940/J

 

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Langthaler, Wabl, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz

 

betreffend:        Politische Verantwortung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz hinsichtlich etwaiger Nahverhältnisse von Beamten des Gesundheitsministeriums zu Gentech-Firmen bzw.­Experten, speziell im Zusammenhang mit den drei

Freisetzungsanträgen von gentechnisch veränderten Kartoffeln (Seibersdorf und Tulln), sowie gentechnisch verändertem Mais (Fa.  T.B. Agrartechnik).

 

Schon im Zuge der Debatte zum Gentechnikgesetz wurden Vermutungen über Naheverhältnisse von Beamten des Gesundheitsministeriums zu Unternehmen geäußert.  Durch die Vorkommnisse rund um die Freisetzungsanträge bedarf diese Frage einer gründlichen Untersuchung, damit in Zukunft etwaige Verflechtungen zwischen Behörde und Industrie ausgeschlossen werden können.

 

Die Vorgänge rund um den Freisetzungsantrag gentechnisch veränderter Kartoffelpflanzen der FirmaTullner Zuckerforschungs-GesmbH untermauern diesen schon lange gehegten Verdacht.

 

So war auch die Vorgangsweise des Gesundheitsministeriums im Zuge der Anhörungsverfahren der ersten beiden österreichischen Freisetzungsanträge indiskutabel.  Die Kritikpunkte an der Verfahrensführung des

Gesundheitsministeriums insbesondere während des ersten Freisetzungsantrages sind u.a:

·           Die zuständige Behörde hat keine Anhörungsverordnung erlassen und ist daher aufgrund ihrer Säumigkeit willkürlich vorgegangen.

·           Die Genehmigungsbehörde selbst hat den Antrag gefördert.  Es muß daher die Frage nach Befangenheit gestellt werden.

·           Der Antrag wurde nur im Gesundheitsministerium aufgelegt, was enorme Nachteile für Einwender aus den Bundesländern bedeutete.

Es wurde nicht erlaubt, Kopien von dem Antrag zu machen.

·           Der Antrag wurde unvollständig aufgelegt, was von einem Beamten des Gesundheitsministeriums bestätigt wurde; "es ist üblich, daß Anträge unvollständig sind".

·           Das Umweltministerium hat empfohlen, Unterlagen nachzufordern, da der Antrag unvollständig war.

·           Das Gesundheitsministerium hat dieses Verlangen weitergeleitet, jedoch die Einwender nicht davon verständigt.

·         Die Einwender wurden unterschiedlich behandelt:

- einige bekamen Kopien, der absolute Großteil jedoch nicht,

- einige erhielten den Nachtrag der Seibersdorfer Antragsteller, die meisten Einwender jedoch nicht,

- eine Zwischensitzung wurde vereinbart, zu der jedoch nur drei der über

6.000 Einwender eingeladen wurden. ·  Sektionschef Dr. Ernst Bobek stellte beim ersten Anhörungsverfahren fest, daß das Anhörungsverfahren nur zum Anhören der Einwender da ist, nicht jedoch, um Antworten zu geben.

·           Nicht alle, die rechtzeitig einen begründeten Einwand eingebracht haben, wurden zur Anhörung schriftlich bzw. rechtzeitig geladen.

 

Nach der illegalen Freisetzung von Kartoffeln durch die Firma Tullner Zuckerforschungs-GesmbH verkündete Bundesministerin Frau Dr. Krammer ein zweijähriges Moratorium für Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen.  Dieses Moratorium wurde schon am nächsten Tag durch den Bundeskanzler widerrufen.  Da zu befürchten ist, daß schon im Frühjahr 1997 mit den ersten Freisetzungen in Österreich zu rechnen sein wird - da die österreichische Bundesregierung nicht dazu bereit ist, ein Moratorium zu beschließen - und nach wie vor Verflechtungen zwischen Behörde und Industrie nicht ausgeschlossen werden können, stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit folgende

 

ANFRAGE

 

1.       Werden Sie an dem von Ihnen angekündigten zweijährigen Moratorium für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen festhalten?

 

la. Wenn ja; in welcher Form werden Sie dieses Moratorium rechtlich verankern?

 

1 b. Wenn nein; warum haben Sie, als Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz, keine politischen Konsequenzen daraus gezogen, daß für die österreichische Bundesregierung der Wille und der Schutz der Konsumenten in Österreich sichtlich eine geringe Rolle spielt und den Interessen einiger weniger Industrieunternehmen untergeordnet wird?

 

2.    Wie stehen Sie zum Einsatz der Gentechnologie in der Lebensmittelproduktion?

 

3.    Mehr als 80% der österreichischen Konsumentinnen wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, 97% fordern eine unmißverständliche und umfassende Kennzeichnung; ähnlich verhält es sich mit den Konsumentinnen des Haupthandelspartners Deutschland.  Können Sie sich ein Moratorium für das lnverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln vorstellen und werden Sie ein derartiges Moratorium verabschieden, auch wenn mit einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu rechnen sein wird?

 

3a. Wenn nein; wann sollte Ihrer Meinung nach Oberhaupt ein nationaler Alleingang, der zudem eine EU-weite Diskussion auslösen würde, unternommen werden, wenn nicht bei einem Votum der Bevölkerung von über 80%.

 

3b. Sollte es tatsächlich zu einem Volksbegehren für ein derartiges Moratorium kommen, ab weicher Beteiligungszahl werden Sie den Willen der Bevölkerung ernst nehmen und in diesem Sinne auch aktiv tätig werden?

 

 

 

4.    Sollten die Kennzeichnungsbestimmungen für gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU (Novel-Food-V0) nicht eine umfassende Kennzeichnung für die Konsumentinnen garantieren können, würden und werden Sie eine nationale Kennzeichnungsverordnung erlassen, auch wenn dies zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof führen würde?

 

5.    Wie jüngste Publikationen aus den USA belegen, sind Allergene durch Gentechnik übertragbar (Paranuß auf Soja).  Befürchten Sie nicht, daß durch den Einsatz der Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion mit einem Anstieg von Allergien zu rechnen sein wird?

 

6.    Sollte der Umweltministerrat der EU in der Sitzung am 24/25.  Juni 1996 bzw. bei Nichtentscheidung des Ministerrates anschließend die EU-Kommission das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais der Firma Ciba-Geigy genehmigen, werden Sie von Ihrem Recht gemäß Art. 16 Absatz 1 der Richtlinie des Rates 90/220/EWG Gebrauch machen und das Inverkehrbringen dieser Produkte nach und die Freisetzung in Österreich untersagen?

 

7.    Wenn nein; warum nicht?

 

8.    Als Bundesministerin für Konsumentenschutz sollten Sie auch an einer korrekten Abwicklung von Bürgerbeteiligungsverfahren interessiert sein.  Die

Verfahrensführung Ihres Ressorts bei den beiden ersten Anhörungsverfahren war jedoch äußerst mangelhaft.  Speziell das erste Verfahren des

Freisetzungsantrages des Forschungszentrums Seibersdorf ist aus Sicht der Grünen gesetzeswidrig gewesen.

 

8a. Warum wurde der Antrag nur im Gesundheitsministerium aufgelegt, was enorme Nachteile für Einwenderlnnen aus den Bundesländern bedeutete?

 

8b. Wieviel Personen kamen direkt in das Gesundheitsministerium und wollten Einsicht nehmen und eine Kopie des Antrags mitnehmen und warum wurde es Ihnen nicht erlaubt, Kopien von dem Antrag zu machen?

 

8c. Der Antrag wurde unvollständig aufgelegt, was von einem Beamten des Gesundheitsministeriums bestätigt wurde; "es ist üblich, daß Anträge unvollständig sind".  Das Umweltministerium hat empfohlen, Unterlagen nachzufordern, da der Antrag unvollständig war.  Das Gesundheitsministerium hat dieses Verlangen weitergeleitet, jedoch die Einwenderinnen nicht davon verständigt.  Sehen Sie darin nicht eine grundlegende Verletzung des Verfahrens, da bei der Beurteilung von Anträgen deren Vollständigkeit eine Voraussetzung ist?

 

8d. Im Zuge des Verfahrens kam es auch zur Ungleichbehandlung der Einwenderlnnen.

- einige bekamen Kopien, der absolute Großteil jedoch nicht,

- einige erhielten den Nachtrag der Seibersdorfer Antragsteller, die meisten

Einwenderlnnen jedoch nicht,

- eine Zwischensitzung wurde vereinbart, zu der jedoch nur einige wenige

Einwender eingeladen wurden.

Sehen Sie darin eine Verletzung des Verfahrens?

8e. Wie stehen Sie zur Aussage Ihres Sektionschefs Dr. Bobek während des ersten Anhörungsverfahren, daß das Anhörungsverfahren nur zum Anhören der Einwender da ist, nicht jedoch um Antworten zu geben?

 

8f. Sehen Sie eine massive Verletzung des Verfahrens in der Tatsache, daß Personen, die rechtzeitig einen begründeten Einwand eingebracht haben, nicht bzw. nicht rechtzeitig zur Anhörung geladen wurden?

 

9.    Was gedenken Sie zu unternehmen, um eine umfassende Bürgerbeteiligung und genügend Transparenz bei allen Freisetzungsverfahren (inkl.  EU-Verfahren) sicherzustellen?  Wann werden Sie die Anhörungsverordnung erlassen und werden Sie dabei auf die Vorschläge und Forderungen der Einwenderlnnen, die im Zuge der ersten Anhörungsverfahren vorgebracht wurden, eingehen?

 

1     0. Ist Ihnen bekannt, daß ein Mitglied des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses während der Anhörungen zu den beiden ersten

Freisetzungensverfahren ständig die Position der Antragsteller verteidigt und im Zuge des ersten Anhörungsverfahren (Seibersdorf) alle jene anwesenden Einwenderinnen, die behaupteten, daß es sich bei der Hungerproblematik in der Dritten Weit in erster Linie um eine Verteilungsfrage handelt, als Kommunisten bezeichnete?  Halten Sie dieses Verhalten für ein Mitglied eines

wissenschaftlichen Ausschusses für vertretbar?

 

1     1. Im Zuge der ersten beiden Anhörungsverfahren (Seibersdorf und Tulin) ist immer wieder aufgefallen, daß die Mitglieder des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses Partei für die Antragsteller eingenommen haben.  Immer wieder wurde von diesen Mitgliedern versucht, die Interessen der Antragsteller zu vertreten und haben selbst nicht eine kritische Frage an die Antragsteller gestellt, hingegen ständig versucht, die kritischen Anmerkungen der Einwenderinnen, anstelle der Vertreter der Antragsfirmen, zu entkräften.  Halten Sie dieses Vorgehen der Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses für vertretbar und mit der Intention des Gentechnikgesetzes vereinbar?

 

12.  Schon während der Ausschußverhandlungen zum Gentechnikgesetz wurde seitens der Grünen darauf hingewiesen, daß die wissenschaftlichen Ausschüsse völlig einseitig zusammengesetzt sind.  So sind in diesen Ausschüssen überwiegend Gentechnikbefürworter zu finden; nicht einmal der/die Verteter/in des Umweltministeriums hat in diesen Gremien ein Stimmrecht.  Wie sehen Sie heute, nach den ersten Erfahrungen mit den wissenschaftlichen Ausschüssen, die Zusammensetzung dieser Gremien?  Werden Sie sich für die Novellierung des Gentechnikgesetzes dahingehend einsetzen, daß in den wissenschaftlichen Ausschüssen auch Vertreterlnnen von Umwelt- und

Konsumentenschutzorganisationen als stimmberechtigte Mitglieder aufgenommen werden?

 

13. Werden Sie in diesem Zusammenhang auch die Rolle der

Gentechnikkommission aufwerten, die ja laut Gentechnikgesetz keine Beratungsfunktion, im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Ausschüssen, zu

 

 

14.     Gemäß § 92 Absatz 2 Gentechnikgesetzes kann der Antragsteller im Zuge der Beratungen des wissenschaftlichen Ausschusses geladen werden!  Wurden die beiden Antragsteller (Seibersdorfer und Tullner Antrag) in der Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses gehört?

 

15.     Wie lange dauerte die Anhörung?

 

16.     Wie lange waren die Antragsteller bei der Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses anwesend?

 

17.     Waren die Antragsteller während der gesamten Beratungen des

wissenschftlichen Ausschusses anwesend?

 

18.     Der wissenschaftliche Ausschuß fand, unseres Wissens nach, am 1 1. April statt'. das Schreiben, auf das sich die Firma Tullner ZuckerforschungsGesmbH bezogen hat, erfolgte aber erst nach der illegalen Freisetzung vom 2. Mai.  Daraus muß gefolgert werden, daß es bereits vor diesem Schreiben konkrete Zusagen Ihres Ministeriums an Vertreter der Firma gegeben haben muß.  Gab es irgendwelche schriftlichen bzw. mündlichen Kontakte von Beamten ihres Ressorts mit den beiden antragstellenden Firmen, die vor allem die Firma Tullner ZuckerforschungsGesmbH zu glauben veranlaßte, daß deren Antrag in den nächsten Tagen positiv entschieden werde "Wir hatten Informationen, daß wir mit der Entscheidung innerhalb von Stunden rechnen dürfen (APA 416 vom 21.  Mai 1996)"?

 

19.     Wenn ja-, war dieses Vorgehen von Ihnen gedeckt?

 

20.     Wenn nein; Sagt Ihrer Meinung nach Prof.  Ruckenbauer (Ifa Tulln) die Unwahrheit?