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ANFRAGE
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz betreffend neonazistische Wiederbetätigung und Justiz
Die unterzeichneten Abgeordneten haben schon in der Vergangenheit mehrmals durch
Anfragen betreffend das Verhalten der Justiz bei neonazistischer Wiederbetätigung die
Sorge zum Ausdruck gebracht, daß einzelne, allerdings nicht immer unmaßgebliche
Vertreter der Justiz für neonazistische, rechtsradikale und rassistische Tendenzen offene
Sympathie zeigen bzw. durch ihre Einstellung die Abwicklung von Vorerhebungen,
Voruntersuchungen und Strafverfahren wegen Wiederbetätigung verzögern oder blockieren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE::
1) Der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Dr. Wolfgang Neugebauer, wird in einem "Standard" - Interview mit der Einschätzung zitiert, daß sich seit der Novellierung des Verbotsgesetzes im Jahr 1992 die Spruchpraxis österreichischer Gerichte eindeutig geändert habe, d.h. mehr Schuldsprüche gefällt würden.
1) Wieviele Anzeigen nach dem Verbotsgesetz gab es in den letzten fünf Jahren vor der Novellierung 1992, wieviele gab es in den Jahren seither (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln)?
2) Wieviele -rechtskräftige -Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz gab es in den letzten fünf Jahren vor der Novellierung, wieviele seither (in den einzelnen Jahren)?
II) Die Prozeßführung durch den Wiener Richter Hans Peter Januschke im Wiederbetätigungsverfahren gegen den Berufsschullehrer Richard R. hat dazu geführt, daß Januschke von der Leitung des Verfahrens entbunden wurde. Darüber hinaus besteht nach Ihrer in der "Wiener Zeitung" zitierten Ansicht 'kein Zweifel", daß der Fall Januschke dem Disziplinargericht zur Entscheidung vorgelegt werde. Auf die Frage, warum nicht schon in der Vergangenheit disziplinarrechtliche Schritte gegen Hans Peter Januschke gesetzt wurden, haben Sie geantwortet: "Über bisherige Maßnahmen im Lauf der früheren Jahre möchte ich in diesem Zusammenhang nichts sagen. "
1). 1978 klagte Hans Peter Januschke, damals am Straflandesgericht Wien als
Untersuchungsrichter tätig, eine Prostituierte, weil sie ihm für seinen Lohn die entsprechende Leistung vorenthalten habe. Ein Kommentar in der "Wiener Zeitung" bemerkte zu diesem "derart peinlichen" Prozeß, daß der damalige Kläger Januschke nach dem Prozeß "jedenfalls rasch aus dem Straflandesgericht" verschwand.
a) Entspricht diese Darstellung den Tatsachen?
b) Gab es auch disziplinarrechtliche Schritte gegen Herrn Januschke, mit welcher
Konsequenz?
c) Wenn nein, warum nicht?
d) Wurde der Prozeß tatsächlich am Straflandesgericht Wien durchgeführt, also von
unmittelbaren Berufskollegen des Herrn Januschke? e) Können Sie die abschließende Frage im Zeitungskommentar beantworten: "Wer nur, wer hat ihn dorthin (gemeint ist das Straflandesgericht Wien) wieder zurückgeholt?"
2). Im Jahr 1992 führte Hans Peter Januschke neuerlich einen Prozeß in eigener Sache. Er beschuldigt nach einer Darstellung der Zeitschrift "News" einen Arzt, seine Unterschrift als Kandidat für die Gemeinderatswahl gefälscht zu haben. Der Arzt wurde freigesprochen, weil die Unterschrift Januschkes offensichtlich zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Januschke wurde wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage vom Gericht angezeigt, die Vorerhebungen allerdings anscheinend "ohne jedes Ergebnis" (News 22/96) eingestellt.
a) Entspricht diese Darstellung den Tatsachen?
b) Wurden die Vorerhebungen gegen Hans Peter Januschke tatsächlich "ohne jedes
Ergebnis" eingestellt?
c) Wurden gegen Herrn Januschke in dieser Angelegenheit disziplinarrechtliche Schritte unternommen?
d) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
3). Gab es gegen Hans Peter Januschke im Zusammenhang mit einem Betrugsprozeß
gegen zwei Immobilienmakler tatsächlich den Verdacht der Winkelschreiberei bzw. der falschen Zeugenaussage?
4). In wievielen und welchen Fällen wurde gegen Hans Peter Januschke disziplinarrechtlich ermittelt und mit welchen Konsequenzen?
5). Welche disziplinarrechtlichen Konsequenzen können Richter Januschke aus seiner Verhandlungsfiihrung erwachsen?
6). Wird die Verhandlungsführung von Richter Januschke auch auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen geprüft?
III) Über den Neonazi Karl Polacek, der 1992 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich abgeschoben worden war, wurde noch im Dezember 1992 ein Bericht der Sicherheitsdirektion Oberösterreich an die zuständige Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis übermittelt. Erst nach mehr als einjährigen sicherheitsbehördlichen Erhebungen sah sich die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis am 5.1.1994 imstande, beim Untersuchungsrichter die Einleitung der Voruntersuchung wegen Verdachts nach § 3 g VerbotsG beantragt. In der Folge wurden weitere Anzeigen gegen Karl Polacek eingebracht, die zu einer Ausweitung der Voruntersuchung auch wegen § 3 h VerbotsG
geführt haben. In einer Anfragebeantwortung an die unterfertigten Abgeordneten im April 1995 haben Sie, Herr Justizminister, erklärt, daß die Voruntersuchungen "noch nicht abgeschlossen" sind. Nach mehr als einem weiterem Jahr und insgesamt 30 Monaten ist die Voruntersuchung gegen Karl Polacek noch immer nicht abgeschlossen.
1).Halten Sie die auffällig lange Dauer der Voruntersuchung noch für angemessen?
2). Halten Sie es für notwendig, daß die Staatsanwaltschaft laut Auskunft gegenüber den
Anfragestellern ein neuerliches historisches Gutachten über Konzentrationslager und
Gaskammern eingefordert hat?
3).Welche Kosten wird dieses Gutachten verursachen und welche noch nicht durch die zeitgeschichtliche Forschung dokumentierten Tatbestände sollen dadurch erhellt werden?
4).Der zuständige Staatsanwalt am Kreisgericht Ried, Heinrich Steinsky, war schon vor mehreren Jahren in Salzburg Gegenstand heftiger öffentlicher Kritik, weil er nach Ansicht des Antifaschistischen Personenkomitees Salzburg seit 1980, seit Steinsky bei der Staatsanwaltschaft Salzburg sämtliche Verbotsgesetzsachen bearbeitete, trotz mehrfacher Anzeigen keine Anklagen gegen den Salzburger Neonazi Fritz Rebhandl erhoben hat. Rebhandl wurde übrigens nach dem Wechsel Steinskys von einem Salzburger Geschworenengericht der Wiederbetätigung für schuldig befunden und ist außerdem auch noch Quartiergeber für Karl Polacek!
Steinsky wurde damals wegen des Verdachts des Amtsmißbrauches und der Bagatellisierung des Verbotsgesetzes angezeigt. Welches Ergebnis hatte diese Anzeige gegen Steinsky? Wurde gegen Steinsky in dieser Sache auch disziplinarrechtlich ermittelt?
5). Heinrich Steinsky war und ist Burschenschafter der schlagenden deutschnationalen Verbindung "Suevia" in Innsbruck. In einer Erklärung des "Burschenschaftlichen Rates" (abgedruckt in der "Aula" 3/95) hat Heinrich Steinsky 1995 für die "Suevia" zu den Briefbombenattentaten Stellung genommen und jede ideologische Verantwortung der schlagenden Verbindungen für die Briefbombenattentate abgelehnt. Halten Sie es für möglich, daß ein exportierter schlagender Burschenschafter unbefangen gegenüber einem Rechtsradikalen agiert bzw. geben nicht die Verhaltensweisen in beiden Causen (Rebhandl und Polacek) genügend Hinweise darauf, daß es Steinsky sowie dem von ihm beauftragten Untersuchungsrichter an der notwendigen Objektivität und Bereitschaft zur Strafverfolgung mangelt?
6). In der Anfragebeantwortung 1446 AB vom 21.8.1995 stellen Sie fest: 'Die bei den.. meisten Staatsanwaltschaften vorgesehene Spezialzuständigkeit für Verbrechen nach dem Verbotsgesetz bietet meiner Ansicht nach derzeit ausreichend Gewähr dafür, daß die mit derartigen Strafverfahren befaßten Staatsanwälte mit den aktuellen Erscheinungsformen des Revisionismus und des Neonazismus in ausreichendem Maße vertraut sind". Wie ist diese Ihre Einschätzung im Lichte der Ausführungen zu 5) zu interpretieren?
7). Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit es zu einem baldigen Abschluß der Voruntersuchung gegen Karl Polacek kommt?
IV) Wie Sie in einer Anfragebeantwortung an die Anfragestellerinnen im Jahr 1995 festgestellt haben, ist nach einer 7-jährigen Untersuchungsdauer am 9. Mai 1994 Anklage nach § 3 g VerbotsG gegen den Gaskammer - Leugner Ing. Emil Lachout erhoben worden. Mit Entscheidung vom 28.9.1994 hat das Oberlandesgericht dieser Anklage Folge gegeben. In einem Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen vom 4.6.1996, also weitere zwei Jahre später, wurde vom Richter allerdings der Abbruch des Verfahrens mit der Begründung verfügt, daß der Angeklagte laut einem
gerichtspsychiatrischen Gutachten 'wohl nicht in der Lage (ist), rechtsverbindliche Erklärungen hervorzubringen oder entgegenzunehmen'. Der Richter teilt in seiner Begründung auch die Annahme des Gutachtens, es könnte 'bei einer Verhandlung durchaus zu einer effektiven Entgleisung des Untersuchten kommen, die es ihm erst recht nicht mehr ermöglicht, seine gedanklichen Inhalte kritisch zu ordnen und
her-vorzubringen'.
Der Gaskammerleugner Emil Lachout wird also vom Gericht für verhandlungsunfähig erklärt und darf demnach seine Behauptungen weiterhin verbreiten!
1). Gibt es in der Rechtsgeschichte der Zweiten Republik eine vergleichbar lange Dauer eines Verfahrens vom Zeitpunkt der Einleitung der Voruntersuchung weg bis hin zur Einbringung der Anklageschrift?
2). Welche Auswirkungen hat der Abbruch des Verfahrens gegen Emil Lachout auf das
Strafverfahren des in derselben Sache angeklagten Gerd Honsik, in dessen Zeitschrift
"Halt" das angebliche Dokument Lachouts veröffentlicht worden ist?
3). Nach dem Stand der Dinge war Emil Lachout zwar imstande, ein angebliches Gaskammergutachten zu erstellen bzw. zu fälschen. Emil Lachout war weiters gemeinsam mit dem Justizapparat imstande, Erhebungen, Voruntersuchung und die Einleitung des Hauptverfahrens wegen NS- Wiederbetätigung fast 10 Jahre zu verzögern. Emil Lachout war weiters imstande mit umfangreichen Beweisanträgen (bis Mitte 1995 rund 12.500 Seiten) das Verfahren zu blockieren und letztendlich den Abbruch des Verfahrens zu erwirken. Nach Meinung des Gerichts ist Emil Lachout allerdings nicht imstande, dem Hauptverfahren zu folgen. Die unterzeichneten Abgeordneten halten diese Entscheidung des Gerichts für eine grobe Fehlentscheidung. Ist gegen diese Entscheidung noch ein Rechtsmittel zulässig? Kann es noch zu einer Neuaufnahme des Verfahrens kommen bzw. unter welchen Voraussetzungen?
4). Wird es zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Dokumentenfälschung kommen, nachdem dieses Delikt wegen des höherrangigen Delikts der Wiederbetätigung zurückgestellt worden war?
V) Der Herausgeber der Zeitschrift " Bürgerschutz aktuell', der Salzburger Rechtsextremist Peter Kurt Weiß, bezeichnet sich in seinen Schreiben als "Laienrichter" am Landesgericht Salzburg.
1). Ist der mehrfach wegen Wiederbetätigung angezeigte Peter Kurt Weiß tatsächlich Laienrichter, bzw. wurde er als solcher jemals tätig?
2). Gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen oder andere Rechtsgrundlagen, die die
Tätigkeit von Personen, die nach dem Verbotsgesetz angezeigt sind oder in Verhandlung
stehen, als Laienrichter ausschließen? Halten Sie eine diesbezügliche Ergänzung für sinnvoll?
VI) Der Wiener Staatsanwalt Georg Karesch hat die Ermittlungen gegen den Betreiber einer antisemitischen und revisionistischen Internet- Homepage eingestellt. Als Begründung wurde angeführt, daß erst kürzlich ein ähnliches Verfahren gegen Swoboda eingestellt worden ist. Nach Auskunft aus dem Justizministerium wird gegen die beiden Betreiber Franz Swoboda und Peter Kurt Weiß aber weiter ermittelt, bzw. die Entscheidung des Staatsanwaltes Karesch aufgehoben.
1). Welches ähnliche Verfahren gegen Franz Swoboda war vorher schon eingestellt worden und warum?
2). Ist es richtig, daß auch in diesem Verfahren Staatsanwaltschaft Karesch die Einstellung verfügt hat?
3). Halten Sie die Vorgangsweise von Staatsanwalt Karesch für korrekt? Wurde die Vorgangsweise von Staatsanwalt Karesch einer Prüfung durch die vorgesetzte Behörde unterzogen und mit welchem Ergebnis?
4). Wurden die Ermittlungen inzwischen wieder aufgenommen? In beiden Angelegenheiten?
VII) Der Korneuburger Staatsanwalt Harald Eisenmenger war in früheren Jahren Aktivist der Aktion Neue Rechte (ANR) und betätigt sich in der jüngsten Zeit als Verbindungsmann und Bundesbruder "Wahnfried" der rechtsextremen Europaburschenschaft Arminia in Wien.
Im Jahr 1993 wurde im Rahmen der Briefbombenermittlungen nach einem anonymen
Hinweis beim Verantwortlichen für die Europaburschenschaft Frankonia Hollabrunn,
Martin B. ein Hausdurchsuchung durchgeführt. Bei B., einem Funktionär der
Freiheitlichen Korneuburg, wurden Hakenkreuzfahnen und Aufkleber "Freiheit für
Gottfried Küssel" gefunden. Ein Verfahren gegen B. ist nach wie vor anhängig.
1). Nach unseren Informationen ist Staatsanwalt Eisenmenger auch mit dem Verfahren gegen B., seinen Bundesbruder, befaßt. Ist diese Information richtig?
2). Wenn ja, warum konnte es zu dieser Konstellation kommen?
II) . Welcher Verfahrensstand ist in dem Verfahren gegen Martin B. derzeit gegeben?
4). Gehen Sie auch in dieser Angelegenheit davon aus, daß mit Herrn Eisenmenger ein
"mit den aktuellen Erscheinungsformen des Revisionismus und des Neonazismus in ausreichendem Maße vertrauter" Staatsanwalt befaßt wurde?
Wenn ja, welche inhaltlichen Kriterien legen Sie dieser Einschätzung zugrunde?
VIII) Richter Friedrich Fischer, der im Briefbombenprozeß durch seine
Verhandlungsführung und seine Stellung zu einem Freund des Hauptangeklagten, Min.Rat Günter Rehak viel Kritik erregt hat, ist inzwischen durch eine Äußerung in einem Drogenprozeß neuerlich ins Gerede gekommen. In diesem Prozeß hat Richter Fischer die angeklagten Kriminalbeamten gefragt, ob es möglich ist, Daß er sich seine Ripperln beim niederfallen gebrochen hat ? Mit „er“ war der schwer mißhandelte un völlig unschuldig Emad F., ein ägyptischer Staatsbürger -gemeint.
Diese unglaublich verbale Entgleisung wurde komplettiert durch den Freispruch der angeklagten Kriminalbeamten.
1). Gibt es gegen den Richter wegen seiner verbalen Entgleisung ein
Disziplinarverfahren?
Wenn nein, warum nicht?
2). Wird Richter Fischer auch in Zukunft mit der VerhandlungsführunLy von Prozessen gegen Neonazis bzw. mit ausländischen Opfern befaßt werden?