5355/J XX.GP

 

Anfrage

 

der Abgeordneten Böhacker

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Verschmelzungsverluste

 

Im Recht der Wirtschaft (RdW) 1998 / 8b schreibt Prof. Doralt hinsichtlich der

Verschmelzungsverluste folgenden Artikel:

 

“Das Finanzministerium hat zunächst den Abzug von Verschmelzungsverlusten

zugelassen, dann widerrufen, später im Rahmen des Umgründungssteuergesetzes zum

Teil wieder zugelassen und erst nach neuerlicher Kritik wieder abgeschafft.

 

a) Der Verschmelzungsverlust und sein vorläufiges Ende

 

Nur wenige Jahre vor der Geschichte mit dem IFB ging es um Insiderwissen aus dem

Ministerium:

 

Wird eine Tochtergesellschaft mit ihrer Muttergesellschaft verschmolzen, werden also -

einfach gesagt - aus zwei Unternehmungen eines, dann sind die beiden

Unternehmungen in der Summe nach ihrer Verschmelzung sicher nicht weniger wert als

vorher. Denn sonst täte man das ja nicht. Nur buchmäßig schlagen sich allerdings die

stillen Reserven als sogenannter ,,Verschmelzungsverlust” nieder, der kein echter

Verlust, sondern nur ein Scheinverlust ist, der auch ,,Buchverlust” genannt wird, eben

weil er kein wirklicher Verlust ist. Solche Verschmelzungsverluste gehen je nach Größe

des Unternehmens in zig oder auch 100 Millionen Schilling. Steht beispielsweise die

Beteiligung der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft mit 100 Millionen S zu

Buch, während die Buchwerte in der Tochtergesellschaft nur 10 Millionen betragen,

dann führt die Verschmelzung zu einem Buchverlust von 90 Millionen; denn bei der

Muttergesellschaft treten an die Stelle der Beteiligung die Buchwerte der

Tochtergesellschaft. - In einem damals aktuellen Fall (sicher nicht der größte) ging es um

rund 1 Milliarde Schilling.

 

Obwohl es sich nur um Buchverluste handelt, ließ das Ministerium derartige Verluste

zum Abzug zu (dazu Kohler, SWK 1998, S 51).

 

Da nur wenige Steuerberater davon wußten, veröffentlichte ich die Meinung des

Finanzministeriums (Doralt, RdW 1989, 281); denn entweder gibt es den Vorteil für alle

oder für keinen.

 

Die Veröffentlichung blieb nicht ohne Wirkung: Nur wenige Wochen später stellte zuerst

das BMF und dann der Gesetzgeber klar: Verschmelzungsverluste sind nicht

steuerwirksam (Wiesner, SWK 1989, A I 493; RdW 1989, 349; AbgÄG 1989).

 

b) Der Verschmelzungsverlust - seine Wiederauferstehung und sein endgültiges Ende

 

Nur zwei Jahre später fand sich allerdings der Verschmelzungsverlust im

Umgründungssteuergesetz in leicht abgeschwächter Form wieder: Diesmal war - im

Gesetz festgeschrieben - der Firmenwert in Höhe des Verschmelzungsverlustes

abschreibbar (zusätzlich zur Verlustübernahme; § 3 Abs 3 und § 4 UmgrStG). Für den

Nachweis des Firmenwertes, und damit für den Abzug des Verschmelzungsverlustes,

genügte ein Gutachten des eigenen Steuerberaters (Helbich / Wiesner, Umgründungen,

62).

 

Im Rahmen meiner Vorschläge zu einer neuen Steuerreform merkte ich das Thema

vorerst nur kurz an (ÖStZ 1995, 169). Als Kritik an meiner Kritik laut wurde, bekräftigte

ich meine Einstellung und bezeichnete die bestehende gesetzliche Regelung als

“institutionellen Steuertrick” (ÖStZ 1995, 207; dagegen Bruckner, ÖStZ 1995, 223).

 

Zufällig zur gleichen Zeit berichtete die Wirtschaftswoche über ein Textilunternehmen,

das insgesamt einen Verschmelzungsverlust von fast 1 Milliarde Schilling (genau 865

Millionen Schilling) lukriert und stolz erklärt hatte, “bis ins nächste Jahrtausend” keine

Steuer zu bezahlen (das war vor einigen Jahren); daraufhin erklärte ich Österreich in der

Steuer - Zeitung zur “Steueroase” (ÖStZ 1995, 207); der Widerspruch in Beraterkreisen

war heftig (Hügel, ecolex 1995, 509, meine Stellungnahme dazu ecolex 1995, 661).

 

Die Sache ging für uns alle - auch für Sie als Steuerzahler - gut aus: Die Abschreibung

von Verschmelzungsverlusten wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 endgültig

abgeschafft.

 

C) Der VwGH zum Verschmelzungsverlust

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage inzwischen ebenfalls entschieden: Die

Auffassung des Finanzministeriums, dass Verschmelzungsverluste abzugsfähig sind, war

von Anfang an nicht gerechtfertigt (E 22. 10. 1997, 93 /13 / 0295). Alleine im Anlaßfall des

VwGH ging es um einen Verschmelzungsverlust von mehr als einer halben Milliarde

Schilling (SWK 1998, S 51).

 

Rechnen Sie die beiden anderen Beispiele von vorher dazu, dann haben Sie alleine bei

den hier angeführten drei Beispielen einen Verschmelzungsverlust von 2,5 Milliarden

Schilling; das macht bei 34 % KSt nur in diesen drei Fällen einen Steuerausfall von 850

Millionen S, also beinahe 1 Milliarde S aus.”

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Finanzen

folgende

 

Anfrage:

 

1. Wie beurteilen Sie die Zulassung von Verschmelzungsverlusten durch das

    Bundesministerium für Finanzen, welche laut o. a. Artikel Steuerausfälle von rd. 1

    Mrd. S nach sich gezogen haben?

 

2. Wie hoch waren die gesamten Steuerausfälle durch die vom Bundesministerium für

    Finanzen ermöglichten Verschmelzungsverluste?

 

3. Wie können Sie es rechtfertigen, daß steuerliche Ausnahmebestimmungen auf

    Kosten der Steuerzahler vom Bundesministerium für Finanzen “auf Zuruf”

    ermöglicht werden?

 

4. Welche sonstigen Steuerbegünstigungen wurden bzw. werden vom

    Bundesministerium für Finanzen wem, wann und in welcher Höhe gewährt?

5. Entspricht es den Tatsachen, daß die Möglichkeit der Geltendmachung von

    Verschmelzungsverlusten nur wenigen Steuerberatern vom Bundesministerium für

    Finanzen mitgeteilt worden ist?

    Wenn ja, welche Steuerberater wurden darüber informiert?

    Wenn nein, was werden Sie unternehmen, um diese Behauptung des Univ. Prof. Dr.

    Doralt zu widerlegen?

 

6. Wann und in welcher Form wurde die Möglichkeit der Geltendmachung von

    Verschmelzungsverlusten vom Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht?

 

7. Welche Umstände waren dafür ursächlich, daß nach einer Äußerung des Univ. Prof.

    Dr. Doralt das Bundesministerium für Finanzen klargelegt hat, daß

    Verschmelzungsverluste nicht steuerwirksam sind und diese Möglichkeit trotzdem

    wiederum im Umgründungssteuergesetz auflebte?