605/J
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Gabriele Binder und Genossen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend skandalöse Aussagen eines Richters im Rahmen eines Verfahrens wegen NS-Wiederbetätigung
Am Mittwoch, dem 22. Mai 1996 berichtete eine österreichische Tageszeitung (siehe Beilage) über einen Geschworenenprozeß um NS-Propaganda, die ein Berufschullehrer im Rahmen des Elektrotechnik-Unterrichtes betrieben haben soll.
Sofern der genannte Artikel inhaltlich richtig ist, soll es bei diesem Verfahren durch den Richter Hans-Peter Januschke zu Aussagen gekommen sein, die auch bei voller Würdigung der richterlichen Unabhängigkeit als skandalös einzustufen sind und die nicht einfach hingenommen werden können.
Demnach habe der Richter unter anderem gesagt: "Sie meinten, Dachau war kein Vernichtungslager, sondern für Asoziale, Zigeuner und dergleichen."
Zum Vorwurf an den wegen Wiederbetätigung Angeklagten, er hätte behauptet, Österreich sei "nur die Ostmark" und gehöre zu Deutschland, habe der Richter gemeint "Also Sie haben (las so gemeint, daß aufgrund der gemeinsamen Sprache und Kultur Deutschland und Österreich zusammengehören. Das muß keine NS-Wiederbetätigung sein."
Die Justiz ist - wie andere staatliche Behörden - aufgrund unserer Rechtsordnung unmißverständlich dazu verpflichtet, die Republik und die Bürger unseres Landes vor Verbrechen der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn zu schützen und konsequent gegen derartige Umtriebe vorzugehen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz nachstehende
Anfrage:
1 Entspricht der in der Einleitung (fieser Anfrage genannte Bericht im wesentlichen den Tatsachen und sind insbesondere die Zitate des Richters korrekt wiedergegeben ?
2. Wenn ja: wie beurteilen Sie die Aussagen und das Verhalten des Richters bei diesem Geschworenenprozeß'!
3. Sehen Sie in den genannten Aussagen des Richters bzw. in dessen Verhalten im Prozeß eine Beeinträchtigung des Ansehens der Justiz und des Vertrauens der Bevölkerung in die Justiz ?
4. Falls Sie Frage drei dahingehend beantworten, daß Sie eine Beeinträchtigung im genannten Sinn sehen: weiche Maßnahmen in bezug auf den Richter gedenken Sie bei voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit - zu setzen ?
5. Weichen Stellenwert hat im Rahmen der richterlichen Ausbildung die Tatsache, daß die Bekämpfung jeder Betätigung im nationalsozialistischen Sinn eine wichtige Aufgabe der Justiz ist ?