6720/J XX.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend die bevorstehende ,, WTO - Milleniumsrunde“

 

Die Gründung der WTO sowie die GATT - Uruguay - Runde wurden mit dem Argument der

Steigerung des weltweiten Wohlstandes begründet. Inzwischen ist es zur Konzentration des

Wohlstandes in der Hand einiger weniger Reicher, zur zunehmenden Armut der Mehrheit

der Weltbevölkerung und zu zunehmender Ausbeutung der Ressourcen gekommen.

Im November 1999 soll in Seattle die sog. „WTO - Milleniumsrunde“ eröffnet werden.

Neben dem Warenverkehr, der Landwirtschaft und den Dienstleistungen sollen auch das

öffentliche Vergabewesen, allgemeine Wettbewerbsbestimmungen, die Regeln der

Warenkontrolle und die Investitionsfreiheit in die Verhandlungen mit einbezogen werden.

Mittlerweile sind die Vorbereitungen zur WTO - Milleniumsrunde voll im Gange, ohne daß

das Parlament oder die Öffentlichkeit über die Position der österreichischen

Bundesregierung informiert wird.

 

Seit einigen Wochen plant die Grüne Fraktion zur Information der Öffentlichkeit im

Parlament eine Veranstaltung, zu der wir auch Sie oder leitende Beamte Ihres Ressorts auf

das Podium gebeten haben. Bislang konnte trotz einiger Urgenzen leider keine

Terminzusage von Ihrem Ministerium erreicht werden. Die Vorbereitungen zu dieser für

alle Wirtschafts - und Politikbereiche enorm wichtigen Verhandlungsrunde gehen auch

gänzlich am Parlament vorbei (sieht man von den sogenannten EU - Dokumenten, die in

unübersichtlicher Menge im Haus dokumentiert sind, ab). Bisher wurde es sogar

verabsäumt, mit Gewerkschaften in den Dialog zu treten, wie aus einer parlamentarischen

Anfrage eines SPÖ - Abgeordneten hervorgeht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Gibt oder gab es Untersuchungen über die bisherigen Auswirkungen von GATT -

    /WTO auf die Arbeits -, Umwelt -, Frauen - und Kinderrechte, Demokratie,

    marginalisierte Bevölkerungsgruppen und die Entwicklungsländer? Wenn ja, welche,

    von wem und wie lautet das Ergebnis? Wenn nein, was werden Sie unternehmen, daß

    solche Studien sofort veranlaßt werden?

2. Mit welchen Zielvorstellungen gehen Sie bzw. die österreichische Bundesregierung in

    die WTO - Milleniumsrunde? Wie lautet die österreichische Verhandlungsposition?

 

3. Wann ist die Deadline für das Einbringen der Länderposition zur Milleniumsrunde?

 

4. Werden Sie das österreichische Parlament über die Position der österreichischen

    Bundesregierung zu den WTO - Verhandlungen informieren, bevor diese in Brüssel

    eingebracht wird? Wenn nein, nach welchem demokratischen Verständnis handeln

    Sie?

 

5. Was werden Sie unternehmen, um für Transparenz, öffentliche Diskussion sowie für

    die Beteiligung betroffener Bevölkerungsgruppen bei den Vorbereitungen und im

    Rahmen der WTO - Verhandlungen zu sorgen?

 

6. Welche Bemühungen werden Sie unternehmen, um den einseitigen

    Streitbeilegungesmechanismus der WTO zu reformieren?

 

7. Sind Sie dafür, daß neue Bereiche wie Investitionen, Wettbewerbspolitik und

    öffentliches Beschaffungswesen unter das WTO - Regime gebracht werden? Wenn ja,

    warum?

 

8. Ist es richtig, daß es zu einer weiteren Liberalisierung des Agrarmarktes kommen

    wird? Welche Auswirkungen werden diese Liberalisierungsbestrebungen auf die

    österreichische Landwirtschaft haben?

 

9. Ist es richtig, daß es zu einer Verschärfung des Übereinkommens über

    handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trips), zu dessen

    Kernpunkten die Patentierung lebender Organismen gehört, kommen soll und welche

    Position werden Sie vertreten?

 

10. Ist es richtig, daß das Allgemeine Abkommen über den Dienstleistungshandel (Gats)

      weiter liberalisiert werden soll? Welche Position vertreten Sie bzw. die österreichische

      Bundesregierung? Welche Lenkungskompetenzen der österreichischen

      Bundesregierung werden dadurch aufgegeben und wie begründen Sie die Aufgabe von

      soviel staatlicher Souveränität?

 

11. Stimmt es, daß die WTO - Regeln auf sämtliche Bereiche menschlicher Tätigkeit

      ausgedehnt werden sollen, insbesondere auf den Warenvertrieb, den Groß- und

      Einzelhandel, das Baugewerbe und die öffentlichen Ausschreibungen, das Architektur -

      Dekorations - und Wartungsgewerbe, das Bank -, Finanz - und Versicherungsgewerbe,

      Planung und Engineering, Forschung und Entwicklung, Immobilienkauf und -

      vermietung, die Kommunikationsdienstleistungen (Post, Telekom, audiovisuelle

      Medien, Informationstechnologien), Tourismus und Reisegewerbe, Hotel- und

      Gaststättengewerbe, die Umweltdienstleistungen (Straßenreinigung, Müllabfuhr,

      Stadtsanierung, Landschaftsschutz, Stadtplanung), die kulturellen und sportlichen

      Freizeitangebote (Veranstaltungen, Bibliotheken, Archive und Museen), den Verlags-,

      Druckerei - und Werbungssektor, sämtliche Transportmittel, den Bildungsektor (von

      der Grundschule bis hin zu den Universitäten und der beruflichen Weiterbildung,

      sowie den Bereich der human- und veterinärmedizinischen Dienstleistungen? Wenn ja,

      sind Sie damit einverstanden, und warum? Welche Position vertreten Sie in den

      einzelnen o.a. Bereichen und mit welchen Interessenvertretungen haben Sie ihre

      Position akkordiert?

 

12. Angeblich sind in den Vereinigten Staaten mehrere hunderte Beamte damit

      beschäftigt, die vollständige Liberalisierung des Dienstleistungshandels vorzubereiten.

      Wieviele Beamten wurden von Ihnen bzw. von der Bundesregierung für die

      Bearbeitung dieser vielfältigen Dossiers abgestellt?

 

13. Wieviele Beamten wurden von der EU bzw. der EU - Kommission für die Bearbeitung

      dieser vielfältigen Dossiers abgestellt?

 

14. Auf der Wunschliste der amerikanischen Wirtschaft für Seattle, steht u.a. „wir

      glauben, daß bei den WTO - Verhandlungen große Fortschritte erzielt werden können,

      die eine Expansion der amerikanischen Unternehmen auf allen Märkten für

      gesundheitliche Leistungen ermöglichen werden.“ Leider liege bislang „das

      Gesundheitswesen in vielen Ländern in staatlicher Hand“, was „die Durchdringung

      dieser Märkte durch die amerikanische Privatwirtschaft erschwere.“ Dies müsse sich

      in Zukunft ändern. Neben anderen „Barrieren“ sollen die „Beschränkungen für

      ausländische Leistungsanbieter“ fallen.

      Sind Sie dafür, daß das Gesundheitswesen in den Geltungsbereich der WTO - Regeln

      zum öffentlichen Vergabewesen fällt? Wenn ja, warum und mit welchen

      Konsequenzen im Gesundheitswesen wäre dann zu rechnen?

 

15. Bei den künftigen Verhandlungsrunden soll u.a. die Abschaffung noch bestehender

      Fertigwarenzölle sowie weitere „Handelserleichterungen“ auf den Tisch kommen,

      konkret: eine „Modernisierung, Vereinfachung und Harmonisierung überholter

      bürokratischer Handels - und Zollbestimmungen“. Heißt das im Klartext, daß es

      weniger Wareninspektion und - kontrolle geben soll?

 

16. Nach den gescheiterten MAI - Verhandlungen auf OECD - Ebene soll das Abkommen

      für Investitionen auf die WTO - Ebene transferiert werden. Worin soll sich das

      Investitionsabkommen auf WTO - Ebene vom letzten (gescheiterten) MAI - Entwurf

      unterscheiden (bitte um Angabe der wesentlichen Punkte)?

 

17. Was werden Sie unternehmen, daß die WTO - Regeln den internationalen

      Umweltabkommen angepaßt werden, um die gravierenden Widersprüche

      auszuräumen, die zwischen den WTO - Regeln und den multilateralen Umwelt -

     Abkommen bestehen?

 

18. Bislang haben sich die WTO - Sonderarbeitsgruppen (panels) sich bei allen die Umwelt

      und Gesundheit berührenden Fragen (etwa beim Streit um Hormonfleisch) taub

      gestellt. Welche Vorschläge werden Sie bzw. die österreichische Bundesregierung

      einbringen, damit die Lebensinteressen der breiten Mehrheit und damit Ökologie und

      die Gesundheit Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben?

19. Im Zusammenhang mit dem Hormonstreit und im Hinblick auf den Vormarsch der

     Gentechnik stellt sich die Frage, wie die Lebensmittelsicherheit der KonsumentInnen

     abgesichert werden soll. Welche Vorschläge werden Sie im Rahmen der WTO -

     Verhandlungen machen, um die Bevölkerung vor der Einfuhr von gentechnisch

     manipulierten Lebensmitteln schützen? Welche Position vertritt die österreichische

     Bundesregierung in diesem Bereich?

 

20. Ist es richtig, daß sich ein Abkommen über forstwirtschaftliche Produkte in

     Vorbereitung befindet, das sämtliche Beschränkungen im Handel mit Holzprodukten

     und die bestehenden Schutzbestimmungen gegen eine schrankenlose Ausbeutung der

     Wälder beseitigen würde? Welche Position werden Sie in diesem Bereich vertreten?

 

21. EU - Kommissar Sir Brittan geht davon aus, daß sämtliche Verträge als „single

      undertaking“, dh als „eine Unternehmung“ zu betrachten und zu unterzeichnen seien.

      Sind Sie auch dieser Auffassung und was heißt das für den Verhandlungsverlauf?

 

22. Viele Länder des Südens verfügen nicht über genügend qualifiziertes Personal, um die

      komplizierten Verhandlungen, die in zahlreichen Sachbereichen gleichzeitig

      stattfinden, zu verfolgen. Was wird unternommen, um dieses Defizit zu kompensieren

      und in welcher Form wird auf die speziellen Probleme dieser Länder eingegangen?

 

23. Die fortschreitende Liberalisierung im Nahrungsmittelbereich bedroht die Existenz

      von Kleinbäuerinnen und Bauern in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerika.

      Inwiefern wird dieser bedrohlichen Tendenz bei der bevorstehenden WTO - Runde

      entgegengewirkt?

 

24. Welche konkreten Vorschläge werden Sie einbringen, damit die Abkommen der

      Internationalen Arbeitsorganisation im Vertragswerk der WTO berücksichtigt und

      verankert werden?

 

25. Im Zusammenhang mit den negativen Auswirkungen der Globalisierung der

      Wirtschaft und der Finanzmärkte kommt es immer mehr zur Forderung nach einer

      neuen „globalen Ethik“. Inwiefern werden Sie Bemühungen in diese Richtung (z.B.

      Produktkampagnen wie „Clean Clothes“, Handel mit fairen Produkten etc.). im

      Rahmen der WTO - Verhandlungen berücksichtigen und unterstützen?