910/J

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Kier, Mag.  Barmüller, Mag.  Firlinger, Schaffenrath und Partnerinnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend die österreichische Bankenaufsicht

 

 

In den letzten Jahren vermehrten sich die Medienberichte über Fehlleistungen österreichischer Banken im In- und Ausland.  Nicht zuletzt in Zusammenhang mit der Strafsache Nikolaus Mair wurde die Öffentlichkeit mit eklatanten Organisations- und Kontrollmängeln einer österreichi­schen Großbank konfrontiert.  Dies sollte nicht zuletzt für den Bundesminister für Finanzen Anlaß dafür sein, die Funktionsfähigkeit der Bankenaufsicht zu verbessern, die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsräte von Bankenaktiengesellschaften den Kontrollbedürfnissen anzupassen und strengere Regeln für die interne Bankenrevision zu normieren.

 

Überdies sind gerade in Zusammenhang mit der besonders betroffenen Girocreditbank demokra­tiepolitisch nicht unbedenkliche Verflechtungen sichtbar geworden.  So wurde der ab 1986 fast zehn Jahre und damit während der Zeit der Malversationen in der Girocreditbank für die Banken­aufsicht zuständige Bundesminister Lacina kurz nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregie­rung als Generaldirektor der Girocreditbank nominiert.  So hat Sektionschef Dr. Stanzel einen Aufklärungsbedarf, weil er als Chef der Bankenaufsicht von seinem Recht auf Einholung von Prüfberichten und Auskünften nicht ausreichend Gebrauch gemacht hat, obwohl er sich als Staatskommissär der Girocreditbank und damit als Teilnehmer an den Aufsichtsratssitzungen der Notwendigkeit einer zusätzlichen Informationsbeschaffung zur Vorbereitung von Maßnahmen der Aufsichtsbehörde bewußt sein mußte.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

 

 

In    Anbetracht dessen, daß

 

1 .    österreichische Banken, nicht zuletzt auch die Girocreditbank, im In- und Ausland nicht unbe­trächtliche Verluste erlitten haben;

 

2.     einem Bediensteten der Girocreditbank durch die Staatsanwaltschaft Innsbruck vorgeworfen wird, er habe der Girocreditbank bzw. auch deren Kunden durch Malversationen einen Scha­den in dreistelliger Millionenhöhe zugefügt, was ihm nach Ansicht der Staatsanwaltschaft "in der Girocreditbank AG sehr leicht gemacht wurde";

 

3.     die von der Sachkundigen Öffentlichkeit erwarteten Konsequenzen der Bankenaufsicht bisher unterblieben sind;

 

4.     nicht bekannt geworden ist, daß der Aufsichtsrat der Girocreditbank aus diesen Fehlleistungen personelle Konsequenzen gezogen hat;

 

stellen wir folgende, die Kontrolle und die Aufsicht in österreichischen Banken betreffend Fragen:

 

I-0 1.       Ist nach Ihrer Ansicht die Bankenaufsicht in der Causa Girocreditbank ihren Verpflich­tungen voll und ganz nachgekommen?

 

1-02.       Sind Sie der Ansicht, daß die Bankenaufsicht in ihrer derzeitigen Struktur und personellen Besetzung allen Anforderungen einer wirksamen Bankenaufsicht gerecht wird?

 

1-03.       Was halten Sie von der Ausgliederung der Bankenaufsicht aus Ihrem Ministerium und von einer gleichzeitigen Anhebung des Niveaus der Bankenaufsicht auf den schweizeri­schen und bundesdeutschen Standard?

 

1-04.       Halten Sie für Bankenaktiengesellschaften die Verbesserung der Möglichkeiten der Aufsichtsratskontrolle für notwendig?  Wenn ja, was gedenken Sie in diesem Zusam­menhang zu tun?

 

 

 

In    Anbetracht dessen, daß

 

1 .    dem Vorstand der Girocreditbank, also gemäß § 42 Abs. 3 BWG allen Vorstandsmitgliedern, der Revisionsbericht vom 30.9.1993 über schwere Pflichtverletzungen des nunmehr angeklag­ten Bankbediensteten Nikolaus Mair und über unvorstellbare Mängel im Kontrollsystem der Bank zur Kenntnis gebracht worden ist;

 

2.     dem Vorstand der Girocreditbank, also gemäß § 42 Abs. 3 BWG allen Vorstandsmitgliedern, der Revisionsbericht vom 7.3.1994 betreffend eine Urkundenfälschung des nunmehr angeklag­ten Bankbediensteten Nikolaus Mair zur Kenntnis gebracht worden ist;

 

3 .    dem Vorstand der Girocreditbank, also gemäß § 42 Abs. 3 BWG allen Vorstandsmitgliedern, der Revisionsbericht vom 29.7.1994 über vom nunmehr angeklagten Nikolaus Mair malversiv veranlaßte Fehlbuchungen von 1 0 Millionen US-Dollar zur Kenntnis gebracht worden ist;

 

4.     der Vorstand trotz dieser Revisionsberichte die von den Fehlleistungen und Malversationen Mairs betroffenen Kunden regelmäßig nicht verständigen ließ und auch keine den Delikten Mairs adäquaten Handlungen gesetzt hat;

 

5 .   der frühere Generaldirektor der britischen Baring-Bank, Peter Norris, wegen Untätigkeit in der Malversationssache Nick Leeson von der britischen Bankenaufsichtsbehörde bestraft wurde;

 

stellen wir folgende, die Verantwortlichkeit von Geschäftsleitern österreichischer Banken betref­fende Fragen

 

II-0 1.  Haben die Vorstandsmitglieder der Girocreditbank nach den Feststellungen der Banken­aufsicht insbesondere in Zusammenhang mit den drei erwähnten Revisionsberichten die im § 39 Abs. 1 BWG von Geschäftsleitern österreichischer Banken verlangte Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet?

 

11-02. Sind Sie nicht der Meinung, daß Sie auf Grund der eklatanten Mängel in der Organi­sation und in der Betriebsführung der Girocreditbank zu prüfen hätten, ob die Vor­standsmitglieder der Girocreditbank die für den Betrieb eines Kreditinstitutes erforder­lichen Eigenschaften und Erfahrungen haben oder ob im Hinblick auf § 5 BWG die Ge­schäftsleiter nicht doch abzuberufen wären?

 

In Anbetracht dessen, daß

 

1.    im Zusammenhang mit dem strafgerichtlichen Verfahren folgende grobe Organisations- und Kontrollmängel in Hunderten Fällen öffentlich bekannt geworden sind:

 

a)    Kontobelastungen ohne Kundenauftrag,

 

b)    Kontobelastungen ohne Kontrollparagraphen auf dem Buchungsbeleg,

 

c)    Kontobelastungen ohne Unterschrift auf dem Buchungsbeleg,

 

d)    Buchungsvorgänge auf Grund von unkontrollierten, von einem Bediensteten erstellten Listen,

 

e)    Barauszahlungen ohne Kassabeleg

 

f)     Barauszahlungen ohne Kundenunterschrift

 

g)    widerrechtliche Einlösung nicht richtig unterfertigter Bankschecks,

 

h)    Verwendung von bankeigenen Formularen "Kontoübertrag im Haus" und "Kontoübertrag im Haus wegen Scheckausstellungen" mit dem Ergebnis von Kontobewegungen ohne Unterschrift und ohne Wissen von Bankkunden,

 

i)     Ausstellung von Bankschecks ohne Wissen des Inhabers des belasteten Kontos,

 

2.     in der Girocreditbank dem Bankkunden unbekannte Währungssubkonten geführt worden sind;

 

3.     in der Girocreditbank Devisengeschäfte unter Mißachtung aller diesbezüglichen Ordnungsvor­schriften abgewickelt worden sind;

 

stellen wir folgende, die interne Kontrolle und die  Bankenaufsicht betreffende Fragen-,

 

111-01.    Hat die Bankenaufsicht inzwischen kontrolliert, daß in der Girocreditbank die geschil­derten oder ähnliche Fehlleistungen nicht mehr auftreten können?

 

III-02.     Hat die Bankenaufsicht die derzeitigen Organisationsabläufe der Girocreditbank auf Zweckmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit geprüft?

 

111-03.    Hat die Bankenaufsicht bei anderen Banken Einschau gehalten, um festzustellen, ob die bei der Girocreditbank festgestellten Ordnungswidrigkeiten auch dort möglich sind?  Wenn ja, welche Ergebnisse hatte diese Einschau?

 

.

In Anbetracht dessen, daß

1.     das Bankgeheimnis immer wieder sanktionslos verletzt wurde;

 

2.     Richter den § 38 BWG in Widerspruch zum Sinn des Bankgeheimnisses auslegen, wie etwa der erste mit der Voruntersuchung in der Strafsache Nikolaus Mair befaßte Untersuchungs­richter des Landesgerichtes Innsbruck durch die Äußerung "das Bankgeheimnis sei hinsicht­lich sämtlicher Kunden der Filiale Seefeld" der Girocreditbank“ aufgehoben";

 

3.     die Girocreditbank in einem exekutionsrechtlichen Sicherstellungsverfahren in der Bundes­republik Deutschland unter Verletzung des Bankgeheimnisses eine Liste mit 141 Namen von geschädigten Bankkunden (unter Angabe der Kontensalden) öffentlich gemacht hat;

 

4.     die in Z 2. und 3. erwähnten Verletzungen des Bankgeheimnisses dem Bundesministerium für Finanzen, ja sogar dem Bundesminister für Finanzen bereits seit längerer Zeit bekannt sind;

 

5.    ein Bediensteter der Girocreditbank den erwähnten Untersuchungsrichter darüber informiert hat, Sektionschef Dr. Stanzel werde "Beschwerde gegen den generellen Bankbeschluß" erhe­ben;

 

6.     das als Verfassungsbestimmung besonders geschätzte Bankgeheimnis bis jetzt kein Offizial­delikt ist;

 

stellen wir folgende, das Bankgeheimnis betreffende Fragen:

 

IV-0 1.    Teilen Sie die Auslegung des § 38 BWG des ersten mit der Voruntersuchung in der Strafsache Nikolaus Mair befaßten Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Inns­bruck, daß für alle Kunden einer von einer Malversation betroffenen Bankfiliale, in concreto für alle Kunden der Filiale Seefeld der Girocreditbank, das Bankgeheimnis aufge­hoben ist?

 

IV-02.     Gilt bzw. galt nach Ihrer Rechtsauffassung das Bankgeheimnis tatsächlich für alte Kun­den der Filiale Seefeld der Girocreditbank generell nicht? -

 

IV-03.     Was haben Sie bzw.  Ihre damit befaßten Amtsvorgänger unternommen, um - insbeson­dere nach der dem Bundesminister für Finanzen bekannt gewordene eklatanten Verlet­zung des Bankgeheimnisses seitens der Girocreditbank durch Vorlage von Kundenlisten samt Kontensalden in einem bundesdeutschen zivilgerichtlichen Verfahrens - die Ein­haltung der Vorschriften des Bankwesengesetzes, insbesondere des § 38 BWG durch die Girocreditbank sicherzustellen?

 

IV-04.     Sind Sie bereit, im Einvernehmen mit den anderen zuständigen Bundesminister der Bundesregierung den Antrag einer Regierungsvorlage auf Streichung des § 101 Abs. 2 BWG vorzulegen, damit die Verletzung des Bankgeheimnisses als Offizialdelikt zu verfolgen ist?

 

IV-05.     Sind Sie bereit, im Einvernehmen mit den anderen zuständigen Bundesminister der Bundesregierung den Antrag einer Regierungsvorlage auf Änderung des § 38 BWG vor­zulegen, daß künftig die Aufhebung des Bankgeheimnisses nur durch einen Gerichtsbe­schluß erlaubt ist?

 

V.

In Anbetracht dessen, daß

1.     Banken Falschmeldungen an die Großkreditevidenz der Österreichischen Nationalbank erstat­tet haben;

 

2.     das Ansehen der österreichischen Banken durch falsche Großkreditmeldungen geschädigt wird;

 

3.     die interne Revision einer Bank gemäß § 42 Abs. 5 BWG alle Meldungen der Bank an die Österreichischen Nationalbank zu prüfen hat;

 

4.     Bankkunden durch derartige Großkreditfalschmeldungen stets Schaden erleiden;

 

5.    das Bankwesengesetz keine Sanktionen gegen Großkreditfalschmeldungen von Banken vor­sieht;

 

stellen        wir folgende, die Meldungen von Großkrediten betreffende Fragen:

 

V-0 1.       Ist Ihnen bekannt, daß Banken Falschmeldungen an die Großkreditevidenz der öster­reichischen Nationalbank erstattet haben?

 

V-02.        Hat die interne Revision der Girocreditbank in Erfüllung ihrer in § 42 Abs. 4 BWG normierten Pflicht die Großkreditmeldungen an die Österreichische Nationalbank stets mit der erforderlichen Genauigkeit überprüft?  Wenn ja, weshalb konnte es dann zu Falschmeldungen der Girocreditbank an die Österreichische Nationalbank kommen?

 

V-03.        Was werden Sie unternehmen, daß in Zukunft Großkreditfalschmeldungen unterbleiben?

 

V-04.        Sind Sie bereit, der Bundesregierung im Einvernehmen mit den anderen zuständigen Bundesministern den Entwurf einer Regierungsvorlage zur Änderung des Bankwesen­gesetzes durch Schaffung von Strafsanktionen für Großkreditfalschmeldungen vorzule­gen?

 

V-05.        Sind Sie bereit, der Bundesregierung im Einvernehmen mit den anderen zuständigen Bundesminister den Entwurf einer Regierungsvorlage zur Änderung des Bankwesen­gesetzes dahingehend vorzuschlagen, daß für falsche Großkreditmeldungen zu Lasten von Bankkunden eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung der meldenden Bank und ein Mindestsatz für Schadenersatzleistungen an den von der Falschmeldung betrof­fenen Kunden normiert wird?

 

.

 

In Anbetracht dessen, daß

 

1 .   die zu Staatskommissären nach § 76 BWG bestellten Bundesbediensteten diese Tätigkeit insbesondere in Großbanken in der Regel während ihrer Dienstzeit ausüben;

 

2.    die einem Staatskommissär gesetzlich zustehenden Möglichkeiten eine wirksame Kontrolle bzw.  Aufsicht nicht zulassen;

 

3 .   im Fall von eklatanten, von einem Staatskommissär nicht bemerkten Mängel oder von Pflicht­verletzungen durch Organe der vom Staatskommissär beaufsichtigten Bank für den Staats­kommissär ein psychologischer Rechtfertigungs- und Entschuldigungsdruck verbunden mit einem Solidarisierungseffekt mit den ihre Pflicht verletzenden Organen entstehen muß;

 

4.    die in Z. 3. beschriebene Situation dann zu besonders gefährlichen Verflechtungen und Verfil­zungen fuhren muß, wenn der Chef der Bankenaufsicht oder andere Bedienstete der Banken­aufsicht als Staatskommissäre fungieren;

 

stellen        wir folgende, die Funktion der Staatskommissäre betreffende Fragen:

 

VI-0 1.     Sind Sie bereit, alle mit Aufgaben der Bankenaufsicht befaßten Bediensteten sofort aus ihren Funktionen als Staatskommissäre abzuberufen?

 

VI-02.      Sind Sie bereit, der Bundesregierung einen Entwurf einer Regierungsvorlage betreffend die Aufhebung des § 76 BWG und eine mit einer Ausgliederung aus dem Bundesmini­sterium für Finanzen verbundene Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Bankenauf­sicht zur Erreichung des EU-Standards vorzulegen?

 

VI-03.      Sind Sie bereit, dem Herrn Bundeskanzler vorzuschlagen, er möge unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen dafür setzen, daß die als Staatskommissäre tätigen Bundes­bediensteten ihre Funktionsgebühren an den Bund abzufahren haben?

 

VII.

 

In Anbetracht dessen, daß

 

1 .    anläßlich von Betriebsprüfungen bei privaten Unternehmern Fragen der Bewertung von Rücklagen und Rückstellungen sehr rigoros beurteilt werden;

 

2.     laut deutschen Pressemeldungen die Commerzbank unter anderem wegen zu hoher Rückstel­lungen für Kreditausfälle in Amerika angeblich mit beträchtlichen Steuernachzahlungen zu rechnen hat;

 

3.     Generaldirektor Lacina die für den in der Causa Nikolaus Mair eingetretenen Schaden in der Bilanz getroffene Vorsorge mit 600 Millionen Schillingen beziffert hat, ein anderer Bedienste­ter der Girocreditbank in einer Verhandlung vor dem Straflandesgericht Innsbruck den Scha­den jedoch beträchtlich niedriger angegeben hat;

 

stellen wir folgende, die steuerlichen Betriebsprüfungen von Banken betreffende Fragen:

 

VII-01.  Sind in Hinblick auf den bundesdeutschen Beispielsfall "Commerzbank" auch in Öster­reich Betriebsprüfungen bei Banken durchgeführt worden?  Wenn ja, haben sich bei der Beurteilung von Rücklagen und Rückstellungen unterschiedliche Auffassungen zwi­schen den Finanzbehörden und den geprüften Banken ergeben?  Wenn ja, in welcher Höhe mußten aus diesen Titeln Steuernachzahlungen geleistet werden?

 

VII-02.  Beabsichtigen Sie wegen der erwähnten Diskrepanzen der öffentlichen Erklärungen der Girocreditbank hinsichtlich des in der causa Nikolaus Mair eingetretenen Schadens, bei dieser Bank sofort eine Betriebsprüfung durchfuhren lassen?