5235/J XX.GP
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Leiner
und Kollegen
an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
betreffend die beabsichtigte Beauftragung von verdeckten Ermittlungen in
Salzburger Call - Centern durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für
Salzburg
Call - Center sind Betriebe, in denen rund um die Uhr - auch an Sonn - und
Feiertagen - Menschen am Telefon beschäftigt sind, um z.B. für Versandhäuser
Aufträge und Anrufe zu bearbeiten. Call - Center entwickeln sich zu einem immer
wichtigeren Bestandteil der Wirtschaftsszene und gehören in Salzburg aufgrund
ihrer hohen Beschäftigungschancen und ihrer relativen Standortungebundenheit
zu einem der wichtigsten Schwerpunkte der Ansiedlungswerbung des
Bundeslandes. Das Umsetzungsprogramm des in der Landesregierung
einstimmig beschlossenen Wirtschaftsleitbildes legt als einen Schwerpunkt die
Ansiedlung und Schaffung von Call - Center fest. Eine eigene Call - Center -
Akademie, unterstützt vom AMS, ist geplant, um für eine qualitätsvolle
Ausbildung auf diesem Gebiet zu sorgen.
Von den Arbeitnehmervertretungen wird die Entwicklung dieser
Dienstleistungsbranche vor allem im Hinblick auf die Qualität der Arbeitsplätze
kritisch beobachtet. Die Sorge konzentriert sich dabei vor allem auf die große
Zahl sogenannter ungeschützter Arbeitsverhältnisse (Werkverträge, freie
Dienstverträge und geringfügige Beschäftigungen) und die angeblich häufig
auftretenden Verletzungen von arbeits - und sozialrechtlichen bzw.
kollektivvertraglichen Bestimmungen.
Um festzustellen, unter welchen Arbeits - und Einkommensbedingungen
Menschen in dieser Dienstleistungsbranche arbeiten, welche Personengruppen
primär betroffen sind, wie die soziale Absicherung aussieht und ob bzw. welche
Arbeitsplatzeffekte bestehen, wurde von der AK - Salzburg die Erstellung einer
Studie beschlossen und für die Durchführung der “qualitativen Erhebung” die
Fa. Solution beauftragt. Zu diesem Zweck war seitens des Auftragnehmers
beabsichtigt und schriftlich angeboten worden, die Methode der “Verdeckten
Ermittlung”, d.h. der geheimen Recherche
im Betrieb, anzuwenden.
Auszug aus dem Angebot für die "qualitative Erhebung” der Fa. Solution:
Verdeckte Arbeit
In der Zeit von 1 Oktober bis 31 Oktober 1998 sollte in den Call - Centern der
Stadt Salzburg verdeckt recherchiert werden. Rund 6 Personen sollen in dieser
Zeit insgesamt 200 Wochenstunden in Call - Centern arbeiten. Im einzelnen
bedeutet dies:
• Aquirieren von rund 6 Personen (Männer und Frauen), welche verdeckt
arbeiten
• Abklärung der Modalitäten, Definition und Auswahl der verschiedenen
Biografien (Hausfrau, Studenten, Erwerbstätige auf Suche nach Zusatzjobs,
Erwerbslose)
• Entwerfen der Arbeitsplatzwünsche (Arbeitszeiten, Dienstverhältnisse, Arbeit
ohne Arbeitsvertrag)
• Entwicklung des Beobachtungsinstrumentariums sowie Entwicklung einer
Protokollvorlage für die Verschriftlichung der Beobachtungen für die
verdeckte Ermittlung (auf der Basis von der AK entwickelten Kriterien)
• “Briefen” der verdeckt Ermittelnden
• Betreuung dieser Personen während der Recherchephase
• Abschlußbesprechung
Qualitative Interviews
In der Zeit vom 15.Oktober bis maximal 1 5.November werden rund zehn
teilstrukturierte Interviews mit Arbeitnehmern in Call - Centern durchgeführt.
Diese Interviews dienen - neben der verdeckten Arbeit - der Vertiefung der
Untersuchung der Arbeitsbedingungen in den Call - Centern.
Diese verdeckte Ermittlung in den Call - Centern durch eingeschleuste
Mitarbeiter, wie sie von der SPÖ (Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter) und
der FPÖ (Freiheitliche Arbeitnehmer) gegen die Stimmen des ÖAAB in der
Salzburger Arbeiterkammer beschlossen wurde, wird vom ÖGB - Salzburg und
der AK - Salzburg als “anerkanntes Informationsinstrument der Sozialforschung”
verteidigt und als “legal und in Ordnung” befunden.
Es stellt sich somit die Frage, ob eine Interessenvertretung, die sich solcher
“Spitzelmethoden” bedient, die damit Mißtrauen unter den Dienstnehmern von
Call - Centern schürt, die auf diese Weise Arbeitsplätze gefährdet (ein Salzburger
Call - Center wollte sofort seinen Betrieb absiedeln, was einen Verlust von 200
Arbeitsplätzen zur Folge gehabt hätte), wirklich verantwortungsbewußt handelt
oder ob unter dem Deckmantel des
Arbeitnehmerschutzes durch Anwendung
solcher unzeitgemäßen ,,Wallraff - Methoden” lediglich arbeitsmarkt - und
wirtschaftsschädigender Aktionismus verfolgt wird.
Längerfristige negative Auswirkungen könnten sein, daß Betriebe bei Kenntnis -
nahme der Bespitzelungsmethoden der AK - Salzburg, absiedeln bzw.
ansiedlungswillige Betriebe dadurch abgeschreckt werden. Eine weitere Folge
ist, daß bereits einige Firmen einen unbefristeten Aufnahmestopp verhängt und
die laufenden Bewerbungsverfahren ausgesetzt haben. So werden Arbeitsplätze
mutwillig vernichtet bzw. aufs Spiel gesetzt und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze im Vorfeld verhindert. Der Ruf Salzburgs als Wirtschaftsstandort
wurde massivst beeinträchtigt.
In diesem Zusammenhang beachtenswert ist auch die Tatsache, daß eine solche -
unter Umständen sogar arbeitsplatzgefährdende - Erhebungsmethode mit den
Beiträgen der Pflichtmitglieder der AK finanziert wird (Anbot der Fa. Solution
beläuft sich auf öS 99.845.-).
Zudem scheint die vom Vorstand der AK - Salzburg mehrheitlich beschlossene
,,Bespitzelungsmethode”, auch aus rechtlicher Sicht unverantwortlich und
verwerflich zu sein, weil mit der angestrebten Anstellung der verdeckt
Ermittelnden vorsätzlich die Täuschung des Vertragspartners zugrunde liegt und
mit der Weitergabe von Informationen über Geschäfts - und Betriebsverhältnisse
eine ebenfalls vorsätzliche Verletzung der Treue - und Verschwiegenheitspflicht
verbunden sein kann.
Dies könnte sogar zu Schadenersatzforderungen gegen die AK und im Falle
ihrer Verurteilung zu neuerlicher Inanspruchnahme von Beitragsmitteln der
Pflichtmitglieder führen.
Die geplante Spitzelaktion der AK - Salzburg hat zwischenzeitlich auch den
Salzburger Landtag beschäftigt und am 28.10.1998 zu einem Beschluß des
zuständigen Landtagsausschusses geführt, wonach mit den Stimmen von ÖVP,
SPÖ (!!) und FPÖ der geplanten Vorgangsweise eine eindeutige Absage erteilt
wurde:
“Der Salzburger Landtag mißbilligt den Beschluß des Vorstandes der AK
Salzburg, wonach die Einhaltung arbeits - und sozialrechtlicher sowie kollektiv -
vertraglicher Bestimmungen durch die Einschleusung von “Spitzel” überprüft
werden soll und fordert die Arbeiterkammer Salzburg auf, ihren diesbezüglichen
Beschluß sofort offiziell rückgängig zu machen und wirkt darauf hin, daß die
Arbeiterkammer Salzburg von allen Maßnahmen absieht, die eine Gefährdung
von Arbeitsplätzen vorsieht.”
Nicht nur der Salzburger Landtag lehnt die Bespitzelungsmethoden strikt ab,
sondern auch prominente SPÖ - Politiker wie LH - Stv. Buchleitner,
Vizebürgermeister Dr. Schaden und AMS - Leiter Dr. Buchinger distanzieren sich
öffentlich von dieser Vorgangsweise
der AK - Salzburg.
Eines der betroffenen Call - Center, die Fa. Tetel, konnte nur mit Mühe von einer
Betriebsabsiedlung aus Salzburg abgehalten werden. Zur Begrenzung weiterer
negativer Folgen für den Wirtschaftsstandort Salzburg wurde in der Folge auf
eine sozialpartnerschaftliche Übereinkunft zwischen Wirtschaftskammer und
Arbeiterkammer gedrängt. In dieser Vereinbarung bekennen sich beide
Kammern uneingeschränkt zum Wirtschaftleitbild des Landes und der darin
verankerten Absicht, Call - Center mit möglichst vielen existenzsichernden
Dauerarbeitsplätzen anzusiedeln. Die AK nimmt in dieser Übereinkunft von der
Methode der verdeckten Ermittlung im Rahmen der gegenständlichen
Call - Center - Untersuchung Abstand, behält sich aber vor, die Methode bei
zukünftigen Studien dennoch anzuwenden.
Aus dem dargestellten Sachverhalt ergeben sich nachstehende Fragen, um deren
Beantwortung die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Ihrer
Funktion als Aufsichtsbehörde über die AK - Salzburg, ersucht wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für
Arbeit, Gesundheit und Soziales folgende
Anfrage:
1. Wie stehen Sie persönlich zur Anwendung von verdeckten
Ermitlungsmethoden in Betrieben?
2. Wie stehen Sie als Aufsichtsbehörde zur Anwendung von verdeckten
Ermittlungsmethoden in Betrieben durch die AK - Salzburg?
3. Ist die verdeckte Ermittlung ein Ihrer Ansicht nach moralisch und rechtlich
geeignetes und legitimes Mittel für eine gesetzliche Interessenvertretung, um
die Erhaltung arbeits - und sozialrechtlicher bzw. kollektivvertraglicher
Bestimmungen zu überprüfen?
4. Ist zur Überprüfung der Einhaltung von arbeits - und sozialrechtlichen bzw.
kollektivvertraglichen Bestimmungen die Anwendung “offener Ermittlungs -
methoden” als unzweckmäßig und unzureichend auszuschließen?
5. Kann die Anwendung verdeckter Ermittlungsmethoden der
Vertrauensstellung der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer im
Rahmen der Sozialpartnerschaft Ihrer Ansicht nach schaden?
6. Ist nach Ihrer Meinung die Verwendung von Beiträgen der Pflichtmitglieder
der AK zur Finanzierung
von solchen Erhebungsmethoden, die - wie konkret
passiert - zu Arbeitsplatzverlusten oder zu negativen Folgen für eine
allgemein gewünschte Betriebsansiedlungspolitik führen können, vertretbar?
7. Wie erklären Sie einem, von der “Bespitzelungsaktion” vorher nicht
informierten Betriebsrat eines Unternehmens, daß er weiterhin das Vertrauen
der Gewerkschaft genießt bzw. weiterhin auch Vertrauen in die Gewerkschaft
haben soll?
8. Werden Sie die Arbeiterkammer, als gesetzliche Interessenvertretung aller
Arbeitnehmer, veranlassen, in Zukunft die Anwendung verdeckter
Ermittlungsmethoden zu unterlassen?