5544/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Antrag auf Exportgarantie über Staudammprojekte in Indien und der Türkei
Nach unseren Informationen soll je ein Staudammprojekt in Indien (“Kishenganga”) und in
der Türkei (“Ilisu”) errichtet werden. Beide Projekte geben in menschenrechtlicher,
sozialer, gesundheitlicher, ökologischer und politischer Hinsicht Anlaß zu größter
Besorgnis.
Staudammprojekt "Kishenganga" (Indien)
Im Gurez - Tal im Norden Kashmirs, Indien, soll an der Grenze zu Pakistan ein 330 MW-
Wasserkraftwerk am Fluß Kishenganga entstehen, das von einem norwegisch - schwedisch -
österreichischen Konsortium (Auftragsvolumen insgesamt ca. US $ 20 Millionen) erbaut werden soll.
Das durch das Kraftwerk entstehende Wasserreservoir soll 11 km lang und in seiner größten
Ausdehnung 1 km breit sein.
• Wegen des Kraftwerks sollen insgesamt 25.000 Menschen aus 25 Dörfern umgesiedelt werden.
Auch werden viele Weidegebiete überflutet werden. Hauptsächlich betroffen sind davon die Dard
Shin, ein Volk, dessen Kultur noch relativ intakt geblieben ist. Die noch zu bergenden
archäologischen Schätze in dieser Region sind durch das Projekt akut gefährdet.
• Das Kraftwerksprojekt soll überdies in einem ökologisch sensiblen Gebiet realisiert werden. Durch
die Abgeschiedenheit des Gebietes (bisher existiert eine nicht asphaltierte, nur einige Monate im
Jahr befahrbare Straße) leben hier viele andernorts beinahe ausgestorbene Tierarten, wie etwa
der Schneeleopard.
• Anlaß zu Besorgnis geben auch die politischen Implikationen des Projektes: Schließlich soll das
Kraftwerk an der indisch - pakistanischen Grenze gebaut werden, einem vor allem nach den
indischen und pakistanischen Atombombentests politisch hochsensiblen Gebiet.
Die Auswirkungen des Projektes (wie etwa Wasserknappheit) wären auch in Pakistan spürbar.
Staudammprojekt “Ilisu” (Türkei):
Ilisu ist Teil des Südostanatolischen Projekts (GAP), einem gigantischen Wasserkraftwerks - und
Bewässerungssystem am Euphrat und Tigris im kurdischen Teil der Türkei.
Ilisu soll am Tigris, 65 km von der syrischen und irakischen Grenze entfernt, erbaut werden. Ilisu ist
derzeit das größte Wasserkraftwerksprojekt der Türkei. Der Damm soll eine Länder von 1820 m und
eine Höhe von 135 m aufweisen, das dadurch entstehende Wasserreservoir wird eine Fläche von 313
km2 haben. Die Kosten werden auf US $ 1,52 Milliarden geschätzt. Mit dem Bau des 1200 MW-
Kraftwerks soll Mitte 1999 begonnen, Strom soll ab Mitte 2006 erzeugt werden.
Nach Informationen unserer Schweizer Partnerorganisation, die Ende August 1998 zu von den Firmen
ABB und Sulzer zu einem Hearing über Ilisu eingeladen worden sind, ist das Projekt als höchst
problematisch einzustufen:
• Obwohl Ilisu vergleichsweise teuren Strom produzieren wird, wurden bei der Planung weder
andere Investitionsmöglichkeiten noch - möglicherweise kostengünstigere - Massnahmen zur
Effizienzsteigerung als Alternativen zum Projekt abgeklärt.
• Ilisu wird massive Auswirkungen auf die regionale Umwelt und die Gesundheit haben. Dennoch
wurden die betroffenen Bevölkerungsgruppen oder lokale NGOs im Zuge der
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht konsultiert. Den Betroffenen wurde die
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zugänglich gemacht.
• Für Ilisu müssen 15.000 - 20.000 Menschen umgesiedelt werden. 52 Dörfer und 15 Kleinstädte
werden versinken, unter anderem die tausend Jahre alte Stadt Hasankeyf. Die Türkei hat
schriftlich versichert, internationale Standards bei der Umsiedlung einhalten zu wollen, es
bestehen jedoch große Zweifel am politischen Willen und den Durchführungskapazitäten auf
türkischer Seite. Die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerungsgruppen wurde bisher nicht als
eigenständiges Entwicklungsprogramm miteingeplant. Die Konsultation und Partizipation der
Betroffenen, deren Zahl nur ungenau vom Helikopter aus erfaßt worden war, war bei der
bisherigen Projektplanung inexistent. Es ist zu befürchten, daß auch die Betroffenen von llisu ohne
Unterstützung in die Slums der Städte oder ins Ausland abwandern werden.
• Über die menschenrechtlichen Probleme hinaus bestehen auch gravierende friedenspolitische
Bedenken gegen den Bau des Ilisu - Staudamms kurz vor der irakischen Grenze. Er wird der Türkei
die Möglichkeit geben, den Weiterfluß des Tigris nach Syrien und in den Irak für mehrere Monate
zu unterbinden und verschärft damit die bestehenden Spannungen in der Region. Der Irak hat eine
Klage gegen die türkischen Staudammpläne beim Internationalen Gerichtshof angekündigt.
Als einziger Staat neben China und Burundi lehnte die Türkei bezeichnenderweise die UNO-
Konvention über den nicht - schiffbaren Gebrauch internationaler Wasserwege ab. Die Weltbank wies
aufgrund der beschriebenen Probleme bereits 1984 eine Finanzierung des GAP zurück und beteiligt
sich auch nicht an Ilisu. Formell kommen damit die UNO - Konvention und die Weltbankrichtlinien nicht
zur Geltung. Die betroffenen Bevölkerungsgruppen sowie die Exekutivdirektoren, welche Irak und
Syrien vertreten, könnten das Projekt sonst beim bankinternen Inspection Panel sofort anfechten.
Nun will ein internationales Konsortium unter der Leitung der Schweizer UBS (Union Bank
of Switzerland) Ilisu mit Exportkrediten bzw. staatlichen Garantien seitens nationaler
Exportkreditgesellschaften finanzieren. Neben der Schweiz, Deutschland, Großbritannien,
Italien, Japan, Portugal, Schweden und den USA soll auch ein Antrag auf Erteilung einer
staatlichen Exportgarantie an Österreich (Oesterreichische Kontrollbank) gestellt worden sein.
Die Schweizer Exportrisikogarantie (ERG) hat bereits am 30. November 1998 einer
Exportgarantie zugestimmt. Wir erwarten daher, daß ein eventuell eingelangter Antrag an die
OeKB demnächst entschieden werden wird.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende
ANFRAGE:
1. Die o.a. Staudammprojekte konterkarieren die Ziele der österreichischen
Entwicklungspolitik. Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ist im
erweiterten Garantiebeirat sowie im Exportfinanzierungskomitee (EFK) mit Sitz und
Stimme vertreten. Was werden Sie unternehmen, damit es zu keiner Einräumung von
Exportkrediten/Garantien für die o.a. Staudammprojekte kommt?
2. Inwiefern werden Sie als der für die Entwicklungspolitik zuständige Bundesminister
bei Exportkredit - und Garantieanträgen dafür eintreten, daß die Grundsätze der
österreichischen Entwicklungszusammenarbeit sowie Umwelt -, Sozial - und
Menschenrechtskriterien berücksichtigt werden?
3. In der Anfragebeantwortung 3390/AB vom 1998-02-11 schreiben Sie, “entsprechend
den internationalen Vorgaben finden Überlegungen im Hinblick auf Umwelt,
Entwicklungs - und Menschenrechtskriterien Berücksichtigung”. Um welche
internationale Vorhaben bzw. Kriterien handelt es sich?