986/J

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Mag.  Barmüller und Partnerlnnen

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend Homosexuellenurteil vom 8.2.1996

 

 

 

 

 

Am 8.2.1996 hat das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht (Vorsitz: Richter Dr. Straub) einen 28jährigen Mann nach § 209 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, weil er mit jungen Männern zwischen 15 und 17 Jahren sexuelle Kontakte gehabt haben soll (GZ 8a Vr 14828/93 Hv 2233/95).

 

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien lautete auf "Treiben gleichgeschlechtlicher Unzucht" mit einer Vielzahl von unbekannten, nicht näher ausforschbaren Jugendlichen an nicht näher bekannten Orten in Österreich, der Slowakei, Tschechien den Niederlanden und Italien und beruhte lediglich auf Kalendereintragungen des Angeklagten, in denen er die von ihm nicht überprüften Vornamen und das geschätzte Alter seiner Partner notierte sowie auf einem Foto, das den Angeklagten und einen jungen Mann zeigt, von dem er angab, daß er bereits 18 Jahre alt war, was unwidersprochen blieb.

 

Bis heute weiß niemand, wer die jungen Männer sind, derentwegen die Staatsanwaltschaft Wien Anklage erhob, und wie alt sie wirklich waren.  Das Gericht weiß es nicht, die Staatsanwältin weiß es nicht, die Verteidigung weiß es nicht, und sogar der Angeklagte weiß es nicht, hatte er doch niemals Ausweise verlangt, sondern sich auf die Vornamen und das Alter verlassen, das ihm die Jugendlichen gesagt haben oder das er einfach geschätzt hat.  Darüber hinaus sind die vorgeworfenen Kontakte, unter den von der Staatsanwaltschaft genannten Ländern, lediglich in Österreich strafbar.  Niemand weiß daher, ob - sollte der Angeklagte tatsächlich mit unter 18Jährigen sexuelle Kontakte gehabt haben, was ja niemand weiß - diese Kontakte nicht ohnehin in einem Land stattgefunden haben, in dem dies keinen Staatsanwalt interessiert.

 

Das Urteil löste einen Proteststurm der Entrüstung aus, weil von vielen der rechtsstaatliche­Grundsatz der Unschuldsvermutung als eklatant verletzt empfunden wurde.

 

Der Bereich der Rechtsprechung ist unabhängig und entzieht sich daher der Einflußnahme des

Bundesministers für Justiz ebenso wie der Kontrolle durch das Parlament.  Anders ist die

Situation mit der Staatsanwaltschaft, die eine weisungsgebundene Behörde ist.

 

Angesichts dieser Tatsache richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für

Justiz nachstehende

 

 

 

ANFRAGE

 

 

1.       Teilen Sie die Meinung, das die ggst.  Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien mit dem rechtsstaalichen Grundsatz unvereinbar ist, wonach eine Tat ausreichend individualisiert werden muß, damit eine Doppelverwertung wegen der selben Tat ausgeschlossen ist ("ne bis in idem’)?

          Wenn nein, warum nicht?

 

2.       Werden Sie dafür Sorge tragen, daß solche Anklagen (Strafanträge) in Hinkunft,

          insbesondere im Bereich der Sonderstrafbestimmungen, für deren ersatzlose Streichung Sie sich wiederholt eingesetzt haben, unterbleiben?

 

2.a. Wenn nein, warum nicht?

 

2.       b. Wenn ja, wie?

 

3.       Werden Sie den Staatsanwaltschaften entsprechende Weisungen erteilen?

 

3.a.    Wenn nein, warum nicht?

 

4.       Teilen Sie die Meinung, daß die Verfolgungsbehörden, die im Bereich der anti­homosexuellen Sonderstrafbestimmungen zur Strafverfolgung und Anklageerhebung verpflichtet sind, in Verfahren nach diesen Gesetzen angesichts der erheblichen grundrechtlichen und kriminalpolitischen Bedenken gegen diese Bestimmungen zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind?

 

4.a.    Wenn nein, warum nicht?