5545/J XX.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Antrag auf Exportgarantie über Staudammprojekte in Indien und der Türkei

 

Nach unseren Informationen soll je ein Staudammprojekt in Indien (“Kishenganga”) und in

der Türkei (“Ilisu”) errichtet werden. Beide Projekte geben in menschenrechtlicher,

sozialer, gesundheitlicher, ökologischer und politischer Hinsicht Anlaß zu größter

Besorgnis.

 

 

Staudammprojekt “Kishenganga” (Indien)

 

Im Gurez - Tal im Norden Kashmirs, Indien, soll an der Grenze zu Pakistan ein 330 MW-

Wasserkraftwerk am Fluß Kishenganga entstehen, das von einem norwegisch - schwedisch -

österreichischen Konsortium (Auftragsvolumen insgesamt ca. US $ 20 Millionen) erbaut werden soll.

Das durch das Kraftwerk entstehende Wasserreservoir soll 11 km lang und in seiner größten

Ausdehnung 1 km breit sein.

 

• Wegen des Kraftwerks sollen insgesamt 25.000 Menschen aus 25 Dörfern umgesiedelt werden.

   Auch werden viele Weidegebiete überflutet werden. Hauptsächlich betroffen sind davon die Dard

   Shin, ein Volk, dessen Kultur noch relativ intakt geblieben ist. Die noch zu bergenden

   archäologischen Schätze in dieser Region sind durch das Projekt akut gefährdet.

 

• Das Kraftwerksprojekt soll überdies in einem ökologisch sensiblen Gebiet realisiert werden. Durch

   die Abgeschiedenheit des Gebietes (bisher existiert eine nicht asphaltierte, nur einige Monate im

   Jahr befahrbare Straße) leben hier viele andernorts beinahe ausgestorbene Tierarten, wie etwa

   der Schneeleopard.

 

• Anlaß zu Besorgnis geben auch die politischen Implikationen des Projektes: Schließlich soll das

   Kraftwerk an der indisch - pakistanischen Grenze gebaut werden, einem vor allem nach den

   indischen und pakistanischen Atombombentests politisch hochsensiblen Gebiet.

   Die Auswirkungen des Projektes (wie etwa Wasserknappheit) wären auch in Pakistan spürbar.

 

Staudammprojekt “Ilisu” (Türkei):

 

Ilisu ist Teil des Südostanatolischen Projekts (GAP), einem gigantischen Wasserkraftwerks - und

Bewässerungssystem am Euphrat und Tigris im kurdischen Teil der Türkei.

Ilisu soll am Tigris, 65 km von der syrischen und irakischen Grenze entfernt, erbaut werden. Ilisu ist

derzeit das größte Wasserkraftwerksprojekt der Türkei. Der Damm soll eine Länge von 1820 m und

eine Höhe von 135 m aufweisen, das dadurch entstehende Wasserreservoir wird eine Fläche von 313

km2 haben. Die Kosten werden auf US $ 1,52 Milliarden geschätzt. Mit dem Bau des 1200 MW-

Kraftwerks soll Mitte 1999 begonnen, Strom soll ab Mitte 2006 erzeugt werden.

 

Nach Informationen unserer Schweizer Partnerorganisation, die Ende August 1998 zu von den Firmen

ABB und Sulzer zu einem Hearing über Ilisu eingeladen worden sind, ist das Projekt als höchst

problematisch einzustufen:

 

•  Obwohl Ilisu vergleichsweise teuren Strom produzieren wird, wurden bei der Planung weder

   andere Investitionsmöglichkeiten noch - möglicherweise kostengünstigere - Massnahmen zur

   Effizienzsteigerung als Alternativen zum Projekt abgeklärt.

•  Ilisu wird massive Auswirkungen auf die regionale Umwelt und die Gesundheit haben. Dennoch

   wurden die betroffenen Bevölkerungsgruppen oder lokale NGOs im Zuge der

   Umweltverträglichkeitsprüfung nicht konsultiert. Den Betroffenen wurde die

   Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zugänglich gemacht.

 

•  Für Ilisu müssen 15.000 - 20.000 Menschen umgesiedelt werden. 52 Dörfer und 15 Kleinstädte

   werden versinken, unter anderem die tausend Jahre alte Stadt Hasankeyf. Die Türkei hat

   schriftlich versichert, internationale Standards bei der Umsiedlung einhalten zu wollen, es

   bestehen jedoch große Zweifel am politischen Willen und den Durchführungskapazitäten auf

   türkischer Seite. Die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerungsgruppen wurde bisher nicht als

   eigenständiges Entwicklungsprogramm miteingeplant. Die Konsultation und Partizipation der

   Betroffenen, deren Zahl nur ungenau vom Helikopter aus erfaßt worden war, war bei der

   bisherigen Projektplanung inexistent. Es ist zu befürchten, daß auch die Betroffenen von llisu ohne

   Unterstützung in die Slums der Städte oder ins Ausland abwandern werden.

 

• Über die menschenrechtlichen Probleme hinaus bestehen auch gravierende friedenspolitische

   Bedenken gegen den Bau des Ilisu - Staudamms kurz vor der irakischen Grenze. Er wird der Türkei

   die Möglichkeit geben, den Weiterfluß des Tigris nach Syrien und in den Irak für mehrere Monate

   zu unterbinden und verschärft damit die bestehenden Spannungen in der Region. Der Irak hat eine

   Klage gegen die türkischen Staudammpläne beim Internationalen Gerichtshof angekündigt.

 

Als einziger Staat neben China und Burundi lehnte die Türkei bezeichnenderweise die UNO -

Konvention über den nicht - schiffbaren Gebrauch internationaler Wasserwege ab. Die Weltbank wies

aufgrund der beschriebenen Probleme bereits 1984 eine Finanzierung des GAP zurück und beteiligt

sich auch nicht an Ilisu. Formell kommen damit die UNO - Konvention und die Weltbankrichtlinien nicht

zur Geltung. Die betroffenen Bevölkerungsgruppen sowie die Exekutivdirektoren, welche Irak und

Syrien vertreten, könnten das Projekt sonst beim bankinternen Inspection Panel sofort anfechten.

 

Nun will ein internationales Konsortium unter der Leitung der Schweizer UBS (Union Bank

of Switzerland) Ilisu mit Exportkrediten bzw. staatlichen Garantien seitens nationaler

Exportkreditgesellschaften finanzieren. Neben der Schweiz, Deutschland, Großbritannien,

Italien, Japan, Portugal, Schweden und den USA soll auch ein Antrag auf Erteilung einer

staatlichen Exportgarantie an Österreich (Oesterreichische Kontrollbank) gestellt worden sein.

 

Die Schweizer Exportrisikogarantie (ERG) hat bereits am 30. November 1998 einer

Exportgarantie zugestimmt. Wir erwarten daher, daß ein eventuell eingelangter Antrag an die

OeKB demnächst entschieden werden wird.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Sind auch österreichische Firmen an den o.a. Projekten beteiligt?

 

2. Stimmt es, daß Anträge auf Erteilung einer staatlichen Exportgarantie an Österreich

    (Österreichische Kontrollbank) gestellt worden sind?

 

3. Hat Österreich bereits im Rahmen des Ausfuhrförderungsverfahrens Haftungen für die

    o.a. Staudamm - Projekte übernommen? Wenn ja, mit welcher Begründung?

 

4. Inwiefern finden Überlegungen im Hinblick auf die Umwelt, Entwicklungs - und

    Menschenrechtskriterien bei der Einräumung von Exportkredit - /Garantien

    Berücksichtigung?