6709/J XX.GP
der Abgeordneten Dipl. - Ing. Hofmann, Haigermoser, Mag. Firlinger, Dr. Ofner
und Kollegen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Unternehmens - Reorganisationsgesetz (URG)
Die Zahl der Insolvenzverfahren ist erschreckend hoch. Speziell betroffen sind kleine und
mittlere Unternehmen. Täglich scheitern in Österreich 13 Unternehmen, das sind 4800
Unternehmen jährlich.
An dieser Situation hat das mit 12. September 1997 in Kraft getretene Unternehmens -
Reorganisationsgesetz, ursprünglich angeregt von Arbeiterkammer und mit Begeisterung
vorangetrieben von der Wirtschaftskammer Österreich nichts geändert.
Bis heute ist die Zahl der eingeleiteten Reorganisationsverfahren ausgesprochen gering,
abgeschlossen wurden bisher keine.
Der Grund dafür liegt in den Bestimmungen des URG selbst:
Bereits von Anfang an waren die zur Beurteilung des Sanierungsbedarfes herangezogenen
Kriterien, Eigenkapitalquote und Verschuldungsdauer, umstritten. Das Eigenkapital der
österreichischen Unternehmen ist durchschnittlich auf unter 8 Prozent gesunken. In vielen
Branchen ist eine niedrige Eigenkapitalquote bedauerlicherweise fast die Norm und auch bei
durchaus gutgehenden Unternehmen vorzufinden. Das ist nicht zuletzt auf eine jahrelang
verfehlte Wirtschafts - und Steuerpolitik der österreichischen Bundesregierung
zurückzuführen.
Mit Recht wurde befürchtet, daß der gewünschte Effekt, die geordnete Sanierung vor der
Zahlungsunfähigkeit, nicht erreicht wird, und die betroffenen Unternehmen durch diesen
„Offenbarungseid“ erst recht in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würden.
Trotzdem rechnete die Wirtschaftskammer noch 1997 mit 30 bis 50 Fällen, die 1998 nach
dem URG abgewickelt würden. Tatsache ist jedoch, daß nach dem ersten Jahr die
Erfolgsbilanz des als „Wunderwaffe“ angepriesenen URG sich ausgesprochen bescheiden
ausmacht:
Kein einziges derartiges Sanierungsverfahren
wurde bis dahin durchgeführt.
Die Wirtschaftskammer zum Beispiel sah als eine der Hauptursachen dafür die hohen
Kostenvorschuß - Forderungen der Gerichte.
In einem Leserbrief an die SN vom Juni 1997 bezeichnete der Rechtsexperte der WK das
URG sinngemäß als ambitionierten Versuch, den Wirtschaftstreibenden ein Instrument in die
Hand zu geben, um frühzeitig und offensiv gegen eine drohende Insolvenzgefahr vorgehen zu
können.
Es bleibe aber, so sinngemäß der Rechtsexperte der WK, die Entscheidung des Unternehmers,
ob er sich eines sachkundigen Sanierungsberaters seiner Wahl bedient und eine
Rettungsaktion seines Betriebes startet. Wer von diesem Angebot nicht Gebrauch macht, den
Konkurs somit verschleppe und den Schaden vergrößere, der habe dafür die Verantwortung
zu tragen.
Kurzum: Ein Unternehmer, der die einmalige Chance des URG nicht ergreift, ist selber schuld
und darf nicht jammern.
Die Realität sieht jedoch anders aus:
Beantragt ein Unternehmer ein derartiges Verfahren, ist das mit enormen Kosten verbunden.
Erachtet in weiterer Folge der sogenannte Reorganisationsprüfer das Unternehmen als
insolvent und schließt sich das Gericht der Ansicht des Prüfers an, kommt es unabwendbar zu
einem Verfahren wegen (zumindest) fahrlässiger Krida.
Da die Bewertung , ob ein Verfahren nach dem URG notwendig ist aufgrund der
Eigenkapitalquote erfolgt, liefe z.B. der Großteil der österreichischen Tourismusbetriebe
Gefahr, mit einem Kridaverfahren konfrontiert zu werden.
Der entscheidende Schwachpunkt ist aber die Tatsache, daß mit der Beantragung eines
derartigen Verfahrens weder ein Insolvenz - noch ein Vollstreckungsschutz verbunden ist und
der Unternehmer wohl kaum jene „Atempause“ bekommen wird, die zum Beispiel das
Chapter 11 des US Code of Bankrupcy, das „Vorbild“ des URG, bietet:
Solange unter Aufsicht des Gerichts die Sanierungsversuche über einen längeren Zeitraum
laufen, ist der Unternehmer vor Exekutionen, Klagen oder Konkursanträgen geschützt.
Erst wenn die Sanierungsversuche über einen längeren Zeitraum hin endgültig fehlgeschlagen
sind, wird ein Insolvenzverfahren abgewickelt.
Genau diese Art von Schutz wäre notwendig, um dem eigentlichen Sinn einer Reorganisation,
der Verbesserung der Struktur mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens, nachkommen
zu können.
Die österreichische Variante bewirkt genau das Gegenteil:
Gerade die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens bedeutet für Banken häufig den
Startschuß zur Fälligstellung von Krediten.
Sollte dies nicht der Fall sein, hat die Bank zumindest die Möglichkeit Kredite
anfechtungsfest zu machen, was bei einer nachfolgenden Insolvenz zu Lasten der übrigen
Gläubiger geht.
In Summe bietet das URG daher weder für Gläubiger noch für Unternehmer irgendeine Art
von Schutz
Es verwundert daher auch nicht, daß das es bisher kaum Unternehmer gibt, die vom URG
Gebrauch machen, da dies in vielen Fällen zu einem gewaltigen Bumerang für den
betroffenen Betrieb werden würde.
Das URG ist somit nicht der, wie der Bundesminister für Justiz es bezeichnete, Meilenstein,
sondern bestenfalls ein Stolperstein für Unternehmer und für Gläubiger.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn
Bundesminister für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele Kridaverfahren gab es 1998, aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie nach
Branchen?
2. Wie viele Kridaverfahren gab es 1999, aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie nach
Branchen?
3. Wie viele Anträge auf Reorganisation gab es jeweils in den Jahren 1998 und 1999 seit
Inkrafttreten des URG, einzeln aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie nach
Branchen?
4. Wie viele dieser Verfahren wurden mit einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens
abgeschlossen, jeweils aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie nach Branchen?
5. Teilen Sie die Meinung des Rechtsexperten der Wirtschaftskammer Österreich, eine der
Hauptursachen für die geringe Zahl der Verfahren seien die hohen Kostenvorschuß -
Forderungen der Gerichte?
Wenn nein, warum nicht und worin sehen Sie die Ursache dafür?
6. Sind Sie der Meinung, daß das URG in seiner jetzigen Form effizient und wirksam ist?
Wenn ja, womit begründen Sie Ihre Meinung?
7. Erachten Sie eine Novellierung des URG in absehbarer Zeit für sinnvoll?
Wenn ja, in welchen Punkten?
Wenn nein, warum nicht?
8. Warum gibt es im jetzigen URG keine Bestimmungen nach Vorbild des Chapter 11 des
US Code of Bankrupcy?
9. Erachten Sie eine Novellierung in diesem Punkt, also die Einführung von Bestimmungen
nach Vorbild des Chapter 11 des US Code of Bankrupcy, für sinnvoll?
Wenn nein, warum nicht?
10. Halten Sie die im URG enthaltenen Strafbestimmungen für sinnvoll?
Wenn ja, warum?
11. Wie bewerten Sie den bisherigen Erfolg des URG?