5723/J XX.GP

 

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Cordula Frieser

und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Praxis des Rechtsmittelverfahrens im Abgabenrecht

 

Die abgabenrechtlichen Berufungssenate bestehen nach § 270 BAO aus zwei

Beamten und drei Laienmitgliedern. Nach der Verfassungsvorschrift des § 271

BAO sind alle Mitglieder der Berufungssenate weisungsfrei gestellt. Dennoch

stehen die Berufungssenate häufig im Verdacht1 einseitig zugunsten des Fiskus zu

entscheiden. In der Praxis werden die Senatsmitglieder aus einer Gruppe von

meist mehr als 100 Personen für jede Sitzung bestimmt. Gegen von den

Berufungssenaten erlassene Bescheide kann der Präsident der

Finanzlandesdirektion Präsidentenbeschwerde erheben. Gem § 292 Satz 2 BAO

kann dies sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der Parteien geschehen. Eine

Untersuchung von Achatz/Kamper/Ruppe (Die Rechtsprechung des VWGH in

Abgabensachen, 1987, 113 f) hat gezeigt, daß in den Jahren 1979 bis 1985 keine

einzige Präsidentenbeschwerde zugunsten des Steuerpflichtigen erhoben wurde.

Häufig wird vermutet, daß sich diese Praxis trotz des eindeutigen

Gesetzesauftrags des § 292 Satz 2 BAO nicht geändert hat. Die unterzeichneten

Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage:

 

1. Wie viele Fälle sind Ihnen bekannt oder in wie vielen Fällen ist aus den Akten

    ersichtlich, daß die beiden beamteten Mitglieder eines Berufungssenates, die

    beide weisungsfrei gestellt sind, unterschiedlich abgestimmt haben?

 

2. Nach welchen Kriterien wählen die Senatsvorsitzenden für jede Sitzung eines

    Berufungssenats die mitwirkenden Mitglieder aus dem Kreise der von der

    Geschäftsverteilung dem Senat zugewiesenen Mitglieder aus?

3. Wie wird dokumentiert, daß die Senatsvorsitzenden bei der Auswahl der

    Senatsmitglieder eine bestimmte Reihenfolge einhalten?

 

4. Wie wird verhindert, daß die Senatsvorsitzenden einzelne dem Senat in der

    Geschäftsverteilung zugewiesene Mitglieder überhaupt nicht heranziehen?

 

5. Welche Vorsorgen werden getroffen, damit Senatsvorsitzende bei der Auswahl

    der Mitglieder nicht nach ihrem Belieben vorgehen?

 

6. Wie viele Präsidentenbeschwerden wurden seit 1986 erhoben?

 

7. Wie viele Präsidentenbeschwerden wurden seit 1986 zugunsten des

    Steuerpflichtigen erhoben?