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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Peter Schieder und Genossen

an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten

betreffend den Besuch in Albanien

 

Der österreichische Außenminister und Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel hat am Freitag den

10. Mai 1996 Albanien einen Besuch abgestattet.  Er hat dabei, wie der APA-Aussendung vom selben Tag zu entnehmen war, richtigerweise die erstklassigen Beziehungen zwischen Österreich und Albanien gewürdigt und sich dafür ausgesprochen, für Albanien Zwischen­stufen auf dem Weg zur Assoziation mit der EU zu finden, um so die Annäherung Albaniens an Europa zu beschleunigen.  Bezüglich der Provinz Kosovo hat Außenminister Dr. Schüssel in Vertretung der bisherigen Linie Österreich, die auch von den Parlamentsparteien getragen wird, sich für eine weitgehende Autonomie dieser serbischen Provinz ausgesprochen, gleichzeitig aber den Unabhängigkeitsbestrebungen der Provinz eine Absage erteilt.

Wie der erwähnten APA-Aussendung vom 10.  Mai zu entnehmen war, hat Außenminister Dr. Schüssel bei seinem Besuch in Tirana auch die demokratischen Fortschritte in Albanien gelobt und in Gesprächen mit Staatspräsident Sali Berisha, Ministerpräsident Aleksander Meksi und mit seinem Amtskollegen Alfred Serrequi die Vorbereitungen für die Parlamentswahlen am 25.  Mai gewürdigt.

Nicht zu entnehmen waren der diesbezüglichen Aussendung des Außenministeriums, der erwähnten APA-Aussendung und damit der Berichterstattung in den österreichischen Zeitungen weitere Tatsachen, die allerdings von den albanischen Zeitungen, insbesondere der "Gazeta Shqiptare" vom 10. und 11. Mai, der "Rilindja Demokratike" vom 11. Mai und der "Albania" vom 11. Mai berichtet wurde, nämlich daß Außenminister Dr. Schüssel auch ein Parteihauptquartier besuchte und zwar das der regierenden Demokratischen Partei und dort mit deren Vorsitzenden Dr. Titan Shehu, zusammentraf.  Laut den- wörtlich in diesen erwähnten Zeitungen wiedergegebenen Zitaten soll Minister Schüssel sich dabei eindeutig in Bezug auf die Wahlen in Albanien für die PD (Demokratische Partei) ausgesprochen haben ("mit der Demokratischen Partei wird es ok. gehen", "Albanien muß der PD vertrauen", "Wünsche Erfolge für die Wahlen") und ablehnende Äußerungen über die demokratische Gesinnung der albanischen Sozialistischen Partei gemacht haben. Den abgedruckten Fotos in den erwähnten albanischen Zeitungen und den dazu gehörenden Bildtexten ist weiters zu entnehmen - was ebenfalls in der österreichischen Berichterstattung nicht bekanntgegeben wurde - daß Außenminister Dr. Schüssel bei seinem offiziellen Besuch in Albanien auch von einem Abgeordneten, nämlich dem Klubobmann der ÖVP, Dr. Andreas Khol begleitet wurde.  Die erwähnten albanischen Zeitungen haben durch ihre Berichterstattung den Eindruck erweckt oder wiedergegeben, der österreichische Außenminister und Vizekanzler und damit Österreich gäben einer bestimmten albanischen Partei, nämlich der PD, deutliche Präferenz.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundesminister für auswärtige

Angelegenheiten daher nachstehende

 

 

Anfrage:

 

1.       Stimmen die erwähnten Berichte in den albanischen Zeitungen?  Haben Sie diese Äußerungen tatsächlich getan, wenn ja, warum, wenn nein, was werden Sie noch in den nächsten Tagen unternehmen, um diese falsche Berichterstattung, die eindeutig das Wahlverhalten beeinflussen könnte, zu korrigieren?

 

2.       Warum wurden Sie bloß von einem Abgeordneten begleitet?  Geschah dies im Einvernehmen mit der Präsidiale des Nationalrates und warum haben Sie nicht den Weg gewählt, Vertreter mehrerer Parteien oder den zuständigen Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses einzuladen, sondern den Klubobmann Ihrer eigenen Partei?

 

3.       Warum haben Sie bloß das Hauptquartier der mit der ÖVP befreundeten PD besucht und keinerlei Kontakte mit anderen Parteien, insbesondere mit den Vertretern der Opposition in Albanien hergestellt?

 

4.       Haben Sie bei Ihrer Würdigung der Vorbereitung der Parlamentswahlen am 26.  Mai übersehen, daß die Wahllisten (Artikel 21 des albanischen Wahlgesetzes) von den Behörden nicht zeitgerecht veröffentlicht wurden, daß nicht alle Wahlkommissionen (Artikel 39 des Wahlgesetzes) rechtzeitig zusammengesetzt wurden und daß in den Wahlkommissionen, die ein bestimmtes Anwesenheitsquorum für Beschlüsse vorsehen (Artikel 44 des Wahlgesetzes), diese nur in Anwesenheit der Regierungspartei und ohne Erreichung dieses Quorums gefaßt wurden?  Sind Ihnen keine Berichte vorgelegen, daß Veranstaltungen der Oppositionsparteien von lokalen Behörden verboten wurden, daß z.B. in den Tagen Ihres Besuches in Albanien die Hauptstraße zwischen Tirana und der Hafenstadt Durres von Angehörigen der regierenden Demokratischen Partei und der Polizei blockiert wurden, damit Oppositionspolitiker eine dort geplante Wahlveranstaltung nicht rechtzeitig erreichen konnten?  Sind Ihnen je Berichte zugekommen, daß es sogar zu Mißhandlungen von Kandidaten gekommen sein soll und auch die Oppositionsparteien entgegen dem Artikel 58 des Wahlgesetzes finanziell ausgehungert werden?

5.       Ist Ihnen bei der Vorbereitung Ihres Besuches von Ihren Mitarbeitern im Außenamt die APA vom 3. Mai vorgelegt worden, in der albanische Journalistenverband aus Anlaß des Internationalen Tages der Pressefreiheit sich über den massiven Druck auf die Journalisten des Landes beklagt?

6.    Haben Sie während Ihres Besuches auch die vom Europarat monierten Fragen, wie

       die Unabhängigkeit der Justiz, die Verletzung des passiven Wahlrechtes durch das Gesetz vom 22. 9. 1995 und den Fall Fatos Nano angesprochen?