747/J

ANFRAGE

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie

betreffend Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich Sekten und destruktiven Kulten

 

Im Sommer 1994 hat der Nationalrat einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, im Zusammenhang mit Sekten und destruktiven Kulten folgende Maßnahmen zu ergreifen:

 

-   In Zusammenarbeit mit den zuständigen Bundesministerien und unter Einbeziehung von Expertlnnen eine Arbeitsgruppe einzusetzen.

-   Die Herausgabe einer Aufklärungsbroschüre zu veranlassen.

-   Aufklärungsaktionen zu unterstützen.

-   Bestehende Selbsthilfegruppen und Beratungseinrichtungen zu fördern.

Die derzeitigen strafrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen.

 

Positiv ist zu vermerken, daß im Rahmen der Bundespolizeidirektion eine spezialisierte Abteilung geschaffen wurde.  Ebenso wurde im BM für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (Abteilung Schulpsychologie) eine Beratungsstelle eingerichtet sowie ein Buch mit dem Titel "Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß" herausgegeben.  Dieses Buch enthält zwar allgemeine Kriterien für die Beurteilung gefährlicher Organisationen, führt aber keine konkreten Namen solcher Organisationen an.  Das Buch richtet sich eher Lehrkräfte und Experten als an Jugendliche und junge Erwachsene, die erfahrungsgemäß die Hauptadressaten der Werbetätigkeit solcher Organisationen sind.

 

Die "Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren" wird zwar mit bescheidenen Mitteln finanziell unterstützt, für die ständig zunehmende Flut von Anfragen Betroffener reichen die personellen Ressourcen aber bei weitem nicht aus.

 

Die im Entschließungsantrag geforderte und dringend benötigte Arbeitsgruppe zur Koordination der problemkreisbezogenen Tätigkeiten der einzelnen Ressorts, die auch ExpertInnen die Möglichkeit geben würde, ihr Wissen dort zur Verfügung zu stellen, existiert immer noch nicht.

 

Die redaktionell längst fertiggestellte Broschüre wurde nicht herausgegeben.  Statt dessen ist nach unseren Informationen offenbar die Herausgabe einer Broschüre geplant, die wohl allgemeine Kriterien für die Beurteilung von gefährlichen Organisationen enthalten soll, aber keine konkreten Namen dieser Organisationen.  Dies ist absolut unzureichend.  Offensichtlich ist die Nichtherausgabe einer geeigneten Broschüre darauf zurückzuführen, daß die zuständigen Beamten und Politikerlnnen vor gerichtlicher Verfolgung geschätzt werden sollen.

 

Statt dessen müssen private Vereinigungen und Privatpersonen, die Aufklärungsarbeit betreiben, das Risiko einer gerichtlichen Verfolgung (zivile Gerichtsverfahren mit relativ hohen Streitwerten) übernehmen, wie ein konkreter, aktueller Fall zeigt.

 

Zwei Beispiele aus der BRD belegen, daß der notwendige engagierte Einsatz der Politik auch von der Rechtsprechung anerkannt wird: der deutsche Arbeitsminister Blüm darf das "Scientology"- Unternehmen weiter als "Riesenkrake" und als "menschenverachtendes Kartell der Unterdrückung" bezeichnen.  Das Oberverwaltungsgericht Münster hielt es in seiner Entscheidung auch vertretbar, die "Rädelsführer" von Scientology als "Kriminelle" zu bezeichnen.  Auch die Äußerung des Ministers, die Mitglieder würden einer "Gehirnwäsche" unterzogen, beruhte nach Ansicht des Gerichts ebenso auf "hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten und Belegen" wie die von Blüm verwendete Bezeichnung "verbrecherische Geldwäsche-Organisation".

 

Das deutsche Familienministerium wiederum darf in einer Broschüre über Jugendsekten und Psychokulte vor dem "Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM)" als einer "Psychogruppe mit Ausschließlichkeits- und Heilsanspruch" mit "autoritärer bis totalitärer Struktur" warnen, wie das Oberverwaltungsgericht Münster feststellte.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Wann wird die geplante Arbeitsgruppe einberufen?

 

2.    Wann wird von den zuständigen Bundesbehörden eine geeignete Broschüre zur Prävention und Information insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene herausgegeben?

 

3.    Inwiefern wird die Aufklärungsarbeit an den Schulen und in Bildungseinrichtungen wirksam gefördert und verbessert werden?

 

4.    Welche rechtlichen Maßnahmen werden zum Schutz potentieller Opfer und zum Schutz der um Aufklärung bemühten Personen ergriffen?

 

5.    Inwiefern wurden die strafrechtlichen Bestimmungen überprüft und was war das Ergebnis dieser Prüfungen?