Brandversuche.

Angesichts dieser ‚Klarstellungen‘ ist also jetzt klar, daß die unhaltbaren Zustände nicht

Pannen, sondern Absicht sind, die Gefährdung der Fahrgäste und des Personals offenbar

bewußt in Kauf genommen wird - und zwar offenbar sowohl von den ÖBB als auch von

der Aufsichtsbehörde, wie der Verweis auf das “bescheidgemäße” Vorgehen belegt.

 

Vor allem die Tatsache, daß man den verunglückten Passagieren zumuten will, 750 m im

finsteren, verqualmten Tunnel bis zu einem alten S - Bahnwaggon zu stolpern, der dann

nach einer nicht einmal planbaren Zeit - hoffentlich - bereitsteht, um sie aus dem Berg

zu holen, allerdings keinerlei Schutz gegen Rauch bietet, erscheint völlig

unverantwortlich!

 

All dies ist um so unverständlicher, als es ja bereits im Kanaltunnel einen diesbezüglichen

schwerwiegenden Zwischenfall gegeben hat, wobei dieser Tunnel allerdings aus

mehreren Röhren besteht, sodaß sowohl Rettung als auch Löschung relativ einfach ist.

Nicht zuletzt deshalb wurde ja von internationalen Experten für längere Tunnels eine

mehrröhrige Bauweise gefordert, die allerdings in Österreich bislang aus Kostengründen

noch nirgends zur Ausführung kam.

 

Auch der Brand einer - glücklicherweise unbesetzten - U - Bahn - Garnitur in der Haltestelle

Karlsplatz, der die Sperre mehrerer Linien erforderte, weil sich trotz großzügig

dimensionierter Lüftungsanlagen der Rauch innerhalb kürzester Zeit über die

Tunnelsysteme unter der ganzen Stadt verteilte, zeigt, daß die Verqualmung eines

Tunnels eine tödliche Gefahr für alle Eingeschlossenen bedeutet.

 

Gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Baubeginn des Lainzer Tunnels in Wien, der

ebenfalls dutzende Kilometer unterirdischer Gleisanlagen, teilweise unter bewohntem

Gebiet, vorsieht, erscheint hier ein grundsätzliches Überdenken der

Sicherheitskonzeption dringlichst erforderlich.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

 

1. Ist es richtig daß Mitte August 1998 eine Übung hinsichtlich der Tunnelrettungszüge

    für den Galgenbergtunnel stattfand?

 

2. Ist es richtig, daß diese Übung auf der Seite St. Michael mangels einer

    betriebstauglichen Lokomotive erfolglos - das heißt ohne Fahrt zum Tunnel -

    abgebrochen wurde; wenn ja, welche Konsequenzen wurden aus diesem Vorfall

    gezogen?

 

3. Ist es richtig, daß die Tunnelrettungszüge sowie die dazugehörige Infrastruktur

    (Tankwagen, Verladerampe,...) zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig

    vorhanden war, obwohl der Betrieb im Tunnel bereits aufgenommen war; wenn ja,

    ab wann stehen die vollständigen Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung?

 

4. Ist es richtig, daß dies ‚bescheidgemäß” - also offenbar mit Zustimmung des

    Verkehrsministers - erfolgte?

 

5. Ist es richtig, daß das Tunnelrettungskonzept keinen verbindlichen Zeitplan für den

    Einsatz der Rettungszüge vorsieht?

6. Ist es richtig, daß das Tunnelrettungskonzept einen Fußmarsch der im Tunnel

    (unverletzten) Verunglückten von 750 m vorsieht?

 

7. Ist es richtig, daß eine Einfahrt des Rettungszuges in den verqualmten Tunnel nicht

    vorgesehen ist; wenn ja, wozu soll dieser dann im Brandfall dienen und wie soll in

    diesem Fall Hilfe und Brandbekämpfung durchgeführt werden?

 

8. Halten Sie diese - von einem ÖBB - Verantwortlichen in der Öffentlichkeit bestätigten -

    Parameter des Rettungskonzeptes für geeignet, im Unglücksfall eine funktionierende

    Rettungsmöglichkeit sicherzustellen?

 

9. Wie sieht das vom Verkehrsministerium genehmigte Tunnelrettungskonzept im

    Detail aus und welche Übergangsbestimmungen, die anfangs einen geringeren

    Sicherheitsstandard gestatten, sind darin enthalten?

 

10. Wie können Sie verantworten, daß ein Tunnelbauwerk in Betrieb genommen wird,

      bevor alle Ihren Experten nötig erscheinenden Sicherheitsvorkehrungen auch

      tatsächlich getroffen und überprüft sind?

 

11. Ist es richtig, daß das derzeit - Im Gegensatz zu früheren Beschränkungen etwa beim

      Säusensteintunnel - auch Waggons ohne Notbremsüberbrückung den

      Galgenbergtunnel benützen; wenn ja, welche Gründe sind für die Aufgabe dieser

      Sicherheitsmaßnahme maßgeblich?

 

12.Welche Eisenbahntunnels mit einer Länge über 5 km bestehen derzeit in Österreich

     im einzelnen und welche Rettungkonzepte werden dabei jeweils angewandt und wie

     oft werden diese jeweils im Rahmen von Übungen überprüft?

 

13.Warum wurden in Österreich trotz der Empfehlung internationaler Experten, längere

     Tunnels aus Sicherheitsgründen mehrröhrig auszuführen, dies bislang nicht

     durchgeführt und wer trägt die Verantwortung dafür?

 

14. Sind Sie bereit, im Lichte dieser Erfahrungen bei der Erprobung des

      Tunnelrettungskonzeptes beim Galgenbergtunnel - auch der besser funktionierende

      Einsatz auf der Leobner Seite benötigte mehr als eine, im Fall eines Großbrandes

      sicher tödliche, halbe Stunde - bei künftigen Tunnelbauten - etwa Wienerwald - und

      Lainzer Tunnel, Unterinntaleine entsprechende Bauweise vorzusehen, die die

      rasche Flucht im Unglücksfall ermöglicht; wenn nein, warum nicht?