6442/J XX.GP
der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Georg Oberhaidinger, Inge Jäger
und Genossen
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend WTO - Verhandlungen
Wie aus verschiedenen Presseberichten zu entnehmen ist, verhandeln Experten der
Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft (TWP) und der Weithandelsorganisation (WTO)
neue Abkommen aus. Es gibt Befürchtungen, daß die letzten Hemmnisse des Freien Spiels
der "Marktkräfte" zu beseitigen und die Staaten und Völker der ungebremsten Expansion der
multinationalen Konzerne zu unterwerfen. Nach den gescheiterten Verhandlungen um ein
Multilaterales Abkommen über Investitionen (MAI) versuchen Großunternehmer nun im
Rahmen der WTO - Verhandlungen eine neue Fassung des gescheiterten Projektes vorzulegen.
Sie sind entschlossen, ihre Pläne - an den Bürgern vorbei - noch vor der Jahrtausendwende
durchzusetzen.
Es reicht nicht, daß in den WTO - Verhandlungen einseitig die Interessen der Großkonzerne
behandelt werden. Die WTO als bestimmende Einrichtung für die Gestaltung der
Weltwirtschaft muß auch eine Antwort auf die brennenden Fragen der ArbeitnehmerInnen
geben. Abkommen sind anzustreben, welche die Mega - Konzernfusionen der letzten Jahre
regeln und Kartellbildungen verhindern. Spekulation und Steuerflucht sind zu unterbinden.
Die Überwachung und Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen sowie die Unterdrückung der
gewerkschaftlichen Aktivitäten darf durch die WTO nicht länger geduldet werden.
Offiziell beginnen die Verhandlungen der WTO mit der Ministerkonferenz der 131 WTO -
Länder im Dezember 1999 in Seattle/USA. Doch bereits in den nächsten Wochen müssen alle
Teilnehmerstaaten ihre Anliegen anmelden.
Im Vortrag an den Ministerrat vom 28. April 1999 haben Sie die Bundesregierung über den
Stand der Vorbereitungsarbeiten zur neuen WTO - Verhandlungsrunde informiert. Darin
füirten Sie aus, daß vor allem im Dienstleistungsbereich und Landwirtschaftsbereich heikle
Verhandlungen bevorstehen. Der Dienstleistungsbereich (GATS) umfaßt unter anderem die
nationalen Regelungen über den Zutritt
von Ausländern auf den heimischen Arbeitsmarkt,
aber auch die Sozialversicherung bzw. große Teile des öffentlichen Gesundheits -, Bildungs -
und Ausbildungssystem. Dieser Bereich soll bei den WTO - Verhandlungen weiter dereguliert
werden.
Bisher wurde es verabsäumt mit Gewerkschaften in den Dialog zu treten, um die
österreichischen Verhandlungsinteressen zu klären.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1. Welche Position vertritt Österreich hinsichtlich der im Rahmen der WTO -
Verhandlungen geplanten Liberalisierung im Dienstleistungsbereich und deren Folgen
für das österreichische System der Sozial - und Pensionsversicherung?
a) Wo liegt aus Ihrer Sicht der Vorteil für die österreichische Bevölkerung , wenn
von weiteren Deregulierung im Dienstleistungsbereich auch nationale Regelungen etwa im Bereich des Zutritts von Ausländern auf den heimischen Arbeitsmarkt oder im Bereich der Sozialversicherung betroffen sind?
2. Welche Position vertritt Österreich hinsichtlich der geplanten Deregulierung der
Arbeitsmärkte innerhalb der WTO - Mitgliedsländer und die dadurch zu erwartenden
Wanderungsbewegungen?
3. Welche Auswirkungen erwarten Sie für den österreichischen Arbeitsmarkt, wenn im
Zuge der Verhandlungen über die Personenfreizügigkeit die entsprechenden
bestehenden österreichischen Gesetze zum Schutz der österreichischen Arbeitnehmer
eliminiert oder deutlich eingeschränkt werden müssen?
a) Welche Möglichkeiten sehen Sie, um eine Eliminierung oder eine künftige
Einschränkung dieser Gesetze als Ergebnis der WTO - Verhandlungen
auszuschließen?
b) Welche Maßnahmen werden Sie in diesem Zusammenhang setzen?
4. Welche Position vertritt Österreich hinsichtlich einer Vereinbarung zum
Investitionsschutz durch das WTO - Abkommen und die in diesem Zusammenhang
wiederholt
geforderte überstaatliche Rechtssprechung?
5. Welche Position vertritt Österreich hinsichtlich der Verankerung von sozialen und
ökologischen Mindeststandards in der WTO auf Basis der ILO - Konvention?
a) Ist Ihrer Meinung nach ein WTO - Verhandlungsabschluß ohne gleichzeitige
rechtliche Verankerung von Sozial - und Umweltklauseln im WTO - Vertrag
denkbar?
b) Wie wird gesichert, daß bestehende österreichische bzw. europäische Vorschriften im Bereich des Gesundheitsschutzes nicht ausgehöhlt werden?
c) Wieso vertreten Sie im Ministerratsvortrag vom 28. April 1999 die Auffassung,
daß das Thema "Sozialklauseln" eine Gefährdung einer umfassenden WTO -
Runde bedeutet?
d) Was werden Sie unternehmen, damit die sogenannten "Sonderwirtschaftszonen"
über den nächsten WTO - Vertrag nicht international anerkannt werden“?
6. Können Sie ausschließen, daß bei der WTO - Runde zur Vermeidung oder Linderung
europäischer Konzessionen im Bereich der Landwirtschaft an die WTO - Partner
kompensatorische Belastungen von anderen Sektoren - insbesondere des
Dienstleistungsbereiches - getragen werden müssen?
7. Die Europäische Union als ein maßgeblicher Verhandlungsteilnehmer in der WTO
benötigt für die WTO - Verhandlungen im Dienstleistungsbereich von den EU -
Mitgliedstaaten ein einstimmiges Verhandlungsmandat. Hat die EU bereits ein
Verhandlungsmandat für die WTO - Verhandlungen?
a) Wenn ja, welche inhaltliche Position hat Österreich bei dessen Beschlußfassung
vertreten?
b) Wenn nein, welche Position wird Österreich in der EU vertreten?
8. Die grundlegende wirtschaftspolitische Argumentation bei den WTO meint im Kern,
daß eine international koordinierte Deregulierung nationaler Gesetze zu einem
Anstieg im Welthandel und damit zu mehr Wirtschaftswachstum und mehr
Wohlstand führt. Welche Mechanismen sind Ihrer Meinung nach notwendig, damit
von diesem steigenden Wohlstand nicht einseitig Unternehmer und Aktionäre
sondern
auch die Bevölkerung profitiert?
9. Welche Änderungen sind im Rahmen der WTO - Verhandlungen hinsichtlich des
Streitbeilegungsverfahrens geplant?
a) Entspricht das nach derzeitigem Vorbereitungsstand geplante
Streitbeilegungsverfahren in der WTO jenem Verfahren, das im Rahmen der
Verhandlungen über ein MAI geplant war?
10. Welche Freihandelsabkommen werden von der Europäischen Union derzeit
verhandelt und welche Absichten bestehen dort hinsichtlich der Dienstleistungen?
a) Welche weiteren Freihandelsabkommen sind geplant?
b) Was werden Sie unternehmen, damit die österreichischen
Arbeitsmarktregelungen und die solidarischen Systeme der sozialen
Sicherheit über diese Abkommen nicht ausgehöhlt werden?
c) Können die EU - Vertragspartner daran gehindert werden, ihrerseits
Zugeständnisse der EU an Drittstaaten weiterzugeben?
11. Sind Sie bereit, eine Diskussion über die österreichische Verhandlungsposition für
die WTO - Runde, speziell auch mit Arbeitnehmervertreter - Organisationen, zu
ermöglichen?
12. Welche Möglichkeiten der Einbindung des osterreichischen Nationalrates in die
Entscheidungsfindung für die WTO - Verhandlungen sehen Sie?