Stenographisches Protokoll

141. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 7. Oktober 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

141. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 7. Oktober 1998

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 7. Oktober 1998: 10.02 – 21.40 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren "Atomfreies Österreich"

2. Punkt: Bericht über den Antrag 564/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Änderung der Zielsetzung des EURATOM-Vertrages

3. Punkt: Bericht über den Antrag 165/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Atomsperrgesetz 1978 geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer offensiven österreichischen Anti-Atompolitik

5. Punkt: Bericht über den Antrag 332/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Finanzierung von Kernkraftwerken durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

6. Punkt: Bericht über den Antrag 354/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer österreichischen Anti-Temelin-Offensive

7. Punkt: Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999 und

Bericht über den Antrag 100/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die Änderung des Atomhaftpflichtgesetzes

8. Punkt: Bericht über den Antrag 230/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit für Ausgebildete des Lehrberufs Recycling- und Entsorgungstechniker

9. Punkt: Bericht über den Antrag 231/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Entwicklung und Abstimmung der Lehrberufe im Umweltbereich

10. Punkt: Bericht über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird

12. Punkt: Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich

13. Punkt: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich

14. Punkt: Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen

15. Punkt: Erste Lesung des Antrages 826/A der Abgeordneten Karl Smolle, Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverlust 14

Personalien

Verhinderungen 14

Ruf zur Sache 135

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Einlangen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes betreffend Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl 14

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Einlangen des Wahlscheins für Abgeordneten Hermann Mentil und Verschiebung der Angelobung wegen Nichtanwesenheit 14

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Nichtanwesenheit des anzugelobenden Abgeordneten Hermann Mentil 14

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zur Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 15

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlagen 1315 und 1399 d. B.) 36

Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 504/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 3. November 1998 zu setzen 37

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 37

Redner:

Karl Öllinger 122

Annemarie Reitsamer 124

Mag. Dr. Josef Trinkl 125

Elfriede Madl 126

Dr. Volker Kier 126

Mag. Doris Kammerlander 127

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 128

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 37

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend Verlesung von eingebrachten Entschließungsanträgen während einer Debatte im Plenum des Nationalrates 56

Antrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 183

Bekanntgabe 113

Ablehnung des Antrages 184

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 119

Unterbrechung der Sitzung 120

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend Stil der Argumentation im Plenum des Nationalrates 156

Aktuelle Stunde (30.)

Thema: "Behördenversagen betreffend die Sicherheit von österreichischen Bergwerken"

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 15

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 17, 28, 34

Karl Öllinger 19

Rudolf Nürnberger 20

Dr. Andreas Khol 22

Mag. Dr. Udo Grollitsch 23

Mag. Thomas Barmüller 25

Ing. Monika Langthaler 27

Kurt Eder 29

Ingrid Tichy-Schreder 30

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 31

Mag. Dr. Heide Schmidt 32

Ausschüsse

Zuweisungen 36, 182

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 14

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und Slowenien (4950/J) 85

Begründung: Dr. Harald Ofner 88

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 92

Debatte:

Dr. Martin Graf 97

Peter Schieder 100

Dr. Michael Spindelegger 102

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 104

Karl Smolle 105

Mag. Terezija Stoisits 107

Herbert Scheibner 109

Helmut Dietachmayr 111

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 114

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 114

Dr. Jörg Haider 115

Georg Wurmitzer 117

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 118

Wolfgang Jung 118

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer – Ablehnung 111, 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 118, 120

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über das Volksbegehren "Atomfreies Österreich" (1066/1402 d. B.) 37

2. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 564/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Änderung der Zielsetzung des EURATOM-Vertrages (1403 d. B.) 37

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 165/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Atomsperrgesetz 1978 geändert wird (1404 d. B.) 38

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer offensiven österreichischen Anti-Atompolitik (1405 d. B.) 38

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 332/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Finanzierung von Kernkraftwerken durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (1406 d. B.) 38

6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 354/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer österreichischen Anti-Temelin-Offensive (1407 d. B.) 38

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1357 d. B.): Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999 und

über den Antrag 100/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die Änderung des Atomhaftpflichtgesetzes (1415 d. B.) 38

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 38, 83

Karlheinz Kopf 41

Dr. Volker Kier 43

Dr. Johannes Jarolim 45

Dr. Gabriela Moser 47

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 51

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 53

Anna Elisabeth Aumayr 54

Anna Huber 56

Mag. Thomas Barmüller 57

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 58, 130

Maria Rauch-Kallat 61

Mag. Doris Kammerlander 63

Georg Oberhaidinger 66

Edith Haller 67

Matthias Ellmauer 69

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 71, 79

Dr. Martina Gredler 72

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 73

Ing. Monika Langthaler 75

Dr. Michael Spindelegger 77

Robert Wenitsch 78

Otmar Brix 80

Georg Wurmitzer 81

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 82

Robert Wenitsch (tatsächliche Berichtigung) 83

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 128

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 131

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1402 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik (E 139) 133

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1403, 1404, 1405, 1406 und 1407 d. B. 133, 134

Annahme des Gesetzentwurfes in 1415 d. B. 134

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1415 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Teilnahme an internationalen Lösungsansätzen im Bereich der Atomhaftung (E 141) 134

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend europäische Atomausstiegskonzepte und Atomwaffenstationierungsverbot – Ablehnung 49, 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend eine Ergänzung der Entschließung für ein atomfreies Österreich um einen Punkt 9: für ein umfassendes Verfassungs-Verbot von Atomwaffen – Ablehnung 65, 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Georg Oberhaidinger, Dr. Gabriela Moser, Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend AKW Temelin – Annahme (E 140) 70, 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend "weitere Vorgangsweise des Bundes in der Anti-Atom-Linie" – Ablehnung 84, 133

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 230/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit für Ausgebildete des Lehrberufs Recycling- und Entsorgungstechniker (1408 d. B.) 135

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 231/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Entwicklung und Abstimmung der Lehrberufe im Umweltbereich (1409 d. B.) 135

Redner:

Mag. Karl Schweitzer 135

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 136

Mag. Thomas Barmüller 137

Franz Stampler 138

Reinhart Gaugg 140

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 141

Anton Heinzl 142

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1408 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Entsorgungs- und Recyclingfachmann/-frau (E 142) 143

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1409 d. B. 143

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Initiative der Bundesregierung zur Erstellung eines Entwurfes zu einem Kreislaufwirtschaftsgesetz – Ablehnung 136, 143

10. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1414 d. B.) 143

(Zweite Lesung)

Redner:

Peter Schieder 143

Georg Schwarzenberger 145

Dr. Michael Krüger 146

Mag. Thomas Barmüller 148

Andreas Wabl 151

Annahme des Gesetzentwurfes in 1414 d. B. in zweiter Lesung 156

11. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1384 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1416 d. B.) 157

Redner:

Mag. Johann Maier 157

Mag. Dr. Josef Trinkl 159

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 160

Karl Smolle 163

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 165

Doris Bures 166

Franz Kampichler 166

Annahme des Gesetzentwurfes in 1416 d. B. 168

12. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich (1204 d. B.) 168

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Dr. Helga Konrad 168

Dr. Harald Ofner 169

Genehmigung des Staatsvertrages in 1204 d. B. 169

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 169

13. Punkt: Regierungsvorlage: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich (1205 d. B.) 169

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Mag. Gisela Wurm 170

Genehmigung des Staatsvertrages in 1205 d. B. 171

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 171

14. Punkt: Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen

(1358 d. B.) 171

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Redner:

Rudolf Parnigoni 171

Johann Kurzbauer 172

Genehmigung des Staatsvertrages in 1358 d. B. 173

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 173

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 173

15. Punkt: Erste Lesung des Antrages 826/A der Abgeordneten Karl Smolle, Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird 173

Redner:

Karl Smolle 173

Mag. Walter Posch 177

Mag. Franz Steindl 178

Dr. Martin Graf 179

Dr. Volker Kier 181

Mag. Terezija Stoisits 181

Zuweisung des Antrages 826/A an den Verfassungsausschuß 182

Eingebracht wurden

Bürgerinitiative 36

Bürgerinitiative betreffend "Nein zum NATO-Statut" (Ordnungsnummer 16)

Regierungsvorlagen 36

1315: Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989

1382: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark

1388: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1388 d. B.)

1391: Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird

1399: Änderung der Liste in Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen

1412: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

Anträge der Abgeordneten

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein umfassendes Verbot von Atomwaffen im Verfassungsrang (890/A) (E)

Edith Haller und Genossen betreffend Ausdehnung des Karenzgeldanspruches auf alle Eltern unabhängig von der Erwerbstätigkeit (891/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz (GSVG) geändert wird (892/A)

Dr. Martin Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien (893/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird (894/A)

Dr. Martin Graf und Genossen betreffend § 42a Entschδdigungsgesetz ČSSR (895/A) (E)

Dr. Martin Graf und Genossen betreffend Entschδdigungsgesetz ČSSR (896/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Konzeption von ÖPUL 2000 (897/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut und Gentech-Futtermittel für alle ÖPUL-Betriebe (898/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Befassung des Nationalrates mit dem Konzept "ÖPUL 2000" (899/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet (900/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Änderung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (901/A)

Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Maßnahmen zum Schutz von Kindern in Kriegen und bewaffneten Konflikten (902/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) (BGBl. 1998/103-I) geändert wird (903/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderung des B-VG bezüglich Bestellung der VerfassungsrichterInnen (904/A)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend EU-Beitragssenkungen (905/A) (E)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Maßnahmen zur Erleichterung der Väterkarenz (906/A) (E)

Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (907/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, BGBl. 410/1975 (Geschäftsordnungsgesetz 1975) idF BGBl. 302/1979, 353/1986, 720/1988, 569/1993, 438/1996, I 64/1997 und I 131/1997 geändert wird (908/A)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (782/A)

Anfragen der Abgeordneten

Hermann Böhacker und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend SP-Vizebürgermeister Walter Ebner (4935/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Personalpolitik im Wirtschaftsministerium (4936/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Beratungsfehler der Studienbeihilfenbehörde (4937/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend weiteren sozialistischen Postenschacher (4938/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Euro-Infokampagne (4939/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über die schulische Auseinandersetzung mit der Kristallnacht (4940/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Verlegung von Verbänden des Bundesheeres im Zuge der Adaptierung der Heeresgliederung-NEU (4941/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Zulassungen für Heizöltanks" (4942/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Bestellung einer Professur am Institut für zwischenmenschliche Kommunikation an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (4943/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend SchülerInnenfreifahrten (4944/J)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Berufungsverfahren für das Institut für zwischenmenschliche Kommunikation an der Universität Innsbruck (4945/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die zukünftige Vorgangsweise bei der Besetzung von Volksgruppenbeiräten (4946/J)

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Anzahl der Notstandshilfebezieher in Wien (4947/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend verfahrensrechtliche Fragen des Medienverfahrens (4948/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend "Familienbeihilfe für KrankenpflegeschülerInnen" (4949/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und Slowenien (4950/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend "Gesundheitsbelastungen der Seil- und Bergbahnbediensteten" (4951/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personenschutz für den früheren Bundeskanzler Dr. Vranitzky (4952/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend großzügige Dauerurlaube für Gewerkschaftsfunktionäre (4953/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Subventionen an den Verein "Spielboden" (Dornbirn) (4954/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Multilateral Agreement on Investment" (MAI) (4955/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend willkürliche Verzögerung der Nachbesetzung einer Höchstrichterstelle beim Verfassungsgerichtshof durch die Bundesregierung (4956/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend objektive Richterbestellung beim Verfassungsgerichtshof (4957/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Einstellung des Güterverkehrs auf Schmalspurbahnen (4958/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kompetenzzentren (4959/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Reform der Presseförderung (4960/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen (4961/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Auslandsadoptionen (4962/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Amnestie zum Jahr 2000 (4963/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verbreitung des VICLAS-Datenbanksystems in den EU-Mitgliedstaaten (4964/J)

Robert Wenitsch und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Rückgang heimischer Fischarten in Österreichs Flüssen und Seen – geringe Forschungstätigkeit (4965/J)

Robert Wenitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend limnologische Station Lunz am See – aquatische Forschung in Österreich (4966/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wassersituation in der Steiermark (4967/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wassersituation in Salzburg (4968/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wassersituation im Burgenland (4969/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wassersituation in der Steiermark (4970/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wassersituation in Salzburg (4971/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wassersituation im Burgenland (4972/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die geplante Einführung der Krankenkassen-Chipkarte (4973/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend neue Erkenntnisse durch ein Sachverständigen-Gutachten im Mordfall Elfriede Hochgatter (4974/J)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend "Gewährung von Leistungen des Unterstützungsfonds für psychotherapeutische Behandlungen" (4975/J)

Johannes Zweytick und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Null Promille, null Probleme" (4976/J)

Ing. Leopold Maderthaner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Einhaltung des Binnenschiffahrtsgesetzes (4977/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend aushangpflichtige Gesetze (4978/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einberufung des staatlichen Krisenmanagements (4979/J)

Sonja Ablinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Besetzung des Ordinariats für zwischenmenschliche Kommunikation an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (4980/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes BGBl. Nr. 275/1992 (§ 17) (4981/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 138 (4982/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Behindertenparkplätze (4983/J)

Karl Smolle und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend schleppende Grenzabfertigung und Abstrafungen von Frächtern am Grenzübergang Grablern/Holmec (4984/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Europäischen Kulturmonat Linz – September 1998 (4985/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung von Umweltmaßnahmen außerhalb Österreichs (4986/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Finanzierung von Umweltmaßnahmen außerhalb Österreichs (4987/J)

Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Fischsterben in Krems (4913/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über die schulische Auseinandersetzung mit der Kristallnacht (4940/J)

*****

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend objektive Richterbestellung beim Verfassungsgerichtshof (39/JPR)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (Zu 4401/AB zu 4648/J)

 

Beginn der Sitzung: 10.02 Minuten

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen. Ich begrüße Sie und eröffne die 141. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 138. Sitzung vom 17. September sowie der 139. und der 140. Sitzung vom 18. September 1998 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Apfelbeck, Haidlmayr, Mag. Haupt, Dr. Höchtl, Dr. Mock, Sauer und Dkfm. Holger Bauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung Mitteilung gemacht, und zwar wie folgt:

Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend wird durch Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer vertreten.

Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend Mandatsverlust eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Gemäß § 2 Abs. 5 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, daß das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über den Antrag des Nationalrates auf Verlustigerklärung des Mandates des Abgeordneten Peter Rosenstingl am 30. September 1998 eingelangt ist.

Der Nationalrat hat bekanntlich am 17. Juli 1998 beantragt, den Abgeordneten Peter Rosenstingl seines Mandates für verlustig zu erklären. Der Verfassungsgerichtshof hat nunmehr gemäß Artikel 141 der Bundesverfassung zu Recht erkannt wie folgt – ich zitiere –:

"Dem Antrag des Nationalrates wird stattgegeben. Das Mitglied des Nationalrates Peter Rosenstingl wird seines Mandates im Nationalrat für verlustig erklärt." – Zitatende.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist am 1. Oktober 1998 wirksam geworden.

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Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß das freigewordene Mandat des Abgeordneten Peter Rosenstingl Herrn Hermann Mentil zugewiesen wurde. Der Wahlschein des Genannten ist heute in der Parlamentsdirektion eingelangt.

Da der Genannte im Hause nicht anwesend ist, behalte ich mir den Zeitpunkt für die Angelobung für später vor. (Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Dr. Kostelka.

10.05

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich verweise darauf – ohne mich als Ex-offo-Verteidiger eines freiheitlichen Abgeordneten zu fühlen –, daß die freiheitliche Fraktion innerhalb kürzester Frist zum zweiten Mal verhindert, daß dieses Haus ordnungsgemäß zusammengesetzt ist. Wir haben 183 Mandate in diesem Haus, und das Haus besteht derzeit aus 182 Abgeordneten.

Herr Präsident! Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß damit für Herrn Abgeordneten Mentil die 30-Tage-Frist nach § 2 GOG neu zu laufen beginnt und daß er darauf hinzuweisen ist, daß er in den Nationalrat einzutreten hat, um eine gehörige Zusammensetzung sicherzustellen. (Abg. Schwemlein: Aber du mußt zugeben: Der Mentil fehlt, aber er geht niemandem ab!)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! In der Geschäftsordnung gibt es die Bestimmung, daß später eintretende Abgeordnete die Angelobung bei ihrem Eintritt leisten. In der Praxis war das in der Regel so, daß das zu jenem Zeitpunkt ist, zu dem der Wahlschein vorliegt. Wenn das jetzt nicht der Fall ist, kann man ja einige Stunden zuwarten, und dann werden die notwendigen Entscheidungen zu treffen sein. – Soviel zu dieser Angelegenheit.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Behördenversagen betreffend die Sicherheit von österreichischen Bergwerken"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

10.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am 17. Juli dieses Jahres hat sich die Katastrophe von Lassing ereignet. Alle Oppositionsparteien haben den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dringend aufgefordert, seine politische Verantwortung wahrzunehmen, zumindest den Weg freizumachen für eine parlamentarische Untersuchung.

Der Herr Bundesminister hat ein anderes Verständnis von politischer Verantwortung. Seine Auffassung ist offenbar, daß er für die Vergangenheit nicht zur Verantwortung zu ziehen ist. Er wolle es in Zukunft besser machen, meinte er. Er hat auch gesagt: Ja, es gab Fehler in Lassing, es gab Schwierigkeiten in der Rettungsphase! Zuletzt hat er selbst schärfste Kritik an seinen eigenen Beamten geübt und die zuständige Behörde kritisiert.

Herr Bundesminister! Wir von den Grünen halten dieses Verständnis von politischer Verantwortung für unerträglich. Aber obwohl ich dieses Verständnis für unerträglich halte, will ich Sie, Herr Bundesminister, jetzt daran messen, was seither geschah. Was ist seit der Katastrophe von Lassing passiert? Haben Sie in Ihrem Sinne die Verantwortung wahrgenommen oder nicht?

Herr Bundesminister! Wenn wir nach Lassing selbst sehen, dann können wir feststellen: Dort hat sich gar nichts verbessert. Wir haben es dort mit einem internationalen Konzern zu tun, der hinter den Bergwerksberechtigten steht und mittlerweile beinhart Druck auf die Angehörigen ausübt. Es gab Mitte September eine Besprechung in Graz, und bei dieser Besprechung, Herr Bundesminister, hat der Eigentümervertreter, Herr Talmon, die Angehörigen heftig kritisiert, weil sie sich jetzt auch von Anwälten vertreten lassen. Das Werk selbst sagt kein Wort mehr ohne stundenlange Beratungen mit den Anwälten. Herr Talmon schiebt die Verantwortung auf einen einzigen, auf den Betriebsleiter Schmidt, ab und sagt, dieser habe alle anderen angelogen. Und Herr Talmon sagt auch, der Betrieb in Lassing werde nur aus sozialen Gründen erhalten. Im Klartext heißt das, die Leute sollen kuschen, sie sollen sich bloß nicht anwaltlich vertreten lassen, denn sonst wird der Konzern eine andere Gangart einschlagen. Haben Sie die Menschen von Lassing unterstützt, Herr Bundesminister? Haben Sie gegen diese dreiste Erpressungsstrategie irgend etwas unternommen? – Ich habe nichts wahrgenommen.

Herr Bundesminister! Rio Tinto ist ein wirklich berühmt-berüchtigter Konzern, und er hat eine reiche antidemokratische Geschichte. Rio Tinto hat die Franco-Faschisten unterstützt, Rio Tinto hat an der Seite des südafrikanischen Apartheidregimes gekämpft, Rio Tinto hat die Pinochet-Diktatur in Chile unterstützt, Rio Tinto hat Suharto in Indonesien unterstützt. Rio Tinto hat immer mit den Militärs zusammengearbeitet. Rio Tinto trägt die Verantwortung für die Zerschlagung von Gewerkschaftsbewegungen, Folterungen, Tötungen, Vertreibungen indigener Völker. Rio Tinto hat illegal Uran abgebaut und steht hinter den Uranerzgeschäften der diversen quasimafiosen Verbindungen.

Was haben Sie getan gegen diesen Konzern, Herr Bundesminister? Was hat Ihre Behörde getan? Es sind dort weiter die Leobener Männerbünde am Werk, von denen Sie wissen, wie sie funktionieren, von denen man weiß, daß das auch eine sehr ehrenwerte Gesellschaft ist, von der Menschen aus Leoben sagen: Ja, wir sind schon eine Art Mafia, die Pfründe sind genau abgegrenzt, keiner will dem anderen weh tun. Was haben Sie getan, Herr Bundesminister, als Sie zum wiederholten Male auf Unvereinbarkeiten aufmerksam gemacht worden sind? – Ich habe nichts bemerkt von Ihrer späten Verantwortung. (Beifall bei den Grünen.)

Wieder nach Lassing, Herr Bundesminister: Parlamentarische Anfragen werden von der Bergbausektion einfach ignoriert. Nach Lassing: Anfragen über Gremien, Beiräte und Komitees in Ihrem Ressort werden von Herrn Sektionschef Wüstrich einfach nicht beantwortet. – Keine Angabe, keine Angabe, keine Angabe – nach den Fragen etwa des Frauenanteils, nach der Frage der Vertretung in den diversen Bergbaugremien. Die Sektion antwortet nicht. Ich habe von Ihnen auch noch kein Wort darüber gehört, daß Sie das nicht dulden. Herr Bundesminister, das wird morgen die Präsidiale beschäftigen, und Sie können sich von dieser Ihrer Verantwortung nicht mehr drücken! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister, ein weiterer Punkt – alles nach Lassing, alles in der Zeit Ihrer späten angeblichen Verantwortung –: Gerade jetzt, in diesen Minuten, findet nicht weit von hier in einem Kaffeehaus an der Ringstraße eine Pressekonferenz mit der Familie Klary aus dem Lavanttal statt. Deren Haus rutscht durch einen Bergbaubetrieb, alles von der Behörde genehmigt, alles sanktioniert, einfach davon. Riesige Risse sind im Haus der Familie Klary, die eine Nebenerwerbslandwirtschaft betreibt. Die Familie ist finanziell nicht sehr gut gestellt, hat vier Kinder und weiß nicht aus und ein. Und gestern erklärte der Vertreter der Bergbehörde aus Kärnten der staunenden österreichischen Bevölkerung, sie hätten die Akten erst 1991 von den Bezirkshauptmannschaften bekommen, und wer erwartet denn, daß man in sieben Jahren die Akten schon hat prüfen können?

Herr Bundesminister! Wie sieht es aus in den anderen Bergwerken? Wie häufig ist der Fall der Familie Klary? Und wissen Sie, was die Bergbehörde der Familie Klary mit ihren vier Kindern empfohlen hat? – Sie möge halt das Unternehmen klagen, sie solle doch den Zivilrechtsweg einschlagen. – Um vielleicht in vier, fünf, sechs Jahren ein Urteil zu bekommen, nach Rechtskosten in sechsstelliger Schillinghöhe. Halten Sie das für zumutbar? Halten Sie das, Herr Bundesminister, für einen Akt Ihrer persönlichen Verantwortung? – Ich halte es für unverantwortlich! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Wie sieht es in den anderen österreichischen Bergwerken aus? Gibt es ein Bergbaukartenwerk – oder sieht es aus wie in Lassing? Hat eine einzige komplette Überprüfung eines österreichischen Bergwerks von unten nach oben seit dem 17.7.1998 stattgefunden? – Mir ist nichts bekannt, Herr Bundesminister.

Gibt es einen Markscheider, die zentrale Sicherheitsfunktion, oder gibt es keinen, so wie in Lassing – mit Duldung der Behörde? Was haben Sie denn seither getan? Wie sicher sind die anderen österreichischen Bergwerke?

Ich bemerke allerdings, daß die Oberste Bergbehörde sich bei anderen Projekten sehr stark in den Vordergrund drängt, bei diversen Tunnelbauten, immer auf der Seite der Betreiber, immer gegen die Bevölkerung, und immer sagt sie, so wie beim Lainzer Tunnel, der nicht die entsprechenden Sicherheitsauflagen erfüllt: Es wird schon nichts passieren! – All das nach Lassing, Herr Bundesminister, und immer mit Ihrer persönlichen Beteiligung.

Ein Letztes, Herr Bundesminister. Es gibt ein Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, der ILO,1995 erstellt, 1997 im Ministerrat. Hätte das Parlament das auf Empfehlung der Regierung beschlossen, dann wäre wahrscheinlich das Unglück in Lassing so nicht geschehen.

Die Arbeitnehmer hätten mehr Rechte gehabt, nämlich ihre Arbeit niederzulegen, wenn Sicherheitsbedenken bestehen, ohne Verlust ihrer Ansprüche. Es hätte ein zweiter Fluchtweg bestehen müssen. Und wie hat die Oberste Bergbehörde dazu Stellung genommen? Sie hat die Umsetzung nicht empfohlen. "Keine besonderen Umsetzungsmaßnahmen" hat die Oberste Bergbehörde für erforderlich erachtet.

Das Zentralarbeitsinspektorat hat sich leider nicht durchgesetzt. Herr Bundesminister! Von Lassing über die anderen Betriebe, über Rio Tinto, bis zu den Internationalen Übereinkommen: Sie sind auch nach Lassing Ihrer Verantwortung nicht nachgekommen! (Beifall bei den Grünen.)

10.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema der Aktuellen Stunde hat sich der Herr Bundesminister gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

10.17

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, daß ich zur Frage der Wahrnehmung der politischen Verantwortung bei dem bleiben werde, was ich Ihnen bisher auch in anderen Fällen gesagt habe. Ich möchte vorerst auf die konkreten Fälle, die Frau Petrovic angesprochen hat, eingehen, ich kann ja später in der Diskussion noch zu anderen Dingen kommen.

Ganz konkret. Zum ersten: Ich war gestern wieder bei den Angehörigen in Lassing. Ich habe meine Verantwortung in allen fünf von mir angesprochenen Bereichen wahrgenommen.

Erstens: die Bergung der Vermißten – dazu vielleicht später ein paar Worte –, wo jetzt das Verfahren weiterläuft.

Zweiter Punkt: die Versorgung der Angehörigen.

Dritter Punkt: die Weiterbeschäftigung der Beschäftigten im Werk.

Vierter Punkt: die Sicherung der Zukunft des Tales.

Fünfter Punkt: das Arbeiten an der Bereinigung im legistischen Bereich, im Berggesetz.

Zu jedem Punkt könnte ich hier lange reden, aber lassen Sie mich das so kurz wie möglich darstellen.

Zweitens: Ich sehe keine Veranlassung, mich aus diesem Anlaß als Wirtschaftsminister in einen Krieg mit einem Unternehmen, welchen Rufes auch immer, einzulassen. Ich habe mit Rio Tinto keinen Krieg. Ich habe es mit der Firma Naintsch zu tun. Die Firma Naintsch ist manchmal schwierig genug. Sie hat Berufung gegen den Bergungsbescheid erhoben, wir haben sofort entschieden, und die Bergung wird fortgesetzt. Es gibt immer wieder Kleinigkeiten, wie die Nichtbezahlung von Rechnungen. Wir sind zwischengestiegen und haben vorfinanziert, damit Unternehmen nicht in Konkurs gehen, und wir haben die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Jetzt zahlt das Unternehmen wieder – egal, wie freudig.

Ich habe sichergestellt, daß ich, wenn diese Schwierigkeiten anhalten, mit der Spitze von Rio Tinto rede. Im Augenblick besteht dazu keine Notwendigkeit. Ich möchte keinen offiziellen Krieg gegen irgendein Unternehmen aus diesem Anlaß beginnen, aber vor Ort muß alles so laufen, wie wir es vorgesehen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweiter Punkt. Lange bevor anderswo der Vorwurf der Verhaberei in den Raum gestellt wurde, habe ich die internationale Expertenkommission angekündigt, die heute zur gleichen Zeit ihre konstituierende Sitzung hat. Es war von allem Anfang an klar, daß es bei dieser Vorwurfslage nicht nur in diesem traditionellen Bereich befindliche Experten sein können, die sowohl in der Frage der Rettung-Bergungs-Beurteilung wie in der Einsetzung der künftigen Bergungsbemühungen wie schlußendlich auch in einer begleitenden Feststellung der Kausalität arbeiten können.

Zum nächsten Vorwurf: ILO. – Dieser Vorwurf geht, was mich anbelangt, völlig ins Leere. Die im ILO-Abkommen vorgesehenen Maßnahmen wurden zum Teil, soweit sie von uns für notwendig erachtet wurden, auch ohne Ratifizierung in Österreich von meinen Bergbehörden umgesetzt. Zum Teil ist das bereits geschehen, zum Teil erfolgt das jetzt auch im Berggesetz, zum anderen habe ich mit veranlaßt, daß in der morgigen Ministerratsitzung dieses Abkommen, das aus von mir nicht beeinflußbaren Gründen herumgelegen ist, endlich ernst genommen wird. – Soviel zum zweiten Punkt.

Dritter Punkt: Ich würde davon ausgehen, daß alle anderen angekündigten Maßnahmen ihrer Notwendigkeit entsprechend weitergeführt werden. Lassen Sie mich diese in aller Kürze – das geht sich noch aus, Herr Präsident – nennen. Ich wiederhole: Wir haben festgestellt, was wir aus Lassing gelernt haben, weil sich so etwas immer wieder wiederholen kann. Lassing stellt auch eine europaweite Erfahrung dar. Dies wurde beim Bergbausymposium vor zwei Wochen in Leoben international festgestellt. Der zuständige Kommissar Padraig Flynn hat mir vorgestern einen Brief geschrieben, in dem er meint: "Aus Lassing muß ganz Europa lernen." Dieser Lernprozeß wurde von uns eingeleitet. (Beifall bei der ÖVP.)

Weitere Punkte: Der Aufbau eines Ausbildungslehrganges für Krisenmanagement wurde bereits eingeleitet. Er wird im ersten Halbjahr 1999 in Leoben stattfinden. Der Aufbau der mobilen Einsatztruppe wurde bereits beauftragt und ist im Laufen.

Ein nächster Punkt: Wir arbeiten im Haus bereits am Aufbau der nationalen Computerdatei über Hilfsgeräte und Mannschaften. Es ist in der Zwischenzeit soweit, daß wir europaweit eine solche Datei in Angriff nehmen werden.

Weiters haben wir die Digitalisierung der Grubenpläne in Angriff genommen. Sie müßte möglichst rasch fortgesetzt werden.

Was die Unzufriedenheit bezüglich Markscheider betrifft, darf ich daran erinnern, daß es diesbezüglich eine gesetzliche Regelung gibt, in der beschlossen wurde, eine Übergangsregelung bis zum nächsten Sommer vorzusehen. Dies kann man beschleunigen.

Nächster Punkt: Struktur der Bergbehörden. Wir haben in dem Entwurf, der morgen den Ministerrat passieren wird, die Auflösung der Bergbehörden vorgesehen. Es wird nur eine Behörde im Wirtschaftsministerium geben, die dann nach einem anderen Strategie- und Servicekonzept arbeiten wird.

In diesem neuen Berggesetz sind auch alle Maßnahmen getroffen, die den gerechtfertigten Erwartungen von Anrainern, Gemeinden und Ländern Rechnung tragen.

Zum Vorwurf: Ziegelwerk Brenner. Ich kann dazu nur sagen, daß die Ursachen der Rutschungen beim Ziegelwerk Brenner in Schönweg im geologischen Aufbau des Hanges und den örtlichen hydrogeologischen Verhältnissen begründet sind. Durch den Abbau von Ton in den frühen sechziger Jahren wurden dabei der labile Hang geschwächt und so die Geländebewegungen begünstigt. Die behördlichen Genehmigungen und die Aufsicht über den Abbau lagen zu diesem Zeitpunkt nicht bei der Berghauptmannschaft, sondern bei den Bezirksverwaltungsbehörden. (Abg. Dr. Petrovic: Rechtlich lag es bei der Bergbehörde! Seit 1990! – Abg. Wabl: Seit 1990!) Erst durch die Berggesetznovelle ... – lassen Sie mich ausreden –, erst durch die Berggesetznovelle 1990 wurde dieser Bereich zum Bergbaugebiet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gebäude des Anwesens Klary bereits errichtet, obwohl die Baubehörde erster Instanz hätte erkennen müssen, daß es sich um einen Rutschhang handelt. (Abg. Wabl: Ach, jetzt sind die Bürgermeister schuld! Die Bergbehörde hat damit nichts zu tun!)

Durch das Tätigwerden der Berghauptmannschaft Klagenfurt wurde der Rutschhang unterhalb des Anwesens Klary wieder so stabilisiert, daß keinerlei Bodenbewegungen mehr festzustellen sind. Die Behauptungen, die in diesem Zusammenhang in den Medien aufgestellt werden, daß die Gebäude akut einsturzgefährdet seien, sind nach Expertenmeinung unzutreffend. Das wurde auch vom bautechnischen Sachverständigen attestiert. Unrichtig ist weiters, daß drei Anwesen von der Rutschung betroffen sind. Die Schäden an den anderen Gebäuden können nicht auf die Rutschung zurückgeführt werden. – Soviel zu den diesbezüglichen Feststellungen.

Eine Bemerkung noch, weil auch das in letzter Zeit als Behauptung im Raum stand, nämlich die Frage, ob unsere internen Regelungen tatsächlich auf dem letzten technischen Stand der Dinge sind; ein Hinweis auch diverser Experten.

Meine Damen und Herren! Ich bin gern bereit, im Einzelfall darüber zu diskutieren, daß wir bei allen Regelungen, die zwischenzeitlich seit dem Jahr 1995 erlassen worden sind, versucht haben, den Stand der Technik in den entsprechenden Verordnungen umzusetzen. Dazu gehört die Bergpolizeiverordnung für Elektrotechnik aus dem Jahr 1996, die elektromagnetische Verträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 1995, die Bergpolizeiverordnung über verantwortliche Personen aus dem Jahr 1997 und die Markscheider-Verordnung aus dem Jahr 1997 mit Übergangsregelungen bis zum heurigen Jahr. (Abg. Dr. Petrovic: Die aber ignoriert wird!) – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen einheitlich 5 Minuten.

Als erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ihre Antwort war leider mehr als unbefriedigend. Wenn Sie erklären, die Maßnahmen, die im ILO-Übereinkommen für Österreich nachzuvollziehen wären, seien von Ihren Behörden, soweit sie für notwendig erachtet wurden, ohnehin vollzogen worden, dann kann ich dem nur entgegenhalten, was in den Unterlagen für den Ausschuß für Arbeit und Soziales von den befragten Zentralstellen des Bundes geantwortet wurde: Es ist schon richtig, daß die Oberste Bergbehörde der Meinung war und nach wie vor ist, daß in ihrem Bereich gewissermaßen ohnehin alles paletti ist. Sie hätte ohnehin alles Denkmögliche gemacht. Es steht hier aber auch: Seitens des Zentral-Arbeitsinspektorates wurde festgehalten, daß die derzeitige innerstaatliche Rechtslage dem Übereinkommen in einer Reihe von Detailbestimmungen nicht voll entspräche und daß auch in nächster Zeit die Schaffung zusätzlicher und strengerer Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht zu verwirklichen sei.

Dann wird noch darauf hingewiesen, daß sich von seiten der Interessenvertretungen die Arbeiterkammer dafür ausgesprochen hätte, dieses ILO-Übereinkommen zu ratifizieren, das heißt, auch umzusetzen, die Wirtschaftskammer jedoch nicht. Damit sind wir wieder bei der alten Dualität: Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerium sagen: Das geht uns nichts an, das interessiert uns nicht!, und die Arbeitnehmerseite bleibt auch in diesem Fall wieder übrig.

Das ist in diesem Fall aber kein kleines Problem, wenn sie übrigbleibt, denn das ILO-Übereinkommen verlangt von Österreich Statistiken für gefährliche Vorfälle. Solche gibt es nicht, es besteht kein Interesse daran. Das ILO-Übereinkommen verlangt weiters zwei getrennte Fluchtwege in Bergwerken. Solche gibt es nicht. Diese könnten nicht geschaffen werden, dies sei zu umständlich und technisch zu aufwendig, wird argumentiert. In anderen Ländern scheint dies möglich zu sein, in Österreich nicht. Das ILO-Übereinkommen fordert Notfallpläne, umfassende Notfallpläne für Industrie- und Naturkatastrophen. Die Bergbehörde sagt: Wir haben ohnehin etwas, wenn ein Feuer ausbricht! Notfallpläne gibt es nicht.

Herr Bundesminister! Das ILO-Übereinkommen verlangt eine Verpflichtung zur Einstellung des Betriebes im Gefahrenfall. Das bedeutet, daß die Arbeiter hinauszuschicken und nicht in die Grube hinunterzuschicken sind. – Wo ist die klare Regelung in Österreich, Herr Bundesminister?

Damit bin ich mit meinen Ausführungen bezüglich des ILO-Übereinkommens schon zum Ende gelangt. Es ist nicht umgesetzt worden. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Koppler und Nürnberger.)

Herr Bundesminister! Wenn Sie mir jetzt zuflüstern und sagen, daß das ILO-Abkommen nicht ratifiziert worden sei, so erinnere ich Sie daran, daß Sie gerade vorhin erklärt haben, Sie hätten ohnehin alles umgesetzt. Sie haben es nicht umgesetzt! Es ist nicht ratifiziert worden, weil es Widerstand gibt, und somit ist es nicht umgesetzt worden. Dafür sind Ihre Behörden neben anderen Behörden mit- und hauptverantwortlich. Das herauszuarbeiten, war der Sinn dieser Wortmeldung, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Zweiter Punkt: Herr Abgeordneter Nürnberger war in der Sendung "Zur Sache" noch ganz verwundert darüber und hat gemeint, da könne doch nicht das Sparpaket daran schuld sein, daß es keine Verpflichtung zur jährlichen Besichtigung von Betrieben laut Berggesetz gibt. Der Herr Bundesminister erklärt uns jetzt, das Berggesetz werde novelliert. Nur, Herr Bundesminister, wir wissen, wie diese Bestimmung, die tatsächlich im Rahmen der Sparpakete still und heimlich eliminiert worden ist, nämlich diese Verpflichtung der Bergbehörde zur jährlichen Besichtigung, gehandhabt wird. Wir wissen, wie diese Besichtigungen aussehen. Bevor die Bergbehörde kommt, teilt man dies den Arbeitern mit: Liebe Arbeiter, da kommt die Bergbehörde, setzt euren Schutzhelm auf! Aber diese Verpflichtung wurde ohnehin durch das Sparpaket abgeschafft. Wo und wann wird sie denn wieder eingeführt, Herr Bundesminister? Mich würde das interessieren.

Sie haben außerdem – das ist bei der Debatte über Lassing, die wir führen, auch noch wichtig zu sagen – nichts bezüglich meiner ganz konkreten Frage erklärt, warum noch immer nichts unternommen wurde, um den Vorwurf zu prüfen, daß in Lassing Arbeitsunfälle als Freizeitunfälle deklariert wurden. Wie ist die Handlungsweise Ihrer Behörden, Herr Bundesminister? Wo haben Sie etwas gemacht, damit endlich Licht in diese Sache gebracht wird? Sie wissen, daß dieser Vorwurf mehrmals öffentlich erhoben worden ist, nicht nur von Medien, sondern auch von Betroffenen. Was haben Sie unternommen in dieser Sache? Mich würde das interessieren, Herr Bundesminister.

Ihr Verhalten, Ihr Verschweigen, aber auch Ihre Unfähigkeit (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), in dieser Sache klare Kompetenzen zu schaffen und klar vorwärtszugehen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte beachten Sie die Redezeit!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ..., machen es umso notwendiger, daß in diesem Parlament ein Untersuchungsausschuß eingesetzt wird. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

10.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

10.30

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde auch in der heutigen Debatte zu diesem tragischen Grubenunglück bei meinem Standpunkt bleiben, keinerlei Vorverurteilungen, auch nicht, was die politische Verantwortung betrifft, vorzunehmen, sondern mir das vorbehalten, bis der Bericht der Expertenkommission und der Staatsanwaltschaft dem Hohen Haus und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Geschätzter Herr Bundesminister! Einige kritische Bemerkungen zur Behörde der Berghauptmannschaft seien mir schon gestattet. Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat Ihnen schon einige Anmerkungen auf den Tisch gelegt, und nur weil sie von einer Oppositionsabgeordneten stammen, sollte man sie meiner Meinung nach nicht vom Tisch wischen. Ich sage Ihnen auch – wir werden Ihnen dann einige Fakten vorlegen –: Ich habe noch keine Behörde in diesem Land erlebt, die so arrogant und so überheblich agiert wie die Berghauptmannschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Ich wollte zum Schluß den Appell an das Hohe Haus richten, die ILO-Konvention zu unterzeichnen. Da dies aber gerade aktuell in Diskussion ist, lassen Sie mich vorher ein paar Bemerkungen machen. Ich kann mich auch an die Sitzungen des Sozialausschusses erinnern, die Herr Abgeordnete Öllinger zitiert hat. Da war es Ihr Vertreter der Bergbehörde, Herr Minister – ein gewisser Herr Ing. Maier, der berühmt geworden ist, da er alle für tot erklärt hat; zum Glück haben wir dann Hainzl lebend geborgen –, der gesagt hat, daß wir das ILO-Abkommen nicht zu unterzeichnen bräuchten. Doch was Abgeordneter Öllinger gesagt hat, stimmt: Einige wesentliche Punkte davon sind nicht erfüllt. Und ich war es – ich kann mir das jetzt zugute halten, Herr Bundesminister –, ich und meine Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuß waren es, die verhindert haben, daß ein Beschluß gefaßt wurde, das ILO-Abkommen nicht zu unterzeichnen, sondern dessen Behandlung aufzuschieben.

Ich bin sehr froh darüber, daß es morgen auf der Tagesordnung des Ministerrates ist, und ich appelliere schon heute an Sie, meine Damen und Herren, daß wir diese Konvention nach Möglichkeit einstimmig beschließen und verabschieden und darauf achten, daß dann raschest jene Maßnahmen, die wir in Österreich noch nicht haben, im Sinne der ILO-Konvention und somit im Sinne von mehr Schutz für unsere Kumpel im Bergbau eingeführt werden.

Aber jetzt ein paar Fakten zur Berghauptmannschaft. Ich kann mich daran erinnern, daß, als ich dem Herrn Sektionschef und dem Vertreter Zechling aus Leoben in der Fernsehsendung "Zur Sache" vorgehalten habe, daß die Vertreter der Berghauptmannschaft Leoben 23mal in Lassing gewesen wären, das weggewischt und dahin gehend argumentiert worden ist, sie wären nur drei- oder viermal dort gewesen. Wenige Tage später hat Ihr stellvertretender Sektionschef aus der Bergbehörde zugegeben, daß Lassing in den letzten Jahren tatsächlich 23mal besucht worden ist.

Nun muß ich schon die Frage stellen: Was ist denn dann geschehen bei diesen Besuchen? Hat man sich die Pläne nicht angeschaut? Ist man nicht in das Bergwerk eingefahren?

Weiters: Ich finde, es ist wirklich ein Argument aus der untersten Schublade – von einem Sektionschef hervorholt und von seinen Vertretern in aller Öffentlichkeit verbreitet –, daß man versucht, die ganze Verantwortung auf die Bertriebsräte abzuschieben (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum), daß man sich hinsetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und behauptet, der Betriebsrat habe keine Zeit, er sei auf Schulung, er sei nicht dabei, aber er vertraue der Bergbehörde ohnehin.

Dazu muß man wissen, daß alle Bergwerke, die in Österreich noch in Betrieb sind, mit ganz wenigen Ausnahmen Klein- und Kleinstbetriebe sind, in denen es 30, 35 oder 40 Beschäftigte gibt. Der Betriebsrat ist daher nicht freigestellt und hat, wenn er von der Schicht nicht freigestellt ist, gar nicht die Möglichkeit, wenn die Bergbehörde kommt, an einer Besichtigung teilzunehmen.

Die Bergbehörde müßte verpflichtet werden – ich ersuche Sie, das auch in der Novelle oder in dem neuen Gesetz, das wir beschließen, klarzustellen –, wenn sie kommt, die Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu verständigen. Es muß festgelegt werden, daß die Arbeitnehmervertretung bei den Begehungen ganz einfach dabeisein muß.

Herr Bundesminister! Wenige Tage nach der Sendung im Fernsehen waren alle Betriebsratsvorsitzenden, die es in den Bergbaubetrieben noch gibt, in unserer Gewerkschaft bei einer Konferenz. Mir ist von der überwiegenden Mehrzahl dieser Kollegen bestätigt worden, daß der Fall Lassing kein Einzelfall ist und daß prinzipiell in 70 bis 80 Prozent der Fälle die Berghauptmannschaft nicht bereit ist, die Interessenvertretung, sprich die Betriebsräte, beizuziehen.

Was die Argumentation Ihres Vertreters im Fernsehen anbelangt, daß das Sparpaket daran schuld sei, müßten Sie, Herr Minister, persönlich größtes Interesse daran haben, daß dieser Beamte diese Argumentation in der Öffentlichkeit nicht aufrechterhält, denn damit hat er den Ball der Verantwortung an Sie weitergegeben, was heißt, daß Sie durch Umschichtungen in Ihrem Ministerium so eingespart haben, daß er seiner Verantwortung nicht mehr nachkommen kann. Ich ersuche Sie also, in Ihrem eigenen Interesse klarzustellen, daß sicherlich nicht das Sparpaket schuld daran gewesen ist.

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, daß Sie gestern wieder bei den Betroffenen in Lassing waren. Ich weiß nicht, ob Ihnen auch berichtet und jenes Problem an Sie herangetragen worden ist, das erst gestern nachmittag an uns herangetragen worden ist und das ich daher noch nicht verifizieren konnte, das da heißt: Es sind wieder Probleme aufgetreten. Es gibt noch beschädigte Häuser mit Rissen, und irgend jemand sollte entscheiden, ob man in die Häuser hineingehen darf oder nicht.

Die Berghauptmannschaft putzt sich ab, schiebt es auf die Firma, und die Firma schiebt es auf die Berghauptmannschaft. Herr Minister! Ich würde Sie bitten, daß Sie der Bergbehörde diesbezüglich klare Anweisungen geben. (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort. (Abg. Wabl: Jetzt kommt die Pflichtverteidigung!)

10.36

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angehörigen der zehn Menschen, die noch immer untertag im Bergwerk von Lassing liegen, die Familien, die zu Schaden gekommen sind, das Leid, das über diese Menschen gekommen ist, die Familien, die in Häusern wohnen, die bedroht sind, das Dorf, das aus dem Gleichgewicht gekommen ist und das schwere Belastungen auf sich zu nehmen hat – alle diese Menschen verdienen unsere Anteilnahme und verdienen Gerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Was wir aber auf alle Fälle verhindern müssen, aber zum Teil gar nicht verhindern können (Abg. Wabl: Pharisäer!), ist, daß es Menschen und Politikerinnen und Politiker gibt, die aus diesem Unglück politisches Kapital schlagen wollen. (Abg. Wabl: Pharisäer! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Eine Feststellung möchte ich hier gleich treffen: Nehmen wir uns selbst an der Nase und machen wir nicht den Minister für etwas verantwortlich, wo das Parlament säumig geworden ist. (Abg. Öllinger: Die Regierung! – Abg. Dr. Petrovic: Die Regierungsparteien!) Denn, meine Damen und Herren, das ILO-Übereinkommen wurde am 18. Juni 1997 vom Ministerrat dem Parlament zur Ratifikation vorgelegt, und es war der Sozialausschuß dieses Parlaments, der die Vertagung beschlossen hat. (Abg. Wabl: Pharisäer! – Abg. Dr. Petrovic: Vier Anträge zum Berggesetz haben wir eingebracht!) Daher ist dafür nicht Farnleitner zuständig, sondern (Abg. Öllinger: Ihre Fraktion!) es war das Sozialministerium, das darauf Wert gelegt hat, die Durchführung dieses Abkommens noch prüfen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Da mir Herr Abgeordnete Wabl das Wort "Pharisäer" zugerufen hat, möchte ich sagen: Das ist pharisäerhaft! (Abg. Wabl: Geben Sie die Regierungsverantwortung ab! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Denn das Parlament hat das ILO-Abkommen in der letzten Legislaturperiode im Parlament liegen gehabt. (Abg. Wabl: Geben Sie die Regierungsverantwortung ab!) Das heißt also, die Vorwürfe, die hier gemacht wurden, sind nicht berechtigt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Geben Sie die Regierungsverantwortung ab!)

Herr Öllinger hat wieder gemeint, er möchte einen Untersuchungsausschuß. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Grünen.) Ich möchte sagen: Wir haben bereits einen Untersuchungsausschuß, der heute tagt, einen internationalen Untersuchungsausschuß, der mit bedeutenden Experten bestückt ist (Abg. Öllinger: Wir wollen Ihre politische Verantwortung untersuchen!), der ein Mandat hat, die Rettungsarbeiten zu überprüfen und auch die Schuld zu überprüfen, wie es zu diesem Bergwerksunglück kam. (Abg. Wabl: Treten Sie zurück als Regierungspartei!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte schon sehr klar sagen: Ich bin gegen ein Scherbengericht. Ich bin gegen Vorverurteilungen. (Abg. Wabl: Wo bleibt Ihre Verantwortung?) Ich verstehe nicht, wie Sie, meine Damen und Herren von jenen Fraktionen, die einen Untersuchungsausschuß beantragen, es eigentlich verantworten können, die Justiz, die Staatsanwaltschaft, die Polizei und die internationalen Experten zu desavouieren. Ich sage Ihnen: Wir und die Bevölkerung haben mehr Vertrauen in die internationalen Experten als in ein politisches Scherbengericht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Pharisäer! Treten Sie ab, Herr Khol!)

Minister Farnleitner und die Bundesregierung insgesamt – denn die Bundesregierung hat sich mehrfach in den Sitzungen mit Lassing und den Folgen befaßt – haben eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Der Minister hat darauf hingewiesen, daß er ohne Verzug und immer wieder sehr zum Punkt in der Frage Lassing tätig geworden ist (Abg. Wabl: Eine schwache Pflichtverteidigung!), daß er sich immer wieder um das Schicksal der Menschen, um das Schicksal des Dorfes, um das Schicksal aller, die in diesem Tal leben ... (Abg. Wabl: Eine erbärmliche Pflichtverteidigung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Wabl, bitte lassen Sie den Redner sprechen! Die Redezeit ist begrenzt!

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Ich glaube daher, daß nicht die Regierung und Minister Farnleitner das Problem sind (Abg. Wabl: Unsere Toleranz gegenüber Infamie ist auch begrenzt!), sondern daß die Regierung und die Behörden die Lösung vorbereiten.

Wir sollten Vertrauen in die Justiz haben – morgen haben wir einen Bericht –, wir sollten Vertrauen in die internationale Kommission haben, und ich habe Vertrauen in die österreichische Bevölkerung (Abg. Wabl: Was kann die Bevölkerung dafür?), denn die österreichische Bevölkerung weiß sehr gut (Abg. Wabl: Nehmen Sie die österreichische Bevölkerung nicht in Geiselhaft!), daß es nicht die Regierung und der Minister sind, die für diesen tragischen Unfall verantwortlich sind, sondern eine Verkettung von Umständen. Die Gerechtigkeit verlangt es, daß die Verantwortung festgestellt wird, und dann wird man sehen, wer verantwortlich ist.

Sie, meine Damen und Herren von den beiden Oppositionsfraktionen Grün und Liberal, Sie wissen alles schon im vorhinein. Aus Ihrem Wissen im vorhinein wird ein Vorurteil und aus dem Vorurteil eine Vorverurteilung. Ein objektives Verfahren ist von Ihnen nicht zu erwarten. Das hat sich heute wieder darin gezeigt, wie Sie mit dem ILO-Abkommen umgegangen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Wabl! Den Ausdruck "Infamie" rüge ich. So sprechen wir nicht miteinander! (Abg. Dr. Petrovic: Aber Scheinheiligkeit ist allemal gebührlich!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

10.41

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trauer braucht Ruhe. Aus Pietät vor zehn Verschütteten wird auf politische Manöver verzichtet. – Das etwa war der Tenor jener Troststunde, jener gelungenen Troststunde vor Ort. (Abg. Rosemarie Bauer: Da haben aber manche gefehlt!) Daß Frau Petrovic und ihre Kolleginnen und Kollegen nicht dort waren, daß auch Herr Khol und Herr Nürnberger und sonstige dort noch nie gesichtet wurden, sei am Rande erwähnt. Aber Sie waren dort, Herr Bundesminister, und Sie haben dort nickend und zustimmend jenen Rednern recht gegeben, die da sagten, hier finde kein Populismus statt, hier werde kein politisches Kleingeld gemacht.

Aber was machten Sie selbst wenige Tage später? – Sie unterstellten im ORF vor laufender Kamera einen Schwarzabbau, unterstellten damit gleichzeitig, die Ursache für dieses Unglück gefunden zu haben. Sie behaupteten, erst wenige Minuten vorher über die Unterlagen verfügt zu haben, obwohl jeder Spatz auf den Dächern in Lassing "am Tag danach" den Abbau der Sohle 1A kannte und die Zusammenhänge allen Rettern bewußt waren.

Frau Petrovic, die sich hier als die Saubermacherin aufspielt, schickt ihre Schnüffler vor Ort, die heute noch von Tür zu Tür gehen und der Bevölkerung einreden, die Verschütteten lebten noch. – Das zur Pietät betreffend die Verschütteten, wie Sie sie behandeln. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Kammerlander.)

Herr Nürnberger wiederum geht vor die Kamera und spricht von den arroganten Montanisten. (Abg. Wabl: Es ist schlimm, daß Sie da mitspielen!) Hier hat er es wiederholt: Wer kann so arrogant sein wie eine Bergbaubehörde? – Herr Nürnberger, schauen Sie in den Spiegel!

Herr Barmüller, Prospektionsexperte erster Kategorie, scheint irgendeine Kommunikation mit der Maulwurfpopulation in Lassing aufgebaut zu haben. Er findet einen Hohlraum nach dem anderen und macht damit sein politisches Kleingeld.

Wir Freiheitliche haben uns aus all dem herausgehalten. Wir haben versucht, in einer sachlichen Atmosphäre die Untersuchenden untersuchen zu lassen. (Abg. Öllinger: Weil Sie verhabert sind mit den Leuten! – Abg. Wabl: Weil das Ihre Leute sind! Weil Sie verhabert sind mit der Berghauptmannschaft! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Grünen.)

Folgendes fordern wir nach wie vor: Der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesminister sind in einen Ausschuß zu laden. (Abg. Wabl: Wer hat denn den Haider zurückgepfiffen wegen der Sondersitzung? – Die blauen Burschenschaften!) Diese beiden haben versprochen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Aufklärung zu helfen. Aber was macht der Herr Bundeskanzler im Zuge seiner Aufputscherei? – Er sagt den Helfern, den Bergwerksleuten, den Feuerwehrlern, dem technischen Rettungsdienst nach der Rettung des Herrn Hainzl: Die Menschlichkeit hat über die Technokraten gesiegt! – Wie fühlt sich da ein Feuerwehrmann, wie fühlt sich da ein Bergmann, der in der ersten Woche der Rettungsaktion keine 30 Stunden Schlaf zustande gebracht hat? Wie fühlt er sich, wenn von höchster Stelle solche Vorwürfe bei ihm landen? (Abg. Wabl: Wieso haben die blauen Burschenschaften den Haider von der Sondersitzung zurückgepfiffen?)

Wie fühlen sich die Angestellten in der Bergbehörde – das frage ich Sie, Herr Minister –, denen über die Medien ausgerichtet wird, daß Ihre Behörde eigentlich abgeschafft ist? Sie sind der Urheber. (Abg. Wabl: Die blauen Burschenschaften aus Leoben haben den Herrn Haider zurückgepfiffen von einer Sondersitzung!)

Wie fühlen sich schließlich jene ... Herr Wabl, ich habe zuwenig Zeit, um auf Ihre unsachlichen, blasphemischen Äußerungen zu reagieren. (Abg. Wabl: Warum ist er zurückgepfiffen worden? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum bekommt der Wabl keinen Ordnungsruf? – Abg. Böhacker: Stoppt den Wabl! – Abg. Dr. Haider: Stoppt die Uhr!) Die Kollegin Petrovic hat uns ohnehin schon gesagt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Grollitsch! Meine Damen und Herren! Es ist ein wirklich tragisches Thema, über das wir hier diskutieren. (Abg. Scheibner: Sagen Sie das dem Herrn Wabl! Seine Zwischenrufe sind ja ungeheuerlich!) Ich sage es allen, und ich bitte alle – ich habe den Herrn Wabl auch schon gebeten und darauf aufmerksam gemacht –, daß bestimmte Ausdrücke nicht zulässig sind. Ich wünsche mir, daß wir diese Debatte in einer Art und Weise führen, wie sie dem Thema angemessen ist. Darum bitte ich Sie mit allem Nachdruck!

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, setzen Sie fort! Ich gebe Ihnen eine Minute Redezeit dazu.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich werde mich durch die Zwischenrufe weiter nicht provozieren lassen und halte mich an die von Ihnen vorgegebene Vorgangsweise, sachlich und bedächtig auf dieses Thema zuzugehen, denn die Bevölkerung hat kein Verständnis für Populismus im Hinblick auf zehn Verschüttete im Berg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber noch ein Satz zur Sache selbst: Worum geht es, Herr Bundesminister? – Das Berggesetz muß endlich weg! Darum und nur darum geht es. Sie, Herr Bundesminister, haben uns noch am 17. Juli über die Medien verkündet, das Bergrecht sei ausverhandelt, die Novelle stehe, die sozialistische Seite habe nachgegeben. An jenem 17. Juli, als das Unglück geschah, kam diese Meldung über die Medien, und an diesem Tag, Herr Bundesminister, sind Sie getreu Ihrer Fraktion umgefallen.

Sie haben zwei Jahre lang das Bergrecht in einer Form zu verändern versucht, bei der wir teilweise durchaus mitgehen konnten (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), wenngleich wir nicht ausreichend sachlich in die Diskussion einbezogen wurden. Wir haben für ein Rohstoffbevorratungsgesetz argumentiert, konnten uns nicht vollinhaltlich, aber doch zumindest im Detail einbringen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): Sie sind an diesem Tag umgefallen, Herr Bundesminister. Sie haben inzwischen nicht nur Ihre Leute im Stich gelassen und das Treten nach unten fortgesetzt, Sie werden es jetzt auch schwer haben, Ihr bei der Troststunde abgegebenes Versprechen einzuhalten: Bedächtigkeit, Ruhe aus Achtung vor denen, die da unten verschüttet sind. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

10.48

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es gibt nur einen Grund, warum die Freiheitlichen sich in der Frage Lassing so zurückhalten, und das ist der, daß es in der Berghauptmannschaft Leoben mindestens so viele Schwarze wie Freiheitliche gibt. Oder vielleicht muß man es sogar umgekehrt sagen. (Abg. Haigermoser: Fehlt noch, daß der Haider schuld ist! – Abg. Scheibner: Das ist unterstes Niveau!)

Herr Abgeordneter Grollitsch! Nicht Pietät hält Sie in dieser Frage zurück. Wenn Sie in der Sache Lassing in die Berghauptmannschaft in Leoben hineinschauen würden, würde herauskommen, wie tief freiheitliche Parteigänger in dieses Unglück und in das Behördenversagen, das es dort gibt, verstrickt sind. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Warum plärren Sie so, Herr Kollege? Sie sollen argumentieren und nicht plärren!)

Denn anders, Herr Abgeordneter Haigermoser, ist nicht zu erklären, daß die Niederschrift über die Einvernahme des Herrn Schmidt, des Werksleiters in Lassing, die der Herr Bundesminister zwar früher in Händen gehalten hat, als er uns im Hause und auch der Öffentlichkeit in der "ZiB 1" gesagt hat, einer aus Ihrer Fraktion noch vor dem Herrn Bundesminister in Händen gehabt hat. (Abg. Haigermoser: Das ist Maulwurfpolitik, die Sie betreiben! Maulwürfe sind blind!) Das war der Herr Abgeordnete Grollitsch, der soeben hier am Rednerpult gestanden ist. Er war offenbar zufällig bei der Vernehmung dabei und hat daher die Niederschrift gleich bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Woher haben Sie Ihre Informationen, Sie Pseudoliberaler?)

Das ist der Zugang der Freiheitlichen zu diesem Themenbereich, und den würde es in einem Untersuchungsausschuß genau so aufzuklären gelten wie auch die politische Verantwortung des Herrn Bundesministers Farnleitner, die wir ebenfalls aufklären wollen. Aber daß hier Herr Abgeordneter Khol die Unwahrheiten des Herrn Bundesministers Farnleitner mit neuen Unwahrheiten zu verteidigen sucht, schlägt dem Faß den Boden aus. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist ja ungeheuerlich! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch, warum, Herr Abgeordneter: Sie haben gesagt, es gebe ein Versäumnis des Gesetzgebers. Ich stimme Ihnen in einer Sache zu: Das Versäumnis des Gesetzgebers war es – und das ist ein Versäumnis der großen Koalition –, daß all die Jahre über Novellen zum Berggesetz beschlossen wurden, die die Anrainerrechte in gröblichster Weise mißachtet haben. (Abg. Haigermoser: Machen Sie einmal in Lassing Urlaub, Herr Barmüller!) Das ist eine Verantwortung der großen Koalition, und es war die Opposition, die mit dem Hauptargument, daß die Anrainerrechte nicht berücksichtigt würden, gegen das Berggesetz gestimmt hat.

Was aber das internationale Übereinkommen angeht, das nicht ratifiziert worden ist, ist dies kein Versäumnis des Sozialausschusses, sondern wahr ist, daß der Bericht, den die Bundesregierung dem Sozialausschuß zur Beschlußfassung vorgelegt hat, zusammenfassend festhält, daß die Voraussetzungen für die Ratifikation des Übereinkommens derzeit nicht gegeben sind, und zwar deshalb nicht, weil das Berggesetz mit dem Übereinkommen nicht übereinstimme. – Das war der Bericht, den der Sozialausschuß hätte zur Kenntnis nehmen sollen, wie Sie auch auf Seite 32 dieses Antrages der Bundesregierung nachlesen können.

Weil der Sozialausschuß das nicht zur Kenntnis genommen hat, ist es kein Versäumnis des Gesetzgebers, sondern der Gesetzgeber hat gesagt: Nein, hier muß angepaßt werden! Und es war der Herr Bundesminister, es war die große Koalition, insbesondere die Bundesregierung, die gesagt haben: Solange sich die Sozialpartner nicht einig werden, werden wir in diesem Hause nichts beschließen! Und das ist das Systemversagen, das es in diesem Fall zu kritisieren gibt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Aber die Bundesregierung wollte sich dieser Verantwortung nicht ganz entziehen, und deshalb hat sie beschlossen – ich zitiere –: "Die Bundesregierung hat in der Sitzung des Ministerrates vom 18. Juni 1997" – ein Jahr vor Lassing! – "den Bericht über das Übereinkommen und die Empfehlung zur Kenntnis genommen und beschlossen, die beteiligten Bundesminister" – ich ergänze: Herrn Bundesminister Farnleitner und Frau Bundesminister Hostasch – "einzuladen, bei künftigen Maßnahmen auf dem gegenständlichen Gebiet die Bestimmungen, Vorschläge und Anregungen der beiden internationalen Instrumente soweit wie möglich zu berücksichtigen und den angeschlossenen Bericht dem Nationalrat zur Kenntnis vorzulegen."

Es gibt also, meine Damen und Herren, nicht nur nach dem Berggesetz – hier berufe ich mich insbesondere auf die §§ 205 und 206 des Berggesetzes – eine Verordnungspflicht des Ministers, was die Sicherheit im Bergwerken angeht, sondern aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 18. Juni 1997 war der Herr Minister angehalten, auch das ILO-Übereinkommen, daß den Arbeitsschutz in Bergwerken regelt, soweit wie möglich umzusetzen. All das hat er nicht getan, und das ist eine rechtliche Verantwortung, die zu seiner politischen Verantwortung hinzukommt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Letzer Punkt, meine Damen und Herren: Der Herr Bundesminister hatte in diesem Lande das Vorrecht, eine Expertenkommission zur Klärung von Sachfragen, die seine politische Verantwortung betreffen, einzusetzen. Es ist wohl das erste Mal, daß jemand, der unmittelbar Zielpunkt eines Verfahrens ist und noch mehrerer Verfahren in der Zukunft sein wird, seine eigenen Sachverständigen bestellen und sagen darf, er setze eine Expertenkommission ein.

Aber diese Expertenkommission muß wohl eine Prüfungsauftrag haben, und dieser Prüfungsauftrag ist bisher noch nicht offengelegt worden. Es gibt die Aussage von Herrn Bundeskanzler Klima, in der er gesagt hat ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (fortsetzend): Den Schlußsatz, jawohl, Herr Präsident.

Der Herr Bundeskanzler sagte, es müsse die Zeit vor dem Unglück geprüft werden, der Herr Bundesminister sagt, erst ab dem Unglück. Wir verlangen, daß der Prüfungsauftrag dieser Kommission hier im Hause formuliert wird und nicht durch jene Person, die es betrifft, nämlich durch Herrn Bundesminister Farnleitner. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Monika Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.53

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu den Freiheitlichen möchte ich nur sagen, was uns in diesem Hause ja schon bekannt ist: Wenn sie selber tief im Sumpf stecken, sind sie nicht wirklich an Aufklärung interessiert, und deshalb haben sie auch in diesem Fall überhaupt kein Interesse an einer seriösen Wahrheitsfindung. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haider: Gut, wenn Sie nach London gehen!)

Zum Herrn Klubobmann Khol, der hier kühn behauptete, das Parlament sei säumig: Sie sollten da wirklich differenzieren. (Abg. Haigermoser: Sie sollten Ihr Ausscheiden forcieren!) Es ist vor allem die ÖVP in diesem Haus, die seit Jahren blockiert, daß das Berggesetz entsprechend novelliert wird (Abg. Haigermoser: Diese Rede überträgt nicht einmal der Herr Kössler!), und es war die SPÖ, die leider diese Blockade, die von seiten der ÖVP seit Jahren aufrechterhalten wird, mitgetragen hat.

Ich habe Ihnen eine ganze Anzahl von Anträgen der Grünen aus den letzten Jahren mitgebracht, in denen wir versucht haben, auf die Lücken, Schwächen und auf das Versagen des geltenden Berggesetzes hinzuweisen. Diese wurden schubladisert. (Abg. Dr. Fekter: Das ist ja nicht wahr! 1996! 1998! Haben Sie die Novellen verschlafen?) Es ist Lassing, und es ist die Tragödie, die dort passiert ist mit all den Konsequenzen, kein Zufall, sondern selbstverständlich hat das System.

Herr Bundesminister! Da Sie auch heute wieder Ihre politische Verantwortung so von sich schieben, möchte ich Sie daran erinnern, wie in anderen europäischen Ländern mit politischer Verantwortung in diesen Tagen umgegangen wird.

Erinnern Sie sich: Vor wenigen Wochen war in Belgien ein tragischer Fall, wo eine Asylantin von zwei Polizeibeamten regelrecht umgebracht wurde. Es war für den Innenminister eine Selbstverständlichkeit, daß er seine politische Verantwortung wahrgenommen hat und zurückgetreten ist.

Vor einigen Monaten sind in Italien in einem Gefängnis mehrere Häftlinge ausgebrochen, und die Untersuchung, die kurze Zeit gedauert hat, hat ergeben, daß es in diesem Gefängnis ein System gab, das genau zu diesem Fall geführt hat. Der Justizminister hat es als eine Selbstverständlichkeit angesehen, seine politische Verantwortung wahrzunehmen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. (Abg. Schwarzenberger: Das heißt, bei jedem Verkehrsunfall soll der Verkehrsminister zurücktreten!)

Herr Bundesminister! Es heißt schon etwas anderes, politische Verantwortung oder strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen. Und Sie sind Ihrer politischen Verantwortung bis heute nicht nachgekommen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Auch heute haben Sie diese Aktuelle Stunde nicht genützt.

Wenn hier so getan wird, als würde ein Untersuchungsausschuß, der genau für diese politische Verantwortung einzusetzen wäre, dadurch obsolet, daß es ein Wissenschaftergremium, ein Expertengremium gibt, das sich nun ansieht, was genau wann falsch gemacht wurde, so ist das doch überhaupt nicht zu vergleichen. Dieses Wissenschaftergremium mit internationalen Experten, mit Experten von österreichischen Instituten und auch von Ihrem Haus soll schon tagen, aber es wird nie und nimmer – und ich nehme an, das ist logischerweise auch gar nicht sein Auftrag – die politische Verantwortung klären können.

Wenn Klubobmann Khol bei jeder Debatte zu Lassing hier im Haus auf diese Expertenkommission verweist, dann spricht er wider besseres Wissen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Er ist intelligent genug, zu wissen, daß dieses Gremium nicht die politische Verantwortung klären soll (Abg. Dr. Khol: Aber die Fakten kann es klären, Frau Langthaler!) und daß nur dieses Haus die Kontrollfunktion ausüben sollte und daß die Exekutive, wenn so ein klares Versagen aufgetreten ist, auch entsprechend untersuchen und kontrollieren muß. (Abg. Dr. Khol: Die Fakten kann es klären, und aufgrund der Fakten kann man die Verantwortung klären!) Ihr Versuch, sich immer wieder über die politische Verantwortung hinwegzuschwindeln, wird nicht gelingen.

Es gibt einen breiten Widerstand gegen die Art, wie Sie jetzt nicht nur mit diesem Problem Lassing, mit dieser Tragödie umgehen, sondern auch, was das geltende Berggesetz betrifft. Ich habe hier eine Liste all jener Gemeinden, die seit Jahren versuchen, das Berggesetz zu verändern. Die Berghauptmannschaft ist in Österreich ein Staat im Staat, und wir alle wissen das. Ich gebe dem Kollegen Nürnberger völlig recht: Eine Behörde, die seit Jahren mit solcher Arroganz agiert, ist uns bekannt. Sie hat bei all den Novellen zum Berggesetz entsprechend agiert.

Die SPÖ hat den Oppositionsparteien und auch mir persönlich – Abgeordneter Haindl war es – versprochen, daß die Opposition bei der Novelle zum Berggesetz eingebunden sein würde, wenn es darum gehen soll, die Massenrohstoffe wieder herauszunehmen, oder wenn es darum gehen soll, das Gesetz bürgernäher zu machen. Aber jetzt ist davon nicht mehr die Rede. Bis heute wurde die Opposition in die Neubearbeitung und Überarbeitung dieses Berggesetzes nicht eingebunden. Sie sind hier wirklich wortbrüchig. Es wurde zugesagt, daß auch in diesem Haus – gerade auch nach den Vorfällen von Lassing – gemeinsam mit der Opposition, die sich in diesem Bereich eine hohe Sachkenntnis erarbeitet hat, gearbeitet wird. Aber hier herrscht offensichtlich das gleiche System wie bisher schon beim Berggesetz: ÖVP und SPÖ mauscheln sich das alleine aus.

Ich möchte Sie wirklich bitten: Machen Sie nicht alle Fehler fünfmal! Binden Sie die Oppositionsparteien wenigstens bei der Neuerarbeitung des Berggesetzes ein! – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

10.59

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Einige Klarstellungen.

Wenn ich mir die österreichische Unfallstatistik vor allem im Bergbau ansehe, dann muß ich sagen: Bergbauminister in Österreich zu sein wäre über Jahre ein Riesenspaß gewesen, weil wir jedes Jahr weniger Unfälle hatten und der Bergbau international und auch im innerösterreichischen Vergleich die unfallärmste Branche war. Eindeutig! (Abg. Öllinger: Dafür gab es mehr Freizeitunfälle! Es ist doch klar, warum die Unfälle weniger werden! Weil sie vertuscht werden!)

Jetzt passierte ein Unglück – und nun soll, weil Sie ein anderes Verständnis von politischer Verantwortung haben, der Minister, anstatt mit Unglücksfällen und deren Konsequenzen fertig zu werden, zurücktreten. Dies ist das bequemste Konzept politischer Verantwortung. Ich nehme das unangenehmere: Ich werde diese harten Tage durchstehen. Wir werden am Ende ein neues Gesetz, eine neue Behörde und unstrittige Vorgangsweisen haben. – Das zum ersten. (Beifall bei der ÖVP.)

Man kann eine Behörde, die über Jahrzehnte, was die Sicherheit anbelangt, weitgehend anerkannt gearbeitet hat, jetzt allerdings aus anderen Gründen Konsequenzen ziehen muß, nämlich weil sich zeigt, daß auf Dauer eine Behördenorganisation nicht an Gemeinden, Ländern, Bürgerinteressen vorbei agieren kann, weil sie sich in zu vielem zu sehr der Rohstoffgewinnung gewidmet hat – einverstanden! – nicht einfach verurteilen.

Diesbezüglich wird es Konsequenzen geben. Doch es ist so, daß es den Herren von der Presse nicht mitgeteilt wurde, wie das ein Kollege von der FPÖ dargestellt hat – sofern ich "Kollege" sagen kann.

Dritter Punkt: Diese neue Behörde wird sich vor allem, weil sie durch die neue Kompetenzverteilung in Richtung Bezirkshauptmannschaften im Umfang der Arbeit entlastet wird, viel mehr dem Controlling widmen können, und das wird von Beginn an ein Gesamtplan dieser neu zu gründenden Behörde in meinem Haus sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt: Die Mitglieder der internationalen Expertenkommission habe ich mir nicht ausgesucht. Ich habe die Europäische Union ersucht, sie möge deutschkundige Experten auswählen, die unabhängig ihren Untersuchungen in Österreich nachgehen können. Von einer Gefälligkeitskommission zu sprechen, das weise ich entschieden zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

11.01

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Drei Anmerkungen zu dieser Diskussion: Zum einen halte ich es mit Kollegen Nürnberger, der gesagt hat, daß er keinerlei Vorverurteilungen haben wolle, bevor nicht wirklich solide Berichte auf dem Tisch liegen, und man dann aus diesen Berichten die Konsequenzen ziehen müsse. Das unterstütze ich völlig.

Zum zweiten: Herr Klubobmann Khol hat gemeint, nicht Farnleitner, sondern das Parlament trage hier mit Verantwortung, im speziellen der Sozialausschuß und noch mehr Frau Sozialministerin Hostasch. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann war das eher eine Kritik an den Sozialpartnern – um das einmal so sagen zu dürfen –, denn diese hätten entsprechende Stellungnahmen abgeben sollen, sodaß rechtzeitig weitere Entscheidungen hätten getroffen werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren! In bezug auf den Redebeitrag der Kollegin Langthaler möchte ich festhalten, daß die Novelle zum Berggesetz, die auch von unserer Fraktion bereits seit Jahren verlangt wird, nunmehr – leider aufgrund eines sehr tragisches Unglücksfalls – in eine andere Dimension gekommen ist. Wie Sie wissen, wird es keine Novelle zum Berggesetz mehr geben, sondern es wird das Berggesetz überhaupt abgeschafft. Es werden die sechs Berghauptmannschaften aufgelöst, es wird die Bergbehörde aufgelöst, und es wird nunmehr ein komplett neues Mineralrohstoffgesetz entwickelt.

Ich bin auch der Meinung, wenn dieses Gesetz vom Ministerrat ins Parlament kommt – wir haben heute gehört, daß dieser Entwurf morgen in den Ministerrat kommen soll, und ich werde Ihnen auch gleich einige Forderungen nennen, die wir an den Entwurf gestellt haben –, daß nicht nur die Regierungsfraktionen hier im Hause zu diesem Gesetz sprechen können sollen, sondern daß auch die Oppositionsparteien ihre Überlegungen zu diesem Gesetz einbringen sollen und wir von den Regierungsparteien diese natürlich ernst nehmen und eine Diskussion darüber führen müssen.

Ich darf aber auch dazusagen, daß wesentliche Forderungen, die die Sozialdemokratie an dieses Gesetz gestellt hat, zwar zunächst eingebaut sind, aber vielleicht ist das noch nicht alles, was man in einem solchen Gesetz finden können soll. Vor allem was den Bereich der grundeigenen Rohstoffe, sprich den Schotterabbau, den Lockergesteinabbau, aber auch die Steinbrüche, betrifft, sage ich gleich dazu: Es kann niemand dabei zusehen, wenn 100 Meter von Wohngebieten entfernt in Steinbrüchen gesprengt wird, die Häuser Sprünge und Risse bekommen und die Leute Angst haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) So ist die derzeitige Rechtssituation, und diese können wir einfach in dieser Form nicht aufrechterhalten.

Es muß auch klar und eindeutig festgelegt sein, daß die betroffenen Anrainer und Gemeinden beim Schotterabbau eine klare Parteienstellung zu bekommen haben. Die Menschen müssen dabei mitreden können, wenn in ihrer unmittelbaren Umgebung und in ihrem Lebensraum etwas geschieht. (Abg. Wabl: Wer hat das hier im Haus verhindert? Wer hat immer gebremst?) – Kollege Wabl! Nein, es wird eben nicht gebremst! Wir werden diese Forderungen durchsetzen, und zwar auch beim Koalitionspartner.

Es geht auch darum, daß laut Gesetz der Abtransport des Lockergesteins durch ein Verkehrskonzept, das von den Gemeinden mit den entsprechenden Unternehmen zu erstellen ist, so erfolgt, daß die Menschen nicht in einer Form belästigt werden, wie das derzeit der Fall ist. Und es geht vor allem auch darum, daß die Gewinnungsbewilligungen – allein in Wien, in Niederösterreich und im Burgenland sind bisher rund 200 Gewinnungsbewilligungen genehmigt worden, aber noch keine Abbaubewilligungen – bereits dem neuen Recht unterworfen werden, sodaß wir zu einer völlig neuen, geordneten Struktur kommen: auf der einen Seite Schutz der Menschen, Schutz der Gemeinden, Schutz der Anrainer und auf der anderen Seite auch eine Möglichkeit für die Industrie, geordnet ihre Betriebe zu führen und auch die Rohstoffe und die Ressourcen, die wir in Österreich haben, entsprechend abzubauen.

Auch bei den Strafverfahren haben wir uns etwas einfallen lassen. Es soll nicht mehr so sein, daß man das mit 50 000 S Strafe beiseite schieben kann – diese Summe spürt solch ein Betrieb überhaupt nicht –, sondern wir wollen das Strafausmaß entscheidend erhöhen, nämlich bis zu 1 Million Schilling. Das sind Ansätze, die in grundsätzlichen Bereichen in jene Richtung gehen, die wir uns vorstellen.

Ich hoffe, daß wir mit diesen Überlegungen in Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien und auch durch Gespräche hier im Parlament zu einer in diese Richtung gehenden vernünftigen Regelung im Sinne der Bevölkerung, im Sinne der Gemeinden und im Sinne der Anrainer, die mit solchen Betrieben leben müssen, kommen. – Ich danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte.

11.06

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Unglück von Lassing und die Betroffenheit der dortigen Bürger werden uns noch länger beschäftigen; da gebe ich Ihnen recht. Nur bitte ich um eines: dies auch mit Vernunft und Überlegung zu tun! Denn Pestalozzi hat schon gesagt: "Zu frühe Urteile sind Vorurteile, aus denen der Irrtum emporsteigt wie der Nebel aus dem Meere." (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Stippel.)

Ich möchte um eines bitten: daß wir bei dieser Diskussion die Würde bewahren, die Würde der Menschen, die in diesem Ort leben, die sehr stark verunsichert sind, auch anerkennen und uns dieser Würde auch hier in diesem Hause befleißigen.

Aus diesem Grunde möchte ich auf einen meiner Vorredner zu sprechen kommen, den Herrn Abgeordneten Nürnberger. Sie unterstellen der Berghauptmannschaft Arroganz und Überheblichkeit. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger.) Herr Abgeordneter und Herr Präsident Nürnberger! Ich würde das nicht einer Gemeinschaft unterstellen, denn es gibt überall Menschen, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen – auch in Ihren Reihen! Pauschalverurteilungen lehne ich ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Nürnberger, sagen, daß Sie jetzt die Gewerkschaft zusammengerufen haben, weil es Vorfälle gegeben hat, dann frage ich mich: Warum sind die Betriebsräte bei Ihrer Gewerkschaft nicht schon früher vorstellig geworden und haben sich darüber beklagt? (Abg. Nürnberger: Den gewerkschaftlichen Druck, der ausgeübt wurde, kennen Sie schon?!) – Herr Abgeordneter Nürnberger! Dazu gibt es doch Gewerkschaften, dazu sind sie ja gegründet worden: damit durch die Betriebsräte die Bedenken der Arbeitnehmer artikuliert und ihnen Rechnung getragen wird.

Was ich im Rahmen der Veränderungen betreffend das Berggesetz seit 1990, als verschiedene Bergwerke oder Schottergruben, was immer, in das Berggesetz aufgenommen worden sind, erfahren habe, war, daß gerade dort die Sicherungsmaßnahmen für die Belegschaft verbessert worden sind, welche die Gewerbebehörde nicht gekannt hat und welche der Arbeitnehmerschutz nicht gekannt hat. Also eben durch die Bergbehörde sind die Arbeitnehmerschutzbestimmungen verschärft worden und damit zu einem Vorbild für internationale Schutzbestimmungen geworden. (Abg. Nürnberger: Das haben wir immer geglaubt! Das haben wir in Lassing auch geglaubt!)

Das ist mein Wissensstand. Deshalb müssen wir genau prüfen, woran etwas liegt. Pauschale Unterstellungen lehne ich ab! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Grollitsch! Sie haben gesagt, daß Herr Bundesminister Farnleitner Unterstellungen bezüglich Schwarzabbau gemacht hat. Er hat keine Unterstellungen vorgenommen, sondern er hat eindeutig gehandelt, wie es sich gehört und wie es jeder Verantwortliche tun muß, nämlich nicht zuerst die eigenen Leute zu verunglimpfen, sondern erst einmal zu hören, was sie sagen, und dann zu sehen, was stimmt und was nicht stimmt. Das mache ich in meinem Betrieb auch so. Ich kann nicht von vornherein jeden verurteilen, ich muß zuerst meinen Mitarbeitern Glauben schenken. Wenn etwas passiert ist, dann muß ich es untersuchen. Aber Sie haben dem Minister vorgeworfen, er habe bereits die Ursache unterstellt. Das hat der Herr Minister nicht getan. Er hat nur gesagt, daß etwas passiert ist, was er nicht gewußt hat, was untersucht werden muß und wo zu prüfen sein wird, ob das eine Ursache ist. Das wird sich herausstellen, das muß eine internationale Kommission prüfen; das können wir hier nicht tun.

Aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, möchte ich Ihnen etwas zitieren. Peter Turrini ist sicher jemand, den Sie schätzen. Er hat in einer Festansprache am 26. Oktober 1996 folgendes gesagt: "Das Glück eines österreichischen Politikers besteht lange nicht mehr darin, einen Hochofen anzustechen, eine Autobahn zu eröffnen, sondern darin, drei Tage hindurch in keiner Zeitung verdächtigt zu werden. Es ist völlig unerheblich, ob ein Verdacht Körnchen oder Brocken oder ganze Massive von Wahrheit enthält. Entscheidend ist, daß in jener Geschwindigkeit, in der Berichte erscheinen und wieder verschwinden, Wahrheit und Unwahrheit nicht voneinander zu trennen sind. Das Ergebnis dieser Geschwindigkeit ist die Verdachtsgesellschaft. Jeder ist verdächtig, und selbst die Entkräftung eines Verdachts ist machtlos gegen die Geschwindigkeit. Irgend etwas bleibt immer hängen." (Abg. Wabl: Das müssen Sie dem Khol sagen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, auch ein Wort von Arthur Miller zu bedenken und zu überdenken, der gesagt hat: "Gesellschaften, die unsicher sind und den Grund ihrer Schwäche nicht kennen, verfallen dem Verfolgungswahn."– Hüten wir uns davor! (Beifall bei der ÖVP.)

11.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! In einem sind wir alle sicherlich einer Meinung: Lassing, die betroffene Bevölkerung, muß zur Ruhe kommen. Aber es stellt sich die Frage: Wie wird aufgrund der Art und Weise, wie solche Aktuelle Stunden aufgezogen werden, diesem wichtigen Anliegen Rechnung getragen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind die Kleingeldwechsler unter uns! Wie Sie wissen, werden in der Steiermark schon die Kandidatenlisten erstellt (Abg. Dr. Petrovic: Es sind die schlagenden Burschenschaften unterwegs!), und es ist wahrscheinlich sehr schwer, um das "steirische Leiberl" zu rennen. Aber ich sage Ihnen – und das gilt vor allem für den Kollegen Barmüller –: Profilierung auf dem Rücken von Bürgern und Opfern hat noch nie funktioniert und wird auch diesmal nicht funktionieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang wird eine Unmenge technischer und technologischer Schwachsinn verzapft. So wird zum Beispiel die Untersuchung von Bohrkernen gefordert, was unmöglich ist. Dort werden keine Kerne gewonnen, weil das Bohrklein einfach mit der Spülung entfernt werden muß. Technischer Schwachsinn verbunden mit Profilierungsneurose – das ist keine gute Mischung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.) Ich bin froh, daß vor Ort dort einige freiheitliche Kollegen ihre Arbeit getan haben, denn diese sind nämlich gewohnt, vor Ort ihren Mann zu stellen, und sind keine Schreibtischtäter wie manch andere, die hier sitzen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Sie haben vorhin gesagt, daß es angenehm gewesen wäre, Bergbauminister zu sein, weil es keine Unfälle mehr gegeben hätte. Dem ist nicht ganz so, denn umgerechnet auf die Kennzahl Unfälle pro verfahrene Arbeitsstunden ist die Entwicklung in den letzten Jahren seit 1990 nicht zum Positiven. Im Gegenteil, es ist eine schwankende Anzahl von Unfällen auf einem relativ hohen Niveau festzustellen. Und was die Entwicklung des Grubenrettungswesens betrifft, so ist diese eine sehr, sehr traurige. Verglichen mit dem Jahre 1970, als es noch 437 aktive Grubenwehrleute gab, waren es im Jahre 1994 nur mehr wenige, nämlich 72, und diese Zahl ist weiter gesunken. Und wenn man in das Österreichische Montanhandbuch hineinschaut, dann stellt man fest: Ganze 17 Zeilen beschäftigen sich mit der Sicherheit im Bergwesen, hingegen 7 Seiten mit den Ehrungen.

Sehr geehrter Minister! Da stimmen die Proportionen und die Relationen sicher nicht, aber Sie haben es mit der Information des Parlaments noch nie so ganz exakt gehalten. Aber es wird bei der morgen stattfindenden Debatte über Lassing noch Gelegenheit sein, darauf zurückzukommen.

Herr Klubobmann Khol hat eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sagte, das Parlament habe versagt, und er hat damit einen Schuldigen quasi aus dem Hut gezaubert. Aber er wird doch nicht im Ernst annehmen, daß jemand von uns oder daß jemand in der Bevölkerung, der halbwegs über den Parlamentarismus, über die Vorgangsweise im Parlament Bescheid weiß, glauben wird, daß gegen den Willen der Regierungsfraktionen irgendein Entwurf in einem Ausschuß zur Vorlage gelangen und womöglich sogar zum Beschluß führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir kennen das aus Beispielen einer Fülle von Vorlagen der Opposition, die in den Schubladen verschwinden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tragödie von Lassing hat viele Dimensionen. Da ist einerseits die technische Dimension, wo die Fragen zu klären sind: Ist die geologische Situation richtig beurteilt worden? Sind die Vorbereitungsarbeiten und die Gewinnungstechnologien richtig gewählt worden? Es gibt anderseits die verwaltungsrechtliche Dimension, wo zu klären ist: Wie ist mit den behördlichen Auflagen umgegangen worden? Wie weit werden überhaupt Vorgänge im nachhinein genehmigt und für gut geheißen? Und es gibt die politische Dimension, und diesbezüglich zitiere ich aus einem Vortrag an den Ministerrat vom 30.10.1996, als es darum gegangen ist, ein Krisenmanagement einzurichten, als es darum gegangen ist – zwar aufgrund einer anderen Katastrophe –, Notkompetenzen festzulegen. Da wurde des langen und breiten aufgezählt, welche Kriterien überhaupt zutreffen müssen, damit man ein Ereignis als Katastrophe einstufen kann. Und diese Kriterien treffen eindeutig auf die Katastrophe von Lassing zu.

Was hätte dann geschehen sollen laut diesem Ministerratsbeschluß? – Es hätte (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich komme zum Schlußsatz, Herr Präsident – ein Krisenmanagement eingerichtet werden müssen, und zwar unter Einbeziehung der Länder, unter Einbeziehung der Sozialpartner, unter Einbeziehung der Medien, wie es da drinnen steht. Und verantwortlich dafür ist der Bundeskanzler. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt das wahre Versagen dieser Regierung, nämlich an der Spitze, beim Bundeskanzler. Und diese Verantwortung fordere ich ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

11.17

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich kann mir schon vorstellen, daß von den Hinterbliebenen der Opfer eine politische Debatte über diese Katastrophe oftmals als zynisch empfunden wird. Und es ist daher sehr schwierig, sie zu führen; das ist wahr. Ich halte es aber für den Gipfel des Zynismus, wenn man das Unglück dieser Menschen als Schutzschild vor politische Verantwortung, vor rechtliche Verantwortung halten möchte. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Ich halte das vor allem im Zusammenhang damit, von wem es kommt und wie es kommt, für zynisch. (Abg. Dr. Fekter: Politisches Kleingeld!) – Frau Kollegin, das ist überhaupt das Allerletzte, wenn Sie dauernd von politischem Kleingeld reden, wenn jemand politische Verantwortung einmahnt.

Ich bin der Auffassung, daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß die politische Verantwortung geklärt wird (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen), daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß die Fehlerquellen geklärt werden, daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß hier darüber nachgedacht wird, wie ähnliche Katastrophen in Zukunft vermieden werden können. Sie reden immer dann von politischem Kleingeld, wenn es um Ihre Verantwortung oder um die Verantwortung Ihrer Regierungsmitglieder geht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist eine Verhöhnung, wenn sich hier der Klubobmann einer Regierungsfraktion herausstellt und sagt, das Parlament sei säumig gewesen. Dieser Klubobmann setzt sich in der Präsidiale locker hin, mit dem Ausdruck der Arroganz der Macht (Abg. Steibl: Was ist das für eine Sprache? Das ist unerhört!) – das hat mit Mehrheitsverhältnissen überhaupt nichts mehr zu tun –, und sagt: Wir haben halt die Mehrheit! Es geht nicht einmal mehr darum, ob die Opposition auch nur einen Wunsch äußern darf, sie wird nicht mehr ernst genommen. Das hat ein Ausmaß angenommen, das ich in der letzten Zeit nicht mehr gekannt habe. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Jemand, der unter "Parlament" nur mehr die beiden Regierungsfraktionen versteht, für den die Opposition nicht mehr existiert, stellt sich her und sagt, das Parlament sei säumig geworden! Das halte ich für Zynismus. (Abg. Dr. Maitz: Wenn Frau Schmidt von "Arroganz" redet, dann weiß sie, wovon sie redet!) Das halte ich für eine Beleidigung der Opfer, wenn in einer solchen Art und Weise vorgegangen wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist vieles gesagt worden, dem ich mich anschließen möchte, ob von seiten des Kollegen Öllinger oder von seiten der Kollegin Langthaler. Ich brauche jetzt nicht "meinen" Abgeordneten, wenn ich das so sagen darf, nämlich Thomas Barmüller zu erwähnen, denn ich glaube, daß er in dieser Frage hier schon oft Sachkompetenz bewiesen hat. Ich stimme sogar dem Kollegen Nürnberger zu, denn ich will nicht nach irgendwelchen Parteizugehörigkeiten urteilen. Aber ich glaube, man sollte noch einen zusätzlichen Aspekt einbringen, und das ist der Aspekt, auf den – und ich sage das noch einmal – die Opfer Anspruch haben, nämlich das Systemversagen am Fall Lassing, am Fall Farnleitner – wie immer Sie ihn nennen wollen – festzumachen.

Ich sehe dabei drei Punkte; es sind zwar mehrere, aber drei Punkte scheinen mir doch besonders erwähnenswert zu sein. Der erste betrifft das österreichische System der Entscheidungsstrukturen. Ich erinnere mich an eine Diskussion, bei der kürzlich Kommissär Fischler gemeint hat, die Stärke Österreichs sei es, daß es so klein sei und daher die Entscheidung flexibler und schneller erfolgen könne. – Diese Aussage hat nicht nur am Podium einen Lacherfolg hervorgerufen, sondern auch im Plenum, denn es wäre eine Stärke, wären die Entscheidungsstrukturen in Österreich auch wirklich danach gerichtet. Die Realität aber ist anders, und auf dieses System der Entscheidungsstrukturen möchte ich zurückkommen. Der zweite Punkt ist das österreichische Verständnis der Ministerverantwortlichkeit, und der dritte Punkt ist das österreichische System der Kontrolle.

Das Verständnis der Ministerverantwortlichkeit ist schon ein sehr österreichisches. Wenn Sie, Herr Bundesminister, sagen, Sie hätten den unbequemeren Weg gewählt, so kann ich das nicht ernst nehmen, denn dann wäre zumindest eines von Ihnen zu erwarten: daß Sie sich auch – ob Sie es nun entscheiden können oder nicht, spielt dabei keine Rolle – dafür einsetzen, daß die Kontrollinstrumente in Gang gesetzt werden, daß Sie einmal deutlich machen, daß Sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß für notwendig halten. Wenn Sie selbst sagen, daß Sie den unbequemeren Weg des Verantwortungübernehmens wählen wollen, dann wäre dies zu erwarten.

Ich sehe das aber anders: Ich glaube nicht, daß Sie den unbequemeren Weg gewählt haben, sondern ich halte ihn für den bequemeren. Den belgischen Justizminister hat Frau Kollegin Langthaler schon erwähnt. Es gibt auch einen deutschen Innenminister, der die Verantwortung für das Handeln seines Apparates übernommen hat. In Österreich war es zuletzt Stadtrat Hofmann, der, als vor 20 Jahren die Reichsbrücke eingestürzt ist, zurückgetreten ist.

Wir werden morgen über den Rechnungshofbericht betreffend Mautvignette reden. Darin gibt es eine Reihe von Punkten, bei denen man schon fragen könnte: Glauben Sie wirklich, daß Sie noch in der Lage sind, dieses Ministerium zu führen? – Sie halten nichts von politischer Verantwortung; das ist offenbar das österreichische System. – Das ist das eine. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das zweite sind die Entscheidungsstrukturen. Da möchte ich zwei Punkte anmerken. Zum einen: Selbstverständlich ist eine Blockade durch die Sozialpartner beziehungsweise durch die Nichteinigung der Sozialpartnerschaft erfolgt. Wir haben ja die Sitzung des Sozialausschusses deswegen vertagt, weil es offenkundig war, daß sich die beiden nicht einigen werden und daher das ILO-Abkommen nicht ratifiziert werden wird. Dieser Punkt wird morgen auf der Tagesordnung des Ministerrates stehen. Daran sehen Sie ja, daß Sie erst durch den Druck der Ereignisse dazukommen, etwas auf die Tagesordnung zu setzen, und daß vorher keine Möglichkeit dazu bestand.

Es gibt jedoch noch einen Punkt – es ist nicht nur die Sozialpartnerschaft. Es wurden hier zwei Ministerien mit unterschiedlicher Auffassung angesprochen. Und da frage ich mich wirklich: Wie koordiniert sind diese beiden, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): ... daß nicht Stillstand herrscht, wenn sie sich nicht koordinieren?

Der dritte typisch österreichische Aspekt ist das System der Kontrolle. Wir werden heute noch über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses diskutieren und Gelegenheit dazu haben, Ihr österreichisches parlamentarisches Verständnis dazu zu hinterfragen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

11.23

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Einige Feststellungen, was die Sicherheit im Bergbau anbelangt. Wenn man sich dieselben Statistiken ansieht, dann sieht man: Es ist so, daß wir in Österreich im Jahre 1997 das dritte Mal in Folge die geringste Unfallhäufigkeit im Bergbau erreicht haben, seit es Aufzeichnungen in der Geschichte des Bergbaus gibt. – Soviel dazu. Da ist nichts zu beschönigen.

Nächster Punkt: Die Quote der Unfallhäufigkeit im Bergbau sank um 42,6 Prozent. (Abg. Dr. Petrovic: Die Freizeitunfälle?) Das hilft ja alles nichts, wenn tatsächlich ein großer Unfall passiert, es zeigt aber jedenfalls, daß es den Beteiligten – Unternehmen wie Behörden – ein großes Anliegen war, diese Zahl zu senken. (Abg. Dr. Petrovic: Wenn Sie das alles als Freizeitunfälle tarnen!)

Nun wende ich mich gleich an Herrn Abgeordneten Nürnberger. Ich habe gestern nochmals in Lassing auch mit Mitarbeitern gesprochen – auf sehr informeller Ebene. Ich muß fragen: Wie ist es um den Zustand der innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft in manchen Betrieben Österreichs bestellt, wenn solche Zustände eintreten können? Wir sollten uns gemeinsam, ohne uns gegenseitig etwas zu unterstellen, bemühen, daß wir endlich die vernünftige Ergänzung ordentlicher betrieblicher Sozialpartnerschaft mit Vertrauen, ohne Druck auf Statistiken und ohne Rederegelungen zusammenbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher kann ich Herrn Nürnberger hier folgendes zusagen: In meiner neuen Behörde wird es eine Dienstanweisung geben, nach der kein Controlling ohne Beiziehung der örtlichen Arbeitnehmervertreter stattfindet. – Das sei a priori gesagt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Das hat es bisher auch gegeben!)

Zweiter Punkt: Zu den zwei Häusern, die mir gestern Schlagzeilen in einer Zeitung eingetragen haben. In Lassing hat in Anwesenheit von Landeshauptfrau Klasnic und des Bürgermeisters ein Gespräch stattgefunden, bei dem es darum ging, ob zwei Häuser, die von den Bergbautechnikern als sicher bezeichnet wurden, weil auf Fels liegend, auch abgerissen werden sollen. Ich habe bei diesem Gespräch gesagt: Bei dem Zustand der Raumplanung im Ort wäre es vernünftig, keinerlei Risiko mehr einzugehen, sondern aus Gründen der örtlichen Raumordnung diese zwei Häuser ebenfalls zu entfernen und neu aufzubauen, was aus Mitteln des Landes zu finanzieren wäre. Wenn der Herr Bürgermeister nicht zugehört und andere Informationen weitergegeben hat, ist das sein Problem. Ich kann hier nur betonen: Ich lasse mir von niemanden – weder hier noch draußen – locker Unwahrheiten unterstellen. Es lohnt sich nicht, Ihretwegen oder wegen irgendeines Bürgermeisters die Unwahrheit zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dritter Punkt: zum neuen Mineralrohstoffgesetz. (Abg. Mag. Barmüller: Ich freue mich, daß der Läuterungprozeß fortschreitet!) Ich glaube, es wird im Ausschuß hinreichend Zeit geben, über die Prinzipien zu reden, nach denen wir vorgehen. Ich halte noch einmal fest: Wir trennen grundeigene Mineralien von untertägigem Abbau. Für grundeigenen Abbau wird – jetzt grosso modo gesagt – künftig die Bezirkshauptmannschaft zuständig sein. (Abg. Dr. Petrovic: Was ist mit Magnesit? "Lex Admont"!?) – Magnesit fällt unter untertägig, jedenfalls unter die Regelung des Bergbaues. Es wird also nicht kalt enteignet, wenn Sie mich das fragen wollen.

Vierter Punkt: Es wird für die Bereiche des Bergbaues, der Mineralrohstoffabbauten nur noch eine Instanz geben. Diese wird im Wirtschaftsministerium angesiedelt sein, sie wird völlig neu organisiert und aufgebaut werden.

Fünfter Punkt: Die Parteienstellungen von Ländern und Gemeinden werden in den von diesen Ebenen gewünschten Intensitäten geschaffen werden.

Sechster Punkt: Künftig wird bei jedem Abbau ein Verkehrskonzept beizulegen sein, das im Einvernehmen mit allen Beteiligten zu erstellen ist. (Abg. Mag. Barmüller: Anrainerrechte?) – Anrainerrechte sind bereits jetzt geregelt gewesen, aber sie sind auch in diesem Schutzbereich enthalten.

Siebenter Punkt: Wir legen einige Verfahren zusammen, damit dieses historische Geschrei um das Gewinnungsverfahren und die Abbauverfahren endlich beseitigt wird.

Letzter Punkt: Alles, was bei der Bezirkshauptmannschaft läuft, ist dem normalen Arbeitsinspektorat unterworfen, nur bei bergfreien, bundeseigenen und bei untertägigen Bergbauen wird das der neuen Behörde unterworfen sein.

Ich betone: Die geradezu lächerlichen Strafniveaus des Berggesetzes werden auf eine Ebene angehoben, sodaß eine gewisse präventive Wirkung damit verbunden ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich erkläre die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 4935/J bis 4949/J.

Zurückziehungen: 4913/J und 4940/J.

2. Anfragebeantwortungen:

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 4401/AB.

3. Initiativanträge:

Zurückziehung: 782/A.

4. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1391 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1412 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisung seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 16 betreffend "Nein zum NATO-Statut".

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIBRIG) in Dänemark (1382 der Beilagen);

Ausschuß für Wissenschaft und Forschung:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1388 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darüber hinaus sind folgende Vorlagen eingelangt:

Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27 Juni 1989 in 1315 der Beilagen sowie

Änderung der Liste in Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in 1399 der Beilagen.

Nach Rücksprache mit Mitgliedern der Präsidialkonferenz schlage ich gemäß § 28a der Geschäftsordnung vor, von der Zuweisung dieser Gegenstände an Ausschüsse abzusehen und sie bei der Erstellung der Tagesordnung der nächsten Sitzungen zu berücksichtigen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile mit, daß der Klub der Freiheitlichen gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 4950/J der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und in Slowenien dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Ankündigung eines Fristsetzungsantrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darüber hinaus teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Öllinger beantragt hat, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 504/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 3. November 1998 zu setzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang auch das von fünf Abgeordneten nach § 43 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da soeben die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage festgesetzt wurde, findet die Kurzdebatte im Anschluß an die Behandlung der Dringlichen Anfrage statt, die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag am Ende der Debatte über denselben.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur heutigen Tagesordnung liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 7 sowie 8 und 9 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Es ist daher so beschlossen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Gestaltung und Dauer der Debatte wie folgt erzielt:

Es wurde eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Über diesen Vorschlag hat das Plenum zu befinden. Ich frage daher: Gibt es dagegen Einwendungen? – Da dies nicht der Fall ist, ist dies einhellig so beschlossen und festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über das Volksbegehren "Atomfreies Österreich" (1066/1402 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 564/A (E) der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Änderung der Zielsetzung des EURATOM-Vertrages (1403 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 165/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Atomsperrgesetz 1978 geändert wird (1404 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 331/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer offensiven österreichischen Anti-Atompolitik (1405 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 332/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Finanzierung von Kernkraftwerken durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (1406 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 354/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Umsetzung einer österreichischen Anti-Temelin-Offensive (1407 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1357 der Beilagen): Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999 und

über den Antrag 100/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die Änderung des Atomhaftpflichtgesetzes (1415 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 7 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Will einer der Berichterstatter beziehungsweise Berichterstatterinnen mündlich berichten? – Dies ist nicht der Fall.

Dann können wir sogleich in die Debatte eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.31

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit es sich die sozialdemokratisch geführte Regierung zum Ziel gesetzt hat – und es auch immer in den Regierungserklärungen zum Ausdruck gebracht hat –, für ein AKW-freies Mitteleuropa zu kämpfen, nimmt dennoch die Zahl der Atomkraftwerke in unmittelbarer Grenznähe Österreichs zu. Das ist doch ein bemerkenswerter Umstand!

Mit Mochovce ist vor kurzem ein Kraftwerk des Uralt-Typs WWER 440/213 ans Netz gegangen – und das trotz 74 Kritikpunkten, die stichhaltig nachgewiesen haben, daß dieses Kraftwerk unsicher ist, daß zum Beispiel die Schweißnähte nicht den Erfordernissen entsprechen oder daß vor allem die Schutzhülle des Containments fehlt.

Auch die Vereinbarung, daß dann, wenn dieses Kraftwerk ans Netz geht, das baufällige und absolut unsichere Kraftwerk in Bohunice stillgelegt wird, wurde nicht gehalten, meine Damen und Herren. Ganz im Gegenteil: Die Firma Siemens ist gerade dabei, dieses Werk weiter aufzurüsten im Wert von mehr als 2 Milliarden Schilling.

Meine Damen und Herren! Das ist Beweis genug dafür, daß die bisherige Strategie der Bundesregierung, des Bundeskanzlers, der zuständigen Ministerin und auch des zuständigen Umweltministers nicht die gewünschten Ergebnisse gezeitigt hat.

Es hat daraufhin auch eindeutige Aussagen seitens des Bundeskanzlers und des Umweltministers gegeben, die beide klar erkannt haben – das geht für mich zumindest aus dieser Aussage deutlich hervor –, was zu tun ist. So zitiere ich den Bundeskanzler, der gesagt hat: Wenn ein unsicheres Kraftwerk in Betrieb geht, dann hat dies Auswirkungen auf die europäische Perspektive des davon betroffenen Landes. – Soweit der Herr Bundeskanzler.

Herr Minister Bartenstein, ich darf Sie zitieren: Mit den EU-Beitrittsverhandlungen haben wir einen Fuß in der Tür. – So Ihre Aussage, wortwörtlich.

Ich meine, daß Sie tatsächlich erkannt haben, daß es eine Verbindung geben muß zwischen dem Ansuchen um die Aufnahme in die Europäische Union einerseits und einem verbindlichen Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft andererseits. Die Entwicklung in den letzten Wochen hat ja auch danach ausgesehen: So hat sich der Oberösterreichische Landtag sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und einen Allparteienantrag gefaßt, der auch dazu geführt hat, daß wir uns mit den Vertretern der oberösterreichischen Landtagsklubs hier im Parlament getroffen und eine weitere gemeinsame Vorgangsweise besprochen haben, die schlußendlich zum Ergebnis hatte, einen gemeinsamen Entschließungsantrag einzubringen. (Abg. Kopf: Den haben wir auch zusammengebracht!)

In diesem gemeinsamen Entschließungsantrag wird die österreichische Bundesregierung dazu aufgefordert, ein verbindliches Ausstiegskonzept zu verlangen, ansonsten wird es keine Zustimmung Österreichs zum EU-Beitritt der betroffenen Länder Tschechien und Slowakei geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nicht nur wir Freiheitliche und die oberösterreichischen Landtagsklubs waren für diese Vorgangsweise, es waren auch die Umweltverbände – und sie sind es nach wie vor – für diese Vorgangsweise, wie zuletzt beim Treffen hier im Parlament dokumentiert.

Umso größer, Karlheinz Kopf, war für mich die Überraschung, als sich zuerst die ÖVP und im Anschluß daran die SPÖ gemeinsam mit den Liberalen Schritt für Schritt von dieser festgelegten Vorgangsweise entfernt und Angst vor der eigenen Courage bekommen haben. Der Entschließungsantrag der Regierungsparteien, den du jetzt erwähnt hast, unterstreicht ja die Mutlosigkeit der Bundesregierung in Atomausstiegsfragen einmal mehr: Von Antiatompolitik kann doch keine Rede mehr sein, wenn da zu lesen steht: Die Bundesregierung wird ersucht, alle Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der gemeinsamen ablehnenden Haltung gegenüber der Atomenergie zu nutzen.

Oder: Sie wird ersucht, auf die Einhaltung international anerkannter Sicherheitsgrundsätze zu bestehen.

Oder: Sie wird ersucht, die Slowakei daran zu erinnern, das Atomkraftwerk Bohunice ehemöglichst zu schließen. – Na, dann werden wir die Slowakei eben daran "erinnern", daß sie Bohunice schließen soll.

Und weiters – das schlägt ja dem Faß den Boden aus, Kollege Kopf –: Zur geplanten Ausweitung des Atommüllagers Dukovany und zur erneut vorgelegten Umweltdokumentation soll die Bundesregierung wiederum eine Stellungnahme abgeben. – Ja wo sind denn da die Zähne? – Zahnloser geht es doch nicht mehr! Dieses Papier landet doch sofort in der Rundablage, egal, ob in Tschechien oder in der Slowakei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr seid ja dann selbst erschrocken, als ihr erkannt habt, wie zahnlos das ist, was ihr beschlossen habt. Ihr habt dann einen Zusatz nachgeschossen in der Absicht, wenigstens einen faulen Zahn oder einen Wackelzahn hineinzusetzen. – Und dieser faule Zahn beziehungsweise Wackelzahn lautet nun: Österreich tritt aufgrund der nach wie vor bestehenden erheblichen Sicherheitsbedenken und der ökonomischen Fragwürdigkeit des Projektes im Hinblick auf die Liberalisierung des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes für einen Baustopp des AKW Temelin ein. – Österreich tritt für einen Baustopp ein. Na fein! Und was ist, wenn nicht? – Das ist der entscheidende Punkt, und dieser entscheidende Punkt zählt! (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.) Ich weiß schon, daß das aus dem gemeinsamen Entschließungsantrag stammt, das weiß ich schon, aber was ist ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.) Kollege Oberhaidinger, was ist, wenn auch dieser Antrag in der Rundablage landet? – Österreich tritt für etwas ein. Na und? Wen kümmert es in der Slowakei, wen kümmert es in Tschechien, daß Österreich für einen Baustopp eintritt? – Das kratzt doch niemanden in Tschechien und in der Slowakei, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Große Ankündigungen! Die waren ja so wichtig! Die Antiatompolitik der Bundesregierung wird Ergebnisse bringen; Klima war damit immer in den Schlagzeilen, und alle anderen haben sich angehängt. Das sieht dann so aus: Zahnlos. Ein fauler Zahn wird hinzugefügt. Das war es auch schon. Die Ergebnisse – das kann ich Ihnen sagen – werden in der Slowakei und in Tschechien nicht ernst genommen.

Diesbezüglich, Frau Bundesministerin, liegt ja auch ein eindeutiges Eingeständnis seitens Ihres Ministeriums vor: Sie haben doch an Herrn Landeshauptmann Pühringer einen interessanten Brief geschrieben. In diesem Brief bringen Sie betreffend Kommission zur Evaluierung der Fertigstellung des Kernkraftwerkes Temelin, in der kein Österreicher vertreten ist, zum Ausdruck, daß Österreich seine Position als vorsitzführendes Land hier nicht einbringen kann: ... kann Österreich allein aus der Tatsache der gegenwärtigen Vorsitzführung im Rat keinen besonderen Anspruch auf Mitwirkung in dieser Kommission ableiten. – Na gut, Österreich ist zwar Grenzland, aber Österreich darf nicht mitreden. Wir sind zwar betroffen, in Oberösterreich ist die ganze Bevölkerung in nächster Nähe des Atomkraftwerkes angesiedelt. Na gut, wir werden aber nicht mitreden dürfen. Das ist halt so! Leider!

Dann geht es weiter: Wir werden unbeschadet dessen, daß wir nicht mitreden dürfen, alle formalen Möglichkeiten einsetzen, um unsere aktive Kernenergiepolitik fortzusetzen. – Ja was ist denn diese aktive Kernenergiepolitik, Frau Bundesministerin? – Das hätte ich gerne einmal von Ihnen gehört: Wie schaut die aktive Antiatompolitik dieser Bundesregierung aus? – Diese Entschließungsanträge können Sie dafür nicht als Zeugen nehmen.

So müssen wir – schreibt Frau Minister Prammer – letztlich die nationale Souveränität hinsichtlich der Entscheidungen über Bau und Betrieb kerntechnischer Anlagen respektieren. – Das ist es! Sie müssen die nationale Souveränität respektieren! Sie können gar nichts machen! Sie haben nur ein einziges Instrument, und das ist die Junktimierung des EU-Beitrittes der betroffenen Länder mit dem Ausstieg aus der Kernenergie.

Nichts unterstreicht die Hilflosigkeit der Bundesregierung meiner Ansicht nach mehr als dieser Brief. Klima, Schüssel, Prammer, Bartenstein und wie sie alle heißen haben offensichtlich resigniert, denn sie lassen den Ankündigungen keine Taten folgen, obwohl die Chance nach wie vor sehr groß ist.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! In diesen Tagen ist, wie Sie wissen, der tschechische Außenminister dabei, einen Bericht über die außenpolitischen Folgen der Fertigstellung Temelins zu erstellen. – Dieser Bericht gibt uns doch eine Chance! Denn wenn der tschechische Außenminister in diesem Bericht vermerken muß, daß die österreichische Bundesregierung wirklich gewillt ist, einem Beitritt der osteuropäischen Länder zur Europäischen Union nur dann zuzustimmen, wenn es ein entsprechendes Ausstiegskonzept mit klaren zeitlichen Abfolgen gibt, dann wird das seine Wirkung haben. Das ist die einzige Chance, die wir noch haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Junktim gibt uns eine Chance, alles andere ist vergebene Liebesmühe. Deshalb werden wir Freiheitlichen den Antrag betreffend Junktimierung des Ausstieges aus der Kernenergie mit einem Ja Österreichs zu den Beitrittsverhandlungen, den Frau Kollegin Aumayr schon im Ausschuß eingebracht hat, heute noch einmal einbringen, und zwar wiederum durch Frau Kollegin Aumayr.

Meine Damen und Herren! Für uns Freiheitliche darf es keinen EU-Beitritt Tschechiens und der Slowakei geben, solange unsichere Kernkraftwerke die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gefährden, solange Bohunice weiterhin in Betrieb ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen wollen verbindliche Ausstiegskonzepte mit eindeutigen Fristsetzungen – ansonsten gibt es kein österreichisches Ja zum Beitritt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Schweitzer! Das war die Ankündigung eines Antrages? (Abg. Mag. Schweitzer: Kollegin Aumayr wird ihn einbringen!) – Gut.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

11.43

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Herrn Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Ich denke, wir sind uns darüber einig, daß die Kernenergie eine äußerst risikoreiche Technologie ist, nicht zuletzt deshalb wird sie von uns allen abgelehnt. Gott sei Dank steigt auch die Zustimmung zu einer weiteren Überzeugung, nämlich jener, daß die Kernenergie eine potentiell extrem teure Technologie ist – vielleicht nicht im ersten Moment, aber sicherlich langfristig.

Wir haben uns in Österreich darauf verständigt, daß der Einsatz dieser Technologie mit dem Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung nicht – nie und nimmer – vereinbar ist. Seit dem Volksentscheid in Österreich gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf und seit dem Beschluß des Atomsperrgesetzes, Kollege Schweitzer, gibt es auch keine neuen Projekte an unseren Grenzen (Abg. Wabl: Wie sehen Sie das mit den Atomwaffen?), sondern nur Dinge, die zum damaligen Zeitpunkt schon bekannt waren und ihren Fortgang genommen haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Ja, inzwischen in Betrieb genommen!) Es gibt aber seither keine neuen Standorte und keine neuen Themen.

Aber seit dem Beschluß dieses Gesetzes, seit diesem Volksentscheid, verfolgt Österreich eine sehr konsequente Antiatompolitik mit dem Ziel (Abg. Wabl: Warum haben Sie das Lagerverbot und das Transportverbot für Atomwaffen herausreklamiert?) – ich komme noch zu diesem Punkt, Herr Kollege Wabl, lassen Sie mir ein bißchen Zeit –, ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu erreichen. Es gab in diesem Haus bis vor kurzem auch einen Konsens zwischen allen fünf Parteien über dieses Thema. Zahlreiche Initiativen dieses Hohen Hauses und auch der Bundesregierung auf nationaler, bilateraler und internationaler Ebene – ich verweise nur auf die Entschließung des Nationalrates vom Juli 1997 oder den Beschluß der Bundesregierung vom Dezember 1997, der zusammen mit den Umweltschutzorganisationen verfaßt worden ist – belegen diese intensive und konsequente Antiatompolitik Österreichs doch wohl auf das deutlichste.

In der letzten Sitzung des Umweltausschusses haben wir uns aus aktuellem Anlaß, aufgrund verschiedener aktueller Ereignisse und auch im Lichte des Volksbegehrens für ein atomfreies Österreich, nochmals mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben einen neuerlichen Entschließungsantrag zur Bekräftigung und zur Aktualisierung unserer Position beschlossen, der im wesentlichen vier strategische Ansätze kennt.

Erster Ansatz: Reduktion des Gefährdungspotentials grenznaher Atomkraftwerke für die österreichische Bevölkerung und Verhinderung zusätzlicher Anlagen. – Es geht um die Sicherheit von Mochovce, es geht um Krško, es geht um die zugesagte Schließung von Bohunice V1, es geht um die Verhinderung der Ausweitung des Atommüllagers in Dukovany, und es geht um den Stopp des Baues von Temelin.

Zweiter Ansatz: Verstärkte energiewirtschaftliche Kooperation mit den Reformstaaten, und das als Voraussetzung für einen Verzicht dieser Länder auf die Kernenergie. – Die mit der Slowakei begonnene Kooperation ist fortzusetzen. Die EU-Kommission ist dringlichst anzuhalten, Mittel für Ausstiegskonzepte bereitzustellen, ohne die wir von diesen Ländern einen Ausstieg nicht seriös und ernsthaft fordern können.

Dritter Ansatz: Eine Weiterentwicklung des Völkerrechts zur Wahrung der Interessen der österreichischen Bevölkerung. – Wir müssen unsere Nachbarländer dazu drängen und anhalten, die Espoo-Konvention im grenzüberschreitenden Umweltschutz zu ratifizieren beziehungsweise zu unterzeichnen. Das gleiche gilt für das Lugano-Abkommen über die Haftung und den Schadenersatz bei Atomunfällen.

Schließlich als vierter Ansatz dieser gemeinsamen Antiatompolitik (Abg. Wabl: Atomwaffeneinfuhr- und -durchfuhrverbot?) – Geduld, Herr Kollege (Abg. Wabl: Kommt es?), Geduld, Herr Kollege Wabl (Abg. Wabl: Sicher? Gut, ich warte noch!) –: die seriöse und wirtschaftliche Bewertung der Berücksichtigung aller Risken, also auch der Folgekosten des Einsatzes der Atomenergie. – Die Tschechische Republik beziehungsweise deren Regierung muß intensivst mit dem Thema Baustopp für Temelin und mit unseren Sicherheitsbedenken sowie generell mit der ökonomischen Fragwürdigkeit dieses Projekts konfrontiert werden – in Verbindung mit entsprechenden Ausstiegsszenarien. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Wir werden daher – Herr Kollege Ellmauer wird diesen Antrag einbringen – unseren Vier-Parteien-Entschließungsantrag, wiederum auf Basis einer Einigung aller vier Parteien, nochmals ergänzen, und zwar eben um diesen Punkt, daß die Bundesregierung – Herr Kollege Schweitzer, jetzt solltest Du genau zuhören! (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist jetzt der faule Zahn!) – ersucht wird, dem tschechischen Außenministerium im Hinblick auf den von diesem bis Jahresende 1998 zu erstellenden Bericht über die außenpolitischen Konsequenzen einer allfälligen Inbetriebnahme von Temelin den österreichischen Standpunkt zu übermitteln.

Das ist genau das, was du gefordert hast, nämlich im Hinblick auf diesen Bericht tätig zu werden und deutlich aufzuzeigen, welche außenpolitischen Konsequenzen es hätte. (Abg. Aumayr: Welche hat sie denn?) Ich komme noch darauf! Eigentlich solltest du unseren Antrag sofort mittragen. (Abg. Mag. Schweitzer: Schreiben wir es hinein, dann bin ich dabei!) Aber ich komme noch auf eure Haltung zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schweitzer! Es ist äußerst sinnvoll und zweckmäßig, diese österreichische Position nicht nur bilateral, sondern auch im Rahmen des EU-Erweiterungsprozesses einzubringen. Aber die FPÖ war die einzige Fraktion im Umweltausschuß, die in dieser Frage nicht zu einem Konsens gefunden hat und die justament eine Junktimierung der EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Verzicht auf den Einsatz der Kernenergie fordert, auf den jedoch auch andere Mitgliedstaaten der EU bis heute nicht verzichtet haben.

Im Wissen, daß ein solcher Ausstieg in diesen Ländern kurzfristig nicht zu erreichen ist, habt Ihr trotzdem eine Fünfparteieneinigung verhindert (Abg. Mag. Schweitzer: Ich habe nicht gesagt "sofort", sondern "verbindlich"!), obwohl euch klar sein müßte, daß diese Junktimierung und eine dadurch mögliche Verhinderung des Beitritts dieser Länder zur EU nur zu einer Schwächung der Chancen auf einen Ausstieg dieser Länder aus der Kernenergie führen würde (Abg. Aumayr: Diese Logik!), keinesfalls aber zu einem Steigen dieser Chancen, weil letzten Endes dann auch die EU-Mittel für diese Länder und ihre entsprechenden Ausstiegskonzepte nicht zu Verfügung stünden.

Dieser Umstand findet sich im zweiten Teil unseres Entschließungsantrages, in dem die Bundesregierung ersucht wird, ihre Position nicht nur bilateral, sondern auch im Rahmen des Erweiterungsprozesses der EU zu vertreten und dabei für die Erstellung von verbindlichen Atomausstiegskonzepten und die Schaffung von entsprechenden EU-Kreditinstrumenten einzutreten.

Herr Kollege Schweitzer, was willst du eigentlich mehr? (Abg. Wabl: Was ist jetzt mit den Atomwaffen?) Das ist der einzige sinnvolle, seriöse und vernünftige Weg, und diesen haben wir, die anderen vier Parteien – leider ohne die FPÖ – gewählt. (Abg. Wabl: Herr Kollege Kopf, Sie haben mir etwas versprochen!)

Zu den vier Punkten des Volksbegehrens. Das Volksbegehren für ein "Atomfreies Österreich" fordert: "Keine Atomwaffen nach/durch Österreich!" – Wir unterstützen diese Forderung. (Abg. Wabl: Warum stimmen Sie dann nicht für eine Aufnahme in die Verfassung?) Durch den Staatsvertrag, durch den Vertrag über die Nichtverbreitung von atomaren Waffen und letzten Endes auch abgesichert durch das Strafgesetzbuch, Herr Kollege Wabl, ist eine solche Stationierung bereits jetzt in Österreich unmöglich! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Warum sind Sie dann gegen ein Verfassungsgesetz?)

Die zweite Forderung lautet: "Keine Atommüllendlager in Österreich!" – Wir unterstützen diese Forderung. (Abg. Wabl: Wir werden ja sehen, ob Sie heute dem Entschließungsantrag zustimmen!) Die Verordnung über die Verbringung radioaktiver Abfälle und auch die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, also gültige gesetzliche Bestimmungen, verhindern das bereits heute.

Dritter Punkt: "Keine Atomtransporte durch Österreich!" (Abg. Wabl: Aber der Schüssel möchte, daß die Waffen transportiert werden!) – Wir haben in unsere Entschließung auch mit den Stimmen Ihrer Fraktion, also auch mit Ihrer Stimme, Herr Kollege Wabl, die Aufforderung an die Bundesregierung aufgenommen, daß die bereits tätige Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Bundeskanzler, dem Finanzminister, dem Verkehrsminister und dem Innenminister, ihre Arbeiten rasch fortsetzen und abschließen möge, um die Frage der Atomtransporte befriedigend und ausreichend zu lösen. Das ist auf dem Wege!

Vierter Punkt: "Keine Atomkraftwerke in Österreich!" – Welchen glaubwürdigeren Beweis dafür, daß wir auch diese Forderung nicht nur unterstützen, sondern schon umgesetzt haben, könnte es geben als die Nichtinbetriebnahme von Zwentendorf (Abg. Wabl: Das ist richtig!) und das bestehende Atomsperrgesetz! Also auch dieser Punkt ist bereits erfüllt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Dafür haben wir ja schwer gekämpft und wurden jahrelang vom Heeres-Nachrichtendienst observiert!)

Meine Damen und Herren! Wir waren im Ausschuß durchaus nicht immer derselben Meinung über die Wege, auf denen wir zu dem gemeinsamen Ziel eines kernenergiefreien Mitteleuropa kommen können. Wir haben lange darüber diskutiert, und vier Parteien haben einen Weg zu einem Entschließungsantrag gefunden, der diese Position a) bekräftigt, b) in aktuellen Fragen ausbaut und aktualisiert. Dieser Weg war geprägt von einer Ausreizung aller realen – das sei unterstrichen – Möglichkeiten, vom Blick für das Machbare und vor allem von Seriosität. Dieser seriöse Weg ist schlußendlich Gott sei Dank von vier Parteien gegangen worden, die FPÖ ist von diesem Weg leider einmal mehr abgewichen in die Sackgasse des Populismus! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Ihr habt den Weg verlassen!)

11.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich erteile ihm das Wort.

11.54

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die Tagesordnungspunkte, die zusammengefaßt wurden, sind umfangreich, deshalb möchte ich mich auf das Atomhaftpflichtgesetz konzentrieren. Mein Kollege Barmüller wird noch zu anderen Aspekten, die heute mit behandelt werden, Stellung nehmen. Wir sollten aber meiner Meinung nach diese Debatte als Gelegenheit benützen, eher die Schlagkraft der Antiatompolitik zu erhöhen als uns in dieser Frage auseinanderzudividieren. Daher wäre mir auch ein Fünf-Parteien-Entschließungsantrag lieber als ein Vier-Parteien-Entschließungsantrag.

Zum Atomhaftpflichtgesetz: Ich glaube, daß mit dieser Vorlage ein wirklich bedeutender Fortschritt erzielt wird und halte es der liberalen Fraktion zugute, daß sie auf Initiative meines Kollegen Barmüller schon im Herbst 1997 einen umfassenden Antrag dazu eingebracht hat. Wir freuen uns durchaus, daß sich einige der Überlegungen, die in diesem Antrag ausgeführt worden sind, auch in der nunmehr zur Beschlußfassung anstehenden Regierungsvorlage finden, insbesondere der Paradigmenwechsel im Bereich der Haftung, der unter Fachleuten unter dem Schlagwort "Kanalisierung" beziehungsweise eben "Abschaffung dieser Kanalisierung" läuft.

Diese Beschlußfassung, die heute wohl erfolgen wird, sollte zum Anlaß genommen werden, auf den Paradigmenwechsel in den kontinentaleuropäischen Haftungsrechten bezüglich der Atomkraft hinzuweisen und gleichzeitig die Bundesregierung dazu einzuladen, diesen von uns nunmehr entwickelten Grundsatz bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Gesprächsgegenstand mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Europäischen Union zu machen.

Das Abgehen vom Prinzip der Kanalisierung ist nämlich ein Quantensprung im Streben nach Kostenwahrheit in der Erzeugung von Elektrizität mittels Kernspaltung. In den USA wurde uns aufgrund der andersartigen rechtlichen Architektur vorgeführt, daß, wenn Haftungsfragen von den Betreibern ernst genommen werden müssen, in solche Anlagen, wie eben Kernkraftwerke, gar nicht mehr weiter investiert wird.

Diese Methode, einen Ausstieg zu ermöglichen, zu beschleunigen und umzusetzen, sollte meiner Ansicht nach eigentlich bei allen Leuten außer Streit stehen, auch bei jenen, die möglicherweise immer noch der hartnäckigen Auffassung sind, es handle sich dabei ohnedies um eine fortschrittliche und ungefährliche Technologie.

Ich halte diesen wirtschaftlichen Ansatz zum Abbau von indirekten Subventionen und zur Kostenwahrheit, der durch die Abschaffung des Prinzips der Kanalisierung ermöglicht wird, für wesentlich und das Herzstück des neuen Atomhaftungsgesetzes.

Es ist mir bewußt, daß wir damit keine allgemeine internationale Beliebtheit ernten werden und daß insbesondere die Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage vor einer großen Prüfung steht. Ob auch in Deutschland kurzfristig, und zwar möglichst schon morgen, die Kanalisierung abgeschafft werden wird, das ist die eigentliche Gretchenfrage für die zukünftige Regierung und nicht die Frage des Ausstieges und seiner Geschwindigkeit. Daß ausgestiegen werden muß, hat sich allgemein herumgesprochen, selbst die Mehrheit der Bevölkerung ist inzwischen dafür. (Abg. Wabl: Die Freiheitlichen auch?) Nur, einige dickfellige Menschen sind immer noch der Auffassung, daß man das noch in die Länge ziehen kann. – Der Satz: Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen! kann ja leider auf viele Themen angewendet werden.

Aber die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Wochen und Monaten ein Atomhaftpflichtgesetz beschließen wird, in welchem ebenfalls von der Kanalisierung abgegangen wird, wird die Gretchenfrage für die nächste Regierung in Deutschland sein. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler.)

Ich meine, das von diesem Rednerpult aus sagen zu sollen, damit es später nicht abgestritten werden kann, denn ich habe Zweifel, ob dieser Gewaltakt in Deutschland gelingen wird. Es wird spannend sein zu sehen, wer sich bei der Regierungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen wird: die SPD, die mit der Abschaffung der Kanalisierung wohl ihre Schwierigkeiten haben dürfte, oder die Grünen, die mit der Abschaffung der Kanalisierung ohne jeden Zweifel keine Schwierigkeiten haben. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich halte das für wichtiger als manches andere, denn das ist der Wahrheitsbeweis für die Aufrichtigkeit in Atomfragen. Wir werden heute durch Beschlußfassung des neuen Atomhaftpflichtgesetzes diesen Wahrheitsbeweis antreten und beweisen, daß das, was wir gesagt haben, von uns so ernst genommen wird, daß wir auch die rechts- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen daraus ziehen und Rahmenbedingungen formulieren, die in diesem Bereich Kostenwahrheit ermöglichen.

Eine Kleinigkeit habe ich allerdings durch einen Abänderungsantrag noch auszubessern, und ich hoffe, daß dieser Abänderungsantrag eine Mehrheit finden wird. Wir hatten schon im Ausschuß Gelegenheit, darüber zu reden. Es handelt sich um den § 25 und seinen Abs. 1, der sich mit denjenigen befaßt, die entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine Haftpflichtversicherung abschließen, insbesondere bei Transporten von entsprechenden, unter die Regelungen dieses Gesetzes fallenden Stoffen.

Wir sind der Meinung, daß dieser § 25 Abs. 1 ergänzt werden muß. Ich trage nun den Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage vor, der lautet:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Volker Kier und weiterer Abgeordneter zur Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (1375 der Beilagen, XX. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen, die Regierungsvorlage (1357 der Beilagen, XX. GP) wie folgt zu ändern:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (1357 der Beilagen, XX. GP) in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

§ 25 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Darüber hinaus können die für die Beförderung verwendeten Fahrzeuge für verfallen erklärt werden."

*****

Wir hatten im Ausschuß Gelegenheit, darüber zu diskutieren. Ich meine, daß die Möglichkeit des Verfalls von unredlichem Transportgerät eine wesentlich größere abschreckende Wirkung haben wird als bloß die Möglichkeit, eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 500 000 S in Kauf nehmen zu müssen, denn wenn jemand unredlich transportiert, dann macht er eine Kalkulation auf und überlegt sich: Wie hoch ist das Risiko, bestraft zu werden, und wenn ich bestraft werde, findet diese Strafe in meinem Betriebsergebnis Deckung: ja oder nein? – Wenn er allerdings Gefahr läuft, auch das Transportgerät zu verlieren, dann ist die Verlockung, die Haftpflichtversicherung nicht abzuschließen, wesentlich geringer.

Ich meine, dieser Abänderungsantrag sollte mehrheitsfähig sein.

Somit komme ich zum Schluß und appelliere noch einmal an alle KollegInnen in diesem Haus: Machen auch Sie, wenn Sie im Feld der Atomwirtschaft argumentieren müssen, argumentativ von dem Hinweis Gebrauch, daß ein Land, das die bestehende Kanalisierung im Haftungsrecht nicht abgeschafft hat, kein Land ist, von dem wir ernsthaft glauben können, daß es sich wirklich zum Ausstieg aus der Atomenergie entschlossen habe. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Dr. Kier verlesene Abänderungsantrag zum § 25 Abs. 1 der gegenständlichen Regierungsvorlage ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.02

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Vieles von dem, was mein Vorredner, Herr Abgeordneter Kier, hier gesagt hat, kann ich unterstreichen.

Zu den Erklärungen beziehungsweise zu dem Debattenbeitrag des Abgeordneten Schweitzer möchte ich insofern keine Stellungnahme abgeben, als ja vieles schon für sich spricht, so zum Beispiel der Vorwurf, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung in Österreich, sich aus der Atomenergie zurückzuziehen, im Umfeld Österreichs Atomkraftwerke errichtet worden seien. Wenn das jetzt als Vorwurf gegenüber der Regierung erhoben wird, dann bin ich mir eigentlich nicht mehr ganz sicher, ob man mit einer derartigen Argumentation hier wirklich noch ernst genommen werden will. (Abg. Böhacker: Er hat nur gesagt, was passiert ist!)

Dabei sehe ich ab von der Frage, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Entschließungsantrag – nämlich mit Punkt 5, in dem es um den Umgang mit der Tschechischen Republik geht – nicht wirklich stattgefunden hat, denn es ist völlig unrealistisch, in Cowboymanier Dinge zu verlangen, von denen jeder einigermaßen mit der Außenpolitik Befaßte eindeutig weiß, daß sie völlig unmöglich sind. Ich nehme daher Abstand davon, mich damit auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich denke, man muß in der Tat sagen, daß in letzter Zeit sehr viel geschehen ist, auch innerhalb und für den europäischen Raum. Die Anti-Atomkraftwerkpolitik der österreichischen Regierung hat innerhalb Europas maßgeblichen Einfluß im Hinblick auf die gesamte Stellung zur Atomkraft ausgeübt, Einfluß darauf, die Situation in Frage zu stellen, und letztlich auch auf die Gestaltung innerhalb der Programme. Ich darf darauf verweisen, daß im 5. Rahmenprogramm der EU eindeutige Erfolge dadurch erzielt werden konnten, daß die Mittel, die für Atomkraftwerke, für die Forschung zur Verfügung gestellt wurden, reduziert wurden und daß innerhalb dieses Budgets auch noch insofern umstrukturiert worden ist, als es nunmehr darum geht, die Mittel für die Sicherheit in größerem Ausmaß zu fördern als den Ausbau von Atomkraftwerken insgesamt.

Der Rest dieser finanziellen Mittel, die eingeschränkt worden sind, steht nunmehr zur Verfügung, um erneuerbare Energieformen zu erforschen und auszubauen. Allein schon dadurch wird meiner Ansicht nach erkennbar, daß hier – auch das ist ein Erfolg der österreichischen Regierung – eine ganz maßgebliche Änderung, eine Qualitätsänderung innerhalb Europas erreicht werden konnte. Das kann man natürlich ignorieren, oder aber man kann es selbstbewußt aussprechen. Ich denke, wir sollten das zweite tun.

Einer der Kernpunkte einer glaubwürdigen Argumentation innerhalb Europas ist selbstverständlich auch die Vorgangsweise, die man im eigenen Bereich wählt. Da gibt es etwas, was wir heute zu diskutieren haben und, so hoffe ich, auch beschließen werden – dies zeigt sich schon daran, daß wir im Ausschuß einstimmig dafür votiert haben. Es gibt nun das neue Haftungsrecht, das innerstaatliche Haftungsrecht. Wir haben uns durch den Entwurf, der heute zur Diskussion steht, bewußt von der internationalen Entwicklung abgekoppelt. Wir haben uns insofern abgekoppelt, als wir auch hier richtungsweisende neue Regelungen schaffen wollten.

Ich darf es meiner Partei zurechnen, daß wir unter der Federführung des Klubobmanns Kostelka und der Beiziehung einer Universitätsprofessorin aus Graz einen Entwurf ausgearbeitet haben, der völlig neue Wege geht – neue Wege, die vielfach belächelt worden sind, die sich jetzt aber schön langsam als richtig herausstellen, insbesondere dann, wenn man in der internationalen Diskussion Forderungen aufstellt, die man mit der eigenen Glaubwürdigkeit zu unterlegen hat.

Die zentrale Bestimmung des neuen Atomhaftungsrechts ist die uneingeschränkte, strikte Gefährdungshaftung. Dies bedeutet, es gibt im Haftungsrecht für Anlagen nach oben kein Haftungslimit mehr, wie es das bis jetzt gegeben hat und wie es auch in den internationalen Haftungsübereinkommen vorgesehen ist, und es gibt eine strikte Gefährdungshaftung, das heißt, es gibt eine Haftung auch im Falle höherer Gewalt. Die Rechtfertigung dafür ist die, daß derjenige, der eine derartige Gefährdungsquelle aufbaut oder verursacht, letztlich auch für alle jene Konsequenzen einzutreten hat, die durch diese Gefährdungsquelle entstehen können. Das ist letztlich natürlich auch im Falle höherer Gewalt ein Schaden innerhalb der Anlage, der in der Folge Schäden in der Umwelt verursacht.

Ein weiterer maßgeblicher Schritt besteht darin, daß es zukünftig auch möglich sein wird, bei Schäden, die von einem Atomkraftwerk außerhalb Österreichs ausgehen, die aber in Österreich wirksam werden, in Österreich an dem Ort, an dem der Schaden tatsächlich entstanden ist, auch auf Schadenersatz zu klagen, und zwar nach dem Recht des Ortes, an dem der Schaden entstanden ist, sohin in Österreich nach österreichischem Recht. Selbstverständlich ist die Diskussion so gelaufen, daß man gesagt hat: Was kann man mit einem derartigen Urteil wirklich anfangen? Was kann man mit einem Urteil, in dem ein Schadenersatzanspruch normiert ist, zum Beispiel in der Slowakei anfangen, wenn dieses Urteil dort möglicherweise nicht durchsetzbar ist?

Ich akzeptiere, daß dieser Einwand derzeit seine Richtigkeit hat und das Thema problematisiert. Ich denke aber auch, man kann auf der anderen Seite nicht übersehen, daß wir die Entwicklung in der Atomhaftung im Gesamtkontext der geschichtlichen Entwicklung und auch der zukünftigen Entwicklung zu betrachten haben. In diesem Spektrum ist es ganz einfach notwendig, Forderungen zu erheben. Die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Haftung – nach der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches dort, wo der Schaden entstanden ist, und ohne den Geschädigten zu zwingen, ins Ausland zu gehen und den Schaden dort einzuklagen – ist ganz einfach eine neue Qualität der Durchsetzung.

Ich denke, daß dies eine Qualität der Durchsetzung ist, mit der es uns gelingen wird, das Haftungsrecht auch in internationalen Diskussionen durchzusetzen. Wir werden es umso leichter durchsetzen können, und wir werden umso leichter die Möglichkeit und die Qualität dieser neuen Haftungsregelung nachweisen können, als wir darauf hinweisen können, daß wir es im eigenen Land schon durchgesetzt haben. Daher ist es meiner Ansicht nach – auch wenn es noch ein langer und schwieriger Weg sein kann, das umzusetzen – einfach notwendig, in diese Richtung zu gehen.

Wir haben weiters – das hat Kollege Kier heute schon angedeutet – die sogenannte Kanalisierung der Haftung beseitigt. Was das bedeutet, ist einfach: Bis dato war es so, daß der Betreiber des Kraftwerkes zu haften hatte, nicht jedoch der Zulieferant von Bestandteilen des Kraftwerkes. Es kann aber selbstverständlich der Fall sein, daß letztlich ein gelieferter Bestandteil die Ursache eines Schadens war. Nun ist es völlig uneinsehbar, warum ich in dem Fall, in dem es ein Kraftwerk jenseits der Grenze und einen Lieferanten diesseits der Grenze gibt, mich nicht an den Lieferanten wenden können soll, so wie es eigentlich die normalen Schadenersatzregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ohnedies vorsehen. Es war bis jetzt eine Ausnahmeregelung, welche die Betreiber von Atomkraftwerken und die Zulieferanten von Atomkraftwerken, vor allem letztgenannte, privilegieren sollte. Der Punkt war der, daß man in den Ursprüngen sagte: Das ist eine neue Technologie, diese ist besonders zu schützen, und daher sollen die Zulieferanten nicht haften. Jetzt besteht für eine derartige Regelung überhaupt kein Anlaß mehr, genau das Gegenteil ist der Fall: Es sollen durch eine derartige Haftungsregelung auch die Zulieferanten von Bestandteilen wissen und einkalkulieren, daß sie jederzeit in Haftung genommen werden können.

Ich darf darauf verweisen – auch darüber wurde im Ausschuß diskutiert –, was passiert, wenn die Zulieferung nicht von Österreich, sondern etwa von Deutschland aus erfolgte. Es gilt im gesamteuropäischen Raum eine Konvention, eine Regelung – das Lugano-Abkommen – zur Durchsetzung von Urteilen, die hier erwirkt worden sind. Das heißt, daß ein in Österreich erwirktes Schadenersatzurteil auch innerhalb von Gesamt-Europa durchgesetzt werden kann. Es wird Aufgabe der Regierung sein, es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß dem Lugano-Abkommen nicht nur die europäischen, sondern darüber hinaus auch die angrenzenden Länder beitreten, weil wir dann auch das, was wir heute hier beschließen werden, in diesen Ländern im Rahmen eines Exekutionsverfahrens leichter werden umsetzen können und weil sich dann zeigen wird, daß der Weg, den wir heute hier zu beschreiten begonnen haben, der richtige für die Zukunft ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.12

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Genauso verschlafen, wie momentan die Atomdebatte hier, in diesen Reihen, verläuft, genauso verschlafen verläuft unseres Erachtens auch die Politik der Regierung in Sachen Umsetzung bereits beschlossener Standards. Jetzt ist Halbzeit, jetzt gilt es, eine Zwischenabrechnung der Atompolitik unter Kanzler Klima anzustellen. Jetzt ist es Zeit, festzustellen: Wann war der Zenit erreicht, und wie ging dann der Abstieg vor sich, wie erfolgten dann die Abstriche?

Der Zenit hieß: Fünfparteienbeschluß am 9. Juli 1997. Damit wurde ein ganzes Kompendium von Möglichkeiten eröffnet für eine aktive, für eine progressive, für eine engagierte österreichische Atompolitik, die wirklich das Prädikat "Schrittmacher" verdient. Was ist davon übriggeblieben?

Es gab schon im darauffolgenden August einen großen Zwischenfall, und zwar wurden Atomtransporte zu dem sehr gefährlichen Kraftwerk Krško durch Österreich durchgeführt. Dies wurde vorher nicht bekannt: Die Zollstationen waren nicht informiert, die Gendarmerie war uninformiert, es kam praktisch zu einem Fiasko in der Begleitung und in der Kontrolle von Atomtransporten.

Atomtransporte waren auch ein Thema des Volksbegehrens gewesen; und was hatte als Reaktion darauf Herr Innenminister Schlögl versprochen? – Sofortige Maßnahmen, ein sofortiges generelles Verbot! Abstrich Nummer eins von dem Fünfparteienbeschluß im Juli 1997 war es daher, daß dieses Versprechen des Herrn Innenministers bis heute nicht eingelöst worden ist. Bis heute fehlen die innerösterreichischen Aktivitäten, und bis heute fehlen die europäischen und die internationalen Aktivitäten Österreichs, um den Atomtransport durch unser Land zu verhindern beziehungsweise mit entsprechenden begleitenden Maßnahmen zu versehen. – Soweit der erste Abstrich.

Zweiter Abstrich: Es folgt der Herbst, und es kommt zu Verhandlungen mit NGOs über ein sogenanntes Maßnahmenpaket, das in weiterer Folge zu einem Ministerratsbeschluß im Dezember führt. Dieses Paket umfaßt beileibe nicht mehr alle wichtigen Punkte, die noch im Juli fixiert waren: Keine Rede mehr davon, daß eine Änderung des EURATOM-Vertrags anzustreben ist. Keine Rede mehr davon, daß die Schaffung von EU-Finanzinstrumenten für den Atomausstieg in Osteuropa notwendig ist. Keine Rede mehr davon, daß ein Auftreten gegen den neuen Euro-Reaktor notwendig ist. Keine Rede mehr davon, daß die Nutzung völkerrechtlicher Instrumente gegen die AKWs in unserem direkten Umfeld nötig ist.

Es ist in diesem Maßnahmenpaket auch keine Rede mehr davon, daß Förderungsmittel für nichtnukleare Projekte auf europäischer Ebene in verstärktem Umfang bereitgestellt werden müssen. Dieses Maßnahmenpaket zeigt schon Abstriche, es zeigt schon, wie der Zenit des Juli-Beschlusses scheibchenweise zurückgegangen ist und schön langsam unterzugehen droht.

Nächster Abstrich: Wir stehen bereits an der Jahreswende, und wir haben eine Diskussion darüber, ob die Atomwaffenfreiheit Österreichs in Verfassungsrang erhoben werden soll. Wir haben Vorstöße von seiten der SPÖ, von seiten des Koalitionspartners, mit konkreten Entwürfen zu einem Verfassungsgesetz, und wir haben die Blockade auf seiten der ÖVP. Man hat im Umweltausschuß genau die Hintergründe dieser ÖVP-Blockade erfahren. Heute hat Kollege Kopf ja wieder darauf hingewiesen, daß die ÖVP es nicht für notwendig hält, die Priorität der Atomwaffenfreiheit Österreichs auch in Verfassungsrang zu stellen. Und warum? – Brigadier Plasche hat im Umweltausschuß sehr wohl festgehalten, daß die verfassungsmäßige Verankerung dieses Passus – ich zitiere wörtlich aus dem Gedächtnis – eine gleich hohe Schranke für den NATO-Beitritt Österreichs sein würde wie die Beibehaltung der Neutralität.

Damit ist klar: Wir haben Abstriche von dem Kurs vom Juli 1997 auch im Bereich der Atomwaffen. Gerade der Atomwaffenbereich ist aber ein ganz zentraler Bereich, der auf jeden Fall von der gesamten Bevölkerung getragen wird und der an sich auch hier von allen Parteien getragen wird. Es gibt nur eine Partei, die kleine Abstriche macht und die endgültige Verankerung verhindert, und das ist die ÖVP. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Klubobmann Khol! Sie sollten im Sinne der Regierungsdeklaration "Atomwaffenfreies Mitteleuropa" in erster Linie Österreich auch in dieser Hinsicht zu einem Musterstaat, zu einem echten Vorreiter machen. Sie blockieren, Ihre Fraktion blockiert, sozusagen die NATO-Schädel der ÖVP verhindern eine verfassungsmäßige Festlegung. – Soviel zum dritten Abstrich, zum dritten Einbruch gegenüber der Vereinbarung vom Juli 1997.

Der vierte Bereich: Wir haben mit Sondersitzungen und mit Dringlichen Anfragen zu Dukovany und zu Mochovce hier bereits eine sehr ausführliche Atomdebatte geführt. Der Hintergrund dafür war klarerweise die defensive österreichische Atompolitik in diesen zwei Fällen zwischen 1995 und 1998. Es hat sich schon zu Jahreswechsel ganz deutlich abgezeichnet, daß Mečiar in der Slowakei nicht von seinem Vorhaben abzubringen sein wird. Es wäre bereits zu diesem Zeitpunkt – ich betone: ganz konkret zu diesem Zeitpunkt – hoch an der Zeit gewesen, daß der Außenminister auf den Plan tritt. Wann hat Außenminister Schüssel EU-Kontakte anzubahnen begonnen, um gegen Mochovce Front zu machen? Wann war das? – Eine Anfragebeantwortung attestiert: Es war im April/Mai 1998. Das war bei weitem zu spät. Insofern ist hier der vierte Einbruch festzustellen – in Sachen Mochovce, in Sachen Dukovany – gegenüber dem Zenit der österreichischen Atompolitik im Juli 1997.

Lassen Sie mich jetzt kurz zu einem konkreten zweiten Bedrohungsszenario an der Grenze zu Österreich kommen: zu Temelin. In bezug darauf beginnt sich jetzt ein fünfter Einbruch abzuzeichnen. Frau Minister Prammer! Sie fahren jetzt – ich glaube, morgen oder übermorgen – zu Verhandlungen nach Prag. Ich ersuche Sie, die Verhandlungen engagiert im Hinblick auf Baustopp zu führen! Es kann nur in Richtung Baustopp und Ausstieg gehen. Sicherheitsdebatten eröffnen für Temelin womöglich wieder Notwendigkeiten dort, wo keine gegeben sind.

Es gibt – ich darf Ihnen dazu direkt aus den Medien zitieren – auch auf europäischer Ebene keinerlei Absicht, einen europäischen Sicherheitsstandard zu etablieren, sondern es gibt nur die Absicht, Kriterien festzulegen. Ich zitiere hier François Ruel, einen Atomexperten der Generaldirektion XI in Brüssel, der sagte:

"Es wird keine Richtlinie geben, in denen Mindeststandards für die Sicherheit von Atomkraftwerken fixiert sind; zumindest mittelfristig nicht. Denn die Mitgliedsstaaten wollen das nicht."

Bitte lassen Sie die Sicherheitsfrage gänzlich weg! Steuern Sie eindeutig nur den Kurs: Baustopp, Ausstieg und offensives Angebot von alternativen Energieszenarien! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir das bereits vor sich hinsterbende AKW Temelin endgültig aus der atompolitischen Diskussion bringen können. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir einen Baustopp erzielen können, wofür die Chancen sehr günstig stehen. Die Kostenerhöhung war massiv, wirtschaftlich rechnet es sich nicht, mit den fehlenden Millionen kann man mindestens eineinhalb mal soviel Energie auf Gasdampfkraftwerks-Ebene bereitstellen wie durch Temelin selbst. Das sind sachliche Argumente, die auch von tschechischen Experten immer wieder auf den Tisch gelegt werden. Greifen Sie diese Argumente auf, und bringen Sie diese Argumente auch in Ihren Verhandlungen vor!

Temelin ist ein Kraftwerk von vorgestern, das irreparable Sicherheitsmängel hat. Was nützen Sicherheitsstandards, die Temelin nie erreichen kann? – Die Mängel sind so offensichtlich und so massiv, daß jegliche Sicherheitsdebatte völlig fehl am Platz ist. – Das soweit zu dem fünften Einbruch gegenüber der Situation im Juli 1997.

Jetzt bestehen aber gerade im Hinblick auf Temelin und auch im Hinblick auf Mochovce aufgrund der neuen Weichenstellungen in Deutschland, aufgrund des Wahlergebnisses vom 27. September, Möglichkeiten, mit der neuen deutschen Regierung, die einen anderen atompolitischen Kurs steuern wird, einen Schulterschluß zu machen. In diese Richtung müssen wir ganz offensiv vorstoßen. Es ist jetzt ein Gebot der Stunde, daß Bundeskanzler Klima sofort Gespräche aufnimmt, um reale Ausstiegsszenarien mit Deutschland zu entwickeln, damit dieser große EU-Staat, dieser große G-7-Staat im Hinblick auf die Osterweiterung mit uns an einem Strang zieht.

In diesem Zusammenhang möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend europäische Atomausstiegskonzepte und Atomwaffenstationierungsverbot

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit der neuen Regierung der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich bilaterale Gespräche in Sachen "Atomfreies Mitteleuropa" und einer entsprechenden Änderung des Euratom-Vertrages aufzunehmen. Insbesondere soll:

eine koordinierte Vorgangsweise bezüglich der Erstellung von Atomausstiegskonzepten für die MOE-Staaten im Rahmen der EU-Erweiterungsverhandlungen erreicht werden,

eine gemeinsame Haltung in der Ablehnung des grenznahen AKW Temelin erreicht werden, zumal deutsche Banken derzeit mit einer Beschaffung von rund 1 Milliarde österreichische Schilling zur Finanzierung der Reaktorfertigstellung befaßt sind,

eine Kooperation mit dem Ziel der Schließung des slowakischen AKW Bohunice und der Entwicklung von Alternativen zum Ausbau des AKW Mochovce erreicht werden, dies unter Hinweis auf die Mitverantwortung Deutschlands, das mittels einer staatlichen Kreditgarantie die Fertigstellung von Mochovce-Block I ermöglichte, obwohl entgegen den Bedingungen Bohunice nicht vom Netz genommen wurde.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, entsprechend ihrer Vorankündigung im "Atompaket" vom 13. November 1997 ein Atomverfassungsgesetz vorzulegen. Dieses Gesetz soll jedenfalls folgende Punkte umfassen: Verbot des Besitzes, der Verwendung, der Herstellung, des Versuches, der Ein-, Aus- und Durchfuhr und der Stationierung von Atomwaffen inklusive der Einrichtung entsprechender Infrastruktur.

*****

Das wären ganz konkrete Vorschläge, die jetzt aufgrund der veränderten deutschen Situation umzusetzen wären und die auch hier abgestimmt werden müssen.

Lassen Sie mich zum Schluß hier noch ein paar Bemerkungen zur Arbeit im Ausschuß anläßlich des Atom-Volksbegehrens machen. Das ist nämlich sozusagen der sechste Abstrich von dem Zenit der österreichischen Atompolitik im Juli. Dieser sechste Abstrich hat drei, vier Facetten, die für sich sehr bezeichnend sind und eine sehr deutliche Sprache sprechen.

Erstens: Viermal mußte die Angelegenheit "Volksbegehren" auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Zweitens: der Besuch des Oberösterreichischen Landtages. Eine Delegation des Oberösterreichischen Landtages wurde zwar empfangen, aber die Forderungen, die im Rahmen dieses Besuches gestellt wurden, fanden in den ersten Entwurf zu diesem heutigen Entschließungsantrag keinen Eingang. Erst in der letzten Sitzung des Ausschusses vom 24. September wurde mittels Sitzungsunterbrechung mühsam darum gefeilscht, daß zumindest drei Punkte des Oberösterreichischen Landtages in diese Entschließung Eingang finden.

Nächster Punkt: Der Fünfparteienkonsens in Sachen Temelin war auch erst in der letzten Sitzung des Ausschusses möglich, ebenfalls mittels Sitzungsunterbrechung. Die Vorlagen von seiten der Regierungsparteien waren relativ schwach, sie beinhalteten praktisch keine Konkretisierung und umfaßten nicht die konkreten aktuellen Brandherde der Atompolitik. Das brachte für mich eine eindeutige Erkenntnis, nämlich daß die Aussagen vom Juli wohl noch gelten, aber schön langsam zu weichen beginnen und scheibchenweise entsorgt werden. Wir laufen Gefahr, wir stehen an der Kippe, die österreichische Antiatompolitik sowohl im Waffenbereich als auch im zivilen Bereich schön langsam irgendwelchen dubiosen EU-Kriterien unterzuordnen. Das ist für mich der falsche Weg, vor allem angesichts der Präsidentschaft. – Meine Kollegin Langthaler wird die Chancen, die die EU-Präsidentschaft noch zwölf Monate birgt, besonders herausstreichen.

Zum Schluß möchte ich noch darauf hinweisen, daß das Atomhaftungsgesetz insgesamt sicher ein Blitzlicht in der österreichischen Atompolitik ist. Dieses Blitzlicht, dieser Quantensprung bringt aber leider auch einige Wermutstropfen mit sich. – Nähere Ausführungen später.

Frau Ministerin! Bitte nützen Sie jetzt die Gelegenheit, damit das, was in Sachen Temelin noch möglich ist, realisiert wird. Das Ende der Präsidentschaft ist sozusagen auch das Ende der Chance, daß wir sehr offensiv auftreten können. Bitte warten Sie nicht bis zum 32. Dezember 1998! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Es hat sich jetzt soeben Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

12.26

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine geschätzten Kollegen auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Moser, Sie haben gerade von einer verschlafenen Atompolitik und von einer verschlafenen Debatte gesprochen. Gestatten Sie mir zu sagen, daß ich dem nicht folgen kann. Ich glaube, wenn eine Atomdebatte und die Behandlung eines Anti-Atomvolksbegehrens in einem immerhin Vierparteienentschließungsantrag heute ihren zumindest vorläufigen, parlamentarischen Abschluß finden, dann ist das ein weiterer Erfolg für die im wesentlichen geschlossene Politik Österreichs in diesem Bereich.

Es gibt deswegen eine notwendige Einschränkung, weil sich – das halte ich für einen schmerzlichen Verlust – die freiheitliche Opposition plötzlich nicht mehr in der Lage sieht, die bisher geschlossene Antiatompolitik Österreichs mitzutragen. Sie sieht sich deshalb dazu nicht mehr in der Lage, weil, so glaube ich, damit kurzfristig und populistisch, auf den Augenblickserfolg ausgerichtet politisches Kleingeld gemacht werden soll, denn wer ein Veto Österreichs – und nichts anderes verlangen die Freiheitlichen, nichts anderes hat heute Herr Schweitzer als Abgeordneter und Erstredner verlangt – gegenüber der Slowakei oder Tschechien im Hinblick auf deren Beitrittsabsichten zur Europäischen Union einfordert, der agiert populistisch. Das ist nicht professionell, das ist amateurhaft, das ist nicht realistisch, das ist naiv, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist richtig, Herr Abgeordneter Schweitzer – er ist wieder im Saale –, daß ich gesagt habe, daß Österreich bei den EU-Verhandlungen einen Fuß in der Türe hat bezüglich der Frage der Sicherheit von grenznahen Kernkraftwerken. Das ist richtig. Gerade in den letzten Tagen hat es einen sehr erfreulichen Beweis dafür gegeben, was die diesbezüglichen Anstrengungen der gesamten Bundesregierung, aber insbesondere unseres Außenministers Schüssel als EU-Ratsvorsitzenden in den letzten Monaten gebracht haben.

Außenminister Schüssel hat noch im Mai dieses Jahres das Thema Mochovce im Allgemeinen Rat thematisiert. Die Kommission hat dann in Folge zwar nicht in Richtung Mochovce, aber in Richtung anderer wichtiger und uns sehr irritierender Kernkraftwerksinstallationen in ihrer Mitteilung "Umwelt und Erweiterung" eine klare Position eingenommen. Das ist also das Grundlagenpapier, anhand dessen die Erweiterungsgespräche mit den ersten sechs Ländern vermutlich in den nächsten Wochen nach dem Entscheid des Rates von vorgestern ihren Anfang nehmen werden. Darin wurde beispielsweise formuliert, daß aufgrund der Zusicherung Bulgariens – gemeint ist Kozloduj – und Litauens – gemeint ist Ignalina –, ihre horrend unsicheren Anlagen zu schließen, entsprechende Nuclear safety Accounts mit der EBWE eingehalten werden müssen.

Jetzt, obwohl sie keinerlei internationale Zusage gemacht hat, steht die Slowakei vor ähnlichen Herausforderungen, sie muß zwei Reaktoren stillegen. Es ist schmerzlich, daß Mochovce ans Netz gegangen ist, das stört uns alle nach wie vor sehr. Aber das ist jedenfalls der Fuß in der Türe, um die Stillegung der beiden alten und wirklich nicht mehr zu akzeptierenden Reaktoren in Bohunice einzufordern. Das ist der Fuß in der Türe, von dem ich gesprochen habe.

Es hat am 24. September eine Ratsbeschlußfassung gegeben, mit der diese Mitteilungen angenommen wurden. Das ist sehr wohl auch mit ein Erfolg der österreichischen Politik in dieser Beziehung und auch ein Erfolg unserer Antiatompolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist nämlich so, daß keine bindenden Zusagen der Slowakei in dieser Richtung existieren. Es gibt eine Erklärung der damaligen slowakischen Regierung aus dem Jahre 1994. Es gibt eine Erklärung der deutschen Seite hinsichtlich der Garantien der Hermes-Bank, die von Deutschland besichert wurden, die sehr wohl die Erwartung ausgedrückt hat, daß die slowakische Seite erklärt habe, wenn Mochovce ans Netz gehe, sei Bohunice stillzulegen.

Aber es ist sicherlich die stärkste Waffe in unserer Hand, die Stillegung der beiden – gestatten Sie mir diesen Ausdruck – "Schrottreaktoren" in Bohunice einzufordern und zu verlangen. Das ist der Fuß in der Tür, von dem ich gesprochen habe. Das aber, was Sie wollen, nämlich eine generelles Veto, so nach dem Motto, es dürfen nur jene Länder in die Europäische Union, die unserem Wunsch nachkommen, all ihre Kernkraftwerke stillzulegen, ist – da wiederhole ich mich – nicht realistisch, ist nicht professionell. Damit beweisen Sie wirklich, daß Sie von Außenpolitik wenig bis gar keine Ahnung haben. Das, was wir realistischerweise tun können, ist, Sicherheitsvorkehrungen einzufordern, die auch in dieser Mitteilung der Kommission ausdrücklich formuliert sind. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich zitiere wörtlich: Es ist von uns einzufordern, daß Kernkraftwerke dem allgemeinen Sicherheitsstandard für die Energieerzeugung innerhalb der Europäischen Union entsprechen. – Das können wir einfordern, und das haben wir getan, und das werden wir weiterhin tun. Die Bundesregierung agierte geschlossen. Frau Kollegin Prammer, aber auch der Herr Bundeskanzler und der Herr Außenminister lassen keinerlei Zweifel daran aufkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß Frau Ministerin Prammer hinsichtlich ihrer Initiativen in Tschechien noch referieren und dem Parlament darüber berichten wird. Es ist, so glaube ich, aber zumindest eine Chance, daß es sowohl in Tschechien als auch in der Slowakei einen Neubeginn mit neuen Regierungen geben wird. Das ist keine Garantie dafür, daß diese Länder eine andere Position einnehmen werden, aber jedenfalls eine Möglichkeit. Sondierungsgespräche in Prag werden Näheres an Aufschluß bringen. In bezug auf die Slowakei wird man jetzt abzuwarten haben, ob denn die neue slowakische Regierung hinsichtlich Mochovce und hinsichtlich unserer Sicherheitsbedenken ein offeneres Ohr hat als die bisherige. Geschlossener kann es wohl kaum sein. Gerade in der Slowakei meine ich, daß es sich fast nur zum Besseren wenden kann.

Ministerin Prammer und ich haben uns in der Sache Temelin nach Ablehnung des österreichischen Wunsches nach Nominierung eines österreichischen Experten in diese Kommission durch die tschechische Seite an die Kommission gewandt. Wir haben mittlerweile von dort auch ein Schreiben erhalten, das jedenfalls einmal die Vertretung unserer Interessen in angemessener Weise berücksichtigt. Auch das halte ich für eine erfreuliche Entwicklung.

Lassen Sie mich jetzt am Schluß meiner Ausführungen einige Sätze zum heute beschlußreifen Atomhaftungsrecht sagen. Ich bin ganz bei Herrn Abgeordneten Jarolim, der das inhaltlich auch sehr schlüssig dargestellt hat. Ich möchte es vielleicht noch etwas deutlicher sagen: Gerade diese Haftungskanalisierung, die Abgeordneter Jarolim historisch begründet hat – das ist nachvollziehbar –, ist derzeit ein klares Privileg eines industriellen Sektors, nämlich der Atomindustrie. Und das ist nicht zu rechtfertigen. Die Automobilindustrie und andere Industriebereiche genießen dieses Privileg nicht. Gerade in einem Land wie Österreich, das auch der friedlichen Nutzung der Kernenergie nachhaltig abgeschworen hat, ist das nicht zu rechtfertigen. Allerdings steht dem gegenüber, daß Österreich – das sei hier nicht verschwiegen – einen Alleingang macht, den wir aber bewußt gehen.

Es ist nicht gewiß, inwieweit österreichische Urteile im Ausland, vor allem beispielsweise in der Ukraine oder sonstwo, durchzusetzen sind, aber wir gehen diesen Weg, weil wir ihn für richtig halten. Wir sagen aber gleichzeitig, daß der Weg erst dann nachhaltig erfolgreich ist, wenn wir wesentliche Mitstreiter über Luxemburg und Irland hinaus, die diese Haftungskanalisierung ebenfalls nicht kennen, bekommen. Da ist es natürlich wesentlich, daß Italien bereits gesagt hat: Wir steigen aus der Atomenergie, wir steigen aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie aus!, und daß in Deutschland die derzeitigen Koalitionsverhandlungen zwischen Rot und Grün unter anderem dies zum Inhalt haben. (Abg. Aumayr: Müssen Sie Kollegin Prammer verhandeln lassen?)

Lassen Sie mich aber zur Vorsicht mahnen: Diese Situation analysiere ich dann, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Von Deutschlands Ausstiegsszenarien reden wir dann, wenn Herr Schröder und sein Kollege Fischer von den Grünen handelseins geworden sind. Jetzt wäre es verfrüht, und das österreichische Parlament ist dafür wahrscheinlich auch der falsche Diskussionsort. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, wir beschreiten mit diesem Atomhaftungsrecht einen neuen Weg, einen mutigen Weg, einen Weg, der in die Zukunft führt, mit dem wir das Beste aus der derzeitigen Situation machen, mit dem wir aber gleichzeitig auch eine Reihe von Abfederungen eingebaut haben, die den Wirtschaftsstandort Österreich sichern und die dieses Atomhaftungsrecht nicht etwa zu einer indirekten Gefährdung österreichischer Arbeitsplätze machen. Das war auch eine Sorge von uns allen während der Verhandlungen, aber auch im Ausschuß, und ich meine, daß dieser Sorge entsprechend Rechnung getragen worden ist.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Frau Abgeordnete Dr. Fekter, jetzt kommen Sie zu Wort. – 12 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.37

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Werte Herren Minister! Ich möchte zu Tagesordnungspunkt 7 sprechen, nämlich zu dem von Minister Bartenstein zuletzt angesprochenen neuen Atomhaftpflichtgesetz. Wir setzen mit diesem Gesetz die eigenständige Atompolitik, den eigenständigen österreichischen Weg fort. Dieser eigenständige österreichische Weg verschließt uns die Töpfe für internationale Entschädigungsansprüche. Das heißt, nachdem von der Kanalisierung die Rede gewesen ist: Wir nehmen sie nicht in Anspruch, wir unterfertigen diese internationalen Abkommen nicht und können daher an den internationalen Töpfen im Schadensfall nicht partizipieren. Wir haben dies deshalb bewußt in Kauf genommen, weil diese internationalen Abkommen – es sind mehrere mit den Zusatzprotokollen – für Strahlenschäden und die Lösungen für die Entschädigungen aus unserer Sicht nicht wirklich effizient und diese Töpfe auch nicht ausreichend dotiert sind.

Ich möchte aber klarstellen, daß die Betonung auf noch nicht effizient und noch nicht ausreichend dotiert liegt. Sollte sich nämlich die internationale Gemeinschaftsregelung entscheidend verbessern, insbesondere hinsichtlich einer ausreichenden Deckungssumme, dann müssen wir natürlich in diesem Haus neuerlich darüber debattieren und uns überlegen, was den eventuell österreichischen Geschädigten mehr nützt: der eigenständige österreichische Weg oder die internationale Solidargemeinschaft.

Das jetzige Gesetz bestimmt für die Haftung eine betragsmäßig unbeschränkte Haftungsregelung. Das heißt, es ist keinesfalls in der Höhe limitiert, wir haben aber eine Versicherungsregelung mit einer Mindestdeckungssumme für Kernanlagenbetreiber in der Höhe von 5,6 Milliarden Schilling normiert. Zugegeben: In Österreich wird es keine Kernanlage als Kraftwerk, als Atomkraftwerk geben, und ausländische Betreiber von Kraftwerksanlagen, die in unserem Nachbarbereich unter Umständen Schäden verursachen, die dann zu Schäden in Österreich führen, können wir mit diesem Gesetz nicht verpflichten, eine Versicherung in unserem Sinne abzuschließen.

Wir haben aber normiert, daß Klagen gegen ausländische Betreiber sehr wohl in Österreich eingebracht werden können und daß ausländische Betreiber in Österreich nach österreichischem Recht geklagt werden – mit österreichischem Gerichtsstand. Subsidiär können dann bei Schäden auch Lieferanten herangezogen werden, beispielsweise dann, wenn in Österreich ansässige Unternehmen für die Atomkraftwerke in unserer Nachbarschaft zugeliefert und die Schadensfälle kausal mitverursacht haben.

Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von nuklearem Material, dessen Aufbereitung, dessen Transport und dessen Nutzung für Forschung und medizinische Zwecke wurde die Haftung sehr weit normiert – weiter, als es in den allgemeinen ABGB-Bestimmungen vorgesehen ist. Wir akzeptieren das für diesen besonderen Gefährlichkeitsbereich. Die nukleare Gefahr und die Gefährdungshaftung, die darin geregelt sind, rechtfertigen dies.

Es gilt aber primär das ABGB. Neben dem Verschuldensprinzip und den Schadenersatzgrundsätzen des ABGB werden für die Strahlengeschädigten aber im Atomhaftpflichtgesetz Beweiserleichterungen normiert, nämlich gewisse Vermutungen, damit der Geschädigte die Kausalität leichter darstellen kann.

Ähnlich wie im Genhaftpflichtgesetz haben wir auch die Umweltschäden mit einbezogen. Denn gerade diese beiden Bereiche – Genhaftpflichtgesetz und Atomhaftpflichtgesetz – sind in ihrer Gefahrendimension aus heutiger Sicht nicht wirklich abschätzbar. Daher rechtfertigt das in beiden Fällen eine eigene Haftpflichtgesetzgebung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es bleibt aber zu hoffen, daß der Ernstfall für dieses Gesetz nicht eintritt, und es mögen wenige bis keine Anwendungsfälle für dieses Gesetz gegeben sein. (Beifall bei der ÖVP.)

12.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.42

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minster! Frau Ministerin! (Bundesminister Dr. Bartenstein spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Smolle.) Herr Kollege! Bitte wäre es möglich, daß Sie diese Gespräche nach Schluß der Debatte führen? – Ich bitte darum, das gebietet die Fairneß. (Abg. Smolle: Sehr geehrte Frau Kollegin! Einen Abschiedssatz darf ich noch sagen!)

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie haben Kollegen Schweitzer dezidiert vorgeworfen, daß er keine Ahnung von Außenpolitik habe, weil die Freiheitlichen auf dieser Junktimierung bestehen. Ich lese Ihnen diesbezüglich den ersten Teil unseres Entschließungsantrages vor, und zwar lautet dieser:

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die nachstehend angeführten Schritte von den den EU-Beitritt anstrebenden Nachbarstaaten zu verlangen. – "Zu verlangen" und "aufgefordert"! Der erste Punkt lautet:

"Die Bundesregierung möge ihre Zustimmung zu weiteren EU-Integrationsschritten der beitrittswerbenden MOE-Staaten von der verbindlichen Festlegung von Ausstiegsprogrammen aus der Atomkraftnutzung im Sinne eines bestehenden Beschlusses des Europäischen Parlamentes abhängig machen. Gleichzeitig sollen auf EU-Ebene finanzielle Mittel zur Umsetzung dieser Programme bereitgestellt werden."

Herr Bundesminister! Dieser Entschließungsantrag wurde im Oberösterreichischen Landtag einstimmig beschlossen – mit den Stimmen des Landeshauptmannes von Oberösterreich und des Landesrates Leitl. Das heißt, alle ÖVP-Abgeordneten und Regierungsmitglieder haben diesen Antrag mitbeschlossen, von dem Sie jetzt sagen – wir Freiheitlichen bringen den gleichlautenden Antrag ein –: Wer so etwas fordert, hat keine Ahnung von der Außenpolitik! (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. – Zwischenruf des Abg. Wabl.)

Herr Bundesminister! Damit stellen Sie Ihren Parteikollegen ein schlechtes Zeugnis aus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich verstehe folgendes nicht: Österreich hätte jetzt, wenn diese Koalition endlich einmal handeln und nicht immer nur reden würde, tatsächlich eine ganz große Chance. Wir als Österreicher und Sie als österreichischer Politiker haben die nötige Glaubwürdigkeit, den Ausstieg aus der Atomkraft zu fordern, denn Österreich zeigt ja vor, daß eine Energiepolitik ohne diese gefährliche Technologie machbar ist. Österreich ist dank der Klugheit der österreichischen Bevölkerung – nicht dank der Politiker, denn sie haben dies gefordert (Bundesminister Dr. Bartenstein: Sie sind auch Politikerin!) – niemals in diese Technologie eingestiegen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das war Selbstkritik!) – Nein, Herr Bundesminister! Das war keine Selbstkritik, denn ich war damals zwar noch nicht Politikerin, aber ich war bereits damals gegen Atomkraftwerke in Österreich, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wissen Sie, was unverständlich ist? – Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diesen Weg zu gehen. Dieser kommt nicht mehr. Jetzt haben wir diese Chance, aber nur mit einem Antrag, der tatsächlich Substanz hat, und nicht mit einem windelweichen Entschließungsantrag, mit dem die vier Parteien gekommen sind. Wir haben auch die Pflicht, Österreich vor Schaden zu bewahren, Herr Bundesminister!

Die Atomkraftwerke an Österreichs Grenzen sind eine große Gefahr. Das wissen wir alle, auch Herr Kollege Oberhaidinger. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.) Aber es gibt nur eine klare Haltung, und diese lautet, jetzt den Ausstieg aus der Kernkraft zu verlangen. Nur ein verpflichtendes Ausstiegsszenarium bewahrt uns vor diesen Gefahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sogar der Atomexperte aus Oberösterreich, Herr Pavlovec, sagt, wenn wir jetzt diese Chance nicht nützen, dann vergeben wir 80 bis 90 Prozent an Chancenpotential, das jemals zu erreichen, Herr Bundesminister! (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein.) Ja, das sagt Herr Dr. Pavlovec. Die Chance besteht jetzt in Tschechien, bei Temelin, alle Atomkraftwerke in den Beitrittsländern ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Da gebe ich Ihnen recht!)

Es gibt aber keine andere Möglichkeit, Herr Bundesminister! Sie wissen das ganz genau. Nur mit Reden, so wie wir es bisher gemacht haben oder wie die Frau Bundesministerin gesagt hat, wir werden Gespräche führen beziehungsweise darauf schauen, daß zumindest westliche Sicherheitsstandards eingeführt werden, werden wir nichts erreichen. Frau Bundesministerin! Diesen westlichen Sicherheitsstandard hat es in der Vergangenheit nicht gegeben, er ist jetzt nicht definiert, und er wird, wie Frau Kollegin Moser vorhin gesagt hat, auch in Zukunft nicht definiert werden.

Frau Ministerin Prammer! Wenn Sie demnächst nach Prag fahren und von den Tschechen einen westlichen Sicherheitsstandard verlangen und die Tschechen Sie fragen, ob Sie bitte definieren können, was das ist, dann blamieren Sie sich bis auf die Knochen, denn Sie können ihn nicht definieren, weil es ihn nicht gibt, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie sind in erster Linie mein Ansprechpartner, denn Frau Ministerin Prammer ist für mich nicht mehr glaubwürdig, aber bei Ihnen glaube ich, daß zumindest der politische Wille vorhanden ist.

Herr Bundesminister! Sie haben auf die Verfassung gelobt. Sie haben gelobt, daß Sie Schaden von der österreichischen Bevölkerung fernhalten werden (Abg. Ellmauer: Sie auch!) – und ich auch. Ich stehe zu diesem Versprechen, aber ich möchte, daß auch Sie das tun, und darauf haben die Österreicher ein Recht. (Abg. Kopf: Das tut er täglich!)

Herr Bundesminister! Ich appelliere an Sie nicht nur als den Umweltminister, sondern auch als den Vater von fünf Kindern. Was sagen Sie Ihren Kindern, wenn es zu einem Störfall kommt – er braucht gar nicht jene Ausmaße wie Tschernobyl zu haben –, wenn sie Sie fragen: Warum hast du das damals nicht verhindert? Warum hast du nicht verhindert, daß diese Kraftwerke jemals ans Netz gehen? Was sagen Sie dann Ihren Kindern, Herr Bundesminister, und was sagen Sie der österreichischen Bevölkerung? (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Ich glaube, Sie sollten diese Chance alleine schon wegen Ihrer Kinder nützen.

Zu Kollegen Kopf möchte ich folgendes sagen: Er hat uns Freiheitlichen vorgeworfen, daß wir den Weg des Konsenses verlassen haben. Es hat bisher in dieser Sache immer einen Fünfparteienantrag gegeben. Das stimmt, aber, Herr Kollege Kopf, wir Freiheitlichen werden keinen Konsens mit irgendwelchen politischen Parteien eingehen, der die Sicherheit und die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung gefährdet. Diesen Weg gehen die Freiheitlichen nicht, und daran werden Sie sich gewöhnen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt möchte ich noch kurz etwas zum Atomhaftungsgesetz sagen: Die Freiheitlichen stimmen dem Atomhaftungsgesetz zu, wobei aber einige Kritikpunkte angebracht werden sollten. Der Vollzug dieses Gesetzes ist an und für sich nur dann möglich, wenn auch ein zweiter Schritt gesetzt wird, und zwar mit bilateralen Verträgen, denn jetzt ist es so, daß die Haftpflicht eine erhöhte Mindesthaftpflicht ist und daß es Beweiserleichterungen und Auskunftspflicht gibt, aber es ist nach wie vor der Fall, daß die Vollstreckung nur dann möglich ist, wenn ausländische Vermögenswerte in Österreich sind, damit die Schadenssumme sozusagen abgedeckt ist. Das heißt, wenn ein Störfall in Tschechien auftritt, können wir dieses Gesetz nicht vollziehen, weil diese bilateralen Verträge nicht bestehen. Aus diesem Grund müßte diesem Atomhaftungsgesetz jetzt ein zweiter Schritt folgen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Aumayr! Ihre Fraktion hat einen Entschließungsantrag betreffend weitere Vorgangsweise des Bundes in bezug auf die Anti-Atom-Linie überreicht. Sie haben von diesem Entschließungsantrag, der vier Punkte umfaßt, den ersten Punkt verlesen. (Abg. Aumayr: Kommt noch!) Ich kann gemäß der Geschäftsordnung diesen Entschließungsantrag erst dann in die Verhandlung mit einbeziehen, wenn alle Punkte verlesen worden sind. Aber ich mache schon darauf aufmerksam, daß eine Verlesung von Entschließungsanträgen in Portionen sicher nicht dem Sinn und auch nicht dem Wortlaut der Geschäftsordnung entspricht. Ich bitte also, sich in Zukunft daran zu halten.

Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Huber. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Wabl: Das ist die moderne FPÖ-Küche: kleine Portionen!)

12.53

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Dame und Herren Minister! Hohes Haus! Dieses nun vorliegende Atomhaftungsgesetz, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, ist, so denke ich, auch an die anderen Staaten ein sehr "strahlendes" Signal, weil es sehr wesentlich vom Prinzip der grundsätzlichen Förderung der Atomwirtschaft abgeht, weil es – auch das halte ich für besonders wesentlich – auch eine Haftung für höhere Gewalt vorsieht und weil es keine Haftungslimits vorsieht.

Ein weiteres "strahlendes" Signal ist das Abgehen von der Kanalisierung dieser Haftung, und ich halte das für einen Meilenstein. Nicht mehr allein der Betreiber einer nuklearen Anlage kann für Ersatzansprüche herangezogen werden, sondern, wenn es erfolgreicher erscheint, auch die Montagefirma oder die Firma, die die Transporte durchführt. Grundsätzlich – auch das ist ein wesentlicher Fortschritt in der Durchsetzung von Haftungsansprüchen – kann ein österreichisches Gericht angerufen werden. Natürlich – das ist heute auch schon angeklungen – sind wir uns dessen bewußt, daß die Durchsetzung eines österreichischen Titels gegenüber Staaten, mit denen kein Vollstreckungsabkommen besteht, nicht gesichert ist. Wir fordern daher vehement eine grenzüberschreitende Haftung, und der Entschließungsantrag zielt auch darauf ab, daß die Bundesregierung diesbezüglich aktiv werden muß.

Sehr wesentlich für die praktische Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen von Betroffenen ist wohl die verankerte Beweislastumkehr. So hat im Fall einer Erkrankung eines Menschen, bei der es wahrscheinlich ist, daß sein Körper ionisierender Strahlung aus einer Kernanlage oder aus Kernmaterial ausgesetzt war, nunmehr der Betrieb den Beweis, daß diese Strahlung für die Erkrankung nicht relevant war, zu erbringen und nicht der Erkrankte, wenn er seine Ansprüche geltend machen will. – Österreich geht daher mit diesem Atomhaftungsgesetz einen neuen Weg, was die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich betrifft.

Ein Wort zu Kollegen Kopf, den ich nicht mehr im Saal sehe. Er hat sehr vehement ein Atomsperrgesetz verlangt. (Abg. Tichy-Schreder: Er sitzt hier! Da sitzt er!) – Entschuldigung! – Dafür haben Sie uns Sozialdemokraten sofort. Sie haben die Verankerung von Atomkraftwerken in der Verfassung sehr vehement verlangt. (Abg. Dr. Fekter: Na, na, na, Verfassungsluftschüsse will die ÖVP nicht! – Abg. Kopf: Habe ich nicht! Ist nachzulesen!) – Dann habe ich Sie falsch verstanden. Gut.

Gegen eine solche Verankerung in der Verfassung hätten wir grundsätzlich nichts einzuwenden, nur müßten dann neben den Kraftwerken zumindest auch Nuklearwaffen – sowohl deren Stationierung als auch deren Durchfuhr beziehungsweise Transport – mit beinhaltet sein. Ich denke nämlich, daß Nuklearwaffen beträchtlich gefährlicher sind als Atomkraftwerke.

Betreffend das vorliegende Atomhaftungsgesetz möchte ich festhalten, daß Österreich eigentlich vorlebt, wie wir uns international ein solches Haftungsrecht vorstellen. Es gibt europaweit bereits sechs Staaten, die auf die friedliche Nutzung der Atomenergie verzichten. Wir wollen, daß die Zahl solcher Staaten größer wird.

Vielleicht kann dieses Haftungsrecht in Österreich, das beispielgebend auch für die anderen europäischen Staaten beschlossen werden soll, ein Anstoß sein, daß wirtschaftlicher Druck erzeugt wird, daß sich eben Investitionen in Atomkraftwerke nicht mehr rechnen, und dadurch der Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie europaweit durchsetzbar wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.57

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Es ist unbestritten – da kann ich inhaltlich nur an das anschließen, was bereits Herr Abgeordneter Kier gesagt hat –, daß das neue Atomhaftungsgesetz Vorbildcharakter hat, und es wird hoffentlich auch Nachahmung finden. Insofern wäre es für allfällige Regierungsverhandlungen in Deutschland sicher eine nicht uninteressante Sache, sich dieses Gesetz als Vorbild zu nehmen.

Denn wahr ist, meine Damen und Herren, daß der zentrale Punkt eines Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Atomkraft nur über die Haftungsbestimmungen und über die Anrechnung der wahren Kosten gehen kann. Damit ist sichergestellt, daß diese Technologie kein langes Überleben in einem freien Markt hat.

Zu der Entschließung, die dem Atomhaftungsgesetz angeschlossen ist, die heute hier zur Abstimmung stehen wird und die auch die Liberalen unterstützen, möchte ich noch klarstellen, daß, wenn von Lösungen mittels internationaler Fonds die Rede ist, diese helfen sollen, Schäden abzudecken. Das kann nicht dazu dienen und ist auch nicht so gedacht, daß es damit eine "Aushebelung" nationaler Haftungsbestimmungen gibt, sondern das ist lediglich eine zusätzliche Form der Versicherung und der Schadensabdeckung, bis es in allen Ländern entsprechende Haftungsregelungen gibt. Weiters soll das sicherstellen, daß dann, wenn Schäden auftreten, diese auch abgegolten werden können. Daß das eine andere Form der Versicherung ist, erkennen Sie allein schon daran, daß zu einem solchen Fonds Beiträge geleistet werden müssen. Auch da ist es möglich, einen Teil der wahren Kosten auf diese Technologien anzurechnen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch klarlegen, warum die Liberalen nicht der Meinung sind, daß es eine Junktimierung zwischen einem Ausstieg der ost- und mitteleuropäischen Länder aus der Nutzung der Atomkraft und deren EU-Beitritt geben soll. Auf der einen Seite sehen wir in der EU-Osterweiterung ein wesentlich größeres politisches Vorhaben, das nicht nur auf die Nutzung der Atomkraft beschränkt werden kann. Wir sind überzeugt davon, daß die Europäische Integration zwar letztlich zu einem gesamthaften Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft führen muß; aber wenn es jetzt darum geht, die ost- und mitteleuropäischen Staaten in die EU einzubeziehen, dann ist es sinnvoller, sie den europäischen Regelungen zu unterwerfen, als sie mit dem, was sie derzeit haben, allein zu lassen und keine Integration zu ermöglichen.

Wir sind überzeugt davon, daß durch die EU-Osterweiterung eine Stärkung des Wettbewerbs stattfinden wird und es damit zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen und auch der sozialen Lage in diesen Ländern kommen wird. Damit ist gewährleistet, daß es bei einem erhöhten Umweltbewußtsein und bei einem gesteigerten Wettbewerb im Energiebereich möglich sein wird, einen Ausstieg aus der Atomkraftnutzung durch Anrechnung der wahren Kosten sicherzustellen. Wir sind damit aber auch in Österreich gefordert, nicht nur das, was wir jetzt in einer Vorreiterrolle im Rahmen des Atomhaftungsgesetzes gemacht haben, fortzusetzen, sondern auch im Bereich der ökologischen Steuerreform wichtige und weitreichende Schritte zu tätigen, denn nur unter dieser Voraussetzung ist sichergestellt, daß die wahren Kosten angerechnet werden.

Noch einmal: Die zentrale Frage des Ausstiegs ist und bleibt das Haftungsregime, dem die Atomkraftnutzung unterworfen ist. Das heute zu beschließende österreichische Gesetz ist ein solches mit Vorbildcharakter, und wir sind froh, daß es möglich ist, dieses hoffentlich mit den Stimmen aller Fraktionen heute zu beschließen.

Zum Entschließungsantrag, den die Grünen eingebracht haben und der den Titel "Europäische Atomausstiegskonzepte und Atomwaffenstationierungsverbot" trägt: Die Liberalen sind der Ansicht, daß er hinter dem zurückbleibt, was wir bereits im Juli letzten Jahres beschlossen haben. Wahr ist, daß eine Konzentration der Gespräche auf die zukünftige deutsche Regierung zwar ein wichtiger Part sein wird, aber zu sagen, daß durch einen neuen Antrag, der nur bilaterale Gespräche vorsieht, Gespräche mit anderen Regierungen – und der erste Entschließungsantrag bezieht sich auf alle Regierungen im Rahmen der EU und daher auch auf die deutsche – overruled werden, halten wir für zu kurz gegriffen. Wir meinen daher, daß es nicht sinnvoll wäre, diesen Entschließungsantrag zu beschließen und damit das zu konterkarieren, was wir im Juli letzten Jahres beschlossen haben.

Ich darf abschließend, meine Damen und Herren, noch auf einen Antrag von den Liberalen eingehen, der eine Änderung des Atomsperrgesetzes erreichen wollte, und zwar eine Ergänzung des Atomsperrgesetzes um die Kernfusion. Wir halten es nicht nur für sinnvoll, daß die Nutzung der Energiegewinnung aus Kernspaltungsanlagen verboten ist, sondern es wäre auch sinnvoll, Kernfusionsanlagen diesem Verbot zu unterwerfen. Insofern wäre es für Österreich eigentlich ein Leichtes, das auch in einem Gesetz festzuschreiben, denn im Zeitraum von 1994 bis 1998 sind immerhin 1 254 Millionen Ecu für nukleare Forschung, und zwar sowohl für Fusionsforschung als auch für die nukleare Sicherheit, ausgegeben worden und nur knapp 1 Milliarde Ecu für sämtliche nichtnukleare Energieforschungsprojekte, zu denen auch die fossilen zählen.

Das heißt, hier ist nach wie vor ein gravierendes Ungleichgewicht zwischen nuklearer Forschung und Kernfusionsforschung auf der einen Seite und jener von erneuerbaren Energien auf der anderen Seite zu sehen. Und wir meinen, es wäre konsequent, daß wir die Option einer nuklearen Energieversorgung auf nationaler Ebene nicht nur mit Kernspaltungsreaktoren, sondern auch mit Kernfusionsreaktoren ausschließen. Wir könnten damit auf europäischer Ebene ein Vorbild abgeben, das wir heute mit der Beschlußfassung des Atomhaftungsgesetzes sicherlich sein werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

13.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Ministerin.

13.03

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte das, was ich schon einige Male hier im Hohen Haus gesagt habe, ein weiteres Mal hier sagen, nämlich daß es ganz wesentlich und wichtig ist, daß die österreichische Position, die österreichische Strategie zum Ausstieg aus der Kernenergie international intensiv weitergetragen wird. Ich halte es mir selbst immer wieder vor Augen: Was ist denn die Qualität dieses österreichischen Weges? Diese Qualität des österreichischen Weges ist, daß alle, ich muß mittlerweile sagen, fast alle an einem Strang ziehen. Das heißt, begonnen bei der Bundesregierung über das Parlament, über die Umweltorganisationen, die so wichtig sind, bis zu den vielen, vielen Menschen in diesem Land sind sich alle einig darüber, daß wir unsere Kraft, unsere Arbeit bestmöglich einsetzen müssen, um in Österreich die entsprechende Vorsorge treffen zu können. Und das gelingt uns natürlich nur, wenn wir über unsere eigenen Grenzen schauen, wenn wir Politik machen über unsere eigenen Grenzen hinweg.

Ich denke, es ist sehr wichtig und notwendig, daß diese österreichische Position ernst genommen wird, daß diese österreichische Position auf fruchtbaren Boden fällt und daß es tatsächlich auch gelingt, Bündnispartner innerhalb der Europäischen Union, aber auch außerhalb der Europäischen Union zu finden. Ich mache jetzt diese Antiatomkoordinierung seit ungefähr einem Jahr, und Sie können mir glauben, das ist kein einfaches Unterfangen. Ich investiere sehr viel Zeit darin, auf bilateraler Ebene genauso wie auf europäischer Ebene und internationaler Ebene den Boden aufzubereiten, daß Staaten, die bislang nicht bereit waren, in diesen Dialog einzusteigen, diesen Schritt setzen und auch in diese Debatte einsteigen, die sicherlich für viele nicht von vornherein einen Ausstieg bedeutet. Aber wenn wir uns heute anschauen, was sich innerhalb der Europäischen Union diesbezüglich schon verändert hat oder in Veränderung begriffen ist, dann erkennen wir, daß die österreichische Haltung und die österreichische Politik die eindeutig richtige ist. Immerhin – Herr Kollege Bartenstein hat es schon gesagt – ist Italien bereits ausgestiegen, so gut wie ausgestiegen. Schweden hat den Beschluß gefaßt, den Weg der Kernenergie zu verlassen. Natürlich wird es äußerst spannend sein, welche Beschlüsse in Deutschland diesbezüglich gefaßt werden. Ich denke, daß uns diese Politik sehr wohl Mut machen muß, gerade auch an der nördlichen und östlichen Grenze Österreichs unsere Initiativen fortzusetzen.

Es ist schon erwähnt worden: Ich bin morgen und übermorgen in Prag und werde dort eine große Zahl von Gesprächen führen: mit dem Umweltminister, mit dem Industrieminister, auch mit dem Premierminister, weil es notwendig ist, den Boden für einen Atomausstieg in Tschechien aufzubereiten. Und dasselbe ist auch zu tun mit einer neuen Regierung in der Slowakei. Es geht in erster Linie darum, die Bereitschaft vorzufinden, daß mit Österreich darüber Gespräche geführt werden. Ich möchte nur in Erinnerung rufen: Tschechien war bislang gar nicht interessiert an einer Kooperation. Österreich hat sehr oft versucht, Angebote zu machen, Kooperationsmöglichkeiten zu finden. Das hat bis dato nicht geklappt, und ich erwarte und erhoffe mir, daß das in Zukunft gelingen wird. Dazu wird es nicht nur eines einzigen Besuches morgen und übermorgen bedürfen, sondern es wird viele Besuche vieler österreichischer Politiker geben müssen und vor allen Dingen auch Rückbesuche hier in Österreich. Das gilt natürlich auch für andere Staaten in Europa.

Wenn heute immer wieder verlangt wird, im Rahmen der Verhandlungen über die Erweiterung der Europäischen Union das Vetorecht stark in den Mittelpunkt zu stellen, dann unterstreiche ich das auch, was Kollege Bartenstein gesagt hat: Natürlich sind wir uns dessen bewußt, daß schlußendlich jeder einzelne Mitgliedsstaat in der Europäischen Union bis zuletzt ein Vetorecht hat und bis zum letzten Moment alles in die Waagschale werfen und sagen kann, es paßt oder es paßt nicht. Aber ich sage auch ganz offen: Ich halte es demokratiepolitisch für bedenklich, zu glauben, wir haben einen besonderen Status, seien etwas Besonderes – nicht, weil wir keine Kernkraftwerke betreiben, aber weil wir uns auf den Standpunkt stellen, uns geht es besser, wir sind weiter –, und immer nur mit dem Finger zu deuten und auf die Möglichkeit eines Vetos zu verweisen, nicht aber gleichzeitig alles zu versuchen, bevor es überhaupt zu einer derartigen Debatte kommt, damit man auf dem normalen Verhandlungsweg eine Kooperation zustande bringt. Das, finde ich, ist der falsche Weg. Ich sage das ganz offen. Ich glaube, wir müssen diese Beitrittskandidaten ernst nehmen. Wir müssen auch ihre Bedürfnisse respektieren. Und ich bin überzeugt davon, daß wir mit vielen Gesprächen weiter kommen, als wenn wir nur mit dem Finger deuten und darauf aufmerksam machen, daß es die Möglichkeit eines Vetos gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin auch überzeugt davon, daß alle diese Staaten wissen, daß es in Österreich eine ernsthafte Debatte darüber gibt. Aus diesem Grund glaube ich auch, daß wir ernst genommen werden bei unseren Gesprächen und unseren Bemühungen. Es ist sicherlich vernünftig und klug, auch auf europäischer Ebene in diesem Bereich Schritte zu setzen. Und da geht es schon auch um Sicherheit, weil wir natürlich wissen, daß es, wenn sich ein Land zum Ausstieg aus der Kernenergie entschließt, wie zum Beispiel Schweden, dann noch lange nicht zu einem endgültigen Abschalten der Kraftwerke kommt, daß erst alternative Wege gefunden werden müssen. Deshalb sind die Sicherheitsdebatten sehr wichtig, und vor allen Dingen – und das ist auch schon gesagt worden – sind sie auch Türöffner für viele weitere Gespräche, die notwendig sind und intensiv geführt werden müssen. Kollege Bartenstein hat über die Entwicklung in der Kommission berichtet, was die Beitrittsverhandlungen betrifft, ich kann noch ein Stück weiter gehen: Wir haben es im Rahmen sehr, sehr intensiver und sehr diffiziler Verhandlungen unter der österreichischen Präsidentschaft tatsächlich geschafft, daß in das Schlußdokument als Schlußfolgerung aufgenommen wird – ich möchte es zitieren –:

"... zu den Beitrittsstrategien für die Umwelt die nukleare Sicherheit in den beitrittswilligen Ländern zu verbessern, sodaß ein Niveau erreicht wird, das dem Stand in der Union hinsichtlich der Technologie des Regulierungsrahmens sowie in betrieblicher Hinsicht entspricht".

Ich denke, das ist ein wesentlicher Schritt, den wir setzen können. Das wird die österreichische Präsidentschaft bringen, und das war nicht leicht zu erreichen. Es ist bereits ausverhandelt und von allen 15 Staaten auch zugestimmt worden. Und das ist ja das Schwierige daran: daß wir überall die Zustimmung von allen 15 Mitgliedsstaaten brauchen, und das konnte tatsächlich auch erreicht werden. Ich bin sehr froh darüber und sehr zufrieden damit. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang ist aber schon noch eines zu sagen, weil immer wieder die österreichische Präsidentschaft stark in den Mittelpunkt gestellt wird: Die ganz vehemente Position Österreichs ist in Zeiten, in denen Österreich nicht die Präsidentschaft innehat, wesentlich deutlicher zu signalisieren. Wir sind natürlich als Präsidentschaftsland daran gebunden, immer wieder die Zustimmung der anderen zu erreichen, und es ist natürlich oft mühselig, das Einverständnis aller 15 zu bekommen. Ich habe es heuer ganz deutlich gemerkt: Ich mußte, weil wir eben das Präsidentschaftsland sind, die Europäische Union bei der Generalkonferenz der IAEA vertreten und habe dort das Statement der Europäischen Union abgegeben. Dort muß jedes Wort ausverhandelt werden, sonst kann es nicht gesagt werden. Umso wichtiger ist es natürlich, wieder zu Österreich zurückzufinden, um auch die ganz klare österreichische Position überall in Europa und außerhalb Europas zu definieren.

Ich möchte noch einmal auf die Arbeit hier in Österreich zurückkommen. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, Diskussionen sehr offen und sehr transparent zu führen, ganz sicher nichts irgendwo in einer Schublade liegenzulassen. Sie alle erhalten von mir ständig die Informationen, die Berichte. Ich habe Ihnen auch, wie es gewünscht wurde, einen Jour fixe zugesagt; es wird in zwei Wochen der erste stattfinden. Ich möchte natürlich auch ständig den Dialog mit allen fünf Parlamentsparteien haben, um in der Wechselwirkung genau zu wissen: Was tut die Bundesregierung, was will das Parlament tun, was wollen einzelne Parteien tun?

Ich bin sehr, sehr froh über die Diskussion im Umweltausschuß gewesen, als zum Schluß das Volksbegehren abgehandelt und gesagt wurde: Das Parlament, der Umweltausschuß, will selbst aktiv werden! – Es genügt nicht, nur zum Rednerpult zu gehen, sondern es ist auch notwendig, vor Ort Kontakte zu haben, vor Ort Gespräche zu führen und bestmöglich zu versuchen, gerade auch auf parlamentarischer Ebene, vor dem parlamentarischen Gegenüber, Überzeugungsarbeit zu leisten, und dabei können wir uns hervorragend ergänzen. Es ist sehr wichtig, daß es nicht zu einem politischen Verwirrspiel innerhalb Österreichs kommt, sondern daß wir gemeinsam zu einer Zielrichtung kommen, die lautet: ein Europa, eine Welt ohne Kernkraft – ohne Kernkraft im Energiebereich, ohne Kernkraft bei den Waffen! (Beifall bei der SPÖ.)

Und zum Schluß noch eines: Wir sollten vor allen Dingen den vielen Umweltorganisationen dankbar sein – den großen: Greenpeace, Global 2000, Anti-Atom-International, und auch den vielen kleinen –, die es in Wirklichkeit geschafft haben, daß es in diesem Bereich eine ganz klare und konsequente Politik gibt. Ich denke, das ist auch eine Qualität, die wir transportieren, exportieren sollten, weil auch das in einer Antiatompolitik ein wesentliches Standbein ist, klar nach außen zu signalisieren: Da gibt es nicht – unter Anführungszeichen – "nur" eine Bundesregierung oder "nur" ein Parlament oder "nur" einige Landtage, die gewisse Resolutionen und Beschlüsse fassen und Reden halten, sondern hinter dieser Politik steht die österreichische Bevölkerung, das ist der erklärte Wille der Menschen, die in Österreich leben. Ich bin überzeugt davon, daß es im Demokratisierungsprozeß dieser ost- und mitteleuropäischen Staaten gelingen wird, dasselbe Sensorium zu entwickeln wie bei uns. Wir sollten ihnen dabei helfen und nicht nur den Finger erheben. Wir sollten ihnen aktiv helfen auf diesem Weg zu einem gemeinsamen Europa. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.16

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige Diskussion und Beschlußfassung der Entschließungen beziehungsweise des Atomhaftungsgesetzes sind ein weiterer Schritt auf dem Weg einer konsequenten Anti-Atompolitik, den Österreich seit vielen Jahren beschritten hat. Der österreichische Weg ist klar: Mit unserer Volksabstimmung gegen Zwentendorf und der daran anschließenden Bewußtseinsbildung hat Österreich eine klare Antiatomhaltung eingenommen. Wir haben diese Haltung in den letzten Jahren auch sehr konsequent international kommuniziert und immer wieder auch unseren Beitrag geleistet, damit die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gewahrt bleibt und deren Gefährdung durch umliegende Kernkraftwerke hintangehalten wird.

International war das nicht so selbstverständlich. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Diskussion im Frühjahr 1995, als ich mit intensivem Lobbying versucht habe, als neues Mitglied in der Europäischen Union Verbündete zu finden gegen die Gewährung eines Kredits der EBRD zum Fertigbau von Mochovce. Damals haben sehr viele Umweltminister der Europäischen Union zu mir gesagt: Mochovce, Mochovce – was ist das und wo ist das? Sie wußten gar nicht, welche Gefahr an den Grenzen Österreichs auch für die österreichische Bevölkerung droht.

Es ist uns damals gelungen, die entsprechenden Beschlüsse dagegen zu fassen: sowohl hier im Parlament, das eine entsprechende Entschließung angenommen hat, als auch im Europäischen Parlament, als auch im Umwelt-Ministerrat, worauf ich sehr stolz bin, denn aus einem anfänglichen Minderheitsvotum wurde eine Mehrheit im Umwelt-Ministerrat. Damals haben sich sieben Länder der Europäischen Union der österreichischen Position angeschlossen, und wir hatten damit eine Mehrheit gegen die Gewährung eines Kredites für den Fertigbau des Kernkraftwerkes in Mochovce. Letztendlich konnte er auch verhindert werden und damit ein Einstieg der EBRD in die Förderung der Atompolitik. Das war ja der Kernpunkt: Dieser Kredit hätte die erstmalige Förderung eines Atomkraftwerkes durch die EBRD dargestellt.

In der Zwischenzeit ist auch das Kostenbewußtsein stärker geworden und weiß man, daß der Atomstrom nicht der billigste, sondern der teuerste Strom ist. Nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen bei den Kernkraftwerken kosten Geld, selbstverständlich auch die Erzeugung, und letztendlich ist die Endlagerung noch immer nicht in die Kostenwahrheit mit eingeflossen. Wenn auch diese Kosten einfließen, dann ist der Atomstrom mit Abstand der teuerste Strom.

Wir haben aber auch in den letzten Jahren dazu beigetragen, das Bewußtsein in der Europäischen Union zu verändern, und daher ist es uns ein ganz besonderes Anliegen, daß die Frage der Sicherheit von Kernkraftwerken beziehungsweise des mittel- und langfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie in Mitteleuropa und weltweit ein Ansatzpunkt für die Verhandlungen der Europäischen Union über die Erweiterung sein wird und sein muß. Ich bin daher sehr, sehr froh, daß der jetzige Ratspräsident, unser Außenminister Vizekanzler Dr. Schüssel, gleich am Beginn der Präsidentschaft eine Definition der Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke verlangt hat – eine ganz wesentliche Voraussetzung, um diese Verhandlungen erfolgreich führen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es kann in der Frage der Sicherheitsstandards nie um Minimalstandards, sondern immer nur um die höchsten Standards gehen. Nur diese sind für die österreichische und die europäische Bevölkerung gut genug.

Diese Sicherheitsstandards sind aber nicht nur auf die Beitrittsländer anzuwenden, sondern selbstkritisch selbstverständlich auch für die Mitgliedsländer der Europäischen Union. Das ist ja der Grund, warum sie sich dagegen wehren, die Definition dieser Sicherheitsstandards vorzunehmen, und eine entsprechende Richtlinie derzeit noch ablehnen.

Es haben die Mitgliedsländer der Europäischen Union mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich darf Sie da erinnern an Deutschland, das sehr rasch eine Entscheidung betreffend die Nichtfertigstellung von Greifswald getroffen hat, einem Reaktor aus der ehemaligen DDR, bei welchem die gleiche Situation wie bei Mochovce vorlag. Es hat die deutsche Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl beschlossen, diesen Reaktor nicht fertig zu bauen, weil die Kosten-Nutzen-Analyse ergab, daß die Kosten für einen sicheren Betrieb keinesfalls rechtfertigbar sind.

Es hat in Bayern ein Kernkraftwerk gegeben, das genau einen Tag am Netz war und dann abgeschaltet wurde und das nie wieder ans Netz gehen wird. Es sind die Deutschen bei den eigenen Kernkraftwerken bisher sehr kritisch gewesen. Meines Erachtens haben sie uns in bezug auf unsere Nachbarländer zuwenig Unterstützung gegeben. Aber vielleicht – und das bleibt zu hoffen – wird sich das mit der Veränderung der politischen Landschaft ändern. Ich bin schon sehr neugierig, ob der neue deutsche Umweltminister, der erwartungsgemäß von den Grünen gestellt werden wird, da entsprechende Weichenstellungen durchsetzen wird und auch vornehmen kann.

Bei der französischen Regierung Jospin konnte ich bisher noch keine deutlichen Signale gegen die Atomkraft bemerken. Ich hoffe sehr, Frau Bundesministerin Prammer, daß der Herr Bundeskanzler als der dafür Verantwortliche sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen wird, um bei seinen Amtskollegen die entsprechende österreichische Position durchzusetzen beziehungsweise seinen Einfluß geltend zu machen, und zwar sowohl bei den Franzosen als auch bei den Freunden Tony Blair und Gerhard Schröder, und erwarte, daß er die Freundschaft letztendlich einfordern wird.

Ich hoffe, der Bundeskanzler tut dies auch in unserem Nachbarland Tschechien, bei seinem Amtskollegen Milos Zeman.

Frau Bundesminister! Sie sind ja morgen in der Tschechischen Republik. Ich hoffe, daß Sie dort einen Termin bekommen werden und daß es Ihnen nicht so ergeht wie bei Ihrer italienischen Amtskollegin in der Rindfleischaffäre, wo die Terminabsprache offensichtlich nicht geglückt ist. Ich hoffe, daß Sie in dieser Frage, auch in bezug auf Temelin und Dukovany, glückhafter agieren als in der Rindfleischfrage.

Auch die Veränderung der politischen Landschaft in den anderen Nachbarländern Österreichs gibt Grund zur Hoffnung. Ich habe vorhin eine APA-Meldung erhalten, die besagt, daß der kolportierte Wahlsieger Mikulaš Dzurinda in der Slowakei die Atomkraftwerksfrage nicht mehr als innere Angelegenheit der Slowakei betrachtet. Er sagte in einem Interview, daß er in einen offenen und seriösen Dialog mit Österreich eintreten werde. Das begrüßen wir sehr, und das finden wir sehr gut. Er erklärte auch, daß Mochovce mit Sicherheit das letzte Kernkraftwerk der Slowakei sein werde, aber auch diesbezüglich noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Also da gibt der hoffentlich bevorstehende Regierungswechsel Grund zur Hoffnung, daß sich da etwas verändern wird.

Er versicherte weiters, daß die letzten Reaktorblöcke von Bohunice demnächst stillgelegt werden. Er könne zwar noch kein konkretes Datum nennen, sei aber überzeugt davon, daß die Slowakei alternative Energiequellen finden kann, die Atomkraftwerke überflüssig machen. Das heißt, da könnte – und sollte auch – einiges in Bewegung geraten.

Ich erinnere aber noch daran, daß derzeit in der Europäischen Union ein Antrag betreffend das Kernkraftwerk Rovno-Khmelnitzky in der Ukraine mit einem Aufwand für dessen Fertigstellung von mehr als 13 Milliarden Schilling liegt. Auch in diesem Fall muß sichergestellt werden, daß nicht ein unsicheres Kraftwerk durch mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen länger arbeitet, als dies unbedingt notwendig wäre.

Letztendlich müssen wir auch mit unseren ungarischen Kollegen über das Kernkraftwerk Paks und über Alternativen reden. Ebenso wird die Europäische Union überlegen müssen, welche Hilfe es Slowenien und Kroatien für das Kernkraftwerk Krško beziehungsweise Bulgarien für die Stillegung von Kozloduj anbietet.

Wir haben sehr viel zu tun. Ich hoffe sehr, Frau Bundesministerin, daß Sie bei Ihrem morgigen Besuch in Tschechien diesbezüglich Erfolge werden erzielen können. Ich weiß, daß es schwierig ist und – wie die Politik – ein Bohren von harten Brettern darstellt, die Atompolitik ist ein Bohren von besonders harten Brettern, aber ich hoffe, daß Sie da nicht nachgeben werden und darauf dringen werden, daß Temelin und auch die Erweiterung von Dukovany nicht stattfinden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.26

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich wichtig, Frau Kollegin Rauch-Kallat, einen Blick auf die europäische Situation zu werfen und zu schauen, wie sich die Entwicklung in den einzelnen Ländern darstellt, zumal gerade die Atompolitik eine gesamteuropäische Dimension haben muß, wenn sie auch erfolgreich sein soll.

Aber auf der anderen Seite – und dieses Gefühl werde ich nicht ganz los – lenkt es ein bißchen ab von der Situation in Österreich und von dem, was einmal sehr vollmundig versprochen worden ist und noch immer nicht auf dem Tisch liegt, oder von dem, was von den Forderungen in den Anträgen, die heute zur Behandlung anstehen, nicht erfüllt worden ist.

Folgendes möchte ich Ihnen aber doch sagen, weil Sie, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat – ich habe es so verstanden –, in bezug auf Frankreich gemeint haben, es gäbe dort im Bereich der Anti-Atompolitik keine wirklichen Fortschritte: Man kann das natürlich so beurteilen, das steht jedem frei, aber man sollte dabei auch bedenken, daß der Umstand, in einer Regierung zu beschließen, daß es keinen weiteren Ausbau von Atomkraftwerken und einen Stopp von Superphénix gibt, für Frankreich, für ein Land, das seinen Strom überwiegend aus Atomkraftwerken bezieht, ungefähr so viel bedeutet, wie wenn wir hier endlich das Atomsperrgesetz oder Anti-Atompaket, das voriges Jahr versprochen wurde, auf dem Tisch hätten. In diesem Maßstab würde ich das sehen.

Damit komme ich zum im November des vorigen Jahres von der Bundesregierung gegebenen Versprechen, ein Anti-Atompaket zu schnüren, in dem alles enthalten ist, was es nur enthalten könnte, so zum Beispiel die Erhebung des Atomsperrgesetzes in den Verfassungsrang. Insgesamt sollen es neun Punkte sein. Von diesem Anti-Atompaket haben wir aber mit Ausnahme des Haftungsgesetzes, das heute hier vorliegt, nichts gesehen und nichts gehört. (Abg. Rauch-Kallat: Fragen Sie die Bundesregierung, die ist zuständig!) Reden Sie sich nicht immer auf die Bundesregierung aus! Wir haben bekanntlich eine große Koalition, in welcher ohne den Willen der SPÖ und der ÖVP nichts geht, und meine Erfahrung der letzten drei Jahre ist es, daß es hauptsächlich vom Willen der ÖVP abhängt, ob etwas geht oder nicht. (Abg. Rauch-Kallat: Zuständig ist die Frau Bundesminister!) Stellen Sie als ÖVP-Abgeordnete das nicht so dar, als hätten Sie damit nichts zu tun! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rauch-Kallat: Zuständig ist die Frau Bundesminister!)

Ja, ich komme noch auf diesen Punkt zu sprechen. Es war nämlich gerade die SPÖ, die darauf folgend im Jänner in diesem Zusammenhang versichert hat, daß es in einem Anti-Atompaket natürlich nicht nur um die friedliche Nutzung der Kernenergie gehen könne, sondern klar sein müsse, daß darin auch die Ablehnung von Atomwaffen – sowohl deren Stationierung und Erzeugung als auch deren Transport durch Österreich – enthalten sei. Dies sei eine Selbstverständlichkeit. Ungefähr so ist das damals von SPÖ-Klubobmann Kostelka präsentiert worden.

Wenn ich mir anschaue, was Sie heute hier nach der Behandlung des Volksbegehrens vorlegen, so muß ich sagen: Es findet sich darin kein Wort über Atomwaffen. Kein Wort über das Verbot des Transports von Atomwaffen durch Österreich steht da, obwohl das im Volksbegehren in den Punkten 1 und 3 gefordert wurde. Aber Sie haben dieses Volksbegehren offensichtlich so behandelt, wie Sie es immer tun und wie wir es im vorigen Jahr schon öfter erlebt haben: Sie diskutieren darüber, Sie versprechen alles mögliche, vor allem die Sozialdemokratische Partei ist immer sehr schnell dabei, große Versprechungen zu machen, aber wenn es dann um die Umsetzung und um die Verwirklichung der Forderungen geht, kommt irgendeine Erklärung mit mehreren Punkten heraus. In diesem Fall ist es eine Erklärung mit acht Punkten, die zwar alle gut, richtig und wichtig, aber sehr unkonkret und sehr ungenau sind, vor allem in Anbetracht des Umstandes, daß Sie im vorigen Jahr ein Gesetzespaket mit konkreten Umsetzungen und Durchführungen versprochen haben. Davon ist aber nichts vorhanden.

Unter diesen acht Punkten, die Sie hier vorlegen, fehlt jener wesentliche Punkt, in welchem es um Atomwaffen geht. Es fehlt eine klare Absichtserklärung in die Richtung, daß wir uns für das Verbot des Besitzes, der Verwendung, der Herstellung, des Versuches der Ein-, Aus- und Durchfuhr und der Stationierung von Atomwaffen aussprechen. Sie soll auch Bestandteil eines Atomsperrgesetzes sein.

Wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der vorsieht, daß zu den acht Punkten, die Sie im Ausschuß beraten und beschlossen haben, ein neunter Punkt hinzukommt, der das klar formuliert. Wenn es Ihnen ein Anliegen ist, daß es dabei – wie Sie ja auch in Ihrem Ausschußbericht festgestellt haben – nicht nur um die friedliche Nutzung der Kernenergie geht, sondern auch – weil, wie Sie selbst sagen, die Atomwirtschaft sowohl in ihrer militärischen als auch in ihrer sogenannten friedlichen Variante eines der größten Gefahrenpotentiale darstellt – um die Stationierung beziehungsweise Lagerung von radioaktiven Waffen in Österreich, dann kann Sie eigentlich nichts daran hindern, diesem neunten Punkt unseres Entschließungsantrages zuzustimmen. Ansonsten bleibt das, was Sie immer sagen oder Berichten von Ausschüssen voranstellen, wieder einmal nur symbolische Politik und nichts weiter.

Ich möchte nun doch auch auf die Geschichte des Ganzen zu sprechen kommen, die einen interessanten Verlauf hatte: Als das Volksbegehren angekündigt wurde beziehungsweise sozusagen in Einleitung begriffen war, haben Sie offensichtlich im ersten Schreck einen Antrag vorbereitet, in welchem ganz klar stand – die Regierungsfraktionen haben das so formuliert –: "Österreich darf Atomwaffen weder besitzen noch herstellen noch eine Verwendung derselben versuchen." Diesen Antrag haben Sie dann allerdings nicht eingebracht. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen sind Sie davon offensichtlich wieder abgekommen.

Es ist nur eine Schlußfolgerung zulässig, warum Sie davon wieder abgekommen sind, warum Sie von dem eigentlichen Vorhaben abgekommen sind, warum Sie entgegen dem Bericht des Ausschusses, daß es natürlich auch um die Atomwaffen geht, wieder davon abgekommen sind, und diese lautet, daß es da wieder einmal um einen Deal der Koalitionsparteien in der Frage eines zukünftigen NATO-Beitrittes Österreichs ging, um einen Deal in der konkreten Situation, vor allem in der Zeit vom Jänner bis zum März, als Sie koalitionsintern diskutiert beziehungsweise gestritten haben, ob es einen Optionenbericht zum NATO-Beitritt geben soll und wie dieser Optionenbericht ausschauen kann, daß Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, sich wieder einmal Ihren Mumm von der ÖVP haben abkaufen lassen in dem Sinne, daß es keinen Optionenbericht geben wird, in welchem der NATO-Beitritt enthalten ist, wenn Sie im Gegenzug auf den Passus betreffend die Atomwaffen verzichten. Denn es ist klar – und es gibt belegbare Zitate auch aus dem Landesverteidigungsministerium –, daß eine verfassungsmäßige Verankerung des Verbotes des Transports und des Transits von Atomwaffen, das vor allem für den Luftweg relevant wäre, für einen NATO-Beitritt eine genauso große Schranke darstellen würde wie das Neutralitätsgesetz.

Es ist völlig klar, was dahinter steht, welche Interessen ausschlaggebend waren, daß wir heute zwar eine taugliche Vorlage aus dem Umweltausschuß vorliegen haben, aber eigentlich eine wenig zielführende in Anbetracht der Gefahren der Atomwirtschaft im gesamten und nicht nur der sogenannten friedlichen Nutzung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander hat sich in ihren Ausführungen auf einen Entschließungsantrag bezogen, den sie in den Kernpunkten vorgetragen hat. Ich habe infolge des Umfanges des Textes die Vervielfältigung veranlaßt. Der Antrag ist ordnungsgemäß unterzeichnet und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend eine Ergänzung der Entschließung für eine atomfreies Österreich um einen Punkt 9: für ein umfassendes Verfassungs-Verbot von Atomwaffen

Die Entschließung zum Volksbegehren "Atomfreies Österreich" hat die wichtige Frage eines Verfassungsgesetzes zum Verbot von Atomwaffen ausgespart.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung bzw. Fortführung des Ministerratsbeschlusses vom 3. Dezember 1997 auch weiterhin auf internationaler sowie auf nationaler Ebene alle Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der gemeinsamen ablehnenden Haltung gegenüber der Atomenergie zu nutzen.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, betreffend Kraftwerk Mochovce die bereits eingegangenen bzw. in den nächsten Monaten eingehenden internationalen Untersuchungsergebnisse (IAEO-Arbeitsgruppe, IAEO-Mission und Konsortium im Auftrag der Europäischen Kommission) genau zu prüfen sowie auf bi- und multilateraler Ebene auf die Einhaltung international anerkannter Sicherheitsgrundsätze für Mochovce zu bestehen. Die Slowakei ist erneut an ihre Zusage zu erinnern, das Atomkraftwerk Bohunice V-1 ehemöglichst zu schließen. Insbesondere wird die Bundesregierung ersucht, mit der neuen slowakischen Regierung die begonnene energiewirtschaftliche Kooperation zwischen Österreich und der Slowakei in Hinblick auf nichtnukleare Alternativen und einen Ausstieg aus der Kernenergie fortzusetzen.

3. Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Behördenverfahrens zur geplanten Ausweitung des Atommüllagers Dukovany zu der erneut vorgelegten Umweltdokumentation wiederum eine Stellungnahme abzugeben, welche die Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung, insbesondere der Grenzregion, wiedergibt.

4. Der Bundeskanzler, die Bundesministerien für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr und der Bundesminister für Inneres werden ersucht, die Arbeiten der zur Frage des Atomtransports durch Österreich eingesetzten Arbeitsgruppe voranzutreiben und ehemöglichst diesbezügliche Maßnahmen umzusetzen.

5. Die Bundesregierung wird ersucht, an die Vertreter der Tschechischen Republik heranzutreten, um ehestmöglich wirksam werdende Ausstiegsszenarien aus der Atomkraft unter Berücksichtigung der ökonomischen Auswirkungen der Liberalisierung des Strombinnenmarktes einzufordern. Von österreichischer Seite ist dabei der Aspekt der Kostenwahrheit unter vollständiger Einbeziehung der Lebenszykluskosten der Kernenergie einzubringen.

6. Die Bundesregierung wird ersucht, an die Europäische Kommission mit dem Ersuchen in geeigneter Weise heranzutreten, dem Rat Vorschläge für die Bereitstellung entsprechend hoher Mittel für Energiekonzepte, die den Ausstieg aus der Kernenergienutzung insbesondere in den assoziierten Staaten ermöglichen, vorzulegen.

7. Die Bundesregierung wird ersucht, dahin gehend an die Nachbarländer Österreichs heranzutreten, damit diese die ESPOO-Konvention über den grenzüberschreitenden Umweltschutz unterzeichnen bzw. in absehbarer Zeit ratifizieren.

8. Die Bundesregierung wird ersucht, eine weitere Initiative dahin gehend zu setzen, die Nachbarländer Österreichs zur Unterzeichnung bzw. Ratifizierung des im Zusammenhang mit Haftungs- und Schadenersatzverfahren bei Atomunfällen bedeutenden Abkommens von Lugano aufzufordern.

9. Die Bundesregierung wird ersucht, entsprechend ihrer Vorankündigung im "Atompaket" vom 13.11.1997 ein Atomverfassungsgesetz vorzulegen. Dieses Gesetz soll jedenfalls folgende Punkte umfassen: Verbot des Besitzes, der Verwendung, der Herstellung, des Versuches, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, und der Stationierung von Atomwaffen inklusive der Einrichtung entsprechender Infrastruktur.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Oberhaidinger. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.35

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zuerst einige Worte zum bereits mehrmals besprochenen Vierparteien-Entschließungsantrag. Ich bedauere es wirklich sehr, daß die Freiheitliche Partei den bisher, so meine ich, sehr erfolgreichen gemeinsamen Weg sowohl nach innen – gegenüber der Bundesregierung – als auch nach außen verlassen hat. Es gibt sicher eine Reihe von Gründen dafür. Ich glaube aber, daß die bisherige Linie die wichtigste gewesen wäre und es wert gewesen wäre, sie so beizubehalten, wie sie war.

Zu dem Antiatom-Volksbegehren, das meine Vorrednerin, Frau Kollegin Kammerlander, einige Male angesprochen hat, muß ich gegenüber der ÖVP sagen, daß es mir sehr leid tut, daß sich die ÖVP von ihrer Einstellung, Atomkraftwerke seien grundsätzlich böse, aber Atomwaffen seien gut, nicht trennen konnte. Hätte sie das in ihren Reihen zustande gebracht, dann hätten wir heute die Möglichkeit, ein ordentliches Atomsperrgesetz zusätzlich zum Atomhaftungsgesetz zu beschließen.

Es ist nicht so, und wir müssen damit leben, aber ich sage hier ganz klar und deutlich: Freude habe ich mit dieser Haltung keine, und ich glaube, daß durch diese Haltung die Glaubwürdigkeit gegenüber dem Ausland nicht besonders gestärkt wird.

Meine Damen und Herren! Der Beschluß über den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie in Schweden und die sich abzeichnende Entwicklung in Deutschland rücken, glaube ich, den tatsächlich beginnenden Ausstieg aus der Kernenergie zumindest in der Europäischen Union um ein gewaltiges Stück näher. Ich möchte mich daher in meinem Debattenbeitrag mit den energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten, die sich für uns beziehungsweise für die Europäische Union aus diesen Veränderungen ergeben, etwas näher befassen.

Voranstellen möchte ich unsere Zielsetzungen in bezug auf den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie, die nach wie vor unverändert sind und die folgendermaßen lauten:

Erstens: Zumindest kurzfristig müssen westeuropäische Sicherheitsstandards angestrebt werden. Das Verhalten in der Europäischen Kommission und die heute mehrmals zitierten Äußerungen lassen darauf schließen, daß das noch ein hartes Stück Arbeit auf EU-Ebene werden wird, und zwar in bezug auf alle AKWs, sowohl jene in Mittel- als auch jene in Osteuropa.

Zweitens: Wir treten mittel- und längerfristig für einen gesamteuropäischen Ausstieg aus der Kernkraft ein. Dieser ist intensivst anzustreben.

Meine Damen und Herren! Viele, glaube ich, wissen gar nicht, daß derzeit gut ein Drittel des Strombedarfs in der Europäischen Union aus Kernkraft gedeckt wird. Es ist daher, glaube ich, mehr als plausibel, daß alleine schon deswegen ein Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie nicht von heute auf morgen umzusetzen ist.

Ich bin aber der Meinung – und die Entwicklung beweist das ja –, daß ein Ausstieg dennoch machbar ist. Die Energieeffizienz müßte entsprechend gesteigert werden. Hätte ich mehr Redezeit, könnte ich Ihnen jetzt über ein Symposion einer österreichischen Universität zum Thema Energieeffizienz berichten. Diese Studie zeigt zum Beispiel, daß 400 Millionen Schilling jährlich für Heizung und Strom aufgewendet werden. Wenn effizienter gearbeitet würde, könnten rund 60 Millionen Schilling – so die ersten Projektergebnisse – eingespart werden. Also gut 15 Prozent des Energieaufwandes könnten eingespart werden. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten in den Haushalten und im Gewerbe, Energie zu sparen.

Ich denke, wir werden nicht darum herumkommen, daß kurz- beziehungsweise mittelfristig der fehlende Strom aus der Kernkraft durch Strom aus Gaskraftwerken ersetzt wird. Meine Damen und Herren! Der Grund dafür: Es gibt genug Gas. Die Gasversorgung ist bereits flächendeckend. Der Wirkungsgrad der neuen Gasturbinen liegt um einiges über 90 Prozent.

Wissen müssen wir auch, daß die Europäische Union fast die Hälfte ihres Energiebedarfs importiert, und zwar vor allem aus dem Nahen Osten. Die Abhängigkeit der Europäischen Union in bezug auf ihre Energiebedarfsdeckung ist also eine sehr große, und die Tendenz ist nach wie vor steigend. Wenn in diesem Bereich nichts geschieht, dann kann man davon ausgehen, daß im Jahre 2020 etwa zwei Drittel des Energiebedarfs der Europäischen Union – wenn er sich so weiterentwickelt, wie man derzeit abschätzen kann – aus Energieimporten gedeckt werden.

Das macht die EU sehr abhängig und trägt nicht gerade zur krisensicheren Energieversorgung bei. Daher kann die Forderung im Weißbuch zum Thema erneuerbarer Energien nur unterstrichen werden, wonach der Anteil der erneuerbaren Energieträger bis 2010 auf 12 Prozent gesteigert werden sollte. Es wäre wirklich schön, wenn man dem jetzt gegenüberstellen könnte, was wir in Österreich auf diesem Gebiet bisher erreichen konnten. Zeitlich ist das aber leider heute nicht möglich.

Ich meine abschließend, daß wir mit all den Maßnahmen, die wir heute bereits erwähnt haben und die wir auch in Zukunft weiter setzen werden, die Weichen gestellt haben, um einen Teil des nationalen Klimaprogramms umzusetzen und den Energieverbrauch auch in unserem Lande entsprechend zu verringern.

Ich denke, wir sollten diese Chance als Triebfeder für eine neue qualitative Beschäftigungsoffensive nutzen. Gerade im Bereich der Nutzung der erneuerbaren Energieträger gibt es dafür eine Reihe von Beispielen. Auch die Wasserkraft möchte ich dabei nicht ausgeklammert wissen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

13.43

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! (Bundesminister Dr. Michalek hat den Sitzungssaal für kurze Zeit verlassen.) Man hat Sie jetzt alleingelassen. – Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier und heute über ein atomfreies Österreich und über ein möglichst atomfreies Mitteleuropa. Wir Freiheitlichen bedauern sehr, daß vier der anwesenden Parteien in Zukunft einen nicht so harten Kurs gehen wollen, wie das bisher der Fall war. Wir debattieren auch darüber, inwieweit es möglich wäre, AKWs zu schließen, und darüber, daß wir es doch wohl alle nicht haben wollen, daß neue AKWs im Osten gebaut werden. Das muß aber doch bitte auch für Mitteleuropa, und zwar auch für das westliche Mitteleuropa, gelten.

Seit zehn Jahren steht bei uns in Tirol – vor allem in Tirol! – das Gespenst eines neuen AKWs vor der Tür, und zwar des Atomkraftwerks Marienberg. In Bayern, 29 Kilometer von Kufstein und von der österreichischen Staatsgrenze entfernt, gibt es einen geplanten Standort. Seit zehn Jahren ist dieses Projekt in Diskussion.

Bereits 1992 ist es dem freiheitlichen Abgeordneten Dillersberger im Tiroler Landtag gelungen, einen Antrag gegen dieses geplante Atomkraftwerk zu initiieren. Und in den folgenden Jahren sind auch Oberösterreich und Salzburg dieser Intention gefolgt.

Aber nicht nur in Österreich gibt es Initiativen dagegen. Auch auf bayrischer Seite gibt es einige rührige Bürgerinitiativen, die sich im "Aktionsbündnis gegen Atomkraft Rosenheim", AGARO, zusammengeschlossen und ein diesbezügliches Volksbegehren beantragt haben. Und in Tirol, im Bezirk Kufstein, hat es im heurigen Frühjahr, initiiert von einer Bezirkszeitung, eine Unterschriftenaktion gegeben, weil wieder dieses AKW Marienberg zur Sprache gekommen ist. 7 100 Unterschriften konnten in kürzester Zeit im betroffenen Bezirk Kufstein gesammelt werden. Dagegen natürlich!

Es ist in Bayern vor allem die CSU, die – und ich verwende jetzt die Sprache des Aktionsbündnisses gegen Atomkraft – einen "strammen Atomkurs" fährt. Es ist die CSU, die die Option zur Errichtung des neuen Druckwasserreaktors EPR – denn um diesen geht es hier – nicht fallenlassen will und die anscheinend nicht bereit ist, das Projekt Marienberg aus dem Standortsicherungsplan herauszunehmen.

Ich habe daher im Juni dieses Jahres, also vor der bayrischen Landtagswahl, an vier CSU-Abgeordnete in Bayern geschrieben, und zwar an den Herrn Abgeordneten zum Bayrischen Landtag Adolf Dinglreiter, an Frau Abgeordnete Ilse Aigner, an Herrn Abgeordneten Sepp Ranner – beide ebenfalls Abgeordnete zum Bayrischen Landtag – und an Herrn Wolfgang Zeitlmann, Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ich habe auf diese Schreiben auch Antworten bekommen. Der Tenor dieser Antworten war einheitlich. Es wurde erklärt, es bestehe weder eine definitive Bau- noch eine definitive Planungsabsicht. Es gebe derzeit Überkapazitäten von 40 Prozent, und vor dem Jahr 2006 sei nicht daran gedacht, in diesem Bereich neue Wege zu beschreiten. Der Succus war auch, daß all die Debatten, die in der letzten Zeit geführt worden seien, jeder Grundlage entbehrten und daß wieder einmal – vor Wahlen eben – nur Panikmache betrieben werde!

Nun sind die bayrischen Landtagswahlen vorbei. Die CSU hat gewonnen. Und ich habe am 1. Oktober der "Tiroler Tageszeitung" folgendes entnommen: AKW Marienberg doch nicht vom Tisch? Der Vorschlag Österreichs, in den Vertragstext der Alpenkonvention das Verbot neuer Atomkraftwerke aufzunehmen, wurde abgelehnt. – Die betreffende Sitzung hat in Laibach, Slowenien, stattgefunden. Es tauchte wieder das Projekt AKW Marienberg bei Rosenheim auf, und laut Herrn Haßlacher, der dort anwesend war, wurde erklärt, die Absage der bayrischen CSU im Frühjahr sei nicht definitiv gewesen – das war also ein Wahlversprechen! –, und nach Aussagen deutscher Verhandler in Laibach sei das Projekt Marienberg keineswegs vom Tisch.

Ich fürchte, es ist einfach zuwenig, uns nur auf die neuen Beitrittsländer und die Aktivitäten in diesen Ländern zu konzentrieren. Ich glaube, es wäre höchste Zeit, daß wir von Bundesseite, von seiten des österreichischen Parlaments, versuchen, auch auf unsere unmittelbaren Nachbarn einzuwirken und sie zu verbindlichen Verzichtserklärungen zu bewegen.

Ich bedauere es außerordentlich, daß vier Parteien des Nationalrates den bisher äußerst konsequenten Weg verlassen haben, denn das Instrument, das man Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihren Partnern in der Regierung nun in die Hand gegeben hat, ist einfach zahnlos. Es ist nicht einmal eine definitive Absichtserklärung!

Ich glaube wirklich sagen zu können, daß die Österreicher keine neuen Atomkraftwerke brauchen und auch keine wollen und daß es daher im Interesse von uns allen sein muß, alles, was möglich ist, zu unternehmen, statt nur auf das realistisch Machbare zu pochen, wie das heute immer wieder passiert ist.

Ich erwarte mir von Ihnen, Frau Bundesministerin, vom Herrn Umweltminister, vom Herrn Außenminister und vom Herrn Bundeskanzler, daß man sich wirklich mit unserem bayrischen Nachbarn ganz konkret darüber unterhält, was in diesem Bereich zu machen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser – zu dem zum Rednerpult gehenden Abg. Ellmauer –: Eine Minute hast du schon beim Heruntergehen verbraucht, jetzt sind es nur mehr 7 Minuten!)

13.50

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kernenergie ist nicht nur die gefährlichste, sondern auch die teuerste Energieform, vor allem dann, wenn man die Entsorgungskosten, die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Brennstäbe und des radioaktiven Mülls sowie die Stillegungskosten mit einrechnet. Spätestens seit Tschernobyl wissen wir aus eigener Erfahrung, daß die Gefahren von Atomkraftwerken nicht beherrschbar sind. Das Risiko von Atomkraftwerken ist einfach zu hoch!

Angesichts dessen bin ich sehr froh, daß sich die Abgeordneten von vier Parteien unseres Parlaments über einen Entschließungsantrag einigen konnten, auch deswegen, weil wir damit einer Forderung des Oberösterreichischen Landtages nachkommen können. Der Antiatom-Ausschuß war ja im Juni bei uns in Wien, und wir haben in den Besprechungen die Probleme gemeinsam beraten und einige Punkte festgelegt. (Abg. Gaugg: Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten! Der Heiligenschein leuchtet bis hierher! Diese Scheinheiligkeit!) – Herr Kollege! Hören Sie zu! Sie waren ja nicht dabei. Reden Sie nicht drein, wenn Sie nicht dabei waren!

Einer der wichtigsten Punkte ist, ein wirksames Atomausstiegsszenario zu erarbeiten, damit wir es den Beitrittsländern ermöglichen, die Nutzung der Atomenergie hintanzuhalten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Berücksichtigung des Aspekts der Kostenwahrheit bei der Nutzung der Atomenergie. Es sollen die Lebenszykluskosten der Kernenergieelemente vollständig in die Bewertung der Kostenwahrheit miteinbezogen werden. Auch das heute auf der Tagesordnung stehende Atomhaftungsgesetz geht in Richtung Atomkostenwahrheit.

Österreich soll weiters den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder zum Espoo- und zum Lugano-Abkommen einfordern. Damit hätten wir Parteienstellung bei Genehmigungsverfahren beziehungsweise Schadenersatzrechte. Natürlich soll auch die vorliegende Entschließung die bisherige Anti-Atomlinie Österreichs bekräftigen und zur Fortführung anregen. Genau deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, verstehe ich nicht, warum Sie diesem Antrag im Ausschuß nicht beigetreten sind.

Sie verlangen gegenüber den AKW-betreibenden Beitrittswerbern eine Junktimierung, das heißt, Sie wollen den EU-Beitritt der betreffenden Länder von deren Ausstieg aus der Atomenergie abhängig machen. Bedenken Sie, daß diese Forderung auch kontraproduktiv sein kann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen gerne klarmachen, daß der Nichtbeitritt eines AKW-betreibenden Landes zur Europäischen Union die Chancen auf einen Ausstieg aus der Atomenergie eher verringern als steigern würde, und zwar vor allem aus ökonomischen Gründen.

Nun, da das tschechische Außenministerium bis Jahresende 1998 einen Bericht über die außenpolitischen Konsequenzen einer allfälligen Inbetriebnahme des AKW Temelin zu erstellen hat, bringe ich folgenden weiteren Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Oberhaidinger, Dr. Gabriela Moser, Mag. Barmüller und Kollegen im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Umweltausschusses über das Volksbegehren "Atomfreies Österreich" (1066/1402 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem tschechischen Außenministerium in Hinblick auf den von diesem bis Jahresende 1998 zu erstellenden Bericht über die außenpolitischen Konsequenzen einer allfälligen Inbetriebnahme des AKW Temelin folgenden Standpunkt Österreichs zu übermitteln: Österreich tritt aufgrund der nach wie vor bestehenden erheblichen Sicherheitsbedenken und der ökonomischen Fragwürdigkeit des Projektes im Hinblick auf die Liberalisierung des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes für einen Baustopp des AKW Temelin ein.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, die Position nicht nur bilateral, sondern auch im Rahmen des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union zu vertreten und dabei verbindlich für die Erstellung von Atomausstiegskonzepten und die Schaffung von entsprechenden EU-Kreditinstrumenten einzutreten."

*****

Im übrigen zeigt es sich, daß Österreich mit seiner Vorgangsweise, die nukleare Sicherheit in den Bewerberländern zu einem wichtigen Thema zu machen und nicht zu drohen, erfolgreich war. Wir alle wissen, daß letzten Donnerstag im EU-Ministerrat eine Mitteilung der Kommission beschlossen wurde, in der darauf hingewiesen wird, daß die Slowakei zwei Reaktoren im AKW Bohunice schließen muß.

Prinzipiell bin ich der Überzeugung, daß der Weg, den wir beschritten haben, und unsere Position, die wir weiterhin vertreten werden, auf internationaler Ebene richtig sind, auch im Hinblick auf Mochovce und Temelin. Richtig wird es auch sein, diese Bemühungen in Zukunft weiter zu verstärken.

Ich bedanke mich von dieser Stelle aus bei Herrn Bundesminister Bartenstein, bei Ihnen, Frau Bundesministerin Prammer, und bei Herrn Außenminister Schüssel, die auf EU-Ebene vehement sowohl gegen Temelin als auch gegen Mochovce auftreten und diese Angelegenheit nicht nur bilateral betrachten, sondern sie auf die europäische Ebene gehoben haben. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß im Umweltausschuß vereinbart wurde, im November dieses Jahres eine österreichische Parlamentarierdelegation nach Tschechien zu entsenden, die die Situation mit den zuständigen Stellen erörtern soll. Außerdem sollte man bei der EU erreichen, daß ein künftiger Schwerpunkt die Erforschung und die Forcierung alternativer Energiequellen darstellt, um den mittel- und osteuropäischen Ländern eine echte Alternative zu den bestehenden Atomkraftwerken anbieten zu können.

Durch neue Ansätze in der Energiepolitik könnten auch zusätzliche beschäftigungspolitische Effekte ausgelöst werden. Ein zukunftsorientiertes Energiesystem, das auf heimische, erneuerbare Energieträger und bessere Energieeffizienz setzt, würde dazu führen, daß die Ausgaben der Bürger für Energiedienstleistungen verstärkt im Inland blieben und damit die Wertschöpfung im Inland sicherten.

Zurzeit verdrängen nicht erneuerbare Energieträger die ökologischen, heimischen Energieträger, wie zum Beispiel Holz. Dabei sind im heimischen Wald in den letzten Jahrzehnten 40 Millionen Kubikmeter Durchforstungsholz ungenutzt geblieben. Auch der Vorschlag von Bundesminister Molterer, den dieser gestern in Gmunden unterbreitet hat, ist in diesem Zusammenhang sehr interessant. Würde man zum Beispiel dem Dieseltreibstoff in Zukunft 2 Prozent Biodiesel beimengen und dies steuerlich entlasten, dann würden dem Finanzminister etwa 80 bis 100 Millionen Schilling an Einnahmen entgehen. Für die Konsumenten gäbe es keine Verteuerung. Diese Maßnahme hätte jedoch den Effekt, daß zusätzlich 45 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche bebaut werden könnten. Die Biomasse hilft, den ländlichen Raum abzusichern, und bringt ein hohes Beschäftigungspotential mit sich.

Ich ersuche daher die Bundesregierung, die positiven Entwicklungen, die es bereits gibt, in Richtung der Förderung erneuerbarer Energieträger und gegen die Nutzung von Kernenergie weiter voranzutreiben, sodaß mit den in unseren Entschließungsanträgen angeführten Punkten dem Ziel eines kernenergiefreien Mitteleuropas so bald wie möglich zumindest einen Schritt nähergekommen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Ellmauer verlesen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterzeichnet, wurde dem Präsidium überreicht und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Ich erteile jetzt das Wort ... – Herr Bundesminister Dr. Michalek, haben Sie sich jetzt zu Wort gemeldet? (Abg. Dr. Gredler, die ans Rednerpult treten will, bemerkt, daß Bundesminister Dr. Michalek das Wort ergreifen will, und überläßt ihm mit scherzhaft übertrieben höflichen Gesten den Vortritt. – Bundesminister Dr. Michalek wiederum möchte ihr den Vortritt überlassen. – Heiterkeit.) – Zuviel der Höflichkeit!

Herr Bundesminister Dr. Michalek ist jetzt zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.59

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debattenbeiträge aus dem Plenum durch einen Beitrag von der Regierungsbank aus unterbrechen und noch einige Worte zum Atomhaftpflichtgesetz aus der Sicht des Justizressorts sagen, in dessen Zuständigkeit es ja gehört und von dem sowohl der Begutachtungsentwurf als auch die Regierungsvorlage ausgearbeitet wurde.

Für uns bestand kein Zweifel darüber, daß das Atomhaftpflichtgesetz 1964 trotz der Beseitigung gewisser grober Mängel durch die Erweiterte Wertgrenzennovelle 1997 aus vielerlei Gründen unbefriedigend ist.

Vor allem läßt sich das Ziel des seinerzeitigen Gesetzes, nämlich die Förderung der nuklearen Wirtschaft im Wege zahlreicher zivilrechtlicher Haftungsbeschränkungen, vor dem Hintergrund der ablehnenden Haltung Österreichs gegenüber der Nutzung der Kernenergie nicht mehr aufrechterhalten. In einem Land, das sich von der nuklearen Energieerzeugung schon vor Jahrzehnten abgewendet hat und in dem die Atomkraft weder gesellschaftlich noch politisch akzeptiert wird, macht eine Regelung keinen Sinn, die eben diese Akzeptanz voraussetzt.

Auch wenn man die in der Regel grenzüberschreitenden Dimensionen nuklearer Unfälle vor Augen hat, ist es aus der Sicht der österreichischen Anti-Atompolitik nur logisch, wenn die haftungsrechtlichen Privilegien der Nuklearwirtschaft abgeschafft werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Kernelemente des Entwurfes wurden bereits erwähnt: drastische Verschärfung der Haftung für nukleare Anlagen und Transporte, Beseitigung der Haftungshöchstgrenzen, Haftung nicht nur für Störfälle, sondern auch für den Normalbetrieb, Haftung auch für Umweltbeeinträchtigungen, wenn sie, was aber wohl die Regel sein wird, mit einem Schaden an einer körperlichen Sache verbunden sind, Haftung für vorbeugende Maßnahmen – denken Sie an Evakuierungen großflächiger Art –, Erleichterung des Kausalitätsnachweises und der Auskunftsrechte des Geschädigten sowie Verschärfung der Versicherungspflichten. Vor allem aber wird – und das ist, wie zu Recht gesagt wurde, der eigentliche Kernpunkt der Neuregelung, von dem sich vieles konsequent ableitet – von der an internationalen Übereinkommen orientierten bisherigen Kanalisierung der Haftung abgegangen.

Der grenzüberschreitenden Dimension von nuklearen Unfällen trägt unser Vorschlag auch durch spezifische Regelungen über den Gerichtsstand und über das anzuwendende Recht Rechnung. Österreichische Geschädigte können sich daher in Zukunft aussuchen, ob sie ihre Ansprüche vor einem österreichischen oder vor einem ausländischen Gericht geltend machen. Damit steht ihnen quasi die Wahl zwischen dem österreichischen Recht und einem allenfalls günstigeren ausländischen Recht frei. Auch wenn die Durchsetzung österreichischer Urteile international derzeit auf gewisse Schwierigkeiten stoßen mag, sehe ich darin keinen Grund, die materiellen Ansprüche des Geschädigten überhaupt zu negieren.

Insgesamt meine ich, daß der Entwurf einen grundlegenden Wandel im Bereich der Atomhaftung vorsieht. Er trägt den unabwägbaren Risken der atomaren Energieerzeugung Rechnung, er stellt aber – anders als das geltende Atomhaftpflichtgesetz und auch anders als die internationalen Übereinkommen – den Geschädigten und die geschädigte Umwelt in den Vordergrund der Regelung. Damit trägt er zu einer bemerkenswerten Neugewichtung im Schadenersatzrecht bei, zu einer Umorientierung, die anderen Ländern ebenso wie der Staatengemeinschaft als Beispiel und Vorbild dienen kann.

Gerade auch wegen der grenzüberschreitenden Dimensionen von Atomunfällen haben wir es uns mit dem Reformvorhaben gewiß nicht leichtgemacht. Die Erläuterungen der Regierungsvorlage geben ein beredtes und von manchen kritisiertes Zeugnis dafür ab, daß alle Für und Wider der Reform eingehend bewertet worden sind.

Wenn sich der Nationalrat in Kenntnis aller dieser Argumente für die Neugestaltung des atomaren Haftungsrechts im Sinne der Regierungsvorlage ausspricht, dann ist das in erster Linie doch auch ein politisches Signal; ein Signal, das, wie wir hoffen, auch auf internationaler Ebene auf fruchtbaren Boden fallen und dort einen Anstoß zu einem Umdenken im nuklearen Haftungsrecht bieten wird. Für die Wirkung dieses Signals erscheint es mir nicht zuletzt auch wesentlich, daß der Nationalrat das neue Atomhaftungsgesetz – wie ja schon im Justizausschuß – auch heute einstimmig verabschiedet. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP und bei den Grünen.)

14.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.05

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Es war mir eine Ehre, Ihnen lauschen zu dürfen und erst nachher zu Wort zu kommen, da Sie sehr stark auf die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Atomkraftwerkdisastern Bezug genommen haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auf den Antrag Anschober beziehen, der heute mitbesprochen wird, betreffend Finanzierung der Kernkraftwerke durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Das war ein brennendes Problem, als ich im Europäischen Parlament war, weil die Ukraine eigentlich alle in Geiselhaft genommen und gesagt hat, sie sperrt das Kernkraftwerk Tschernobyl wieder auf, wenn keine Lösung für ihre energetischen Probleme gefunden wird. Und diese Lösung hat man seitens der Ukraine auch gleich vorgegeben: Sie sollte den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken beinhalten, nämlich Rovno und Chemlnitzky, die dem Typ entsprechen, der an unserer Grenze zu finden ist. Wir waren ja schon sehr aktiv, um das Atomkraftwerk Mochovce zu verhindern.

Aber das, was mir wirklich mißfallen hat, ist, daß es ein G 7-Treffen gegeben hat, bei welchem beschlossen worden ist, daß die Europäische Union zur Finanzierung beizutragen hat, um diese neuen Atomkraftwerke in der Ukraine zu bauen. Es hat sich gezeigt, daß kalorische Kraftwerke in dieser Umgebung günstiger gebaut werden könnten und noch dazu nicht das Risiko beinhalten, das natürlich ein Atomkraftwerk mit sich bringt. Der damalige Bundeskanzler Vranitzky hat aufgrund meiner Intervention noch einmal Kontakt mit den Beamten Österreichs in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung aufgenommen und Weisung gegeben, daß keine Finanzierungen zu unterstützen seien, die in diese Richtung gehen.

Nur: Jetzt gibt es eine neue Situation aufgrund einer sich abzeichnenden Regierung in Deutschland. Die Atomachse Deutschland – Frankreich wird es im bisherigen Ausmaß nicht mehr geben. Wir haben wahrscheinlich die Möglichkeit, jetzt eine neue Dynamik auf der europäischen Ebene zu erreichen, eine Dynamik, die weitaus mehr Impulse bringt als das, was bis jetzt erreicht worden ist. Es wird der Schwerpunkt auf die erneuerbaren Energien zu legen sein, darauf, von der Atomenergie abzugehen.

Von meinem Vorredner Barmüller wurden die Finanzierungsmöglichkeiten von Forschungen bereits hinreichend dargestellt, und daß es da ein weit höheres Ausmaß einer Umschichtung in der EU geben sollte als bisher. Aber es geht mir auch darum, mehr Transparenz zu erzielen und mehr Druck auf Frankreich auszuüben. Frankreich ist mittlerweile sozusagen der Fels in der Brandung geworden, was die Atomlobby betrifft. In Frankreich gibt es Kontakte, die Sie wahrscheinlich viel besser ausnützen können, als es Liberale tun können, weil in der Regierung eben Sozialdemokraten vertreten sind. Deshalb würde ich darum bitten, daß die Parlamentarier auf parteipolitischer Ebene aktiv werden, um die Franzosen, die im EU-Parlament sitzen, in Geiselhaft zu nehmen. Es ist unerträglich, zu wissen, daß wahrscheinlich die französische Atomlobby Mitarbeiter in Büros von europäischen Parlamentariern bezahlt – und was weiß ich, was die noch bezahlt. Diese Lobby hat eine Macht, die nur dadurch zu konterkarieren ist, daß auf parlamentarischer Ebene Zusammenhalt besteht. Im Gegensatz zur "F", die da offensichtlich nicht einen österreichischen Zusammenhalt einmahnt, mahne ich einen solchen ein.

Wir sollten alle Kanäle, die wir haben, nützen. Wir müssen auf der einen Seite das Problem mit der Ukraine lösen, und wir sollten nicht diese Drohung akzeptieren, die damals von seiten der Ukraine ausgesprochen worden ist, nämlich daß man Tschernobyl wieder eröffnen werde. Wir haben auf der anderen Seite auch unsere Möglichkeiten innerhalb der Europäischen Union entsprechend zu nutzen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ und bei den Grünen.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Hohes Haus! Über 30 Prozent des Stroms wird durch Kernenergie erzeugt, und dieser hohe Anteil an der Gesamtstromversorgung trägt dazu bei, daß wir täglich ausreichend Strom zu vertretbaren Preisen haben. Zudem, glaube ich, sind die Vorteile der Kernenergie auch unter Umweltgesichtspunkten nicht von der Hand zu weisen, denn je nach angenommener Ersatzenergie vermeidet die Kernenergie ja bis zu 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und trägt somit erheblich dazu bei, unser Ziel zu erreichen, den CO2-Ausstoß um 25 Prozent bis zum Jahre 2005 zu verringern. (Abg. Ing. Langthaler: Sind Sie jetzt für die Kernenergie?) Ich warte auf den Aufschrei! Die Kollegin Langthaler kann es nicht fassen. – Ich habe nur die bisherige deutsche Bundesministerin für Umweltschutz, Angela Merkel, zitiert, und zwar aus einer wunderschönen Broschüre, die ich mir auf der ENVITEC in Düsseldorf mitgenommen habe, und ich bin eigentlich froh darüber, daß diese Zeit in Deutschland offensichtlich vorbei ist. Da heißt es etwa im "Spiegel" in einem Artikel: Schnell, aber verträglich soll der Ausstieg aus der Kernenergie sein. So der neue Plan von Gerhard Schröders Experten.

Es zeichnet sich also auch in Deutschland, so wie in vielen anderen europäischen Ländern, zumindest ein rosaroter Himmel in bezug auf die Atompolitik ab. – Ich habe meine Meinung nicht geändert. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste und wichtigste Botschaft dieses hier diskutierten Berichtes lautet: Österreich wird seine aktive Anti-Kernkraftwerkspolitik mit hoher Intensität fortführen. Das heute zu beschließende Atomhaftungsgesetz setzt dazu auch, so meine ich, neue internationale Maßstäbe.

Zweite und kontinuierliche Botschaft: Österreich ist es gelungen, die Kernkraftwerkspolitik zu einem internationalen und europäischen Thema zu machen. Der Sicherheit der osteuropäischen Kernkraftwerke wird hinsichtlich der Beitrittskandidaten nunmehr auch von seiten der Kommission und des EU-Parlaments hohe Priorität eingeräumt.

Dritte und, so meine ich, erfreulichste Botschaft: Unsere Ansicht, daß es zu einem mittel- bis langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie kommen muß, setzt sich in der Europäischen Union immer mehr durch.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sieben Staaten der Europäischen Union verzichten bereits jetzt auf die Kernkraft, und auch Schweden hat den mittelfristig endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahre 2010 beschlossen. Deutschland habe ich soeben angezogen – dort schaut es sehr erfreulich aus –, und auch in Frankreich gibt es unter der neuen Regierung durchaus positive Signale.

Der Ausstieg aus der Kernkraft, nicht nur in Mitteleuropa, sondern in Gesamteuropa, ist machbar, und ein – aus meiner Sicht erfreulicherweise – schon weitgehend sozialdemokratisch geführtes Europa, wie wir es derzeit vorfinden, wird diesen Ausstieg – da bin ich ganz sicher – entscheidend vorantreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Drei Problemfelder sind für mich derzeit aktuell:

Zunächst Temelin. – Gespräche auch mit der neuen Regierung werden ja bereits in den nächsten Tagen aufgenommen. Frau Bundesministerin Prammer wird in Prag sein, und wir werden auch – und da wird sich unser Ausschußvorsitzender sehr bemühen – einen Gesprächstermin mit tschechischen Parlamentariern haben. Dabei werden Sicherheitsüberlegungen durchaus auch betriebswirtschaftlich zu unterstützen sein.

Gestatten Sie mir einen Hinweis: Ich habe den Entwurf "Kernenergiepolitik-Fortschrittsbericht" zu unserer Entschließung vom 10. Juli gelesen, einen sehr erfreulichen Bericht. Nur eine Anmerkung, meine Damen und Herren von der Regierung: Die Bundesregierung wurde ersucht, eine ökonomische Bewertung der Kernenergie vorzunehmen. In diesem Bericht aber heißt es, angesichts prioritär anderer Aufgaben und begrenzter budgetärer Mittel mußte diese Aufgabe zurückgestellt werden; es wird aber eine solche Studie in Aussicht gestellt. – Ich glaube, an den Mitteln für eine so wichtige Studie dürfte es eigentlich nicht fehlen, und ich rege an, diesen Punkt sehr bald umzusetzen.

Der zweite Punkt betrifft das Kernkraftwerk Dukovany. Ich bin der Meinung, wenn wir Temelin verhindern, ergibt sich auch keine Notwendigkeit für die Fertigstellung von Dukovany.

Mochovce ist natόrlich eines unserer Hauptprobleme. Auch da sind wir dran, und ich wittere auch in der Wahlniederlage von Mečiar eine Chance, unsere Meinung verstδrkt durchzusetzen.

Ich möchte auch ganz klar sagen: Ich glaube, daß die Slowakei, wenn sie Mitglied der Europδischen Union werden will – und es war ja bei Mečiar όberhaupt nicht sicher, daί er das wollte –, ihre Kernkraftpolitik entscheidend wird δndern mόssen, und wir wollen sie dabei gutnachbarschaftlich unterstόtzen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist uns durch unsere strikte, aber im Gegensatz zu manchen Oppositionsparteien realistische Haltung in der Kernkraftpolitik in den letzten beiden Jahren sehr vieles gelungen. Jetzt heißt es, nicht lockerzulassen, fortzufahren mit Konsequenz, mit Hartnäckigkeit, nicht unbedingt mit dem von meinem Kollegen Schweitzer so sehr gewünschten Holzhammer, aber mit einer Einigung, die sich leider bei dieser Entschließung nur noch auf vier Parteien beschränken würde. Dann werden wir das Ziel eines gesamteuropäischen und nicht nur eines mitteleuropäischen Ausstiegs aus der Kernkraft auch erreichen. Für dieses Ziel wollen wir Sozialdemokraten – und sollten wir alle – gemeinsam arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.17

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir feiern in wenigen Wochen in diesem Land ein Jubiläum: Am 5. November 1978, also vor rund 20 Jahren, fand in Österreich die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf statt, und natürlich ist es erfreulich, daß heute hier ganz anders geredet wird, vor allem auch von seiten der sozialdemokratischen Fraktion, als damals, vor 20 Jahren, vor dieser wirklich historischen Abstimmung.

Es gibt aber noch immer eine nicht nur etwas widersprüchliche österreichische Politik zu diesem Thema, sondern es gibt nach wie vor sehr viele, sehr finanzstarke Lobbies, die ein Ziel verfolgen, das offensichtlich nicht – und Gott sei Dank nicht! – der Mehrheit dieses Hauses und nicht der Mehrheit der Regierung entspricht.

Vor wenigen Wochen – Frau Ministerin, das wäre für Sie auch interessant gewesen, ich möchte nur kurz davon berichten – fand in Wien in einem Hotel eine Veranstaltung der europäischen Atomlobbyorganisation "Framatom" statt, die jetzt auch eine Organisation beziehungsweise einen Ableger in Österreich hat – interessanterweise mit der fast identischen Anschrift wie die Energieverwertung in Niederösterreich. Ich weiß nicht, ob das ein Zufall ist. Jedenfalls haben sie gemeinsam als Atom-Lobbyisten in Wien eine Veranstaltung zum Thema: Wie kann die Atomkraft zur Verringerung des Klimaproblems beitragen? oder so ähnlich durchgeführt. Was wir dort gehört haben, war unfaßbar. Man hat gedacht, es sei die Zeit stehengeblieben. Es wurde erzählt, daß es kein Risiko gebe, daß man jetzt tatsächlich diese Technologie endgültig im Griff habe und daß dem nichts entgegenstehen würde, jedenfalls technologisch, außer offenbar ein paar politischen Träumern, daß man nicht sowohl in West- als auch in Osteuropa eine Großoffensive auf neue Atomkraftwerke starten könnte.

Was ich damit demonstrieren möchte, ist, daß nicht nur in Osteuropa, sondern selbstverständlich auch in Westeuropa einige wirklich finanzkräftige Organisationen nach wie vor nicht nur Projekte am grünen Tisch planen, sondern ganz konkret und mit ganz starken Lobbies versuchen, die Regierungen entsprechend zu beeinflussen. Und da hat natürlich das Wahlergebnis in Deutschland, was die europäische Entwicklung angeht, zu einer drastischen Veränderung und einer ganz neuen Situation geführt.

Frau Ministerin! Was wir Ihnen heute vorwerfen müssen, ist, daß Österreich in seiner Prioritätenliste bei der EU-Präsidentschaft die Frage der Anti-Atompolitik, des Ausstiegs aus der Atomkraft nicht ganz oben gereiht hat. Ich kann als wirklich sehr rege Medienkonsumentin und Zuhörerin bei den Aktivitäten österreichischer Regierungspolitiker in diesem halben Jahr der Präsidentschaft nicht erkennen, wo genau Ihre Ansätze sind, Bündnispartner zu finden. Ich gebe Ihnen ja recht, daß das dringend notwendig ist, denn Österreich als Land mit 8 Millionen Einwohnern wird es nicht schaffen, dieser Großoffensive, die es nach wie vor gerade von der deutschen und der französischen Atomindustrie gibt, etwas Signifikantes entgegensetzen zu können.

Erst vor kurzem hat beispielsweise in London die EBRD ein Seminar über mögliche Kredite für osteuropäische Atomkraftwerke abgehalten. Der ukrainische Umweltminister, der auch anwesend war, hat ganz offen zugegeben, er würde natürlich andere Technologien auch nehmen, aber bisher wurde ihm lediglich für die zwei Reaktorblöcke K2-R4 Geld versprochen – es handelt sich in diesem Fall um kein Fleckputzmittel und auch nicht um einen Berg, sondern das sind zwei sich an verschiedenen Stellen in der Ukraine befindliche Reaktorblöcke. Dafür hat nun die EBRD jedenfalls einen Kredit in der Höhe von 200 Millionen US-Dollar Aussicht gestellt, das Bürgerbeteiligungsverfahren ist dort angelaufen, während die Energieeffizienzprogramme für die Ukraine im gleichen Ausmaß nun einmal auf Eis gelegt worden sind.

Herr Dr. Luschin ist ein sehr engagierter Vertreter in der EBRD. Dennoch ist es notwendig, Frau Ministerin, sich auch in den nächsten Monaten ganz gezielt anzuschauen, wer da dahintersteckt. Das sind vor allem deutsche und französische Atomenergiekonzerne, die von der Politik zweifellos nicht mehr jenes "Backing" haben, das sie noch vor wenigen Jahren hatten. In Frankreich gibt es eine Regierung der linken, progressiven Hälfte mit grüner Beteiligung, das wird es auch bald in Deutschland geben. Das sind ganz klare Signale dafür, daß man auf europäischer Ebene zweifellos eine Änderung hervorrufen kann.

Frau Ministerin! Am 13. Oktober wird in Brüssel über das nächste vierjährige Forschungsprogramm entschieden, und zwar über den Bereich der Energie- und Nuklearforschung. Derzeit laufen 50 Prozent in den Bereich Nuklearforschung. Auch das ist ein ganz konkreter Punkt, bei dem man ansetzen muß, um die Töpfe endlich anders zu finanzieren.

Ich hoffe, daß Sie, wenn Sie in Prag mit Ihrem Amtskollegen über Temelin diskutieren, nicht denselben Satz sagen werden, den unser Bundeskanzler in Österreich in den Medien verlautbart hat. In diesen war nämlich zu lesen, daß Bundeskanzler Klima Temelin zur Kenntnis nehmen würde. Es war den Medien auch mehr oder weniger zu entnehmen, daß es vorrangig darum gehe, westliche Sicherheitsstandards zu erreichen.

Das ist die falsche Strategie. Wir haben bei Mochovce gesehen, daß sie zu geringem Erfolg führt. Das Signal muß ganz klar sein, daß in Temelin nicht nur ein Baustopp stattfindet, sondern daß wir auch dazu bereit sind, Alternativen mitzufinanzieren. Von einem Junktim mit einer möglichen EU-Mitgliedschaft von Tschechien halte ich überhaupt nichts.

Ich gebe allerdings Frau Abgeordneter Haller – sie ist nicht mehr im Saal – recht. Sie hat vorhin gemeint, man müsse sich nicht nur mit osteuropäischen Ländern auseinandersetzen, sondern auch mit anderen Ländern, zum Beispiel Deutschland; das ist richtig. Gerade aus diesem Grunde, weil auch in Deutschland nach wie vor Atomkraftwerke projektiert sind, wäre es falsch, sich nur auf Osteuropa zu konzentrieren, und es wäre in diesem Zusammenhang völlig falsch, das mit einer EU-Mitgliedschaft zu junktimieren.

Was man aber tun muß, ist – ich komme abschließend auf das Atomhaftungsgesetz zu sprechen –, die rechtliche Voraussetzung von den Beitrittswerbern einzumahnen. Ich halte dieses Atomhaftungsgesetz, so wie wir es heute beschließen werden, für einen großen Fortschritt, vor allem dann, wenn man sich die derzeit international geltenden Konventionen ansieht. Egal, ob es sich um die Pariser oder die Wiener Konvention aus dem Jahre 1960 beziehungsweise aus dem Jahre 1963 handelt, sie sind völlig inakzeptabel und tragen ganz klar die Handschrift der IAEO, die sie damals auch entworfen hat.

Daß Österreich nach unserem Gesetz ein Gerichtsstandort wird, und daß bei einem grenzüberschreitenden Unfall in Österreich der in Österreich entstandene Schaden eingeklagt werden kann, ist ein Fortschritt. Es wird nicht genügen, daß nur Österreich das erreicht hat, aber es ist ein gutes Signal für die Beitrittsländer. Es ist in dem Entschließungsantrag, der heute von vier Parteien beschlossen wird, auch erwähnt, daß das Abkommen von Lugano entsprechend umgesetzt werden muß. Man kann für die Beitrittskandidaten schon auch junktimieren, daß, wenn die Tschechische Republik oder die Slowenische Republik der EU beitreten wollen, es eine Bedingung ist, dieses Abkommen zu übernehmen und zu ratifizieren. Bei möglichen Gefahren ist dann ein ganz klarer Schadenersatz einzuklagen.

Ich bin überzeugt davon, daß das Haftungsrecht Präventivwirkung haben kann und wird. Das hat man in den USA gesehen. Da ist man nicht aus ökologischen Gründen aus der Atomkraft ausgestiegen, sondern aus beinharten ökonomischen Gründen. Wenn man endlich aufhört, die Atomkraft zu subventionieren, so wie es teilweise noch im großen Stil in Europa funktioniert, wenn endlich die wahren Kosten der Atomkraft miteingerechnet werden, und zwar sowohl im Bereich der Schadenersatzregelungen mit Rückstellungen als auch im konkreten Strompreis, dann rechnet sich die Atomkraft schlicht und einfach nicht mehr, dann wird es weltweit einen Ausstieg geben.

Das österreichische Atomhaftungsgesetz wird heute ein kleiner Beitrag dazu sein, und ich freue mich sehr, diesem zustimmen zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.26

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem kurzen Debattenbeitrag mit der Regierungsvorlage zum neuen Atomhaftungsgesetz 1999 beschäftigen.

Ich glaube, es ist in mehrerer Hinsicht ein bemerkenswertes Werk, das uns hier vorliegt, auch wenn die unmittelbare Betroffenheit für Österreich aufgrund der nicht vorhandenen Kernkraftwerke vielleicht weniger dramatisch ist. Aber dennoch, es hat gewisse Vorwirkungen, die ich erwähnen möchte.

Meiner Meinung nach ist das bisherige Atomhaftpflichtgesetz aus dem Jahre 1964 völlig überholt. Wir sind uns alle darüber einig, daß die heutigen technischen, wissenschaftlichen, rechtlichen und umweltpolitischen Rahmenbedingungen ganz andere sind und man darauf reagieren muß.

Ich glaube aber, daß sich dieses Haus mit dieser Problematik auch schon ausreichend auseinandergesetzt hat. Nicht umsonst gab es zwei Entschließungsanträge dazu – vom 9. Februar 1995 und vom 10. Juli 1997 –, die das alles bereits aufgearbeitet haben. Jetzt liegt uns ein Ergebnis vor, und ich möchte auf drei kurze Bereiche eingehen, die meiner Meinung nach in der rechtspolitischen Dimension dieses Gesetzeswerkes bemerkenswert sind.

Der eine Bereich betrifft den § 6: die Sicherstellung. Sicherstellung etwa für jemanden, der eine Kernanlage in Österreich betreibt – dieser Anwendungsbereich wird nicht sehr umfangreich sein –, Sicherstellung auch für jemanden, der verstrahltes Material, Kernmaterial durch Österreich transportieren will. Die Sicherstellung ist deshalb bemerkenswert, weil sie mit einer Versicherungspflicht in einer bemerkenswerten Höhe gekoppelt ist: 5,6 Milliarden Schilling für jemanden, der eine Kernanlage betreiben will. Das ist natürlich für mögliche Schäden nicht das allermeiste, aber doch eine Summe, die auch zu einer Versicherungsleistung und zu einer gewaltigen Beteiligung und Prämie führt. 560 Millionen Schilling für jemanden, der Kernmaterial transportieren will! Das bedeutet schon, daß dadurch auch eine Haftungssumme aufgebaut wird, die wirklich zu einer Deckung von allfälligen finanziellen Ansprüchen führen könnte.

Ich halte das auch im Hinblick auf eine internationale Vorbildwirkung für bemerkenswert. Wir wollen doch alle, daß wir in der internationalen Staatengemeinschaft zu einer Regelung kommen, die diese Situation auch international verbessert.

Was für mich aus juristischer Sicht interessant ist, sind die Bestimmungen der §§ 11 und folgende. Es wird bei der Verursachung durchaus zu Recht darauf verwiesen, daß – es ist dies eigentlich eine neue Art, die wir im Schadenersatzrecht nicht kennen – der Verursacher nicht eindeutig so nachgewiesen werden muß, daß man die Ursache-Wirkung-Prinzipgestaltung auch eindeutig nachweisen muß, sondern daß das Prinzip der Wahrscheinlichkeit genügt. Das ist rechtspolitisch interessant, denn dies bedeutet, man hat nur nachzuweisen, daß es wahrscheinlich ist, daß der Schaden darauf zurückzuführen ist. Da muß man, wenn man auf Wahrscheinlichkeit eingeht, wahrscheinlich auf die Typik zurückgreifen. In solchen Fällen sind jedoch praktische Anwendungsbeispiele kaum in der Rechtsordnung zu finden, und man wird sich schwertun, im Sinne dieses Tatbestandes auf diese Typik zurückgreifen zu können.

Letzte Anmerkung: die Frage der Geltendmachung eines Schadens nach österreichischem Recht, auch wenn sich der Schädiger nicht in Österreich befindet und möglicherweise auch eine ausländische Anlage einen Schaden verursacht hat.

Das ist für den Betroffenen sicher eine positive Angelegenheit. Die Frage der Rechtsdurchsetzung muß man daran anschließen. Auch mit einem österreichischen Urteil heißt das noch nicht, daß man tatsächlich zu einer Leistung kommt. Das müssen wir, glaube ich, auch in der Richtung sehen, daß dieses Gesetz eine Vorbildwirkung haben soll, daß es aber nicht daran scheitern soll, daß wir uns international dafür einsetzen, zu einer internationalen Konvention zu kommen, die solche Schadensfälle auch wirklich regelt. Das wäre auch für Betroffene in Österreich der bessere und im Sinne der Erfolgschancen des Prozesses auch der wichtigere Weg. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Wenitsch. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.31

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Minister! Es ist meiner Meinung nach besorgniserregend, mit welcher Naivität in diesem Land manches angegangen wird. Ich habe gerade von Ihnen erwartet – nach Ihrem Reinfall beim Hormonfleischskandal –, daß Sie in Zukunft doch etwas überlegter handeln werden.

Ich glaube, in der Sache der Atomkraftwerke gibt es wirklich nur eine sinnvolle und mögliche Lösung – den Antrag der Freiheitlichen –, daß nämlich Dinge wie die Frage der Atomstromerzeugung in die Beitrittsverhandlungen mit den beitrittswerbenden Ländern natürlich im Mittelpunkt stehen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Ich meine, wenn wir die Chance, die wir jetzt haben, nicht beim Schopf packen, wird es uns so ähnlich gehen wie vor dem EU-Beitritt in der Frage des Transitverkehrs. Der damalige Verkehrsminister – ich glaube, es war der heutige Bundeskanzler Mag. Viktor Klima – hat auch immer gesagt: Es wird schon alles im nachhinein geregelt werden. – Heute haben wir Verkehrslawinen, schauen Sie sich die Situation in Tirol an!

Der jetzige Landeshauptmann Wendelin Weingartner regt sich auf einmal fürchterlich darüber auf. Als wir jedoch damals verlangt haben, daß die Frage des Transitverkehrs bei den Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union natürlich eine Rolle spielen müsse, hat man darauf verzichtet. Man hat damals alle Chancen, alle Trümpfe, die man hatte, billig aus der Hand gegeben. Genau das ist nämlich das Problem, das ich nun bei der Frage der Atomkraftwerke wieder auf uns zukommen sehe.

Derartige Fehler, Frau Minister, sollten sich normalerweise nicht wiederholen. Ich erwarte mir wirklich mehr von Ihnen, da Sie doch seit dem Hormonfleischskandal, der ja, wie sich im nachhinein herausstellte, keiner war, wirklich ein gebranntes Kind sind. Sie haben damals schon die Bevölkerung verunsichert. Sie wurden meiner Meinung nach von der Rindfleischmafia mehr oder weniger aufs Kreuz gelegt. Sie sollten diesen Fehler bitte nicht wieder wiederholen. Es gibt eben nur eine Möglichkeit, um in der Frage der Atomkraftwerke nicht wieder einen Fehler zu machen, nämlich daß diese Frage sehr wohl in die Beitrittsverhandlungen eingebunden werden muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Ministerin! Ich bin selbständiger Bauer, ich weiß, wie man Verhandlungen führen muß. Bei der Anschaffung einer Maschine muß ich, wenn ich zu dieser Maschine Zubehör haben möchte, das natürlich bereits beim Kauf berücksichtigen. Das muß im Kaufvertrag enthalten sein, denn im nachhinein wird Ihnen niemand etwas freiwillig geben – das sage ich Ihnen wirklich von dieser Stelle aus. Wer jemals in seinem Leben in der Privatwirtschaft gearbeitet hat, weiß, daß bei Verhandlungen eine gewisse Sorgfalt an den Tag gelegt werden muß. Alles, was man jetzt bei diesen Verhandlungen nicht berücksichtigt, wird für die Bürger in Österreich nie mehr zufriedenstellend gelöst werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Kollege Kummerer! Du bist bei der OMV, ich würde mich an deiner Stelle nicht so sehr für die Privatwirtschaft ins Zeug legen, weil so "privat", wie die OMV jetzt ist, während sie aber vom Staat nach wie vor als verstaatlichter Betrieb behandelt wird, so etwas findet man in keinem anderen Land der Welt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Nutznießer des Berggesetzes seid ihr!)

Lieber Kollege! Eure OMV kennen wir schon, ihr seid Nutznießer des Berggesetzes! Die anständigen Bürger werden von diesem Parlament, von dieser Republik vergewaltigt! Aber Sie wollen jedes Jahr in der OMV milliardenschwere Gewinne einfahren, auf Kosten der Arbeitnehmer, die zu Tausenden entlassen werden, und auf Kosten der privaten Grundbesitzer in Österreich! Kollege Kummerer! Du wirst wahrscheinlich in Zukunft deine Meinung in dieser Frage sehr stark ändern müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eure Sachen kennen wir ja: Ihr werdet vom Verfassungsgerichtshof mehr oder weniger berichtigt, auch der Herr Minister Farnleitner wird berichtigt, und was passiert weiter? – Die Justiz, die anscheinend auch zum Teil in eurem Einflußbereich steht oder stehen dürfte – Herr Minister, das ist an Sie gerichtet –, fährt zum Teil die alte Schiene weiter. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.) Da werden Leute nach dem Berggesetz enteignet, der Verfassungsgerichtshof erkennt, daß das Berggesetz nicht anzuwenden gewesen wäre. Und was macht das Bezirksgericht? – Das Bezirksgericht läßt über das Grundbuch eine Eintragung machen – die OMV ist dort mehr oder weniger schon einverleibt –, obwohl vom Verfassungsgerichtshof erkannt wurde, daß das nicht dem Berggesetz unterliegt.

Herr Minister! Ich frage mich: Wo leben wir? – Das ist doch ein Wahnsinn. Das sind Ihre Auf-gaben! Ich kann mir aber schon vorstellen, Sie als Minister der SPÖ, einer Fraktion, von der Sie auch gestellt werden, haben natürlich mit der OMV, die ja offenbar die Kaderschmiede der sozialdemokratischen Abgeordneten ist, ein gutes Verhältnis. Ich brauche mich nur umzuschauen: die halbe Regierung ist von der OMV besetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Vom Minister angefangen bis zum Staatssekretär, das ist doch wirklich eine Zumutung!

Ich will aber jetzt weiter zu den Atomkraftwerken Stellung nehmen. Herr Kollege Kummerer! Wir werden uns ein anderes Mal unterhalten, wir sind ja noch nicht miteinander fertig.

Ich möchte noch folgendes sagen: Interessanterweise ist gestern ein Zusatzantrag zum Vierparteienabkommen im Umweltausschuß eingetrudelt. Warum, glauben Sie, Frau Ministerin? – Weil mittlerweile sogar die EU-Kommission erkannt hat, daß die Frage der Atomkraftwerke sehr wohl in den Beitrittsverhandlungen eine Rolle spielen muß. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Rasenmäherrede!)

Ich habe hier die Ausgabe der "Kronen Zeitung" von vergangenem Samstag. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Mag. Prammer.) – Ja, aber Frau Ministerin, davon haben wir nichts. Sie vertreten hier die österreichischen Bürger. Die österreichischen Bürger haben begründete Sorge, was diese Atomkraftwerke betrifft, weil sie natürlich in unserer Nähe sind, nämlich mehr oder weniger im Grenzbereich. Wir verlangen, daß die Sorgen der Bürger in Österreich berücksichtigt werden. Das ist nämlich der springende Punkt: Wir brauchen keine Ministerin, die immer nur der EU nachdienert und dem nacheifert, was von oben kommt, sondern wir wollen, daß Sie in diesem Parlament die Österreicherinnen und Österreicher vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf.) Ja, von der SPÖ wissen wir das ohnehin.

Wer gebraucht wird, das entscheidet ja Gott sei dank nicht ein Abgeordneter der SPÖ, sondern die Wählerinnen und Wähler in Österreich. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.38

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wenitsch! Zur Klarstellung: Ich gehöre zwar der Bundesregierung an, aber keiner der beiden Parteien, die die Bundesregierung tragen. Ich bemühe mich auch, eine Äquidistanz zu den beiden Parteien zu halten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Ich kann nicht akzeptieren, daß Sie hier in den Raum werfen, daß ein Bezirksgericht eine verfassungswidrige Eintragung gemacht hätte. Ich bitte Sie sehr, mir den Fall zu schildern. Wir werden uns das anschauen – Unabhängigkeit der Justiz unangetastet – und werden Ihnen berichten, ob Ihre Meinung diesbezüglich richtig war oder nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Brix. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.40

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute setzen wir mit dem nachfolgenden Beschluß den österreichischen Weg in der Anti-Atompolitik fort. Wir können ihn deswegen fortsetzen, weil wir versuchen, die Menschen auch in den anderen Ländern davon zu überzeugen, wie gefährlich Atomstrom in Wirklichkeit ist, und weil wir mit gutem Beispiel vorangegangen sind, als wir uns damals gegen Zwentendorf entschieden haben.

Frau Abgeordnete Aumayr hat heute hier am Rednerpult gesagt: Wir werden nicht zustimmen. Sie sprach wörtlich von einem Gesetz, das die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung gefährdet. – Die FPÖ ist jene Partei, die diesem Vierparteienantrag nicht beitreten wird. Mein Vorredner war noch viel deutlicher, als er von der Rindfleischmafia gesprochen hat.

Hohes Haus! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich möchte von dieser Stelle aus sagen, daß wir dir dafür dankbar sind, daß du als zuständige Ministerin die österreichische Bevölkerung gewarnt hast, daß mit dem Rindfleisch etwas nicht in Ordnung sein könnte. Wir sind froh darüber, daß du die österreichische Bevölkerung gewarnt hast. (Beifall bei der SPÖ.) Wir danken dir dafür, daß du Verantwortung übernommen hast, auch wenn ein Landwirtschaftsvertreter hier an das Rednerpult tritt und sagt, das sei die Rindfleischmafia gewesen. Wir sind froh, daß beim Rindfleisch nichts passiert ist!

Wir sind froh darüber, daß unsere Bauern – das sage ich auch dazu – anständig arbeiten, aber es lag in der Verantwortung der Ministerin, die Bevölkerung zu warnen. Dafür sind wir dankbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn jetzt die FPÖ hier nur billigen Wirbel macht, so will sie die Bevölkerung gar nicht davor warnen, sollte auch etwas bei der Atomenergie danebengehen. Daher bitten wir dich, daß du im Gespräch mit den Tschechen in den nächsten Tagen auf dieses Thema eingehst. Ich glaube, man kann auch einem anderen Land nicht ganz einfach drohen und sagen: Wenn ihr jetzt nicht aussteigt, dann werden wir euch nicht in die Europäische Gemeinschaft hineinlassen. Ich meine, wir sollten Maßnahmen setzen, mit denen wir diesen Ländern helfen können, damit sie eine andere Politik als die Kernpolitik angehen. Wir sollten ihnen andere Möglichkeiten bieten, als daß sie den Strom aus Kernkraftwerken beziehen.

Weil sich die FPÖ hier so vollmundig vor die Bürger stellt, möchte ich eine andere Frage an Sie richten. Ich nehme die Ausgabe des "Standard" vom 21. April 1998 zur Hand; da steht zu lesen: Prinzhorn baut sich eine eigene Stromleitung aus Bayern. – Bleibt jetzt Herr Abgeordneter Prinzhorn dabei, daß er dann damit Atomstrom aus Bayern bezieht? Ist es nicht kontraproduktiv, hier herauszukommen und gegen einen Gesetzesvorschlag zu wettern, selbst aber Atomstrom aus Bayern zu beziehen? – Das zeigt wieder, daß alles, was die FPÖ verspricht, in Wirklichkeit nicht hält. (Beifall bei der SPÖ.)

14.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.43

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Umweltminister! Hohes Haus! Zunächst möchte ich bedauern, daß es heute durch die Abstimmung zum Verlassen des Grundkonsenses der fünf Parteien des österreichischen Parlaments kommt.

Ich bedauere, daß die Freiheitliche Partei aus mir nicht einsichtigen Gründen diesen Grundkonsens nicht haben möchte. Sie hat zu entscheiden, ob damit der Nutzen für Österreich oder ob damit der Schaden für Österreich größer wird. Ich glaube, daß das zweite der Fall ist, denn bisher war die österreichische Anti-Atompolitik deshalb glaubwürdig, weil sie von allen Fraktionen des Hohen Hauses getragen wurde. Sie haben diesen Weg heute verlassen. Wir werden der österreichischen Bevölkerung auch sagen, welchen Weg die Freiheitliche Partei hier zu gehen gedenkt. (Abg. Mag. Schweitzer: Die werden fragen, warum!)

Sie haben sich im Bereich der Anti-Atompolitik für die gleiche Vetopolitik entschieden, wie Sie auch Außenpolitik machen wollen. Es zieht sich eine Linie durch. Sie sind die Neinsager, und Sie wollen damit der Bevölkerung weismachen, daß Sie ihr dienen.

Als Kärntner Abgeordneter möchte ich aber auf den Bestand des Kraftwerkes Krško in Slowenien an der Grenze zu Kroatien hinweisen. Es ist unser Bestreben und das Anliegen dieses Bundeslandes, das ich hier zu vertreten habe, daß auch da dringend Maßnahmen gesetzt werden.

Die seismische Ausrüstung dieses Atomkraftwerkes ist absolut nicht in Ordnung und nicht ausreichend. Ich konnte mich davon selbst überzeugen, daß das, was an technischen Vorkehrungen vorhanden ist, nicht ausreichend ist. Es ist auch die politische Lage – sehr nahe an der Gefahrenzone des Balkans – ein zusätzliches Gefahrenmoment. Wenn ich darauf verweise, daß auch die Zuführung des Kühlwassers für dieses Kraftwerk ohne Sicherungsmaßnahmen erfolgt, dann können Sie sich bestimmt vorstellen, welches gefährliche Potential dort unter ungünstigen Umständen entstehen kann.

Wir verlangen daher, daß eine entschlossene Anti-Atompolitik gegenüber Tschechien und gegenüber der Slowakei angewandt wird und auch in bezug auf das südliche Nachbarland Österreichs, Slowenien, Platz greift. Das ist ein legitimes Anliegen des Bundeslandes Kärnten und auch Gesamtösterreichs.

Einen zweiten Aspekt darf ich hier noch anführen, der bisher in der Diskussion keine Rolle gespielt hat, der aber von entscheidender Bedeutung ist: die Rohstoffgewinnung, die Gewinnung des Brennstoffes für die Atomkraftwerke auf der ganzen Welt. Es gibt einen interessanten Zusammenhang, daß die Fundlagerstätten für Uran mit den Lebensräumen der indigenen Völker auf der ganzen Welt gleichzusetzen sind: Das sind in Nordamerika die Indianer, in Australien die Aborigines, in Asien die Tibetaner; man könnte die Reihe fortsetzen.

Da geschieht sehr viel Unrecht, indem man zum Beispiel in Kanada den Indianern die Bürgerrechte abspricht, die Lagerstätten in die Siedlungsgebiete und Reservate der Indianer verlegt, und dann das Abraummaterial den indigenen Völkern – in diesem Fall den Indianern – als Baumaterial zur Verfügung stellt. Auch in Tibet ist das Vorhandensein von Uran einer der Hauptgründe für die Besetzung dieses Gebietes, und es gibt dort massive Übergriffe des chinesischen Staates gegenüber der indigenen Bevölkerung in Tibet. – Ich glaube, wenn man sieht, welches Unrecht allein bei der Gewinnung des Brennstoffes für die Atomkraftwerke geschieht, so wäre das Grund genug, Anti-Atompolitik weltweit durchzusetzen.

Einen dritten Aspekt möchte ich noch anführen. Von seiten der grünen Fraktion werden im Zusammenhang mit der Anti-Atompolitik immer Maximalforderungen gestellt. Herr Kollege Öllinger! Wir werden Sie genauestens beobachten, wir werden genau schauen, wie viele AKWs nach der Regierungsbeteiligung der Grünen in Deutschland geschlossen werden, wie viele Wiederaufbereitungsanlagen zugemacht werden (Zwischenrufe des Abg. Mag. Schweitzer – Abg. Öllinger: Super!), wie viele Atomtransporte nicht mehr stattfinden, und vor allem wo Sie die Endlagerung durchführen wollen. Wir werden Sie als Grüne an den Taten Ihrer Brüder in Deutschland messen. Ich bin überzeugt davon, Sie werden von Ihren Maximalforderungen gewaltige Abstriche machen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kollegen! Geschätzte Kolleginnen! Ich glaube, der nationale und der internationale Aspekt in dieser Debatte ist gründlich abgehandelt worden. Ich möchte mich daher auch – wie einige meiner Vorredner – auf den lokalen Aspekt beschränken.

Kollege Wenitsch versuchte in dieser Debatte den lokalen Aspekt betreffend Kraut und Rüben durcheinanderzubringen, was ihm zur Erheiterung des Hohen Hauses auch gelungen ist.

Herr Bundesminister! Zur Erläuterung möchte ich ein Zitat aus einem Zeitungsartikel bringen, ohne daß ich Namen nenne. Es gibt im Weinviertel einen Bauern, der glaubt, durch eine Leitungsführung über sein Grundstück schwer geschädigt zu sein. – Das ist sein gutes Recht, das zu glauben. Es ist auch sein gutes Recht, den Rechtsweg zu beschreiten.

Ich entnehme diesem Zeitungsartikel, daß dem Bauern (Abg. Mag. Schweitzer: Red’ ein bissel länger!) eine Entschädigung von 30 S pro Quadratmeter für ein Servitutsrecht angeboten wurde; Servitutsrecht bedeutet, er duldet die Leitung und kann sein Grundstück nutzen wie bisher.

Um das jetzt in landwirtschaftliche Dimensionen zu bringen, meine Damen und Herren: 30 S pro Quadratmeter bedeutet für eine landwirtschaftliche Fläche 300 000 S pro Hektar. Meine Damen und Herren! 300 000 S pro Hektar nur für das Recht, eine Leitung in eineinhalb Metern Tiefe zu haben und eine Nutzung durchführen zu können! Das ist diesem Bauern im Weinviertel, wie schon erwähnt – ich nenne keinen Namen –, zuwenig.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Selbstverständlich gibt es in der Bevölkerung des Weinviertels berechtigte Sorgen: Sorgen im Hinblick auf die Entwicklung der Atomtechnologie, Sorgen im Hinblick auf die Entwicklung der Atomenergie. Das Weinviertel ist jene Region in Niederösterreich, wo im Norden Tschechien und im Osten die Slowakei angrenzen. Es gibt berechtigte Sorgen über die Schadstofftransmissionen, die von unseren Nachbarländern zu uns kommen, und es gibt berechtigte Sorgen, wie sich die Osterweiterung auswirken wird, und zwar insbesondere auf den Verkehr und auf den Arbeitsmarkt.

Wir sehen im Weinviertel aber auch die positiven Aspekte einer solchen EU-Osterweiterung, und wir wollen, daß in partnerschaftlichen Verhandlungen ein Konsens gefunden wird, mit dem alle Vertragspartner leben können.

Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, wollen das nicht. Sie haben uns ja schon einige Male wissen lassen, daß für Sie ein Ja zur Osterweiterung nicht in Frage kommt, und dafür muß jetzt jedes Argument herhalten. Das heutige Argument ist eben die Atomkraft, sind die Atomkraftwerke, die Sie junktimieren. Und ich glaube, ich muß kein Prophet sein, um zu sagen, daß das sicherlich nicht das letzte Junktim sein wird, das wir hier im Hohen Hause hören werden, damit Sie Argumente finden, um Ihr Nein zur Osterweiterung untermauern zu können. Wir werden uns aber auf unserem Weg, auf dem Weg des Konsenses, auf dem Weg der Verhandlungen, dadurch nicht beirren lassen.

Meine Damen und Herren! Die Politik der Regierung, der Koalitionsparteien und über weite Strecken auch die Politik der Oppositionsparteien war erfolgreich. Frau Ministerin Prammer hat es erwähnt: Unser Standpunkt wird gehört. Wir haben in Europa immer mehr Freunde, die sich unserem Standpunkt anschließen. Aber der Ausstieg aus der Technologie ohne Zukunft geht nicht von heute auf morgen, er wird Jahrzehnte dauern. Ich rufe in Erinnerung, daß derzeit weltweit 437 Atomkraftwerke am Netz sind und daß sich in 14 Staaten noch 36 Reaktorblöcke in Bau oder in Planung befinden.

Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Die direkten und die indirekten Kosten der Atomkraft werden neben dem politischen Faktor auch als wirtschaftlicher Faktor anerkannt, und sie werden uns helfen, Baustopps, Umplanungen zu unterstützen und langfristig auch den Ausstieg zu erreichen.

Das Weinviertel, meine Damen und Herren, nimmt die Bemühungen von Regierung und Parlament positiv zur Kenntnis. Wir sehen Erfolge in der Reduktion bestehender und in der Vermeidung zusätzlicher Risken. Wir wollen den Umstieg der Nachbarländer zu umweltfreundlicheren Technologien unterstützen und fördern. Wir wollen geringeren Transmissionen, als wir sie heute haben, ausgesetzt sein. Ich wünsche der Bundesregierung und dem Parlament auf diesem Weg viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ.)

14.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wenitsch gemeldet. Geschäftsordnungsgemäß ist bitte zuerst der zu berichtigende Tatbestand zu erläutern und dann emotionslos die Berichtigung anzufügen. – 2 Minuten Gesamtredezeitbeschränkung.

14.54

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident.

Herr Abgeordneter Kummerer hat von dieser Stelle aus behauptet, der betroffene Bauer bekäme pro Hektar 300 000 S.

Ich stelle richtig: Der betroffene Bauer bekommt dafür, daß die OMV bei ihm 14 Hektar Grund mit einer Servitutsleitung durchquert, eine Entschädigung von insgesamt 72 000 S. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Stimmt doch nicht!)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Zweite Wortmeldung. Maximal 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.55

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Wurmitzer hat sich bitterlich beklagt, daß die Freiheitliche Partei die bis jetzt gemeinsam getragene Anti-Atom-Linie verlassen hat.

Herr Kollege Wurmitzer! "Die Atomenergie ist vielleicht eine ganz große Chance für die Menschheit, aber wir werden noch sehr viel Geld und auch Zeit in die Forschung investieren müssen. Es wäre geradezu unverantwortlich, diese junge Technologie nicht weiterentwickeln zu wollen." (Ruf bei der SPÖ: Wie alt ist das?) – Marilies Flemming, seinerzeitige Umweltministerin von der ÖVP. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, damit ist gesagt, welche Linie die ÖVP wirklich in der Atomfrage vertritt. Diese junge Technologie will sie weiterentwickeln, und deshalb will sie nicht, daß verbindliche Ausstiegskonzepte auf den Tisch kommen, verbunden mit einer Verpflichtung Österreichs, einem Beitritt osteuropäischer Staaten nicht zuzustimmen, wenn dies nicht der Fall ist.

Aber ich gebe Ihnen noch einmal Gelegenheit, den offensichtlich weiterdenkenden oberösterreichischen Kollegen Ihrer Fraktion Folge zu leisten, indem Sie dem Antrag, den ich nun einbringen werde, zustimmen. Dieser Antrag ist in Zusammenarbeit mit den oberösterreichischen Kollegen der Sozialdemokraten, der ÖVP und der Grünen zustande gekommen. Diesen Antrag bringe ich nun ein – also ein Mehrparteienkonsens aus Oberösterreich, eingebracht von den Freiheitlichen! –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dipl.-lng. Hofmann, Aumayr und Kollegen betreffend "weitere Vorgangsweise des Bundes in der Anti-Atom-Linie"

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die nachstehend angeführten Schritte von den den EU-Beitritt anstrebenden Nachbarstaaten zu verlangen beziehungsweise auf EU-Ebene politische Schritte in diesem Sinne durchzusetzen und auch ihre zukünftige Unterstützung der EU-Integration dieser Staaten von der Akzeptanz dieser Forderungen im Interesse der Sicherheit und Gesundheit der österreichischen Bevölkerung abhängig zu machen.

1. Ausstiegsszenario aus der Atomkraftnutzung und Finanzierungshilfen für EU-Beitrittswerber

Die Bundesregierung möge ihre Zustimmung zu weiteren EU-Integrationsschritten der beitrittswerbenden MOE-Staaten von der verbindlichen Festlegung von Ausstiegsprogrammen aus der Atomkraftnutzung im Sinne eines bestehenden Beschlusses des Europäischen Parlamentes abhängig machen. Gleichzeitig sollen auf EU-Ebene finanzielle Mittel zur Umsetzung dieser Programme bereitgestellt werden.

2. Beitritt zur Espoo-Konvention

Der Beitritt zur Espoo-Konvention zählt bereits zu einem von vielen Staaten akzeptierten europäischen Standard. Damit werden Mitwirkungsrechte von betroffenen Nachbarn über Staatsgrenzen hinweg bei Umweltverträglichkeitsprüfungen begründet. So wie Österreich diese Konvention bereits unterzeichnet und ratifiziert hat, soll dies auch von den Nachbarländern im Zuge der EU-Integration verlangt werden.

3. Unterzeichnung des Lugano-Abkommens

Dieses von Österreich unterzeichnete und ratifizierte Abkommen ermöglicht die Exekution von österreichischen Gerichtsurteilen in den diesem Abkommen beigetretenen Ländern. Es ist insbesondere im Zusammenhang mit Haftungs- und Schadenersatzverfahren bei Atomunfällen von großer Bedeutung und gehört ebenfalls bereits zum breiten europäischen Rechtsstandard. Die Unterzeichnung dieses Abkommens soll ebenfalls verlangt werden.

4. Zur Finanzierung von Ausstiegsmaßnahmen

Die Finanzierung von Nachrüstungen an bestehenden Atomkraftwerken verlängert deren Lebensdauer beziehungsweise schwächt die grundsätzliche Ablehnungsposition Österreichs. Finanzielle Mittel sollten deshalb nur für die Umsetzung oder Erstellung von Ausstiegsprogrammen aus der Atomkraftnutzung bereitgestellt werden."

*****

Meine Damen und Herren! Das ist ein Antrag, der die österreichische Anti-Atom-Linie konsequent fortsetzt. Wer dafür ist, der ist auf Linie, wer dagegen ist, hat die Linie verlassen. – Soviel zum Nachdenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Allerdings, Frau Abgeordnete, müßte ich Sie in weniger als einer Minute unterbrechen, um eine als dringlich zu behandelnde Anfrage aufzurufen. Wollen Sie beginnen? (Abg. Dr. Petrovic: Nachher!) – Gut.

Ich unterbreche daher die Verhandlungen zum laufenden Tagesordnungspunkt 1 und komme zum Aufruf einer dringlich zu behandelnden Anfrage.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Martin Graf, Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend fortgesetzte Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und Slowenien (4950/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4950/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Der Europäische Rat in Kopenhagen (1993) hat als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union unter anderem institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten festgelegt.

Der Europäische Rat in Luxemburg (12./13. Dezember 1997) hat beschlossen, im März 1998 auf Basis des Art. O EU-Vertrag bilaterale Regierungskonferenzen einzuberufen, um Verhandlungen mit Zypern, Ungarn, Polen, Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien über die Bedingungen ihres Beitritts und die damit verbundene Anpassung der Verträge, auf denen die Union beruht, zu beginnen. Gleichzeitig hat der Europäische Rat betont, daß die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen eine unabdingbare Voraussetzung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen darstellen. Diese bilateralen Beitrittsverhandlungen mit den oben genannten Ländern wurden am 31. März 1998 eröffnet und derzeit findet das sog. ‚Acquis-screening‘ (Durchleuchtung des Rechtsbestandes) auf Beamtenebene statt.

Fortschritte im Erweiterungsprozeß zählen zu den Schwerpunkten des österreichischen EU-Ratsvorsitzes. Außenminister Dr. Schüssel kündigte im Juli diesen Jahres an, daß die ersten Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten im November diesen Jahres beginnen würden, und bekräftigte seine Entschlossenheit, bei der Erweiterung von ‚symbolischen Anfängen‘ zu ‚konkreten Schritten‘ überzugehen (APA 8. Juli 1998). Dies bestätigte auch Bundeskanzler Mag. Klima (APA 14. Sept. 1998). Schließlich hat der Rat ‚Allgemeines‘ am 5. Oktober 1998 vereinbart, am 10. November konkrete Verhandlungen mit den sechs Bewerberländern der ersten Gruppe aufzunehmen.

Unabhängig davon, ob dieser Schritt, nämlich die Aufnahme substantieller Beitrittsverhandlungen, voreilig ist, wie dies die Anfragesteller aus einer Reihe von Gründen befinden, ist es Faktum, daß in Slowenien und in der Tschechischen Republik, die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen, die vom Europäischen Rat als ‚eine unabdingbare Voraussetzung für Beitrittsverhandlungen‘ angesehen wurden, bislang nicht gewährleistet ist. In beiden Staaten gelten weiterhin menschenrechts- und völkerrechtswidrige Gesetze beziehungsweise Bestimmungen.

Slowenien verfügt, wie mittlerweile auch mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen und festgestellt wurde, innerhalb seiner Grenzen über eine Minderheit, nämlich die Volksgruppe der Altösterreicher deutscher Muttersprache, denen keine spezifischen Volksgruppenrechte zukommen. Im Gegensatz dazu erkennt die slowenische Verfassung sehr wohl die Volksgruppen der Italiener und der Ungarn, in eingeschränktem Maße auch der Roma und Sinti an. Außerdem sind in Slowenien, anders als in Kroatien, nach wie vor die diskriminierenden AVNOJ-Bestimmungen (Beschlüsse von Jajce vom 29.11.1943 und Belgrad vom 21.11.1944) in Kraft. Durch diese Beschlüsse des ‚Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens‘ erfolgte die ‚Aberkennung der Bürgerrechte und die gewaltsame Enteignung der deutschsprachigen Volksgruppe sowie ihre Degradierung zu recht- und besitzlosen, unerwünschten Nicht-mehr-Bürgern des Staates‘ (Stefan Karner, Gutachten im Auftrag der Bundesregierung). Die Volksgruppe wurde damals de facto für ‚vogelfrei‘ erklärt. Auch in das Denationalisierungsgesetz vom 20. November 1991 sind die AVNOJ-Beschlüsse ‚eingebaut‘ worden.

Ebenso gibt es in der Tschechischen Republik eine Volksgruppe von Altösterreichern deutscher Muttersprache, die mindestens 60 000, nach manchen Schätzungen 200.000 Personen umfaßt. Auch dieser zahlenmäßig bedeutsamen Volksgruppe kommen keine spezifischen Rechte, wie sie etwa Österreich, Deutschland, die skandinavischen Länder, Ungarn und andere europäische Staaten gewähren, ja schlechthin überhaupt keine Rechte, zu.

Darüber hinaus stehen im EU-Beitrittskandidatenland Tschechien nach wie vor die sogenannten Beneš-Dekrete, mit menschen- und völkerrechtswidrigem Inhalt, aus den Jahren 1945 und 1946 in Kraft. Durch diese vom tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš erlassenen Dekrete wurde folgendes verfügt:

Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Mai 1945, Slg. Nr. 5, erklärt

‚Personen deutscher oder madjarischer Nationalität als staatlich unzuverlässige Personen‘. Es sind jedenfalls ‚als Personen deutscher oder madjarischer Nationalität Personen anzusehen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt haben ...‘

Dekret des Präsidenten der Republik vom 21. Juni 1945, Slg. Nr. 12, verfügt, daß

‚mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos ... für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet‘ wird, ‚das im Eigentum steht:

a) aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit,‘ ...

Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, bestimmt, daß die

‚tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verlieren ...‘

Dekret des Präsidenten der Republik vom 25. Oktober 1945, Slg. Nr. 108, bestimmt, daß

‚konfisziert wird ohne Entschädigung – soweit dies noch nicht geschehen ist – für die Tschechoslowakische Republik das unbewegliche und bewegliche Vermögen (wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, immaterielle Rechte), das ... im Eigentum stand oder noch steht: ...

... physischer Personen deutscher oder madjarischer Nationalität ...‘

Schließlich normiert das Gesetz vom 8. Mai 1946, Slg. Nr. 115, daß

‚eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele hatte, ... auch dann nicht widerrechtlich (ist), wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre‘.

Das heißt, daß alle bis circa 6 Monate nach Kriegsende begangenen Verbrechen, auch Mord und Totschlag, per Gesetz nicht nur für straffrei, sondern auch für rechtmäßig erklärt wurden!

Die tschechische Regierung lehnt bis dato eine Aufhebung der Beneš-Dekrete kategorisch ab (APA, 19. Aug. 1998).

Es ist evident, daß diese Rechtsmaterien, nämlich die AVNOJ-Bestimmungen in Slowenien einerseits und die Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik andererseits, nicht nur den sogenannten Kopenhagener Kriterien (Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten) widersprechen, sondern zudem den Grundsätzen der Europäischen Union, wie im (noch nicht in Kraft getretenen) Amsterdamer Vertrag (Art. 6 (ex-Art. F)) festgeschrieben, zuwiderlaufen. Trotzdem weigert sich die österreichische Bundesregierung diese Problematik zum Gegenstand der EU-Beitrittsverhandlungen zu machen. Österreich als Schutzmacht der Altösterreicher deutscher Muttersprache auf dem Gebiet der ehemaligen k.u.k. Monarchie hat nicht nur eine rechtliche und moralische Verpflichtung ihre Anliegen zu vertreten, sondern darüber hinaus die Möglichkeit (Stichwort: Vetorecht bei Beitrittsverhandlungsabschluß), diese auch durchzusetzen. Die italienische Regierung beispielsweise hat sehr wohl den Abschluß des Assoziierungsabkommen der EU mit Slowenien solange durch ihr Veto blockiert, bis die Forderungen der italienischen Flüchtlinge, die in den fünfziger Jahren gezwungen waren, Jugoslawien zu verlassen und deren Besitz enteignet wurde, erfüllt und im Assoziierungsabkommen vertraglich verankert wurden.

Unabhängig von der Tatsache, daß die von der österreichischen Bundesregierung verfolgte Strategie der bilateralen Erörterung und Lösung der bestehenden Probleme der Heimatvertriebenen und der Altösterreicher deutscher Muttersprache, wie die jüngsten Gespräche zwischen Bundeskanzler Klima und dem tschechischen Regierungschef Zeman neuerlich bestätigten, bislang ohne Erfolg blieben, vertreten die anfragestellenden Abgeordneten die Auffassung, daß die Aufhebung der Unrechtsgesetze letztlich keine bilaterale Angelegenheit ist. Menschenrechtsverletzende und völkerrechtswidrige Gesetze, die auch weiter Anwendung finden, können und dürfen einer Rechtsgemeinschaft wie der Europäischen Union nicht egal sein: Recht ist unteilbar. Diese Chance der Geschichte, die Wiederherstellung der Menschenrechte im Rechtsgut der beiden wichtigen europäischen Staaten Slowenien und Tschechische Republik durchzusetzen, darf nicht ungenützt bleiben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten folgende

Dringliche Anfrage:

1. Ist es zutreffend, daß der Europäische Rat (Luxemburg 1997) in seinen Schlußfolgerungen betont hat, daß die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen (Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten) eine unabdingbare Voraussetzung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen darstellen?

2. Ist Ihnen bekannt, daß die AVNOJ-Bestimmungen in Slowenien und die Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik nach wie vor in Kraft stehen?

3. Sind Ihrer Auffassung nach die nach wie vor in Slowenien gültigen AVNOJ-Bestimmungen und die in der Tschechischen Republik in Kraft stehenden und von Gerichten angewendeten Beneš-Dekrete mit den genannten Kopenhagener Kriterien in Einklang zu bringen?

4. Sind Sie der Auffassung, daß die nach wie vor in Slowenien gültigen AVNOJ-Bestimmungen und die in der Tschechischen Republik in Kraft stehenden und von Gerichten angewendeten Beneš-Dekrete den Grundsätzen der Europäischen Union, wie im (noch nicht in Kraft getretenen) Amsterdamer Vertrag (Art. 6 (ex-Art. F)) festgeschrieben, entsprechen?

5. Ist Ihnen bewußt, daß Staaten mit derartigen Rechtsbestimmungen eigentlich nicht Mitglied einer Rechtsgemeinschaft, die sich ‚zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit bekennt‘, sein sollten?

6. Teilen Sie die Meinung, daß es nicht angeht, daß in einem potentiellen EU-Mitgliedsland menschenrechtswidrige und diskriminierende Bestimmungen beziehungsweise Gesetze gegenüber Bürgern eines anderen Mitgliedstaates, nur wegen deren bestimmten Sprach- bzw. Volkszugehörigkeit, weiterhin in Kraft stehen und angewendet werden?

7. Sind Sie tatsächlich der Meinung, daß die Existenz menschenrechtswidriger Regelungen im Rechtsbestand von Beitrittskandidaten lediglich eine ‚bilaterale Angelegenheit‘ darstellt und nicht alle EU-Mitgliedsländer angeht?

8. Werden Sie dafür eintreten, daß vor einem Beitritt der Tschechischen Republik und Sloweniens zur Europäischen Union die erwähnten völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Gesetze beziehungsweise Bestimmungen in diesen Ländern aufgehoben werden?

9. Werden Sie als EU-Ratsvorsitzender im Rat, vor dem beabsichtigten Beginn substantieller Beitrittsverhandlungen, die Problematik der Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen entsprechend zur Sprache bringen?

10. Welche Erfolge haben bislang die bilateralen Gespräche mit der Tschechischen Republik hinsichtlich der Aufhebung der Beneš-Dekrete gezeitigt?

11. Welche Erfolge haben bislang die bilateralen Gespräche mit Slowenien hinsichtlich der Aufhebung der AVNOJ-Bestimmungen gezeitigt?

12. Welche Erfolge haben bislang die bilateralen Gespräche mit Slowenien hinsichtlich der Anerkennung des Bestehens und der Rechte der Altösterreicher deutscher Muttersprache gezeitigt?

13. Hat es bisher bilaterale Gespräche mit der Tschechischen Republik hinsichtlich der Anerkennung des Bestehens und der Rechte der Altösterreicher deutscher Muttersprache gegeben?

Wenn ja, mit welchem Erfolg?

14. Könnten Sie es wirklich verantworten, die sich bietende Chance, Recht und Gerechtigkeit im gegenständlichen Zusammenhang wiederherzustellen, und den Altösterreichern deutscher Muttersprache in Slowenien und der Tschechischen Republik zu einem Mindestmaß an Rechten zu verhelfen, ungenützt verstreichen zu lassen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Ofner als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.00

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! (Abg. Dr. Graf: Wo ist der Minister?) Meine beiden Herren anwesenden Bundesminister – ich hoffe, daß auch der wirklich zuständige uns noch die Ehre seiner Anwesenheit geben wird –, Hohes Haus! Die Europäische Union stellt Anforderungen an die Konsistenz der Beitrittswerber. In der Sitzung des Europäischen Rates 1993 in Kopenhagen sind als Voraussetzung für die Mitgliedschaft die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und der Schutz der Minderheiten durch die Beitrittswerber in ihren Grenzen normiert worden.

In seiner Sitzung in Luxemburg erst im Dezember vergangenen Jahres hat der Europäische Rat diesen seinen Standpunkt bekräftigt, und zwar aus Anlaß des Beschlusses, Verhandlungen mit Zypern, Ungarn, Polen, Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien über deren Beitritt aufzunehmen. Er hat gleichzeitig festgehalten und betont, daß die Einhaltung der politischen Kriterien – also Achtung und Wahrung der Menschenrechte, Achtung und Schutz der Minderheiten – unabdingbare Voraussetzungen für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen seien.

Die Europäische Union ist auch bereit, die Bedingung dieser Voraussetzungen in die Praxis umzusetzen. Wir erinnern uns alle, daß sich die Slowakei eine Abfuhr aus Brüssel geholt hat. Es ist ihr unter anderem vorgeworfen worden, daß sie die Rechte der ungarischen Minderheit in ihren Grenzen nicht ernst nehme. Die Slowakei ist seither dazu verhalten, sich im Wartezimmer für den Beitritt aufhalten zu müssen. (Der Redner wendet sich dem auf der Regierungsbank sitzenden Vizekanzler Dr. Schüssel zu.) Ah, du bist gekommen. Danke. Ich habe das übersehen. Ich freue mich, daß du da bist. Ich wollte schon die Frage aufwerfen, was man macht, wenn der Minister nicht kommt. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ich bin Punkt drei hier gewesen!) Wunderbar. Ich bitte, das nicht als Respektlosigkeit aufzufassen: Ich habe dich übersehen. (Abg. Schwarzenberger: Eine Minute vor 15 Uhr!)

Ich freue mich, daß der Herr Bundesminister da ist. Ich wollte ihn direkt ansprechen. Es ist mir dieses Anliegen, das kein parteipolitisches Anliegen ist – davon bin ich überzeugt; ich werde auch keines daraus machen –, besonders wichtig.

Allerdings, so pingelig wie die Europäische Union der Slowakei gegenüber gewesen ist, so großzügig scheint sie, ohne daß man sie darauf hinweist, bei der Tschechischen Republik und bei Slowenien zu sein. In der Tschechischen Republik gibt es nach wie vor, wie wir alle wissen, die sogenannten Beneš-Dekrete. Es sind Nachkriegssatzungen, die noch immer in Kraft sind und auch von tschechischen Gerichten nach wie vor – ich erinnere an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in Brünn in der Causa Dreithaler – zur Anwendung gebracht werden.

Damit Sie sich etwas darunter vorstellen können, darf ich einiges aus diesen Dekreten vorlesen:

Dekret vom 19. Mai 1945: "Das im Gebiete der Tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekretes unter nationale Verwaltung gestellt." Und damit man gleich weiß, was gemeint ist: "Als staatlich unzuverlässige Personen sind anzusehen: Personen deutscher oder madjarischer Nationalität."

Dekret vom 21. Juni 1945 – alles nach Kriegsende –: "Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet, das im Eigentum steht: aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit."

Dekret vom 2. August 1945: "Die tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt."

Dekret vom 25. Oktober 1945: "Konfisziert wird ohne Entschädigung das unbewegliche und bewegliche Vermögen, namentlich auch die Vermögensrechte wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, immaterielle Rechte physischer Personen deutscher oder madjarischer Nationalität."

Und besonders einprägsam das Gesetz vom 8. Mai 1946 – genau ein Jahr nach Kriegsende –, das normiert: "Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde", also bis ein halbes Jahr nach Kriegsende, "und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte" – man hat die gar nicht treffen müssen, es hat schon das Ziel genügt –, "ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre." – Wir wissen, was dem an grauenhaften Verbrechen, die man alle nachträglich straflos gestellt hat, vorausgegangen ist, meine Damen und Herren.

Diese Beneš-Dekrete sind gültiges Rechtsgut in der Tschechischen Republik. Sie werden von Gerichten zur Anwendung gebracht. Spitzenrepräsentanten des tschechischen Staates bekennen sich zu diesen Regelungen und betonen, daß es nicht in Frage komme, sie aus der Welt zu schaffen. Das muß man sich vor Augen halten, wenn man sich die von mir anfangs zitierten Vorgaben für Beitrittskandidaten zur EU ansieht.

Es gibt aber innerhalb der Grenzen der Tschechischen Republik auch eine Minderheit von Altösterreichern deutscher Zunge. Pessimisten schätzen ihre Zahl auf 60 000 Köpfe, Optimisten sprechen von 200 000 Menschen, die ihr angehören. Diese Volksgruppe ist nicht als solche anerkannt. Es kommen ihr keinerlei Rechte zu. Null Rechte! – Das ist der zweite Faktor.

Faktor Nummer eins: die menschenrechtswidrigen, insgesamt rechtswidrigen Beneš-Dekrete. Faktor Nummer zwei: Minderheiten – zumindest jene, die uns angehen, für die wir uns als Schutzmacht verstehen – ohne auch nur die mindesten Rechte.

Ein Sprung nach Slowenien: Was in der Tschechischen Republik die Beneš-Dekrete sind, sind in Slowenien die AVNOJ-Bestimmungen. Ich darf wieder etwas daraus vorlesen: "Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Beschlusses gehen in das Eigentum des Staates über: sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit."

Nächste AVNOJ-Bestimmung: "Eine Konfiskation von Vermögen ist die zwangsweise, entschädigungslose Wegnahme des gesamten Vermögens, welches persönliches Eigentum oder der persönliche Anteil an gemeinsamem Vermögen von anderen Personen ist, zugunsten des Staates", konkret von Personen deutscher Volkszugehörigkeit.

Wie schaut es mit den Rechten der Minderheiten im Staatsgebiet von Slowenien aus? – In der slowenischen Verfassung ist ursprünglich vorgesehen gewesen, daß als Volksgruppen anerkannt und mit entsprechenden Rechten ausgestattet werden die Italiener, die Ungarn, die Altösterreicher deutscher Zunge und, wenn auch bedauerlicherweise nur in abgeschwächter Form, die Roma und Sinti. Geblieben sind die Italiener, die Ungarn und die Roma und Sinti. Die Altösterreicher deutscher Zunge, deren Existenz mittlerweile in einem Gutachten des renommierten Universitätsprofessors Karner festgestellt worden ist – ein Gutachten, das über Auftrag der österreichischen Bundesregierung erstellt wurde –, verfügen über keinerlei Rechte, sind auch nicht entsprechend anerkannt.

Also wie in der heutigen Tschechischen Republik auch in Slowenien Rechtsgut, das den Voraussetzungen der Menschenrechte in keiner Weise entspricht: hier die Beneš-Dekrete, dort die AVNOJ-Bestimmungen; und ein Umgang mit Minderheiten und deren Rechten, der den Anforderungen, die die Europäische Union an beitrittswillige Staaten stellt, ebenfalls nicht entspricht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt befinden wir uns in der Phase, unmittelbar bevor es mit den Beitrittsverhandlungen ernst wird. Wir alle wissen, daß die nächsten diesbezüglichen Gesprächstermine noch im Oktober dieses Jahres stattfinden werden, und im darauffolgenden Monat November wird es dann ganz intensive Verhandlungen geben. Angesprochen auf die gegenständliche Problematik – oder auch unaufgefordert –, lassen sich Spitzenrepräsentanten der Republik Österreich, nämlich unter anderen der hochverehrte Herr Bundespräsident, aber auch der Bundeskanzler und vor allem auch Außenminister Schüssel, dahin gehend vernehmen, daß es sich bei derselben nur um bilaterale Fragen handle und daß bilaterale Fragen auch nur bilateral ausgetragen werden sollten. – Dem kann ich, vor allem auch als Jurist, nur mit aller Entschiedenheit widersprechen! Probleme der Menschenrechte, des Schutzes und der Anerkennung von Minderheiten, der Ausstattung von Minderheiten mit Volksgruppenrechten sind niemals bilaterale Probleme! Diese Probleme gehen die gesamte Gemeinschaft an, im konkreten Fall die Europäische Gemeinschaft und jeden Staat und jeden Bürger innerhalb dieser Gemeinschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn das Recht ist unteilbar, Rechte sind unteilbar, und die Menschenrechte sind unteilbar. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Man kann sich nicht einen Teil herauspicken und sagen: Das geht den Rest Europas nichts an! Das ist ausschließlich Sache der Österreicher. Wir nehmen das nicht so wichtig, wie es sich der eine oder andere vielleicht wünschen würde. Wir machen uns das schon mit den Betreffenden selbst aus. – Herr Außenminister! Das geht nicht! Die Problematik der Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und in Slowenien, die Mißachtung der Rechte der Minderheiten auf dem Gebiet dieser Staaten sind keine bilateralen Probleme! Das sind Probleme, die uns in Europa und – darüber hinaus, wie ich behaupte – alle angehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man muß sich vorstellen, was das im Fall, daß beide Staaten unter Beibehaltung dieser menschenrechtswidrigen Regelungen Mitglieder der Europäischen Union werden sollten, für die Union und für ihre Bürger bedeuten würde: Zunächst würde die Existenz dieser Regelungen gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, denn sie würden bedeuten, daß andere Bürger der Europäischen Union nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit und Sprachzugehörigkeit schweren Diskriminierungen in diesen beiden Ländern durch geltendes Recht, nicht durch historische Reminiszenzen, ausgesetzt wären. Meine Damen und Herren! Ich kann mir nicht vorstellen, daß das im Sinne der Erfinder beziehungsweise der Väter, im Sinne der Völker und im Sinne der Volksvertreter der Europäischen Union wäre! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darüber hinaus wäre auch der Grundsatz der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, welcher bekanntlich eine der Säulen der Gemeinschaft ist, schwer gefährdet, wenn jeder, der deutscher Sprachzugehörigkeit und deutscher Volkszugehörigkeit ist, egal, wo er lebt, in Liechtenstein – die Liechtensteiner waren und sind genauso betroffen –, in Österreich, in Deutschland oder in anderen Ländern, und vorhat, einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik oder in Slowenien zu nehmen, damit rechnen müßte, daß sich Politiker oder Gerichte finden, die unter Hinweis auf die von mir zitierten Regelungen, Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen erklären: Das geht nicht! Ebenso wäre dieser Grundsatz schwer gefährdet, wenn jemand, der zunächst einmal durchgerutscht ist und sich dort angesiedelt hat – was ihm erlaubt ist und nach den Regeln der Europäischen Union erlaubt sein muß –, damit rechnen müßte, daß irgendwann einmal der Spieß umgedreht und er wieder außer Landes gestellt wird.

All das sind Entwicklungen, die die Europäische Union nicht ruhig auf sich zukommen lassen und beobachten kann, und Österreich als Vorsitzmacht in diesen Tagen ist aufgerufen, die Interessen nicht nur Österreichs, nicht nur der Altösterreicher deutscher Zunge, sondern die Interessen der Gesamtunion mit all ihren Bürgern in dieser Richtung wahrzunehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Österreicher sind es, die aufgrund unserer historischen Verbundenheit und aufgrund der geographischen Gegebenheiten genau wissen, worum es geht, die es besser wissen als die Repräsentanten anderer europäischer Staaten und Mitglieder der Europäischen Union. Wir sind verpflichtet, die Interessen aller von Irland bis Dänemark und von Italien bis Griechenland in dem Sinne wahrzunehmen, daß in allen Staaten, die beitreten wollen, dafür gesorgt wird, daß deren Rechtsmaterie von menschenrechtswidrigen Regelungen gereinigt wird und daß die dort lebenden Volksgruppen anerkannt und ordentlich behandelt werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die bisherigen Bemühungen, soweit es sie bisher überhaupt ernsthaft gegeben hat, was nicht immer ganz deutlich erkennbar gewesen ist, "bilateral" mit Slowenien und mit der Tschechischen Republik auf gleichzukommen, sind jedenfalls vollkommen erfolglos geblieben. Jetzt aber besteht eine Chance, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten noch nie gezeigt hat und wie sie wohl auch nie wieder kommen wird: Denn die Vorgaben des Europäischen Rates – ich habe sie zitiert – sind eindeutig. Ebenso eindeutig steht fest, daß beide genannten Staaten diesen Vorgaben nicht entsprechen. Und Österreich hat es in der Hand, nach dem Einstimmigkeitsprinzip durchzusetzen, daß in diesen beiden Staaten die Menschenrechte Platz greifen können und die Minderheiten und Volksgruppen ordentlich umsorgt werden. Wir haben es in der Hand! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ich nicht der einzige bin, der den Standpunkt vertritt, daß die Beneš-Dekrete und auch die AVNOJ-Bestimmungen menschenrechtswidrig sind. Ich zitiere in diesem Zusammenhang zum Beispiel den ÖVP-Abgeordneten Höchtl, der heute allerdings nicht da ist. Höchtl stellte fest, daß "diese Beneš-Dekrete schon bei der Erlassung menschenrechts- und völkerrechtswidrig" waren. Er bezeichnete sie "als reine Rassengesetze gegen deutschsprachige und ungarischsprachige Bewohner der damaligen Tschechoslowakei, die in einer heutigen europäischen Werte- und Rechtsgemeinschaft keinen Platz haben dürfen". Höchtl trat mit allem Nachdruck für eine Änderung der Rechtslage ein. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Fasslabend ist heute überhaupt nicht da, also nicht nur bei diesem Tagesordnungspunkt. Auch Verteidigungsminister Fasslabend äußerte sich dazu erst vor ein paar Tagen, nämlich am 14. September: Die Beneš-Dekrete haben nach Ansicht Fasslabends in einer rechtsstaatlichen Ordnung nichts verloren und gehören abgeschafft. – Nicht nur Harald Ofner, nicht nur Freiheitliche und andere Abgeordnete in den Bänken dieses Saales, sondern auch – wie ich zitiert habe – ein Regierungsmitglied der ÖVP und ein Abgeordneter der ÖVP sind der Meinung, daß das menschenrechtswidrig ist und entfernt werden muß!

Herr Außenminister! Du hast es in der Hand! Der Mantel der Geschichte – wie es so schön heißt – wallt durch den Saal. (Abg. Dr. Khol: Nicht der Mantel, der Geist!) Du kannst die Möglichkeit ergreifen, du kannst aber auch deine Verantwortung nicht wahrnehmen und die Dinge gleiten lassen. Du kannst dich darauf verlassen, daß du in Zukunft bilateral sicherlich weniger erreichen würdest, als es derzeit der Fall sein könnte. Ich glaube, daß dich die Geschichte aus der Verantwortung nicht entlassen wird, wenn du die Chance zugunsten der Menschenrechte in der Tschechischen Republik, zugunsten der Menschenrechte in Slowenien, zugunsten der Altösterreicher deutscher Zunge als Minderheit in dem einen und in dem anderen Staat jetzt nicht ergreifst. Du hast es in der Hand! Du hast den Fuß in der Tür! Noch gilt das Einstimmigkeitsprinzip innerhalb der EU. Du bist gefordert, dort als Repräsentant der Schutzmacht Österreich einzuschreiten! Du bist gefordert, auf diesem Sektor etwas zu tun! Du bist gefordert, dich nicht auf das Wohlwollen der anderen, das schon bisher nicht erwiesen worden ist, zu verlassen! Ich bitte dich, dieser deiner Verantwortung gerecht zu werden und die Menschenrechte und die betroffenen Altösterreicher deutscher Zunge in den beiden erwähnten Staaten nicht im Stich zu lassen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das ist hohes Pathos!)

15.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Vizekanzler gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

15.19

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich weiß nicht, ob ich die Redezeitbeschränkung von 20 Minuten einhalten kann. Ich habe zahlreiche Fragen zur Beantwortung bekommen. Ich werde mich aber sehr bemühen, in diesem Zeitrahmen zu bleiben.

Zunächst möchte ich allgemein feststellen, daß uns in der Bewertung der Bedeutung der Menschenrechte, der Volksgruppenrechte, des Schutzes einzelner verfolgter Bürger überhaupt nichts trennt. Ich glaube nicht, daß es irgend jemanden hier im Haus gibt, ganz gleich, welcher der fünf Fraktionen er angehört, der nicht Solidarität mit den Opfern der Geschehnisse der damaligen Zeit, die ausgelöst wurden durch eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und die auch zu Folgeproblemen und zu sehr dunklen Kapiteln in der Geschichte unserer Nachbarländer geführt haben, und Mitleid im wahrsten Sinn des Wortes und die notwendige Verantwortung empfindet. Daran gibt es, wie ich meine, keinen Zweifel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Allerdings muß man sehr wohl – das muß uns genauso erlaubt sein – die Frage aufwerfen: Welcher Weg führt zum Ziel? Welcher Weg ist der beste, um die Geschichte aufzuarbeiten? Ist es der richtige Weg, wenn man mit Drohungen und mit Junktims operiert, oder ist es der richtige Weg, daß man schrittweise versucht, die europäische Rechtsordnung in Ländern einzuführen, die bislang nur eine sehr, sehr bescheidene Tradition mit Rechtsstaatlichkeit, mit europäischer Integration, mit Menschenrechten, mit Minderheitenschutz und Volksgruppenrechten gehabt haben?

Ich glaube, das sollte man an den Beginn stellen. Wir haben uns – und das wurde von der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses auch immer mitgetragen – für den schrittweisen Weg der Einbindung dieser Länder in die europäische Rechtsordnung, auch in die Menschenrechtsordnung, entschieden. Ich glaube, daß das ein kluger Weg ist, auf dem man weitergehen sollte.

Ich werde mir jetzt die Freiheit nehmen, die einzelnen Fragen, die sehr detailliert gestellt worden sind, auch im einzelnen zu beantworten. Ich setze voraus, daß der jeweilige Fragetext bekannt ist, sodaß ich die Frage nicht wiederholen muß.

Zur Frage 1:

In den Schlußfolgerungen des Europäischen Rats von Luxemburg vom Dezember vorigen Jahres heißt es im Punkt 25 wörtlich:

"Die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen stellt eine unabdingbare Voraussetzung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen dar." – Damit sind ganz klar die Menschenrechte, die Minderheitenrechte, das Bekenntnis zur Demokratie, zur Marktwirtschaft et cetera angesprochen.

In der Beurteilung durch die Kommission hinsichtlich jener fünf mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten, mit denen die Europäische Kommission die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen empfohlen hat – und Tschechien und Slowenien gehören dazu –, wird gleichlautend festgestellt:

"Aufgrund der von ihr durchgeführten Analyse ergibt sich für die Kommission, daß der jeweilige Staat" – Slowenien und die Tschechische Republik sind inbegriffen – "über die Merkmale einer Demokratie mit stabilen Institutionen verfügt, die die rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und die Achtung der Minderheiten und ihren Schutz gewährleisten."

Im Bericht des Vorsitzes – damals Luxemburg – an den Europäischen Rat heißt es, daß die Bewertung durch die Kommission "eine gute Gesamtanalyse der Lage der einzelnen Bewerberländer im Licht der vom Europäischen Rat in Kopenhagen festgelegten Beitrittskriterien" beinhaltet. – Diese Feststellung ist übrigens auch wörtlich in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Luxemburg enthalten.

Zur Frage 2:

Diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten, wenn man ganz ehrlich ist. Denn man kann die heutige junge slowenische Republik nicht verantwortlich machen für Rechtsakte, die nach meiner Überzeugung absolut nicht ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Darf ich meine Antwort doch zusammenhängend vortragen? Man kann und darf die heutige junge demokratische slowenische Republik nicht für einmalige Rechtsakte verantwortlich machen, die in der sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien festgelegt wurden. (Abg. Dr. Haider: Die werden ja jetzt aufrechterhalten! Das ist geltendes Recht!) Man kann die heutige Tschechische Republik nicht verantwortlich machen für die Setzung von Rechtsakten der damaligen Tschechoslowakischen Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bevor Sie sich ungeheuerlich aufregen, obwohl es eine sachliche Feststellung ist, zitiere ich Ihnen jetzt ... (Abg. Mag. Stadler: Das ist schlicht und einfach falsch! – Abg. Dr. Haider: Das ist eine Frechheit!) Bevor Sie jetzt sagen, daß das eine Frechheit oder was immer ist, zitiere ich Ihnen einen, wie ich meine, unverdächtigen Zeugen, nämlich Universitätsprofessor Karl Zemanek, die Autorität auf dem Gebiet des Völkerrechts, dem sicherlich auch Anwalt Ofner jederzeit wird zustimmen können. Ich bringe ein wörtliches Zitat aus einem Gutachten, das Ende September dieses Jahres fertiggestellt wurde. (Abg. Dr. Haider: Klar, er hat im Auftrag der Regierung ein Gutachten verfaßt!) Was soll denn diese Unterstellung jetzt schon wieder, daß ein Gutachter nur deswegen, weil er einen Auftrag bekommt, eine wichtige Frage zu behandeln, ein Gefälligkeitsgutachten macht? Lassen Sie doch diese Peinlichkeiten, Herr Kollege Haider! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zemanek stellt wörtlich fest: "Da die gegebenenfalls zu behauptende Völkerrechtswidrigkeit aus einmaligen Akten in der damaligen Zeit entstanden wäre, wäre sie ausschließlich von deren Autor der untergegangenen sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien zu verantworten." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich zitiere Ihnen ein absolut unverdächtiges Gutachten. (Abg. Mag. Stadler: Die Tito-Beschlüsse werden vom österreichischen Außenminister verteidigt, das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Wenn das Hohe Haus an der Beantwortung interessiert ist, dann setze ich gerne fort.

Die sogenannten AVNOJ-Bestimmungen und die Beneš-Dekrete sind natürlich im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen rund um den Zweiten Weltkrieg zu sehen. Die AVNOJ-Bestimmungen sind nicht Teil der heutigen Verfassung Sloweniens (Abg. Dr. Haider: Das ist ja nicht wahr!), allerdings sind einzelne Gesetze der Republik Slowenien in ihren Rechtswirkungen, vor allem im Bereich des Vermögensrechts, nämlich der Denationalisierung, indirekt auf diese Bestimmungen zurückzuführen. (Abg. Mag. Stadler: Heimatvertreibung heißt jetzt "Denationalisierung"! Es ist unglaublich!) Auch die Beneš-Dekrete sind nicht Teil der geltenden Verfassung der Tschechischen Republik. Das Problem besteht darin, daß sie formell nie aus deren Rechtsbestand entfernt wurden, was übrigens, wenn man ehrlich ist, auch andere sehr etablierte Demokratien, die von der dunklen Zeit des Nationalsozialismus geprägt wurden, lange Zeit hindurch, oft jahrzehntelang, nicht fertiggebracht haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Zur Frage 3:

Die Europäische Kommission ist der Auffassung, daß die rechtsstaatliche Ordnung in der Tschechischen Republik und in Slowenien mit den Kopenhagener Kriterien in Einklang steht. Hinsichtlich der exakten Wiedergabe der diesbezüglichen Avis-Formulierungen verweise ich auf meine Beantwortung der Frage 1.

Zur Frage 4:

Grundsätzlich gilt das, was ich vorhin zur Frage 3 gesagt habe. Artikel 6 des noch nicht in Kraft getretenen Amsterdamer Vertrags verweist aber ausdrücklich auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Die abschließende rechtliche Beurteilung, ob die in Slowenien und der Tschechischen Republik geltenden Rechtsvorschriften mit den europäischen Standards und den Grundsätzen der Europäischen Union im Einklang stehen, würde daher im Fall der Beschreitung des Rechtswegs durch betroffene Bürger, auch im Einzelfall, den unabhängigen Gerichten und in letzter Instanz dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beziehungsweise im Fall des Beitritts dieser Länder auch dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, dem EuGH, in Luxemburg obliegen.

Im Zusammenhang mit der Frage 5 verweise ich auf den Avis der Europäischen Kommission.

Zur Frage 6:

Wie die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme festgestellt hat, haben die Bestimmungen der internationalen Menschenrechtsübereinkünfte gemäß Artikel 10 der tschechischen Verfassung Vorrang vor den innerstaatlichen Bestimmungen und gelten daher unmittelbar. Das umfaßt nicht zuletzt die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz von Minderheiten, die für die Tschechische Republik am 1. Februar 1998 in Kraft getreten ist. Slowenien hat diese Europaratskonvention am 25. März 1998 ratifiziert.

Slowenien und die Tschechische Republik gehören mittlerweile dieser Rahmenkonvention des Europarats über den Schutz nationaler Minderheiten als Vertragsstaaten an. Es ist daher davon auszugehen, daß sich die beiden Staaten zu den in diesem Vertragswerk enthaltenen Grundsätzen bekennen und die in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen erfüllen.

Zur Frage 7:

In der Frage, ob derartige Probleme bilateral behandelt werden sollen, stimme ich Herrn Abgeordneten Ofner absolut zu: Es gibt Themen – und die Menschenrechte und die Geltung von internationalen Übereinkommen zählen zweifellos dazu –, die nicht bilateral zu diskutieren sind. Das ist völlig klar. Denn die Geltung der Menschenrechte erstreckt sich selbstverständlich auf sämtliche Unterzeichner von diesbezüglichen Konventionen, und sie ist etwa im Bereich der Deklaration der Menschenrechte sogar universell zu sehen. Der entscheidende Punkt ist aber, wie wir mit den Dingen tatsächlich umgehen. Und wir haben uns das Ziel gesteckt, daß wir bei jedem bilateralen Treffen die relevanten Fragen, die etwa die Heimatvertriebenen, soweit sie in Österreich leben, betreffen, auch wirklich relevieren und ansprechen.

Herr Abgeordneter Ofner! Ich sage ganz offen: Der Begriff "Schutzmacht" ist ein bissel mißverständlich. Ich glaube, man sollte ihn aus guten Gründen in diesem Zusammenhang nicht verwenden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das ist ein völkerrechtlicher Begriff!) Das ist auch ein völkerrechtlicher Begriff, und genau aus diesem Grund meine ich, daß dieser Begriff in diesem Zusammenhang nicht angebracht ist. Aber natürlich soll am Engagement, bilateral alle relevanten Themen der Geschichte aufzuarbeiten, und selbstverständlich an den Rechten österreichischer Staatsbürger nicht gerüttelt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Frage 8:

Klar ist, daß bei den Beitrittsverhandlungen der Rechtsbestand der Europäischen Union zur Diskussion steht. Es geht ja auch gar nicht anders! Wir verhandeln über die umfängliche und absolute Übernahme des EU-Rechts in den Rechtsbestand dieser neuen Kandidatenländer. Auch in diesem Zusammenhang verweise ich auf den Avis der Kommission und die Zugehörigkeit beider Staaten zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die einschlägigen völkerrechtlichen Instrumente.

Ein Eckpunkt im Beitrittsprozeß ist die Heranführungsstrategie gerade im Licht der Rechtsharmonisierung. Dieses Moment fand ja auch Eingang in die Europaabkommen, die mit allen Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa abgeschlossen wurden. Es gibt mit jedem dieser Staaten einen eigenen Unterausschuß des Assoziationsausschusses über die Rechtsangleichung.

In Sachen Vermögensentschädigung der Heimatvertriebenen aus der früheren Tschechoslowakei beziehungsweise aus Jugoslawien setze ich mich bei jedem meiner bilateralen Kontakte mit den Außenministern der beiden Staaten regelmäßig für eine Lösung der noch offenen Fragen ein.

Zur Frage 9:

Während des Zeitraums der österreichischen Präsidentschaft – und die Anfrage zielt ja darauf hin, was ich als Ratsvorsitzender besprechen werde – kann ich nur die gemeinsame Position der Europäischen Union vertreten, was ich auch gerne tue; und es wird auch der österreichische Standpunkt einfließen. Bei den konkreten Verhandlungen, die im November beginnen, wird es um folgende Kapitel gehen: Wissenschaft und Forschung, Telekommunikation und Informationstechnologie, Bildung, Ausbildung und Jugend, Klein- und Mittelbetriebe, Industriepolitik, Kultur- und audiovisuelle Politik, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. – In all diesen Punkten werde ich natürlich die gemeinsame Position der Europäischen Union gegenüber den Beitrittskandidaten formulieren.

Zur Frage 10:

Die ständigen Bemühungen gerade auch der österreichischen Bundesregierung haben zum Beginn eines langsamen Umdenkprozesses in der Tschechischen Republik beigetragen, wobei man durchaus sagen kann, daß dieser bisher zu langsam war. Aber immerhin – auch das sollte vom Hohen Haus registriert werden – mehren sich die Stimmen innerhalb der Tschechischen Republik, die die Rechtmäßigkeit der Beneš-Dekrete in Frage stellen. Denken Sie etwa an die kürzliche Stellungnahme einer Gruppe von tschechischen Intellektuellen! Weiters verweise ich darauf, daß Präsident Havel in einer bemerkenswerten Geste anläßlich des jüngsten Besuchs unseres Bundespräsidenten Thomas Klestil in Prag neuerlich die Vertreibung als unmoralisch bezeichnet hat. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja nichts! Das ist ein Nullum!) Entschuldigen Sie vielmals! Ich finde es absolut positiv, daß der tschechische Staatspräsident dies so sieht, und zwar im Wissen, daß nicht alle Politiker in der Tschechischen Republik und nicht alle Bevölkerungsschichten dieses Landes es so sehen. Ich jedenfalls danke Vaclav Havel dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die österreichischen Bemühungen im Rahmen der bilateralen Kontakte haben weiters dazu geführt, daß Ministerpräsident Zeman bei seinem kürzlichen Besuch in Wien die Einrichtung einer Historikerkommission angekündigt hat, die sich mit der notwendigen Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigen soll.

Zur Frage 11:

Mit der slowenischen Seite wurde vereinbart, daß im Rahmen bilateraler Expertengespräche Lösungen gesucht werden. Zu diesem Zweck wurden auch je ein österreichischer und ein slowenischer Sonderbeauftragter mit der gemeinsamen Sichtung der anhängigen Fälle und mit der Suche nach entsprechenden Lösungswegen beauftragt.

Zur Frage 12:

Die Bundesregierung bemüht sich um die Anerkennung des Bestehens und der Rechte der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien sowie die Förderung ihrer Anliegen. Ich habe im Jänner dieses Jahres mit dem slowenischen Außenminister Boris Frlec vereinbart, die gemeinsame Förderung der Anliegen und Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung in Slowenien im Rahmen eines abzuschließenden Kulturabkommens vorzusehen. Alle wissen, daß es Schwierigkeiten im slowenischen Parlament gibt. Der Text des Abkommens wurde im wesentlichen im Juni dieses Jahres fertiggestellt; es besteht Einvernehmen zwischen dem slowenischen Minister und mir, die verbleibenden offenen Punkte in weiteren Verhandlungen zu klären.

Gestern habe ich am Rande der Europakonferenz diese Frage mit ihm wieder vertraulich besprochen, und er hat mir mitgeteilt, daß der Außenpolitische Ausschuß des slowenischen Parlaments das Mandat für bestimmte Formulierungen, die bei diesem Kulturabkommen noch offen gewesen sind, jetzt gegeben hat. (Abg. Dr. Graf: Welche Formulierungen waren das?) Wir hoffen, daß dabei die von beiden Seiten jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschläge geprüft und danach neuerliche Verhandlungen mit dem Ziel der baldigen Fertigstellung des Kulturabkommens geführt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Frage 13:

Die deutschsprachige Minderheit in der Tschechischen Republik ist im wesentlichen in folgenden zwei Verbänden zusammengefaßt: in der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien und im Kulturverband der Deutschen in der Tschechischen Republik. Beide Verbände – darin besteht der Unterschied zu Slowenien – sind offiziell beim Minderheitenrat registriert. Dieser Minderheitenrat ist dem Büro des Premierministers unterstellt und wird vom Regierungsbeauftragten für Menschenrechte in der Person des ehemaligen Dissidenten Petr Uhl geleitet.

Aufgrund dieser Registrierung sind – ebenfalls anders als in Slowenien – beide Verbände auch Bezieher staatlicher Mittel. Die österreichische Botschaft in Prag hat insbesondere mit den Vertretern der Landsmannschaften der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien häufigen Kontakt. Bisher hat es keinen Wunsch nach bilateralen Gesprächen oder einem ähnlichen Kulturabkommen gegeben. Aber ich stehe diesem Wunsch selbstverständlich offen gegenüber, wenn von der Seite der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien dieser Wunsch an uns herangetragen wird.

Zur Frage 14, also zur letzten Frage:

Wir haben keine Chance verstreichen lassen. Im Gegenteil: Ich meine, daß wir durch die engagierten Bemühungen viele Chancen überhaupt eröffnet haben. Denn wie ich schon unter Punkt 6 ausgeführt habe, haben in der Tschechischen Republik die Bestimmungen der inter-nationalen Menschenrechtsübereinkünfte Vorrang vor den innerstaatlichen Bestimmungen und gelten unmittelbar. Das umfaßt auch die Rahmenkonvention des Europarats, ebenso wie in Slowenien.

Im übrigen möchte ich den Anfragestellern, die als Gegner der Europäischen Union und als Gegner des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union bekannt sind, folgendes zu bedenken geben: Österreich ist in konsequenter Fortsetzung seiner Nachbarschaftspolitik, die nachhaltig zur Wende in Osteuropa und zum Ende der kommunistischen Herrschaft beigetragen hat, und im Sinn der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität in Europa bestrebt, die EU-Beitrittsbemühungen der mittel- und osteuropäischen Staaten unter Wahrung unserer eigenen Interessen zu unterstützen. Diese Erweiterung als Kernpunkt der fortschreitenden Integration Europas bietet die beste Gewähr, um den Frieden auf dem Kontinent und die Stabilität in den künftigen neuen Mitgliedsländern der Union zu stärken und den Gefahren des Nationalismus, der zum Zweiten Weltkrieg und seinen schrecklichen Folgen geführt hat, unter denen auch die Heimatvertriebenen sehr leiden, wirksam entgegenzutreten.

Ich meine und sage Ihnen das ganz offen: Die Heimatvertriebenen sind die Gruppe, die von allen Opfern des Nationalsozialismus am längsten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter den Folgen dieser Schreckensherrschaft zu leiden gehabt hat. Zehntausende wurden getötet, Hunderttausende wurden enteignet, Millionen vertrieben. Unrecht wird auch nicht durch den Ablauf der Zeit plötzlich zum Recht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher sollten wir alles tun, um die Aufarbeitung der Geschichte in diesen Ländern zu ermöglichen und nicht zu erschweren, genauso wie auch wir aus eigenem und nicht aufgrund von Druck von außen zu unserer eigenen Aufarbeitung der österreichischen Geschichte gefunden haben. Die Heimatvertriebenen in Österreich brauchen unsere Solidarität und unseren Einsatz: Am besten ist ihnen damit gedient, wenn wir die Tür zum EU-Beitritt auch für diese mitteleuropäischen Länder öffnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Denn damit haben sie die Möglichkeit, Grund und Boden in ihrer ehemaligen Heimat wieder zu erwerben. Sie haben die Möglichkeit, wieder in ihre Heimat zu ziehen, wenn sie dies wollen. Sie haben die Möglichkeit, Firmen aufzubauen. Sie können all das tun, was heute nicht so einfach ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch völlig falsch, was Sie da sagen!)

Die von den Freiheitlichen immer wieder verlangten Junktims ihrer Forderungen mit der EU-Erweiterung würden gerade jenen nationalistischen Kräften in den Beitrittskandidatenländern helfen, die den Anliegen der Heimatvertriebenen und der Minderheiten am ablehnendsten gegenüberstehen. Die Nationalisten in der Tschechischen Republik und wohl auch in Slowenien würden diese Sprache wahrscheinlich dankbar aufgreifen, um sich einer Integration in eine europäische Rechtsordnung am nachhaltigsten entgegenzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Sinn schließe ich. Ich glaube, daß die schrittweisen Bemühungen um Europäisierung der Menschenrechte und der Rechtsordnungen in diesen Ländern viel besser sind als die Brachialpolitik, die offensichtlich andere wollen. Ich stehe für letztere nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Jedem Klub steht eine Redezeit von 25 Minuten zur Verfügung. Einzelredezeitbeschränkung: 10 Minuten.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.40

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Landsleute (in Richtung Zuschauergalerie) hier im Hause! Herr Minister, es ist fast erschreckend, wenn man in diesem Zusammenhang Ihre Worte hier im Hause hört. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Nach all dem, wie Sie hier und heute zu diesen menschenrechtlichen Problemen Stellung genommen haben, glaube ich fast wirklich, daß Sie der Advokat der Tschechischen Republik sind, aber nicht jener der Heimatvertriebenen, der Heimatvertriebenen, die unsere Landsleute, die unsere Wähler sind und für die wir natürlich Verantwortung tragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Minister, haben gesagt, daß sich die Frage stellt, welcher Weg zum Ziel führt. (Bewegung auf der Galerie. – Abg. Rosemarie Bauer: Die gehen schon! Es reicht ihnen!) Da gebe ich Ihnen recht: Das ist die entscheidende Frage. Man muß einmal ganz klar und eindeutig festhalten, daß der bisherige Weg erfolglos war. So ist es nämlich in Wirklichkeit. (Beifall bei der Freiheitlichen.)

Wo liegen denn die Erfolge? Sie versuchen krampfhaft, dem Hohen Haus einige Erfolge mitzuteilen. Sie sprechen von zwei Sonderbeauftragten, die eine Lösung anhängiger Fälle in Slowenien herbeiführen sollen. Seit über einem Jahr gibt es eine Vielzahl solcher anhängiger Fälle, aber kein einziger ist bis jetzt gelöst worden! Es hat nicht einmal tatsächliche Verhandlungen gegeben. Das ist Ihr Ressort. Was macht Ihr Sonderbeauftragter dort? Es wird alles nur in schöne Worte verpackt. Ein Kulturabkommen wird geschlossen, bei dem es an einigen Formulierungen hängt. Tatsache ist, daß eine Anerkennung überhaupt nicht in Sicht ist, es gibt überhaupt keine. Keine Anerkennung der Volksgruppenrechte! Da geht es um äußerst nebulose Formulierungen, bei denen in Slowenien, aber auch in Tschechien die gleiche Gangart festzustellen ist, wo nämlich nur versucht wird, Zeit zu gewinnen.

Herr Vizekanzler! Sie müssen doch als dafür verantwortlicher Minister erkennen, daß man in dieser Frage bloß Zeit gewinnen möchte und auf den Zeitfaktor setzt, bis nämlich auch die letzten direkt betroffenen Vertriebenen nicht mehr unter uns weilen, denn damit ist dieses Problem dann vielleicht vom Tisch! Da spielen wir nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie sprechen von "bilateralen Verhandlungen", die jedoch nicht stattfinden. Was sind denn Ihrer Ansicht nach Verhandlungen? – Vielleicht finden Kaffeetratsch und sonstige Plaudereien in Zimmern von Diplomaten statt. Tatsache ist jedenfalls, daß keine Verhandlungen stattfinden!

Was sind denn Verhandlungen? Herr Kollege Schieder, Sie kommen ohnehin als nächster zu Wort; vielleicht sagen Sie uns das dann. Es wird nicht gesagt, auf welcher Ebene verhandelt wird, und es gibt kein Verhandlungsvisavis. Das Verhandlungsvisavis steigt doch gar nicht in Verhandlungen ein! Das ist doch so, als würde man die Hand reichen – und niemand ergreift sie.

Die Themen wurden nicht festgelegt. Es gibt keine Tagesordnung, und es wird nicht einmal davon gesprochen, wann denn überhaupt zu verhandeln begonnen wird. Daß man vielleicht damit Probleme hat, wann Verhandlungen zu Ende sind, und daß man sich dafür einen Termin setzt, würde man ja noch einsehen. Aber es wird ja nicht einmal vom Beginn der Verhandlungen gesprochen.

Herr Minister! Sie sagten, Sie ergreifen jede Chance und lassen keine verstreichen. Eine dieser Chancen, ja die wesentlichste, ist es, bei den Beitrittsverhandlungen dieser Länder seitens der österreichischen Regierung ein absolutes Veto einzulegen. In der nächsten Halbjahresperiode hat ja Deutschland den EU-Vorsitz inne. Man könnte doch da endlich einmal eine eigenständige EU-Politik machen und Deutschland in dieser Frage einiges vorgeben. Ich meine, es wäre durchaus sinnvoll, österreichischerseits endlich einmal etwas Eigenständiges einzubringen und nicht immer das nachzubeten, was bisher Kinkel gesagt hat beziehungsweise in Zukunft vielleicht Joschka Fischer sagen wird. Das ist doch wirklich nicht Aufgabe unserer Außen- und EU-Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie sagen, daß die junge Tschechische beziehungsweise Slowenische Republik nicht verantwortlich ist, muß ich Ihnen schon dezidiert widersprechen. Fast jeder Politiker in Tschechien, aber auch in Slowenien gewinnt heute noch Wahlen damit, wenn er die Aufrechterhaltung dieser Unrechtsdekrete von Beneš beziehungsweise der AVNOJ-Bestimmungen bekräftigt und diese als Wahlkampfmittel einsetzt. Da ist doch jeder Tscheche und jeder Slowene in der politischen Auseinandersetzung ein Nationalist. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch Miloš Zeman hat damit Wahlen gewonnen. (Abg. Dr. Nowotny: Aber die Freiheitlichen sind natürlich keine Nationalisten! – Abg. Dr. Ofner: Nowotny, blamier dich nicht!) Wir von der FPÖ sind keine Nationalsozialisten (ironische Heiterkeit bei der SPÖ, den Grünen und beim Liberalen Forum), aber Nationalisten sind wir auch keine. Die FPÖ ist eine Österreichpartei; das ist richtig. Aber das tut Ihnen weh, das weiß ich, denn Sie vertreten nicht die Interessen der Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Deutsche Zunge!)

Das hat auch Ihr ehemaliger Bundespräsident Renner gesagt, der immer von der "deutschen Zunge" gesprochen hat, auch und bewußt in diesem Zusammenhang. Das werden Sie nie wegdiskutieren können! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Bruno Kreisky würde sich im Grabe umdrehen! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Aber die Haltung der Sozialisten – und das ist das wirklich Gefährliche an dieser Sache – ist uns ja bekannt. So machte beispielsweise der SP-Bundesgeschäftsführer namens des Bundeskanzlers, und zwar am 10. September 1998, Betroffenen die Mitteilung, man müsse doch Verständnis für diese Situation haben, denn aufgrund der politischen Situation der Nachkriegsjahre seien eben solche Gesetze und Dekrete, wie sie erlassen wurden, nur allzu verständlich, es mußte geradezu zu solchen Regelungen kommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat denn das gesagt?) Das sagte SP-Bundesgeschäftsführer Rudas (Rufe bei den Freiheitlichen: Aha!), der jetzt die Linie der SPÖ vorgibt, und zwar sagte er das am 10. September 1998 im Auftrag und im Namen des Herrn Bundeskanzlers. Das muß man bitte dazusagen. Das sind nur allzu verständliche Regelungen, diese mußten mehr oder weniger kommen, hieß es. Sie waren quasi gottgewollt, dagegen könne man nicht ankämpfen und damit ... (Abg. Dr. Nowotny: Wissen Sie, was im Krieg passiert ist? – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich weiß ich, was im Krieg passiert ist. Aber wir haben jetzt nur kurze Redezeiten; Sie haben ja dann die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. (Abg. Mag. Stadler: Bruno Kreisky würde sich im Grab umdrehen! "Herr Nowotny, lernen Sie Geschichte!", würde Kreisky sagen!)

Mich würde in dieser Situation schon der Standpunkt des Kollegen Schieder interessieren. Mich würde interessieren, ob er auch der Meinung ist, daß dies geradezu verständlicherweise zustande gekommen sei, gewissermaßen gottgewollt (Abg. Scheibner: Das heißt, die Leute sind selber schuld!), und daß man daran eben nicht rütteln dürfe. Was ist wirklich der Standpunkt der Sozialdemokratie? Dazu fehlen ja bisher Erklärungen, ob das wirklich der Standpunkt der Sozialdemokratie ist, daß man es bei bilateralen Verhandlungen beläßt – und nicht zu einem Junktim im Zusammenhang mit Beitrittsverhandlungen dieser Länder macht.

Herr Minister! Sie haben hier und heute ein wirklich trauriges Schauspiel geliefert. Ich würde Ihnen empfehlen, Kontakt mit dem "Haus der Heimat" aufzunehmen und sich dort die Ausstellung anzusehen (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), um einmal über Vernichtungslager, die in Slowenien, aber auch in Tschechien gebaut wurden und in denen Hunderttausende Menschen ums Leben gekommen sind, Bescheid zu wissen. Dort ist ethnisch "gesäubert" worden, dort hat man Menschen umgebracht, und zwar allein aufgrund der Ethnie. (Abg. Mag. Stadler: Zehntausend "Denationalisierte"!) Wenn Sie das "Denationalisierung" nennen, so stellt das meiner Ansicht nach eine wirkliche Verharmlosung dar, der ich keinesfalls zustimmen kann. Sie, Herr Minister, sollten sich da wirklich besser informieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler – in Richtung von Vizekanzler Dr. Schüssel –: Zyniker!)

Seitens der ÖVP wird dieses Thema jedoch so angegangen: Da werden Sonntagsredner zu den Heimatvertriebenen-Verbänden hinausgeschickt, die aber dann in der Debatte hier nicht auf der Rednerliste stehen. Und dazu gehört beispielsweise Herr Abgeordneter Höchtl, der ja dort immer die richtigen Worte findet, aber bei den Abstimmungen ist er dann immer anderer Meinung beziehungsweise muß er sich dem koalitionären Zwang beugen – oder aber er fehlt gänzlich.

Mich enttäuscht auch, daß Kollege König jetzt nicht auf der Rednerliste steht, der zu diesem Thema ja sonst einen pointierten Standpunkt einnimmt, aber offensichtlich werden von der ÖVP heute nur Redner hier herausgeschickt, die eine tschechenfreundliche, jedoch antimenschenrechtliche Position einnehmen. (Abg. Böhacker: Linientreu!) Das muß man doch sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie in diesem Zusammenhang einen bekannten lebenden Völkerrechtsexperten zitiert haben, der ein Gutachten erstellt hat, möchte ich Sie auf die zahlreichen Gutachten aufmerksam machen, die ein Abgeordneter dieses Hauses erstellt hat, der auch ein Völkerrechtsexperte war. (Abg. Smolle: Herr Kollege! Sind Sie nicht tschechenfreundlich?) Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Abgeordneter Dr. Felix Ermacora ganz anders gesprochen hat, und zwar in jeder Hinsicht, als Sie das heute getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube sagen zu können, daß sich Felix Ermacora bei dieser heutigen Außenpolitik Österreichs im Grabe umdrehen würde, könnte er hören, wie Österreich in dieser Frage agiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist kein Zufall, daß Österreichs laue Haltung in dieser Frage letztendlich zu einem Erfolg im Sinne der Tschechen führen wird. Sie thematisieren ja diese Frage nicht einmal mehr in Ihren Außenpolitischen Berichten. Dort findet man seit dem Jahre 1994, seit dem Abgang von Bundesminister Dr. Mock aus diesem Amt, nichts mehr über die Frage der Sudetendeutschen, nichts mehr über die der Vertriebenen. Da wird vielleicht noch da oder dort etwas über Kulturabkommen berichtet (Abg. Mag. Stadler: Ein "denationalisierter" Bericht ist das!), aber über diese Frage, über die Sie ja angeblich bilaterale Verhandlungen führen, steht nichts mehr in den Außenpolitischen Berichten. Das haben wir Ihnen nicht nur einmal, sondern bereits mehrmals vorgehalten.

Sie haben es auch bis heute nicht geschafft, diese ethnische "Säuberung" zu einem Thema des UNHCR zu machen. (Abg. Haigermoser: Das wird den Milošević freuen!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Das ist schade, denn dieses Thema gehört im UNHCR endlich einmal behandelt. Wer dieses Thema, diese "Denationalisierung", wie Sie sagen, beziehungsweise ethnische "Säuberung" an den Sudetendeutschen und an deutschsprachigen Slowenen nicht überall und immer und in schärfster Form anprangert, leistet letztendlich auch einen Beitrag zum Vorschub weiterer ethnischer "Säuberungen" in unserer heutigen Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.51

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Acht Bemerkungen zu dieser Anfrage – sofern die Zeit reicht.

Erstens: Das Jahr 1945 kann sicherlich nicht losgelöst von den furchtbaren Jahren davor, losgelöst von den Verbrechen des Nationalsozialismus gesehen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Aber nicht losgelöst von den Verbrechen! – Abg. Mag. Stadler: Wollen Sie eine Aufrechnung machen?)

Zweitens: Die Vertreibung aller Personen im Jahre 1945 aus der Tschechoslowakei, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt haben, stellt ein großes Unrecht dar. Es hat viele Todesopfer gegeben (Abg. Dr. Ofner: Peter, sag das Wort "Verbrechen"! Nimm das doch in den Mund!), und das soll nicht vergessen werden. Es ist wichtig, diese Frage zu behandeln.

Die Tschechische und auch die Slowakische Republik sind stark genug und in ihrer Demokratie genügend gefestigt, daß sie in der Frage der Beneš-Dekrete offiziell klare Worte finden können. Ansätze dazu gab es von Präsidenten Havel, Verständnis für die österreichische Haltung von Ministerpräsidenten Zeman. Den wirklichen Schritt zur Infragestellung dieser Gesetze wagt man jedoch leider nicht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann muß man sie zwingen!) Das ist bedauerlich für die Betroffenen, das ist aber auch bedauerlich für jene, die eben nicht den Mut dazu haben, einzubekennen, was in der eigenen Vergangenheit falsch war. (Abg. Mag. Stadler: Bei der Haltung des österreichischen Außenministers ist das kein Wunder!)

Drittens, meine Damen und Herren: Ich stimme mit Ihnen völlig überein, daß dies nicht bloß eine bilaterale Frage, sondern natürlich ein europäisches Problem ist. Ich bin aber auch nicht dafür, daß diese Frage in dem Sinne europäisiert wird, indem sie mit dem EU-Beitritt verknüpft wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn es anders nicht geht!)

Meine Damen und Herren! Die folgende Frage muß nicht nur zulässig sein, sondern sie ist auch sinnvoll zu prüfen, nämlich jene, ob historisches oder auch noch teilweise aktuelles Unrecht im Inneren eines Landes durch Druck von außen wirklich bewältigt werden kann, ob der wirtschaftliche Zwang, der Druck bei der Integration zu einer inneren Einsicht führen kann. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn es nicht anders geht!)

Wir Sozialdemokraten halten es für falsch (Abg. Mag. Stadler: Dann müßte man auch den Milošević gewδhren lassen!), die berechtigte Forderung nach Einsicht des Unrechts an den Sudetendeutschen – ich sage dazu: auch an den Gotscheer Deutschen – unberechtigterweise mit der Frage der EU-Mitgliedschaft zu verknüpfen. Wir sind deshalb auch völlig einer Meinung mit dem, was von zahlreichen Vertretern Österreichs dazu gesagt wurde. Auch Bundeskanzler Klima hat vor 14 Tagen sehr klar gesagt, daß die Frage der Sudetendeutschen nicht mit der Frage des Beitritts der Tschechischen Republik zur EU verknüpft werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Viertens, meine Damen und Herren: Die rechtlichen Ausführungen im Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft und die Behandlung der Frage im Avis sind bereits vom Herrn Außenminister erläutert worden. Sosehr ich der Meinung bin, daß dies keine Frage beim Beitritt sein soll, so sehr bin ich natürlich dafür, daß diese Frage auch innerhalb der Europäischen Union weiterbehandelt wird. Sie sollte aber nicht zu einer entscheidenden Voraussetzung dafür werden, ob man jemanden in die EU aufnimmt oder nicht.

Und das bringt mich schon zum fünften Punkt: Auch im Europarat ist ähnlich vorgegangen worden. Es ist dies nicht zu einer Frage des Beitritts gemacht worden. Selbstverständlich besteht aber die Möglichkeit, im Monitoring-Verfahren, in Klagen beim Europäischen Gerichtshof, vor der Kommission Beschwerden – es sind ja auch welche anhängig – in der Frage der Minderheitenrechte vorzubringen, all das zu relevieren. Dies ist ja auch bereits von Abgeordneten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates geschehen.

Sechstens: Ich glaube, es ist gut, wenn man in Beziehungen zu Nachbarstaaten, mit denen man befreundet ist, nicht mit der Rute der Nichtmitgliedschaft droht, um etwas zu bewältigen. Ich halte die Äußerung von Bundeskanzler Klima für richtig, daß hiezu Historikerkommissionen arbeiten sollen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Alles auf die lange Bank schieben!) Ich halte für richtig, was Schüssel dazu gesagt hat, daß er sich bemüht, mit dem Kulturabkommen etwas zu bewegen. Es ist wichtig, daß wir hiefür Verständnis erwecken. Und es dient das auch der Sache der Betroffenen mehr, als wenn man mit einer Rute drohen würde.

Siebenter Punkt: Meine Damen und Herren, es besteht auch da eine Verpflichtung Österreichs, selbst etwas zu tun und mitzuhelfen, damit die Sudetendeutschen in ihrer Kultur, in ihrer Tradition, in ihrer Identität erhalten bleiben können. Österreich hat in dieser Angelegenheit auch selbst eine Vergangenheit zu bewältigen. Wir wissen, welche unguten Äußerungen 1945 gefallen sind, etwa dahin gehend: Sollen sie doch nach Deutschland gehen!, ausgehend von Figl und von anderen, die sich in Richtung einer selektiven Aufnahme äußerten. Österreich hat da auch selbst etwas zu bewältigen, tut es auch und dient damit auch dieser Sache.

Achtens und letztens, meine Damen und Herren: Ich habe mich gefragt, worin die Dringlichkeit dieser Anfrage liegt. Natürlich kann man immer sagen, so ein Thema ist dringlich, aber neben dieser allgemeinen "Dringlichkeit": Worin liegt die spezielle Dringlichkeit, daß dieses Thema in diesen Tagen und in diesen Wochen vorgebracht wird. (Abg. Dr. Graf: Österreich hat den EU-Vorsitz! Deswegen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Im Jänner 1996 hätte der Beginn der Verhandlungen mit Tschechien einen Anlaß geboten, im Juni 1996 jener mit Slowenien. Im Juli 1997 wäre anläßlich des Avis ein Zeitpunkt gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben die Anträge eingebracht! – Abg. Dr. Graf: Wir haben das jedes Jahr gemacht!) Im Dezember 1997, als der Europäische Rat die Beschlüsse faßte, und im März, als die bilateralen Verhandlungen begannen, hätten sich ebenso Anläße dafür geboten. Warum bitte passiert dies spezifisch und gerade jetzt? (Abg. Haigermoser: Weil Österreich den EU-Vorsitz hat! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Da müssen Sie sich schon den öffentlich ausgesprochenen Verdacht gefallen lassen, daß das doch etwas damit zu tun hat, daß gerade in Österreich groß diskutiert wird, was mit den Opfern des Nationalsozialismus ist, welche Rolle die österreichischen Banken spielten und was mit den Zwangsarbeitern bei österreichischen Firmen war. (Abg. Dr. Ofner: Peter, lies doch einmal die Anfrage!)

Herr Kollege Ofner! Der Historiker Karner, den Sie hier berechtigterweise zitiert haben, warnt uns alle davor, in die Haider-Falle zu tappen, nämlich Holocaust und Sudetendeutsche gleichzusetzen. Er sagte wörtlich – ich zitiere –:

Das wäre jetzt das absolut falsche Signal. Es würde vor aller Welt den Eindruck erwecken, daß Österreich gegenseitig aufrechnen will. Unrecht kann man nicht aufrechnen. – Zitatende. (Abg. Dr. Ofner: In keiner Richtung!)

Meine Damen und Herren! Wir sollten nicht in diese – nein, ich berichtige mich –, wir sollten in keine Haider-Falle tappen! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

16.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.00

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich beginne jetzt mit dem Vorwurf, dem ich mich seitens des Kollegen Graf ausgesetzt sehe, nämlich "tschechienfreundlich" zu sein. – Meine Damen und Herren! Ich kann mit einem solchen Vorwurf durchaus leben. Unsere Außenpolitik ist nämlich eine andere als Ihre: Sie beruht nicht auf Freund- und Feindbildern in Europa, sondern wir setzen darauf, mit unseren Nachbarn gut auszukommen. Und das ist eine richtige Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte zum Thema dieser Anfrage fünf Bemerkungen machen.

Thema Nummer eins, worin wir uns von unseren tschechischen Kollegen durchaus unterscheiden, ist die Frage der Qualifizierung der Beneš-Dekrete. Und was die slowenischen Kollegen betrifft, gibt es eine Differenzierung hinsichtlich der AVNOJ-Beschlüsse von 1943 beziehungsweise 1944.

Wir stehen dazu, daß dieses "Recht", das damals mit Mord, mit Massenvertreibung, mit Konfiskation und Heimatvertreibung von Menschen einhergegangen ist, keines war, sondern Unrecht ist – und bleibt. (Abg. Mag. Stadler: Mit diesem Rucksack gehen sie in die EU!) Und wir stehen auch dazu, daß dieses Unrecht durch den Zeitablauf keine Rechtfertigung erfährt. Und ich glaube, daß wir da einer Meinung sind.

Hinsichtlich der AVNOJ-Beschlüsse von 1943 beziehungsweise 1944 stellt sich bezüglich der Verfügung von Enteignungen dieselbe Frage. Auch das ist Unrecht, auch das widerspricht – auch nach dem damaligen Stand des internationalen Rechts! – den Grundsätzen von Humanität und Menschenrechten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Umso unverständlicher ist für uns – das ist meine zweite Bemerkung, und das möchte ich ausdrücklich namens der ÖVP festhalten –, daß der sozialdemokratische Ministerpräsident Zeman in Tschechien seinen Start als Regierungschef mit der Bemerkung eingeleitet hat, daß die Beneš-Dekrete als "kontinuierlicher Rechtsbestand" in Tschechien weiterhin Gültigkeit haben sollen. – Ich meine, es steht einem Regierungschef nicht zu, nach diesen Ereignissen, die wir alle, und zwar nach damaligem wie heutigem Recht, verurteilen müssen, mit einer solchen Erklärung seine Tätigkeit zu beginnen. Ich halte das im Sinne eines Starts einer neuen Regierung in Tschechien für nicht gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Seine Bemerkung, wonach man Sudetendeutsche auch mit Kommunisten oder Nationalsozialisten vergleichen könne, hat Zeman mittlerweile zurückgenommen, und das möchte ich auch anerkennen. Er hat erklärt, daß diese Art der Interpretation nicht zulässig gewesen sei. Es ist aber – und da möchte ich die Äußerungen des Herrn Vizekanzlers unterstreichen – festzuhalten, daß der tschechische Staatspräsident Havel erklärt hat, daß die Vertreibung von 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus Böhmen und Mähren nach dem Zweiten Weltkrieg moralisch zu verurteilen ist. (Abg. Jung: Da werden die Bayern Druck ausgeübt haben!)

Ich halte das deshalb für eine bemerkenswerte Äußerung, weil sie zeigt, daß in Tschechien sehr wohl auch anders gedacht wird als nur in dem Sinn, wie Zeman das ausgedrückt hat. Das ist ein positiver Anfang, auf dem wir aufbauen müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Havel hat das dann wieder abgeschwächt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dritte Bemerkung: Was ist für die Vertriebenen und ihre Nachfahren heute in Österreich wichtig? – Ich habe aus vielen Gesprächen, die ich auch mit Vertretern von Vertriebenen-Verbänden geführt habe, den Eindruck, daß nicht die vermögensrechtliche Frage im Mittelpunkt steht – da gibt es natürlich auch einiges zu besprechen, aber das ist nicht die zentrale Frage –, sondern die zentrale Frage ist, daß anerkannt wird, daß diese Beneš-Dekrete Unrecht waren und daß es auch ein Unrechtsbewußtsein bei jenen gibt, die dafür verantwortlich waren beziehungswiese heute als Nachfolger verantwortlich sind. (Abg. Aumayr: Wenn es nach wie vor besteht, wie kann man dann anerkennen, daß es Unrecht ist?) Das sind jene zwei Richtlinien, nach denen unsere Handlungsanleitung für Österreich erfolgen sollte.

Ich komme damit zu meinem vierten Punkt: Was soll diese Handlungsanleitung im Sinne von Unrecht feststellen und Unrechtsbewußtsein erzeugen sein? Ich glaube, daß der erste Besuch von Bundespräsident Klestil in Tschechien im September einen ersten Anstoß zu dieser Havel-Äußerung gegeben hat. Ich glaube, daß es der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, der mit allen, die er aus Tschechien hier in Österreich als Gesprächspartner hat, weiterhin auf jeder Agenda sozusagen draufhaben muß, daß wir in Österreich in dieser Frage erwarten, daß in Tschechien eine Bewegung entsteht.

Ich glaube auch, daß diesbezüglich auf Parteiebene viel getan werden kann. Wir von der Österreichischen Volkspartei haben jedenfalls mit unseren bürgerlichen Partnerparteien in Tschechien dazu einen Dialog im April dieses Jahres in Prag aufgenommen. Wir laden sie jetzt im Herbst nach Wien ein, und wir werden das wieder besprechen. Ich kann dazu nur sagen, daß es für mich jedenfalls bemerkenswert war, daß es dort Politiker gibt, die sich einen Schwenk in ihrer bisherigen Haltung durchaus vorstellen können. Es müßte auch dazu kommen, daß man zumindest symbolhaft auf dieses Unrecht, das damals geschehen ist, von tschechischer Seite aus eingeht.

Ich meine auch, daß die Expertengruppe im Sinne einer Historikerkommission von Tschechien und Österreich gemeinsam zu einer Aufarbeitung dieser Geschichte sehr viel Fundamentales beitragen kann. Diese Arbeit ist vielleicht nicht von diesem Hickhack, von dieser Art und Weise der Schwarzmalerei belastet.

Ich komme zu meinem fünften und letzten Punkt: Was ich nicht haben will und wofür ich auch nicht stehen kann, ist, daß diese Polarisierung dahin gehend gesehen wird, daß man ja nur ein Veto einlegen müßte, wenn Tschechien oder Slowenien der Europäischen Union beitreten wollen.

Meine Damen und Herren! Denken wir das doch ganz konsequent durch: Österreich würde so verhindern, daß Slowenien und Tschechien der Europäischen Union angehören. Sollen wir dann sagen: Und jetzt müßt ihr mit der Aufarbeitung des Unrechts beginnen, jetzt müßt ihr euer Unrechtsbewußtsein schärfen!? (Abg. Aumayr: Das ist eine Folge!) Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, daß das die Folge wäre? – Ganz im Gegenteil: Der Nationalismus würde in diesen Ländern erwachen. Vielleicht ist das auch von Ihnen durchaus einkalkuliert, aber wir von der ÖVP können uns dazu wirklich nicht verstehen. Ich hielte es für gefährlich, wenn wir versuchten, Politik in dieser Art und Weise zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Konsequent weitergedacht: Wer weiß denn, wann es wirklich zu einer entscheidenden Phase der Beitrittsverhandlungen kommen wird? Wir wissen es heute nicht. Es kann noch viele Jahre dauern, bis wir unsere Veto-Karte zücken können. Und bis dahin sollten wir warten? (Abg. Jung: Ist es jetzt wichtig – oder ist es nicht wichtig?) Es geht jetzt darum, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf dieses Unrecht von damals hinzuweisen.

Meine Damen und Herren! Wollen wir denn wirklich glauben, daß wir dieses Thema in Erweiterungsverhandlungen, bei denen 15 Verhandlungspartner auf EU-Seite an einem Tisch sitzen, zu einem zentralen Thema für alle aufschaukeln können? Da müssen wir uns, glaube ich, auch eingestehen, daß uns das nicht gelingen würde. Daher sollten wir auch nicht Erwartungshaltungen bei jenen wecken, die heute noch darunter leiden und glauben, daß es möglich wäre, in einem Verhandlungsprozeß all das aufzuarbeiten.

Ich halte es daher für den richtigeren Weg, daß wir das, was wir tun können, auch konsequent tun. Ich wiederhole das noch einmal: auf jeder sich bietenden Ebene, von Minister- bis auf Parteienebene, diese Frage immer wieder anzusprechen und vor allem das Unrechtsbewußtsein zu wecken und das Unrecht, das damals geschehen ist, auch als solches zu bezeichnen. (Abg. Dr. Graf: Bei den parlamentarischen Gremien sprechen Sie das nie an!) Ich halte das – im Vergleich zu einer gefährlichen Holzhammermethode in der Außenpolitik, die für Österreich noch nie zum Erfolg geführt hat – für den viel wichtigeren Weg. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Schieder hat gemeint, daß wir zur Thematik, die heute Thema unserer Dringlichen Anfrage ist, früher entsprechende Anträge hätten einbringen können, dies jedoch unterlassen hätten. – Dies ist unrichtig!

Ich habe in der kurzen Zeit, die mir jetzt dafür zur Verfügung stand, beispielhaft für zahlreiche Anträge vier Vorlagen herausgesucht, die ich Ihnen zitieren möchte:

Entschließungsantrag vom 12. November 1997 betreffend Klärung offener Probleme zwischen Slowenien und Österreich vor dem Beitritt der Republik Slowenien zur Europäischen Union;

Antrag vom 10. Oktober 1997 zur gleichen Thematik, bereichert um die Problematik mit der Tschechischen Republik, und zwar am 10. Oktober 1997 im Zuge einer Debatte darüber eingebracht;

weiters ein Antrag mit ähnlich lautendem Inhalt vom 14. Juli 1995;

ein ähnlich lautender Antrag zur gleichen Problematik, und zwar vom 4. April 1995. (Abg. Schieder: Aber keine Dringliche!)

Herr Kollege Schieder! Wir haben zahlreiche Anträge eingebracht, die Sie alle niedergestimmt haben! Diese Angelegenheit ist seit Jahren dringlich, wird aber von Ihnen seit Jahren verschleppt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Wenn wir damals eine Dringliche verlangt hätten, hätten die Sozialisten gesagt: Wir haben doch noch zwei Jahre Zeit!)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.09

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Gospod minister! Dragi prijatelji! Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir die Volksgruppenfrage und vor allem auch die Frage der Sudetendeutschen, die Frage der Volksdeutschen, die Frage der deutschsprachigen Bevölkerung in unseren Nachbarländern eine zu ernste Frage, als daß sie durch eine sogenannte Dringliche Anfrage der FPÖ hier im Nationalrat auf ein solches Niveau hinuntergebracht wird. Sie haben ein Revanchedenken, das weder diese Länder noch die betroffenen Volksgruppen verdienen. Das möchte ich vorweg einmal festhalten.

Ich bin der Auffassung, daß es große Versäumnisse in Sachen Volksgruppenrecht sowohl in Österreich als auch im Bereich der EU gibt. Es ist unverständlich, daß die Europäische Gemeinschaft die Europäische Menschenrechtskonvention noch immer nicht zum Acquis communautaire gemacht hat. Das wäre eine ganz wichtige Aufgabe, auch in Ihre Richtung gesprochen, Herr Minister. Sie müssen so vorgehen, daß wir zu einem guten, soliden europäischen Volksgruppenrecht kommen.

Eine Problematik ist insofern gegeben, als man im Zusammenhang mit der Kopenhagener Erklärung von den neu hinzukommenden Ländern verlangt, sozusagen päpstlicher zu sein als der Papst selbst. In vielen EU-Ländern – ich möchte jetzt keine Namen nennen – gibt es keinen beziehungsweise nur einen sehr geringen Volksgruppenschutz, ja es gibt sogar noch immer Bestrafungen, wenn jemand bestimmte Sprachen ethnischer Gemeinschaften in diesen Ländern verwendet. – Die Berücksichtigung dieses Themas wäre eine zentrale Aufgabe, die Sie in die EU-Dokumente hineinverarbeiten hätten müssen.

Die Dringliche Anfrage der FPÖ hat vor allem einen zentralen Mangel, und ich hoffe daß wir darin einer Meinung sind – man kann Fehler machen, aber man kann sich auch bessern –, nämlich, daß Sie mit der Problematik dieser Volksgruppen einfach um ein paar Jahre zu spät einsetzen, daß Sie die gesamte Entwicklung vor dem Zweiten Weltkrieg vergessen, nämlich den Mißbrauch dieser Volksgruppen für ganz bestimmte negative Ziele und auch die Bereitschaft vieler Angehörigen dieser Volksgruppen, an der NS-Entwicklung mitzuwirken. Das muß mitberücksichtigt werden. (Abg. Dr. Ofner: Karl, sag mir nur, was das mit 1998 zu tun hat! Du bist 60 Jahre zurück!)

Was die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Beschlüsse von Jajce betrifft, bin ich mit Ihnen einer Meinung: Alles, was darin völkerrechtswidrig, menschenrechtswidrig oder volksgruppenrechtswidrig ist, gehört sofort beseitigt! Heute! Sofort! Noch an diesem Tag! Darin sind wir völlig einer Meinung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir können es nicht tolerieren – nicht in unserem Lande und auch nicht in den Nachbarländern –, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten und durch alte oder neue Gesetze relativiert werden!

Aber gehen wir mutig an die Materie, vor allem hier im österreichischen Parlament! Da steht manches an. Heute, einige Stunden später werde ich dann jene Stimmen abzählen, die mit mir gemeinsam einige österreichische Versäumnisse aufholen wollen. (Abg. Dr. Ofner: Maßnahmen! Was genau? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß die Verfassung, daß die Verfassungsgrundurkunden dieser Länder einen großen Teil dieser auch von mir nicht akzeptierten seinerzeitigen Maßnahmen, Erklärungen und Rechtsnormen – was das genau war, wissen wir in vielen Bereichen ja gar nicht – eine Reihe dieser schrecklichen Bestimmungen derogieren und durch neue ersetzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) So etwas, nämlich einen richtigen Ansatz sehe ich auch in der deutsch-tschechischen Erklärung, und zwar im Artikel 5, den ich aber hier wegen der kurzen Redezeit nicht zitieren möchte. Sie ist Ihnen allen ja sicherlich bekannt.

Es wundert mich allerdings, daß Sie nicht darauf verweisen, daß einige andere Länder schon mutigere Schritte gesetzt und gute Normen haben. Das heißt, daß es diesbezüglich in Nachbarländern auch gute Vorbilder gibt. (Abg. Dr. Ofner: Welche Konsequenzen haben die Tschechen gezogen? Die Deutschen haben gelernt – die Tschechen nicht!) Ich bin absolut bereit, dabei mitzuwirken, daß, vor allem was die Frage Slowenien betrifft, noch einiges – auch im Zusammenhang mit dem Kulturabkommen – geschieht.

Meine Damen und Herren! Mit der slowenischen Verfassung hat man da einen mutigen Schritt gesetzt. Ich möchte wegen der Kürze meiner Redezeit nur die Artikel mit ihren Nummern nennen, beispielsweise Artikel 61, in dem es klar heißt – ich zitiere –:

"Vsakdo ima pravico, da svobodna izraža pripadnost k svojemu narodu ali narodni skupnosti, da goji in izraža svojo kulturo in uporablja svoi jezik in pisavo.”

Im nächsten Absatz geht es dann um das Recht, auch in Schriftform die eigene Sprache verwenden zu können. (Abg. Dr. Ofner: Auch vor der Behörde?) Es kommen dann die klaren Bestimmungen zur italienischen, zur ungarischen Volksgruppe und auch für die Roma. Ich bin der Auffassung, daß man auch eine Verfassungsformel für die anderen in Slowenien beheimateten Volksgruppen finden muß, auch für die deutschsprachigen Slowenen.

Meine Damen und Herren! Dabei haben wir es mit einem großen Problem zu tun, das nicht zu verniedlichen ist. Es gibt zwei Ebenen der Problematik: Da sind einmal die Gotscheer, die ganz anders zu behandeln sind, die als Adressat in Sachen Aussiedlung eigentlich Italien und Deutschland haben. (Abg. Jung: Weil Druck gemacht wurde!) Schon, aber: Wer für den Entzug des Vermögens und die Rückgabe zuständig ist, darüber muß man sehr wohl reden, und wir wissen ja, daß die Gotscheer zum italienisch-faschistischen Territorium dazugehört haben. Das wissen wir auch klar. (Abg. Dr. Graf: Hilflose Nebelgranaten, die Sie da abschießen!)

Anders ist die Sache mit der Frage der sonstigen deutschsprechenden Slowenen in der jetzigen Republik Slowenien zu behandeln. Es ist also unbedingt notwendig, sorgsam mit dieser Frage umzugehen.

Ich würde sagen, daß Ihre Anfrage, Ihre Unterstellung oder Ihre Stellungnahme zur Frage des EU-Beitritts dieser Länder – ja oder nein? – deshalb grundfalsch ist, weil das EU-Recht in weiten Bereichen diese Länder bereits zwingt, ihre Normen zu ändern. (Abg. Dr. Ofner: Das sehe ich nicht so!) Auch wenn sie die eigenen Normen nicht direkt ändern, kommen neue Normen zur Geltung. Daher sollten wir mutig sagen: Jawohl, wir möchten unsere Freunde im Süden und im Osten in der EU sehen – dies auch deshalb, weil wir uns tatsächlich für die Interessen deutschsprachiger Volksgruppen einsetzen. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Ofner: Karl, setz dich nieder!)

Sie argumentieren am Sonntag so, am Montag ist es wieder anders, und am Freitag haben Sie vergessen, was Sie zu Anfang der Woche behauptet haben. Diese Frage ist zu wichtig, als daß sie von Personen und Gruppen mißbraucht wird: in Φsterreich von der FPΦ, von der SPR-RSČ des Herrn Dr. Miroslav Slαdek in Prag oder vom Herrn Jelinčič in Ljubljana. Diese Fragen sind zu ernst und schwerwiegend. Daher gehφren sie in sorgfδltige Verwahrung und sorgfδltige Behandlung – und nicht in schlampigen Dringlichen Anfragen mißbraucht. (Abg. Dr. Ofner: Verwahrung – das hättest du gerne! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in den mir noch verbleibenden restlichen Minuten Kritik an der Politik dieser Bundesregierung anzubringen, denn mit der Freiheitlichen Partei sollte man sich an sich nicht so viel beschäftigen. (Abg. Scheibner: Warum wolltest du dann ein Mandat bei uns haben?)

Herr Bundesminister! Ich sehe große Versäumnisse im Bereich der EU und auch des derzeitigen Ratspräsidenten der EU: Wir wissen genau, daß wir in der EU eigentlich keine klaren Volksgruppen-Rechtsnormen haben, an denen wir diese neuen Länder und auch unser Land oder auch die "klassischen" EU-Länder messen könnten. Herr Bundesminister, es wäre doch an der Zeit – das Österreichische Volksgruppenzentrum wurde bei Ihnen diesbezüglich schon vorstellig –, eine neue Materie, nämlich ein Volksgruppenrecht beziehungsweise eine Volksgruppenrechtsnorm, in die EU-Grundverträge aufzunehmen – dies umso mehr, als wir alle darüber einer Meinung sind, daß Menschenrechte nicht nur Fragen eines einzelnen Staates, des Herbergstaates sind, auch nicht Fragen bilateraler Natur, sondern eben allgemeine Rechte, über die auch allgemein befunden werden darf.

Herr Bundesminister! Das wäre eine Antwort, die mir aber von Ihnen fehlt. Ich habe von Ihnen einen Brief erhalten. Ich möchte jetzt hier nicht das Briefgeheimnis verletzen, sondern nur sagen: Herr Bundesminister, ich war über den Inhalt enttäuscht. Die Antwort war nicht: Ja, lieber Freund, wir werden im Rahmen der EU versuchen, klare Volksgruppen- und Menschenrechtsnormen zu setzen. Das wäre eine klare Antwort gewesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sollten nicht eine Dringliche Anfrage der Freiheitlichen dazu brauchen, denn es hätte seitens der Regierung diese Materie – nämlich der Entwurf einer EU-Volksgruppenrechtsnorm – schon längst auf den Tisch kommen müssen. Dies erwarten wir von Ihnen, auch wenn Sie, Herr Bundesminister, hier heute nicht als Ratspräsident sitzen. Nehmen Sie das aber als österreichischer Außenminister mit: Wir brauchen ein klares und eindeutiges europäisches Volksgruppenrecht! Wie die Menschenrechtskonvention für die Menschenrechte im einzelnen, so brauchen wir auch für Volksgruppen, für nationale Entitäten und Identitäten ein gutes europäisches Menschen- und Volksgruppenrecht. Das wäre die Aufgabe.

Ich glaube, daß es darüber einen Konsens gibt – auch mit den Freiheitlichen –, daß das so richtig ist, ganz gleich, wie man zur EU steht.

In diesem Sinne nehmen Sie bitte die Vorschläge, die wir Ihnen unterbreitet haben, auf! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

16.20

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Verehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich sehe es nicht so wie Herr Kollege Smolle. Man kann durchaus unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob das Thema, das die Freiheitliche Partei heute auf die Tagesordnung gesetzt hat, ein dringliches ist oder nicht. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Richtig!) Im Lichte der Tatsache, daß das Acquis-screening läuft und die Verhandlungen jetzt begonnen werden, ist es durchaus dringlich. Dahin gehend kann ich mich auch Herrn Kollegen Harald Ofner anschließen.

Angesichts der Fragestellungen allerdings frage ich mich folgendes: Warum hat die Freiheitliche Partei, um auch geschäftsordnungsgemäß sinnvoll zu handeln, eigentlich nicht einen Dringlichen Antrag eingebracht. Dieser wäre von der Geschäftsordnung her eher angebracht gewesen (Abg. Aumayr: Ist gemacht worden!), denn die 14 Fragen stellen ja insgesamt eigentlich eine Frage – oder maximal zwei – dar, wenn man sie auf Tschechien oder Slowenien bezieht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage, sich mit dem Schicksal von Österreicherinnen und Österreichern zu beschäftigen, die nach 1945 aus Tschechien vertrieben worden sind, oder die Frage, sich mit dem Schicksal von Menschen zu beschäftigen, die neben ihrer slowenischen Heimatsprache auch noch die deutsche Sprache sprechen und heute in Slowenien leben, sind durchaus legitim. Ich meine, daß sich auch der Nationalrat ernsthaft damit auseinandersetzen sollte. Diese Fragen sind meiner Meinung nach deshalb bemerkenswert, weil ich sie in einem sehr pragmatischen Zusammenhang sehe.

Es kommt nicht von ungefähr, daß der neue Regierungschef Tschechiens, Zeman, seine erste Auslandsreise, nachdem er Regierungschef geworden ist, nach Österreich unternommen hat und hier – ich nehme an – auch mit Ihnen, Herr Vizekanzler, damals zusammengetroffen ist, denn Tschechien ist nicht bloß an der Tatsache, daß wir zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, sondern weit darüber hinaus an den nachbarschaftlichen Beziehungen und an den vielen Gemeinsamkeiten, die bestehen, sehr ernsthaft interessiert. Und ich meine, daß dieser Akt das auch sehr unterstreicht.

Unser Interesse an Tschechien und an dem, was in Tschechien passiert, ist ja ein weit, weit geringeres als umgekehrt. Das gilt im übrigen auch für Slowenien. Wir wissen auch über unsere beiden Nachbarländer viel weniger, als die Menschen dort über Österreich wissen – gar nicht davon zu reden, wie wenige Österreicher die Sprache dieser Nachbarländer sprechen, soferne sie nicht Minderheitenangehörige sind, und wie häufig beziehungsweise fast selbstverständlich es ist, wenn man nach Tschechien oder Slowenien kommt – jetzt kann ich auch den Bogen über Ungarn spannen –, daß die Bevölkerung dort Deutsch spricht.

Dieses Entgegenkommen zeigt ja, wie einfach es uns von dieser Seite vielfach schon gemacht wird, Nachbarschaft aufzubauen. Aber das, was jetzt mit der Problematisierung, die durchaus gegeben ist, was jetzt mit jener Schlagseite, die die Freiheitliche Partei in diese Diskussion einbringt – und diese Frage war ja schon davor in Diskussion –, gemacht wird, geht noch weiter. Da haben sich ja die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ nichts ausdenken müssen, sie haben ja nur das übernommen, was der Kärntner Heimatdienst in Kärnten schon ganz eindeutig sagt, tut und fordert. Dieser geht ja weit darüber hinaus, indem er sagt, Tschechien und Slowenien dürfen nicht in die EU aufgenommen werden, solange nicht die Bedingungen, die er aufgestellt hat, erfüllt sind. Der Kärntner Heimatdienst geht ja viel weiter, und aus den Debattenbeiträgen der FPÖ klingt das auch durch. Sie wollen doch auch ein für alle Mal und für alle Zukunft verhindern, daß es überhaupt Überlegungen über gemeinsame Aktivitäten und Aktionen der Regionen Kärnten, Friaul, Julisch-Venetien und Slowenien gibt. Das ist ja noch weit tiefer verwurzelt.

Das, was meiner Ansicht nach das Wesentliche an der heutigen Sitzung ist, ist die Tatsache, daß die Freiheitliche Partei jedes Mittel und alles, was nur möglich ist und zur Verfügung steht, tun wird, um die Erweiterung der Europäischen Union um diese Länder – wir sprechen heute von Tschechien und von Slowenien – zu verhindern. Der Freiheitlichen Partei ist jedes Mittel recht, um hier Stimmung dagegen zu machen, und damit auch Ressentiments, Gegnerschaft und Vorurteile in der österreichischen Politik und in der österreichischen Bevölkerung zu schüren. (Beifall bei den Grünen.)

Kein Argument, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird der Freiheitlichen Partei hier zu billig sein. Das zeichnet sich schon ab. Das ist es, was mich bezüglich der Frage der zum Teil wirklich mehr als berechtigten Anliegen und auch der Frage der Menschenrechte der Sudetendeutschen in Österreich, jetzt mehr schmerzt. Ich frage mich immer: Wie kommen die Sudetendeutschen dazu, daß eine Partei ihr legitimes Anliegen in dieser Art und Weise instrumentalisiert und damit notwendige und zielführende Diskussionen zwar nicht ausschließt, aber maßgeblich erschwert? (Abg. Jung: Was können die armen Kroaten Österreichs dafür, daß ...?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auftritte der Vertreter der Organisationen, die ich bis jetzt im Fernsehen gesehen, die Aussagen, die ich im Radio gehört oder auch in Zeitungen gelesen habe, sind so besonnen und so realistisch, wie ich sie gar nicht erwartet hätte. Die, die Öl ins Feuer gießen, sind die Freiheitlichen. Und diese haben ihre ganz erklärten Absichten. Die Absicht heißt, alles zu tun, um den Beitritt Tschechiens und Sloweniens in die Europäische Union zu verhindern und hier die Stimmung in Österreich anzuheizen.

Und das ist so leicht zu durchschauen, daß ich den Herrn Vizekanzler bitte – es gibt ohnehin keinen Hinweis darauf –, nicht in diese Falle zu laufen. Sein heutiger Redebeitrag und seine Anfragebeantwortung stimmen mich ja dahin gehend sehr positiv, daß das nicht passieren wird. (Abg. Scheibner: Das sagt eh schon alles!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beispiele für eine Auseinandersetzung, die eine weitaus schwierigere und auch historisch belastetere ist, nämlich das Verhältnis zwischen Tschechien und Deutschland, wie dieses Handling vor sich geht, sind für uns in Österreich ein Muster, das wir uns abschauen können. Ich meine, daß die Idee – ich kann jetzt nicht sagen, inwieweit sie konkretisiert wurde –, eine Historikerkommission einzusetzen, wie es anläßlich des Besuchs von Regierungschef Zeman in Österreich ausverhandelt, verabredet beziehungsweise besprochen wurde, ein wesentlicher und richtiger Schritt ist, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht im Interesse der Sudetendeutschen, daß hier aufgeregt und jetzt auch – unter Anführungszeichen – "politisch belastet" diskutiert wird. (Abg. Dr. Graf: Woher wissen Sie das?) Es geht hier auch darum, für die Zukunft neue Schienen zu legen. Es hat heute niemand in Abrede gestellt – auch nicht der Herr Vizekanzler –, daß Menschenrechte unteilbar sind. (Abg. Schieder: Was heißt: auch nicht? Da muß ich ihn verteidigen! Das hat er nie in Abrede gestellt!) – Nein, niemand hat das getan. Er hat zwar dieses Wort nicht so verwendet und es nicht extra betont, aber es war vollkommen schlüssig aus seinem Debattenbeitrag ableitbar.

Darum ist es – damit schließe ich an Kollegen Smolle an – in diesem Zusammenhang auch selbstverständlich legitim, sich, wenn es um die Europäische Union und Österreichs Ratspräsidentschaft geht, folgende Frage zu stellen: Was wird denn eigentlich von seiten des Außenministers in jenen Fragen getan, bei denen es nicht um ganz große bilaterale oder multilaterale Fragestellungen geht, sondern bei denen Österreich ganz für sich allein, und ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen, Verfassungsrecht und damit Menschenrechte durchsetzt?

Herr Vizekanzler! Ich wünsche mir dafür ein nur annähernd so starkes Engagement, wie Sie es heute aus meiner Sicht in der Beantwortung dieser Anfrage – jetzt ganz positiv gesprochen – bewiesen haben, um hier Nüchternheit, Sachlichkeit und damit auch zielorientierte Ergebnisse Platz greifen zu lassen. Ein bißchen mehr Engagement würde ich mir erwarten, wenn es darum geht, daß man Artikel 7, Staatsvertrag von Wien, der unerfüllt ist, in Österreich durchsetzt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

Dazu brauchen Sie keinen Zeman und keinen Kučan, und vor allem brauchen Sie die Freiheitliche Partei und das Wohlwollen der Freiheitlichen Partei nicht. Das ist tδglicher Rechtsbruch, der in Φsterreich passiert – jeden Tag! An jedem Tag, der vergeht, brechen die Regierung beziehungsweise die Verantwortlichen in Österreich Verfassungsrecht, solange nicht jene Rechte, die die Basis des österreichischen Rechtssystems darstellen, in Österreich erfüllt werden.

Wenn, sehr geehrter Herr Bundesminister – und die EU-Ratspräsidentschaft ist ja noch nicht zu Ende, wir sind genau bei der Halbzeit –, ... (Abg. Dr. Graf: Herr Präsident! Die Redezeit ist aus! – Abg. Dr. Haider: Sie ist stimmlich schon lange aus!)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Die Redezeit ist abgelaufen. Es tut mir leid. (Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Mag. Stoisits. – Abg. Dr. Haider: Sie hat eine Zugabe gekriegt für diesen Schwachsinn! ... Österreich beschimpfen!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieses überraschende Lob der Frau Abgeordneten Stoisits für Ihre heutigen Antworten im Nationalrat zeigt ganz deutlich, was von diesen Antworten zu halten ist, Herr Außenminister. (Vizekanzler Dr. Schüssel spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Smolle. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Vielleicht soll er jetzt auch zuhören, der Herr Minister! – Abg. Dr. Haider: Karel Smolle, hör zu!)

Herr Außenminister! Hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, auch zuzuhören? Herr Smolle, ich glaube, es ist nicht gerade ein Akt der Höflichkeit, wenn man den Herrn Außenminister hier vom Zuhören abhält.

Meine Damen und Herren! Nichts zeigt deutlicher, was Sie hier heute geboten haben, Herr Außenminister, als der Umstand, daß die Grünen Sie loben und Sie zu den Antworten, die Sie heute gegeben haben, beglückwünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Steigen Sie doch herunter! Wir sind hier im österreichischen Parlament, nicht in Brüssel, nicht im EU-Rat, wo für Sie, auch als Vertreter der Europäischen Union, anscheinend Wirtschaftsinteressen wichtiger sind als die Menschenrechte, wie wir es auch immer wieder kritisieren. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.) – Ja, Sie können sich über das Lob der Grünen freuen. Wir hätten uns aber hier von Ihnen als österreichischem Außenminister erwartet, daß Sie klare und deutliche Worte zu diesen Unrechtstatbeständen finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was haben Sie gesagt? – Sie haben gesagt – bitte, das ist ja ungeheuerlich! –: Slowenien und Tschechien darf man heute nicht verantwortlich machen für Rechtsakte des Tschechiens der Nachkriegszeit und der Republik Jugoslawien.

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Das würde, auf Österreich umgemünzt, bedeuten, daß wir nicht verantwortlich sind für die Taten, Rechtsakte und für die Verbrechen, die in Österreich zwischen 1938 und 1945 verfügt und verübt worden sind. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wir alle haben uns doch Gott sei Dank dazu gefunden (Beifall bei den Freiheitlichen), daß wir selbstverständlich auch eine Mitverantwortung haben (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.– Herr Außenminister! –, dieses Unrecht, soweit es geht, wiedergutzumachen.

Sie haben von Denationalisierung gesprochen. Herr Außenminister, Denationalisierung! Die Vertreibung von 3 Millionen unschuldigen Bürgern, denen man zehn Minuten Zeit gegeben hat, die wichtigsten Utensilien, die sie brauchen, zusammenzupacken, die man aus ihren Wohnungen, aus ihren Häusern getrieben hat, die froh sein mußten, wenn sie nicht persönlich attackiert und umgebracht worden sind, nennen Sie Denationalisierung. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Verharmlosung, das ist eine Verniedlichung! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das spricht Ihnen jede moralische Kompetenz ab – auch heute –, zu diesen Denationalisierungen, wie Sie sie nennen – wir nennen es ethnische Vertreibungen von Zehntausenden und Hunderttausenden, die auch heute in Europa passieren –, hier das Wort zu ergreifen.

Gerade Sie als Obmann einer Partei, die sich so gerne als Hüterin der Sudetendeutschen und dieser Vertriebenen aufspielt, sollten darauf achten, wenn bei Veranstaltungen der Sudetendeutschen markige Sprüche fallen und Hoffnungen geweckt werden – Hoffnungen, daß jetzt, da die ÖVP seit Jahren in einer Regierung ist, in der Sie das Außenministerium übernommen haben –, daß den Vertriebenen und den Überlebenden von damals endlich Gerechtigkeit widerfährt.

Meine Damen und Herren: Worum geht es denn? Herr Kollege Schieder, Sie haben gesagt, das sei nicht dringlich! – Selbstverständlich ist das dringlich. Für jeden einzelnen dieser mittlerweile schon sehr alten Menschen ist es dringlich, weil sie vielleicht ... (Abg. Schieder: Ich habe das gar nicht gesagt!)

Herr Kollege Schieder! Natürlich: Sie haben die Dringlichkeit dieses Antrages bezweifelt. (Abg. Schieder: Warum bringen Sie es genau jetzt?) – Wir bringen es nicht gerade jetzt, sondern wir haben Monate und Jahre versucht (Abg. Schieder: Unerfahren tanzen Sie da herum!), im Außenpolitischen Ausschuß und im Hauptausschuß all diese Anträge einzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben jeden dieser Anträge abgelehnt!

Für jeden dieser Überlebenden ist es dringlich, daß er endlich – 50 Jahre nach diesem Unrecht! – Gerechtigkeit erfährt. Und nur darum geht es: daß ihm Gerechtigkeit widerfährt, daß zugegeben wird – auch von den Staaten Tschechien und Slowenien –, daß das damals Verbrechen waren und daß diese nicht zulässig sein können! Es würden sich diese Österreicher, die so sehr am Aufbau dieser Republik mitgearbeitet haben, heute erwarten, daß Sie als Außenminister und die Bundesregierung, aber auch dieses Parlament, darauf drängen, daß die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen, die die Rechtsgrundlage für die Vertreibung, für die Ermordung und für die Enteignung waren, außer Kraft gesetzt werden und daß es diesbezüglich eindeutige Aussagen dieser Regierungen gibt.

Es wird gesagt: Das kann man nicht vergleichen und nicht verquicken mit dem EU-Beitritt. – Meine Damen und Herren! Herr EU-Ratspräsident Schüssel! Können Sie es als EU-Vertreter zulassen, daß in die europäische Staatengemeinschaft, in die Gemeinschaft demokratischer Staaten, ein Land, das Unrechtstatbestände dieser Art duldet, aufgenommen wird? – Lesen Sie doch die Erfahrungsberichte, unter welchen Umständen diese Menschen damals gefoltert und ermordet worden sind! Können Sie es zulassen, daß ein Saat, in dem derartige Rechtsbestände nach wie vor in Geltung sind, in diese demokratische Staatengemeinschaft aufgenommen wird? – Das können wir doch als Österreicher, als Österreichisches Parlament, nicht zulassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Nowotny hat gesagt: Überlegen Sie doch, was vorher gewesen ist! – Herr Kollege Nowotny! Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das ist Ihr Problem: Sie unterscheiden immer bei den Opfern. Für Sie gibt es gute Opfer und böse Opfer, für Sie gibt es schuldige Opfer und unschuldige Opfer. Das ist das, was wir Ihnen auch vorwerfen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Karlsson.) Für uns gibt es keine guten und bösen Opfer, sondern nur Recht und Unrecht; und überall, wo Unrecht passiert ist, wo Verbrechen passiert sind, wo menschenrechtswidriges Verhalten passiert ist, haben wir die Verantwortung, das aufzuzeigen. Das gilt für alle Bereiche – egal wann und wo es passiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren – weil wir jetzt wieder so viel über die Aufarbeitung des Unrechts, auch der Opfer des Nationalsozialismus, diskutieren und Sie sich immer wieder hinter Kommissionen verstecken, die sie selbst initiiert haben –, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider, Herbert Scheibner und Kollegen betreffend die restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS-Opfer

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich die erforderlichen Veranlassungen zur Einsetzung einer wirklich von den österreichischen Parteien unabhängigen, mit internationalen Experten besetzten Historikerkommission zur Aufarbeitung der im Zusammenhang mit dem Schicksal und dem Vermögen der NS-Opfer festzustellenden Versäumnisse der Nachkriegszeit und insbesondere der Rolle der österreichischen Bundesregierung und der damaligen Koalitionsparteien zu treffen.

Dabei ist es unverzichtbar, daß die Funktion des Vorsitzenden der Kommission international ausgeschrieben wird und alle Mitglieder der Kommission im Einvernehmen mit den Organisationen der NS-Opfer und deren Nachkommen bestellt werden.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Scheibner! Darf ich Sie eine Sekunde zu mir bitten!

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietachmayr. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.37

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Niemand in diesem Haus hat es notwendig, sich von der FPÖ sagen zu lassen, was Recht und was Unrecht ist. Das wissen wir alle sehr genau, und es ist, so glaube ich, überhaupt keine Frage, daß die Vertreibung von über 3 Millionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg – auch wenn mehr als fünf Jahrzehnte vergangen sind – noch längst nicht Geschichte ist. Sie ist nach wie vor spürbare Gegenwart!

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden aus der damaligen Tschechoslowakei rund 3,5 Millionen Deutsche vertrieben. Im Zuge dessen wurden über 241 000 Menschen getötet oder sind an den Strapazen der Vertreibung gestorben. Das Unrecht, das diesen Menschen zugefügt wurde, ist nicht entschuldbar; das wissen wir alle, das wird auch von niemandem bestritten, auch wenn es noch so lautstark immer wiederholt wird.

Meine Damen und Herren! Vieles, was in diesem gewalttätigen Jahrhundert an Unrecht geschehen ist, kann nicht wieder gutgemacht werden, aber jeder von uns kann dazu beitragen, daß diese Verbrechen für immer der Vergangenheit angehören. Deswegen ist die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit so wichtig und notwendig. Ich bin daher sehr froh darüber, daß viele Staaten Europas begonnen haben, noch vorhandene dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten. Offenheit in allen Fragen ist notwendig, um einen gemeinsamen Weg in die Zukunft beschreiten zu können.

In diesem Bewußtsein wurde im Jahre 1997 die Versöhnungserklärung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik unterzeichnet und in diesem Bewußtsein hat ja auch vor kurzem Bundeskanzler Klima mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Zeman die Einsetzung einer Historikerkommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit besprochen.

Als selbstbewußter demokratischer Staat stellt sich Österreich seiner Vergangenheit. Ich bin überzeugt davon, daß auch die Tschechische Republik ein neues Kapitel im Umgang mit noch offenen Fragen zur eigenen Vergangenheit aufschlagen wird. Auch die Prager Regierung sollte nachdenken, ob dieses düstere Kapitel der tschechischen Nachkriegsgeschichte neu und auch wahrheitsgemäß niedergeschrieben werden sollte. – Anzeichen dazu gibt es bereits.

Wie schon erwähnt: Bei einem Amtsbesuch von Bundespräsident Klestil bei seinem tschechischen Amtskollegen Havel meinte dieser zur Überlegung einer moralischen Versöhnung wörtlich – ich zitiere –: "Ich würde jede Geste unterstützen, die mir die Fachleute vorlegen."

Bemerkenswert ist aber auch, daß Präsident Havel dabei das Wort "Vertreibung" verwendete und nicht das in Tschechien übliche Wort "Abschiebung". Sie sehen, es ist auch hier ein Umdenkprozeß im Gange. Langsam kommt Bewegung in die Meinungsbildung der tschechischen Spitzenpolitiker. Daher glaube ich, daß die Einrichtung einer Historikerkommission sehr wertvoll sein kann.

Ich glaube auch, daß Versöhnung Offenheit und Bereitschaft braucht, aufeinander zuzugehen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen; und dieses Gemeinsame ist unsere Verantwortung für die Zukunft Europas. Daher darf das Unrecht in der Vergangenheit keine Barriere sein, uns als Bürger Europas zu begreifen und auch danach zu handeln. Gerade das europäische Friedens- und Einigungswerk ist als Antithese zu Krieg, Mißachtung von Menschenrechten und unaussprechlichem Leid und Unrecht entstanden. Das beweist, daß die Menschen fähig sind, die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Ich meine auch, um auf Herrn Abgeordneten Graf zu replizieren, daß die Frage zu stellen ist, wo der Erfolg größer und vor allem nachhaltiger erscheint. Das Ergebnis von bilateralen Verhandlungen, oder soll junktimiert werden? – Ich bin der Ansicht, der erstgenannte Weg ist der richtigere!

Aus diesem Grunde ist es umso wichtiger, daß jede Maßnahme und jeder Schritt in dieser Frage wohl überlegt getan wird. Vorstöße, wie sie vor kurzem FPÖ-Obmann Haider gezeigt hat, sind kontraproduktiv. – Herr Abgeordneter Haider! Ich kann Ihnen aus der Ausgabe der Zeitung "Oberösterreichische Nachrichten" vom 16. September 1998 aus einem Artikel zitieren, in dem Karl Danninger schrieb:

"Die Diskussion wird nicht darüber geführt, wie der FP-Obmann dazu kommt, das Schicksal einer ganzen Gruppe für seine Parteipolitik zu mißbrauchen, sondern reflexhaft stürzt sich die Politik auf Haiders Thesen und teilt undifferenziert die Welt in gut und böse."

Oder: Josef Ertl im "Standard": "Haider kontraproduktiv." ... "Wenn Haiders Äußerung nicht kontraproduktiv wäre, wäre ich dankbar dafür." – Das hat Ertl in einem Artikel geschrieben, aber gesagt hat das der Bundesgeschäftsführer der sudetendeutschen Landsmannschaft, Alfred Bäcker. Er hat außerdem gesagt: "Es wird die Sache in ein Licht gebracht, das wir" – also die Sudetendeutschen – "nicht wünschen." – Meine Damen und Herren! Daher glaube ich, daß man hier wirklich etwas diplomatischer vorgehen sollte.

Der Verband der volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, VLÖ, vertritt die Interessen von 350 000 Österreichern, die zwischen 1944 und 1946 vertrieben worden sind. Sie haben sich bisher jeglicher Racheakte an Tschechien enthalten. Die wichtigsten Anliegen dieser volksdeutschen Landsmannschaften sind natόrlich, daί rassistische und diskriminierende Dekrete und Beschlόsse wie jene von AVNOJ aus Ex-Jugoslawien und jene des ehemaligen Staatsprδsidenten Beneš aus der ČSSR, welche die Grundlage fόr die kollektive Vertreibung waren und noch heute in den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten enthalten sind, endlich außer Kraft gesetzt werden. Auch ich unterstütze diese Forderung.

Diese Rechtsnormen widersprechen jedem rechtsstaatlichen Prinzip und sind auch nicht mit jenen Österreichs in der geltenden Rechtsnorm in Einklang zu bringen. Moralische Wiedergutmachung ist das Gebot der Stunde. Ich verweise in diesem Zusammenhang, wie auch der Herr Außenminister, auf die Aussage des Europäischen Rates bei seiner Tagung im Juni 1993, in der es unter anderem heißt, daß jeder Beitrittskandidat eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten verwirklicht haben muß.

Meine Damen und Herren! Wenn wir Europa als unsere gemeinsame Heimat begreifen wollen, werden wir Wege finden, um die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und Gesten der Versöhnung auch Taten folgen zu lassen. Die österreichische Bundesregierung ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und hat für die Errichtung eines Kultur-, Begegnungs- und Dokumentationshauses für die heimatvertriebenen Altösterreicher, für das "Haus der Heimat" im 3. Wiener Bezirk in der Steingasse, einen Betrag von 30 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt. Die Landesregierung Wien hat 5 Millionen Schilling dazu beigetragen und das Land Oberösterreich 1 Million Schilling.

Für die historische und soziologische Fachforschung, für die schon bisher vielversprechenden Initiativen des VLÖ wird durch eine weitere finanzielle Unterstützung in den nächsten Jahren ein Beitrag geleistet werden. Daher glaube ich, meine Damen und Herren, daß es falsch wäre, in Belangen der Außenpolitik, so wie es die FPÖ derzeit tut, wie ein Elefant im Porzellanladen herumzutrampeln!

Ich meine, es ist wichtiger, Aufarbeitung und Aufklärung zu betreiben – auch im eigenen Land –, damit nie mehr geschehen möge, was damals geschah. (Beifall bei der SPÖ.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der vorhin von Herrn Abgeordneten Scheibner verlesene Entschließungsantrag betreffend die Einsetzung einer unabhängigen Historikerkommission ist ordnungsgemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen nach § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte ist nicht beantragt worden. Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung wird daher die Abstimmung über diesen Antrag nach Erledigung der Tagesordnung vorgenommen werden.

*****

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. Die Redezeit ist bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.47

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Ich möchte die Aussage, die über den Geschäftsführer der sudetendeutschen Landsmannschaft, Bäcker, von Herrn Abgeordneten Dietachmayr zitiert wurde, tatsächlich berichtigen. Sie haben zitiert, daß Herr Bäcker vermeinte, daß Haiders Äußerungen im Zusammenhang mit der sudetendeutschen Frage kontraproduktiv gewesen seien.

Dieser Umstand ist unrichtig, es wurde auch richtig gestellt. (Abg. Schieder: Das können Sie doch nicht richtigstellen! Das ist kontraproduktiv!) Richtig ist vielmehr, daß Herr Bäcker in einem Interview gegenüber Herrn Ertl sagte, daß die im "profil" veröffentlichte Karikatur im Zuge der Äußerungen von Dr. Haider kontraproduktiv ist.

Das müssen Sie mir zugestehen: Diese perfide, miese Karikatur ist wirklich kontraproduktiv in dieser Angelegenheit. (Abg. Schieder: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Herr Ertl hat im "Standard", so wie es in dieser Zeitung üblich ist, natürlich diese Berichtigung niemals gebracht.

Herr Kollege! Ich konstatiere, daß Sie diesen Umstand ...

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die tatsächliche Berichtigung ist geschäftsordnungsgemäß erfolgt und beendet. (Beifall bei den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Graf.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren! In letzter Zeit habe ich mit Heimatvertriebenen intensivste Kontakte gehabt. Dabei kristallisieren sich im großen und ganzen zwei Forderungen heraus, die diese realisiert haben wollen.

Zum Ersten erwarten sie von uns, daß wir tatsächlich die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen in Verhandlungen mit Tschechien und Slowenien aus dem Rechtsbestand heraus bringen.

Zum Zweiten: Sie erwarten auch, daß wir ihnen dabei behilflich sind, ihre Geschichte neu und richtig zu schreiben. – Gestatten Sie, daß ich zu den zwei großen Anliegen der Heimatvertriebenen noch einige Bemerkungen mache.

Ich bin ein bißchen befremdet darüber, daß die Freiheitlichen, wenn es darum geht, die Beneš-Dekrete wie auch die AVNOJ-Bestimmungen aus dem jeweiligen Rechtsbestand herauszubringen, ausschließlich den Weg über den EU-Beitritt gelten lassen. (Abg. Jung: Nicht nur, sondern auch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler und Außenminister hat in seiner Anfragebeantwortung klar und deutlich herausgehoben, daß diese Junktimierung, und damit diese Ausschließlichkeit, das ganz hohe Risiko in sich birgt, daß es erst gar nicht zu diesen Verhandlungen kommt, sondern daß es eine Abkapselung der beiden Länder gibt. Das sollte auf jeden Fall verhindert werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser.)

Herr Dr. Graf! Gerade ein Satz aus Ihrer Rede unterstreicht diese meine Behauptung. Sie haben gesagt, jeder Politiker – Sie haben gemeint in Tschechien und Slowenien – gewinne Wahlen, wenn er das Beharren auf die Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen proklamiert. – Ja! Exakt so ist es nämlich! Wir würden damit nur den Nationalisten wieder Wasser auf ihre Mühlen geben, und das sollte verhindert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht doch außer Frage, daß sowohl die Beneš-Dekrete als auch die AVNOJ-Bestimmungen als menschenfeindlich, als Menschenrechtsverletzungen gelten. Ich glaube, daran ist nicht zu rütteln, und das bestreitet auch niemand. (Abg. Haigermoser: Das hoffen wir schon!) Aber der Weg, auf dem wir diese Bestimmungen aus dem Rechtsbestand entfernen wollen, sollte unserer Meinung nach ein anderer sein.

Meiner Ansicht nach vereinnahmen Sie die einzelnen Vereine und streuen ihnen Sand in die Augen. Denn realpolitisch gesehen bin auch ich der Überzeugung, daß der Weg über lange bilaterale Verhandlungen zum Erfolg führen wird. Herr Außenminister Dr. Schüssel hat sich in seiner Erklärung dazu verpflichtet, diesen Weg zu gehen, und den entsprechenden Erfolg garantiert. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir unterstützen das und wollen es auch für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als nächstes möchte ich eine Korrektur zur Geschichte der Heimatvertriebenen bringen. Bei den Sudetendeutschen ist es äußerst dramatisch zu- und hergegangen. In der Zwischenkriegszeit waren sie besonderen Repressalien ausgesetzt, so mußten sie etwa im Jahre 1928 durch die Sprachenverordnung zum Teil Schulen zusperren und verloren öffentliche Ämter. Viele Unternehmungen bekamen keine öffentlichen Aufträge mehr, sie wurden also in eine wirtschaftliche und soziale Notlage getrieben. – Wen nimmt es wunder, daß sie im Jahre 1939 ausgerecht Adolf Hitler, der ihnen die Hand reichte, in einem ersten Anflug tatsächlich vertrauten?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber das gehört nun richtiggestellt, denn viele glauben, daß gerade die Sudetendeutschen verkappte Nationalsozialisten waren. Hier gehört die Geschichte richtig dargestellt. (Abg. Dr. Haider: Der Renner und der Figl haben immer gesagt: Die gehören nach Deutschland!) Und diese Darstellung erfolgt auf besonderes Engagement unseres Außenministers Dr. Schüssel, denn es werden dem Haus der Heimat in den nächsten Jahren 10 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt (Abg. Jung: Was ist denn das im Vergleich zu anderen Mitteln?), um den Heimatvertriebenen die Möglichkeit zu bieten, sich richtig darzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darin sollten wir sie unterstützen. (Abg. Dr. Graf: Das eine schließt doch das andere nicht aus!) Ja, eben! Aber es müssen Taten gesetzt werden, und diese Taten sind gesetzt worden (Abg. Mag. Stadler – auf Vizekanzler Dr. Schüssel zeigend –: Da! Da! Nichts tut er!), es ist bereits ein entsprechender Ministerratsbeschluß gefaßt worden, und das ist auch für die Sudetendeutschen, für die deutschsprachigen Landsmannschaften, von größter Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jung: Sand in die Augen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist uns meiner Ansicht nach nicht gedient, wenn wir dieses Thema kontroversiell abhandeln. Wir sollten erkennen, daß der Weg, den das Außenministerium unter Dr. Schüssel geht, ein zielstrebiger (Heiterkeit des Abg. Jung), sicherlich auch mühsamer Weg ist, der uns aber hoffentlich sehr bald zu einem Erfolg zugunsten der Heimatvertriebenen führt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. Heinz FischerNächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.56

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schieder hat die Frage gestellt, warum wir jetzt eine dringliche Behandlung dieser Materie verlangen. Ich kann es ihm ganz einfach sagen, es ist ziemlich logisch, und er hätte es als außenpolitischer Sprecher wahrscheinlich selbst beantworten können: Wir führen jetzt den EU-Vorsitz und während dieses EU-Vorsitzes (Abg. Schieder: Das ist der falscheste Zeitpunkt!) beginnen die Verhandlungen mit neuen osteuropäischen Staaten über eine Vollmitgliedschaft. (Abg. Schieder: Wenn es einen taktisch falschen Zeitpunkt gibt, dann jetzt!) Also: Wann sollen sich Österreicher zu Wort melden, wenn nicht jetzt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die zweite Frage, die ich stelle, lautet: Warum messen Sie, ein Außenminister, mit zweierlei Maß? Sie haben gesagt, über Menschenrechtsfragen könne man nur bilateral verhandeln. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Nein, das habe ich nicht gesagt!) Mit der Türkei aber können keine Beitrittsverhandlungen geführt werden, weil sie die Menschenrechte verletzt. Aber die Tschechen und die Slowenen dürfen weiterhin menschenrechtswidrige Gesetze in Geltung erhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist ein starkes Stück!)

Herr Vizekanzler! In diesem Zusammenhang haben Sie freundlicherweise ein Gutachten des Völkerrechtlers Zemanek zitiert, der, wie Sie gesagt haben, zu dem Schluß gekommen sei, daß die AVNOJ-Beschlüsse de facto außer Kraft getreten seien und völkerrechtlich keine Verbindlichkeit mehr hätten. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel.) Gut! Sie werden es korrigieren. (Abg. Mag. Stadler: Nein! Er hat gesagt, das sei völkerrechtskonform! Das ist noch viel ärger!)

Ich würde Sie bitten, mir zu sagen, von wann exakt dieses Gutachten datiert. Denn ich muß Ihnen mitteilen, daß uns nach einer Rückfrage im Büro Zemanek der Professor ausrichten ließ, daß er kein derartiges Gutachten zu diesem Gegenstand verfaßt habe. (Rufe bei den Freiheitlichen: Da schau her! Hört, hört! – Abg. Mag. Stadler: Das ist eine starke Sache!)

Ich möchte also wissen – von Ihren Beamten oder von Ihnen –: Haben Sie das Parlament bewußt mit einer Unwahrheit konfrontiert oder ist Herr Professor Zemanek auf der falschen Hochzeit unterwegs? Das möchten wir gerne wissen.

Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang, weil ÖVP-Politiker heute immer sofort davon geredet haben, daß man das bilateral lösen müsse: Sie werden – und überlegen Sie sich das bitte einmal –, wenn der EU-Beitritt von beiden Staaten vollzogen ist, bilateral überhaupt nichts mehr für die Heimatvertriebenen tun können. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das stimmt nicht!) Sie sind, obwohl Sie gerade den Vorsitz haben, schon jetzt nicht in der Lage, durch eine nachhaltige Politik in dieser Frage irgend etwas zu erreichen, sondern "der böse Haider" muß das Thema wieder einmal in Diskussion bringen, damit Sie aufwachen und überhaupt erkennen, was Sie zu tun haben. Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Denken Sie daran! Ich lese Ihnen eine Verfügung vor, die nicht im Krieg erlassen wurde, sondern am 26. Oktober 1945! Es ist dies eine Verfügung über Vermögensverfall in der Tschechoslowakei mit dem Titel "Dekret":

Nachdem Sie ein Deutscher sind, wird Ihr Besitz mit sofortiger Wirkung – Dekret des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik von 19. Mai 1945 – in nationale Verwaltung gegeben und dem Verwalter soundso übertragen. Es wird Ihnen aufgetragen, Ihren Besitz samt allen Rechten und Vorräten, Forderungen und Bargeld dem genannten Verwalter zu übergeben. Jede Disposition wird Ihnen untersagt und würde streng bestraft werden. (Abg. Mag. Stadler: Tschechisierung!)

Meine Damen und Herren! Das war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, das war in der Kontinuität dieser jetzigen Tschechischen Republik. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich frage Sie nun: Eine Republik, die nach wie vor solche Gesetze aufrechterhält, wollen Sie aufnehmen? Das ist der wahre Hintergrund Ihrer heuchlerischen Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens muß ich Ihnen sagen, daß es einen Beschluß, nicht des Kärntner Heimatdienstes, sondern des Kärntner Landtages – einstimmig! – gibt sowie einen Beschluß der Kärntner Landesregierung – einstimmig! –, in denen verlangt wird, daß vor einem EU-Beitritt Sloweniens die AVNOJ-Beschlüsse aufzuheben sind und die Rechtsposition der Altösterreicher in der Verfassung Sloweniens geklärt werden muß. Das ist ein einstimmiger Beschluß aller Parteien!

Ich frage mich, warum sich der Herr Außenminister weigert, Beschlüsse einer gesetzgebenden Körperschaft eines Bundeslandes, das mitbetroffen ist, zur Kenntnis zu nehmen. Denn ich hielte es für das mindeste, bereit zu sein, diese Fragen in die EU-Beitrittsverhandlungen, wie es natürlich von einem Bundesland wie Kärnten, das nachhaltig betroffen ist, auch gewünscht wird, aufzunehmen.

Sie waren mit Ihrer Politik bisher nicht erfolgreich. Sie geben Slowenien Geld und bewirken nichts! Sie erreichen in Ihren bilateralen Verhandlungen seit Monaten nichts! Nicht einmal das Kulturabkommen bringen Sie zustande, Herr Vizekanzler! Sie ärgern sich selber schon, weil die Slowenen in dieser Frage so bockbeinig sind. Jetzt haben Sie wieder eine Million Schilling für die Einrichtung einer solwenischen Bibliothek gespendet. Trotzdem bewegen Sie dort nichts. Sie müssen zum richtigen Zeitpunkt in die Verhandlungen gehen!

Martino, ein ehemalige Minister der italienischen Regierung, hat mir vor einigen Wochen erzählt, wie froh er darüber war, daß ihm, als es um die Assoziierungsabkommen mit Slowenien gegangen ist, der ehemalige Außenminister Dr. Mock geholfen hat, den Slowenen klarzumachen, daß die Italiener so lange das Assoziierungsabkommen in der EU nicht akzeptieren würden, solange die Probleme Italiens nicht geregelt seien. Das heißt, ein österreichische Außenminister half den Italienern zu junktimieren, aber die gegenwärtige österreichische Außenpolitik sagt – wenn es um österreichische Interessen, um Altösterreicher geht –: Nein, wir können leider im Zusammenhang mit den EU-Verhandlungen nicht tätig werden.

Das ist Ihre eigenartige Verzichtspolitik, die wir letztlich nicht mehr mitmachen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Das ist typisch!)

17.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt ein Niveauabfall! – Vizekanzler Dr. Schüssel: Er kann es nur besser machen! – Abg. Wurmitzer: Über Ihr Niveau, Kollege Stadler, möchte ich nicht reden!)

17.02

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Außenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die Debatte über die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei sehr aufmerksam verfolgt und dabei festgestellt, daß in der Beurteilung der geschichtlichen Ereignisse zwischen allen Parteien dieses Hauses völlige Übereinstimmung herrscht. Es gibt aber unterschiedliche Beurteilungen über den Weg, der jetzt einzuschlagen ist.

Kollege Haider! Der Weg der Freiheitlichen Partei ist die Veto-Politik! Die Veto-Politik führt aber nicht zum Ziel. (Abg. Mag. Stadler: Bei den Italienern schon!) Sie würden mit Ihrer Politik kein einziges politisches Ziel erreichen! (Abg. Mag. Stadler: Da war Dr. Mock hilfreich!)

Ich darf wiederholen: Die Konsequenzen Ihrer Politik, wenn Sie sie so konsequent durchsetzen könnten, wie Sie heute erklärt haben (Abg. Dr. Haider: Das hat Mock bei den Italienern gemacht!), wäre, daß es keine Erweiterung der EU um die beitrittswilligen Staaten gäbe. (Abg. Mag. Stadler: Das war doch ein Niveauabfall, Herr Außenminister!) Eine weitere Konsequenz wäre ein enormer Schaden für die österreichische Sicherheitspolitik, denn es ist bekannt, daß Österreich derzeit den größten Anteil an EU-Außengrenzen hat und daß es ein Staatsinteresse sein muß, die Nachbarschaft in die Europäischen Union zu integrieren. (Abg. Mag. Stadler: Der Kärntner Landtag hat es ja beschlossen!) Vom Schaden für die Wirtschaft möchte ich gar nicht sprechen, denn es ist ebenfalls bekannt, daß sich dort potente Wirtschaftspartner Österreichs befinden.

Ihre Politik bedeutet auch einen enormen Schaden für die Heimatvertriebenen, denn Österreich würde damit die Gesprächsfähigkeit mit seinen Nachbarländern verlieren. (Zwischenruf des Abg. Jung.) Vom internationalen Schaden für Österreich möchte ich gar nicht sprechen. Ich muß Ihnen sagen, es ist ein Glück, daß Sie in Österreich nicht regieren, sondern andere die Verantwortung tragen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie schaut nun unsere Alternative dazu aus? (Abg. Scheibner: In Kärnten seid ihr national, da international!) – Unsere Alternative ist es, das Friedenswerk in Europa klug und behutsam fortzusetzen. Wir brauchen eine neue Qualität der Außenpolitik, und wir müssen vor allem den jungen Staaten die Möglichkeit einräumen, sich auf den Beitritt vorzubereiten und auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Der Weg Österreichs ist richtig, der Weg, den Vizekanzler Schüssel beschreitet, ist richtig. Er hat, gerade im Hinblick auf Slowenien, mit der wissenschaftlichen Aufbereitung der Geschichte beginnen lassen. In diesem Bereich hat sich Dr. Stefan Karner sehr große Verdienste erworben.

In einem zweiten Schritt wird ein Kulturabkommen zwischen Österreich und Slowenien angestrebt, um speziell die Rechte der Altösterreicher in einem Vertrag zu verankern und auch die Anerkennung dieser altösterreichischen Minderheit in Slowenien zu erreichen.

Der dritte Schritt ist die Einbindung Sloweniens in eine gesamteuropäische Rechtsordnung mit allen Grundrechten. Denn es ist ein Faktum, daß unter der Voraussetzung, daß die Amsterdamer Verträge Geltung haben, AVNOJ-Beschlüsse und auch die Beneš-Dekrete nicht haltbar sind. Damit ist den Heimatvertriebenen am meisten gedient. Ihre Alternative ist kein Beitritt und damit, wenn man so will, die Beibehaltung und Fortschreibung des gegenwärtigen Zustandes. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.)

17.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Dr. Schüssel. – Bitte.

17.06

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich will nur zwei tatsächliche Feststellungen treffen:

Zum ersten hat Abgeordneter Haider behauptet, ich hätte gesagt, Menschenrechte seien bilateral zu diskutieren. (Abg. Schieder: Genau das Gegenteil!) Ich habe ausdrücklich genau das Gegenteil gesagt, nämlich: Menschenrechte sind universell! (Abg. Schieder: Richtig!) Das habe ich hier ausdrücklich – im Protokoll nachzulesen – gesagt. Ich bitte daher von diesen Unterstellungen Abstand zu nehmen.

Zur zweiten Unterstellung, ich hätte etwas zitiert, was es nicht gibt, kann ich Ihnen sagen, daß ich hier ein Gutachten mit der Unterschrift von Universitätsprofessor Zemanek vom 29. September habe. Peinlich, peinlich, Dr. Haider! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Er sagt, er hat es nicht! Dürfen wir es lesen?)

17.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wir sind sehr neugierig, wie dieses Gutachten tatsächlich ausschauen wird. (Rufe bei den Freiheitlichen: Herzeigen, Herzeigen!) Wir werden auf diesem Thema beharren, das verspreche ich Ihnen!

Eingangs möchte ich folgenden Antrag zur Verlesung bringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Scheibner, Dr. Kurzmann und Kollegen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen Sloweniens und der Tschechischen Republik sicherzustellen, daß die derzeit in diesen Staaten bestehenden menschen- und völkerrechtswidrigen AVNOJ-Bestimmungen beziehungsweise Beneš-Dekrete aufgehoben werden und die Altösterreicher deutscher Muttersprache als Volksgruppen anerkannt und ihnen als solche entsprechende Rechte gewährt werden. Andernfalls hat die Bundesregierung ihre Zustimmung zum Abschluß der EU-Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten zu verwehren."

*****

Meine Damen und Herren! Wir werden dafür namentliche Abstimmung beantragen!

Es bleibt mir nur noch sehr wenig Zeit. Das Klima, das Sie mit Ihrer Art und Weise, dieses Thema zu diskutieren, geschaffen haben, wird am besten in einem Leserbrief zum Ausdruck gebracht, den ich hier in Auszügen zur Verlesung bringe:

Während die Sudetendeutschen eine neue Existenz mit wachsendem Wohlstand aufbauen konnten, hatte die tschechische Bevölkerung keine Chance dazu. Ohne Vertreibung hätten die Sudetendeutschen das gleiche Schicksal erlitten. Die vertriebenen Sudetendeutschen hatten das Glück – hatten das Glück! – eines wirtschaftlichen Vorteils gegenüber ihren tschechischen Landsleuten. Dieser Vorteil ist überwiegend so groß, daß damit auch der seelische Schmerz abgegolten sein sollte.

Meine Damen und Herren! Können Sie diesen Zynismus, können Sie diese Gemeinheit fassen? Der Leserbrief stammt von Eugen Ruffingshofer, Landessprecher-Stellvertreter des Liberalen Forums! – Frau Schmidt, was haben Sie dem Herrn gesagt, frage ich Sie hier. Es ist ungeheuerlich! Aber genau das ist das Klima, das Sie mit Ihrer Art und Weise des Vorgehens herbeireden.

Sie und Ihre Vertriebenensprecher reden vor den Verbänden ganz anders als hier im Haus. Dort streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Aber es wird Ihnen in Zukunft nicht mehr gelingen. Hätte jemand von der sogenannten rechten Seite diesen Leserbrief – in etwas anders gearteter Form – geschrieben, der Staatsanwalt und das Verbotsgesetz wären hinter ihm her. Die anderen aber, die Vertriebenen, die Gefolterten, womöglich sogar die Ermordeten, dürfen ungestraft geschmäht und beschimpft werden!

Es ist hoch an der Zeit, dieses Klima zu ändern. Die Regierung ist gefordert, zum einen – nach außen hin – unveräußerliche Rechte dieser Menschen zu wahren und zum zweiten – nach innen hin – eine Geisteshaltung, wie sie der Sprecher des Liberalen Forums Niederösterreich in diesem Leserbrief zeigt, abzustellen. So etwas ist ungeheuerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Außerdem liegt mir ein Verlangen vor, über diesen Entschließungsantrag nach § 66 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich werde daher so vorgehen, da dieses Verlangen ausreichend unterstützt ist.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen als erstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider, Scheibner und Genossen betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten von NS-Opfern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Dr. Haider, Scheibner stimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien.

Es ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden, und da dieses Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich so vorgehen.

Ich werde die namentliche Abstimmung in der Weise durchführen, daß die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen werden und die Stimmabgabe vom Abgeordnetenplatz aus mündlich erfolgt.

Zum Zwecke der Stimmabgabe bitte ich die Abstimmenden, sich nach dem Namensaufruf wenn möglich vom Platz zu erheben und laut und deutlich mit Ja oder Nein zu antworten.

Jene Abgeordneten, die für den Antrag des Abgeordneten Dr. Graf stimmen, ersuche ich mit Ja, jene, die dagegen stimmen, mit Nein zu antworten.

Ich mache übrigens, damit keine Verwirrung entsteht, darauf aufmerksam, daß Herr Abgeordneter Mentil nach § 9 der Geschäftsordnung in der Liste derer ist, die heute zur Abstimmung berechtigt sind, weil das Stimmrecht mit der Hinterlegung des Wahlscheines beginnt, wie das in § 9 der Geschäftsordnung vorgesehen ist.

Ich beginne nun mit dem Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch den Präsidenten Dr. Fischer geben die Abgeordneten mündlich ihr Stimmverhalten bekannt.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Stimmabgabe beendet. Ich unterbreche die Sitzung zwecks Auszählung der Stimmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.21 Uhr unterbrochen und um 17.23 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Es wurden 155 Stimmen abgegeben, davon "Ja"-Stimmen: 35, "Nein"-Stimmen: 120.

Der Antrag hat damit keine Mehrheit gefunden.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Aumayr;

Blünegger, Brauneder;

Dolinschek;

Gaugg, Graf, Grollitsch;

Haider, Haigermoser, Haller, Hofmann;

Jung;

Klein, Koller, Krüger, Kurzmann;

Lafer;

Madl, Marolt, Meischberger, Meisinger;

Nußbaumer;

Ofner;

Partik-Pablé, Povysil, Preisinger, Pumberger;

Rieß;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Schweitzer, Stadler;

Trattner;

Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Antoni, Auer;

Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Dietachmayr, Donabauer;

Eder, Ellmauer;

Feurstein, Fink, Freund, Frieser, Fuchs;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Gatterer, Gradwohl, Gredler, Großruck, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heinzl, Hlavac, Horngacher, Huber, Hums;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Kammerlander, Kampichler, Karlsson, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kiermaier, Kiss, König, Konrad, Koppler, Kostelka, Krammer, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leikam, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maderthaner, Maier, Maitz, Marizzi, Mertel, Morak, Moser Gabriela, Moser Hans Helmut, Moser-Starrach, Motter, Mühlbachler, Murauer;

Neisser, Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Peter, Pittermann, Platter, Puttinger;

Rada, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Schaffenrath, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Seidinger, Sigl, Silhavy, Smolle, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Van der Bellen;

Wabl, Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

*****

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen als nächstes zur Durchführung einer Kurzdebatte. Diese betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Öllinger, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 504/A der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 3. November 1998 zu setzen.

Nach Schluß der Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag erfolgen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Erstredner hat 10 Minuten, alle anderen Redner haben 5 Minuten Redezeit.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

17.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schade, daß der Herr Außenminister, Vizekanzler und Parteivorsitzende der ÖVP schon gegangen ist. Ich habe nämlich mit Interesse in der Zeitschrift "Falter" ein Interview gelesen, in dem der Parteivorsitzende der ÖVP auch gefragt wurde, wie es denn im Rahmen der Sparpakete mit der frauenpolitischen Linie der ÖVP aussieht. Der Herr Vizekanzler hat in diesem Interview gegenüber dem "Falter" versichert: Nein, alles das, was der ÖVP und ihm im besonderen wegen der Haltung gegenüber alleinerziehenden Frauen vorgeworfen werde, stimme nicht, und er, Vizekanzler Schüssel, habe sehr viel Verständnis dafür und sei jederzeit bereit, Initiativen, die die Situation dieser Gruppe von Frauen verbessern könnten, zu unterstützen.

Ich kann mich erinnern – auch wenn es schon etwas länger her ist –, daß Abgeordneter Feurstein in einer Festschrift – ich glaube, es war nicht Kollege Hums, sondern einer seiner Vorgänger als Sozialminister, Hesoun oder Dallinger – die sozialpolitischen Vorstellungen der ÖVP charakterisiert hat. Darin hat Kollege Feurstein zugegeben: Ja, es gibt noch Gruppen von Frauen, für die wir mehr tun müssen, Alleinerziehende wurden da genannt.

Herr Abgeordneter Feurstein und – leider nicht anwesender – Herr Parteivorsitzender Schüssel! Sie haben heute die Möglichkeit, tatsächlich etwas für diese Frauen zu tun. Es gibt einen Antrag – Herr Kollege Feurstein, Sie wissen, von welchem Antrag ich spreche –, der im Sozialausschuß debattiert wurde und dort die Zustimmung von viereinhalb Parteien gefunden hat. Viereinhalb Parteien stimmen diesem Antrag zu, und nur einige wenige Männer – hartherzige Männer in der ÖVP, verbohrte Männer in der ÖVP – können und wollen dem nicht zustimmen. (Abg. Ing. Langthaler: Hartherzige Männer!)

Das ist nämlich deswegen interessant, Herr Abgeordneter Feurstein (Abg. Ing. Langthaler: Herr Feurstein ist ein hartherziger Mann!), weil Ihr Klubobmann Khol heute anläßlich der Lassing-Debatte an dieses Rednerpult getreten ist und dem Parlament Vorwürfe gemacht hat, daß es in bezug auf das Berggesetz nicht endlich aufgestanden ist und sozusagen die Initiative ergriffen hat. (Abg. Mag. Peter: Khol ist ein Flagellant!)

Meine Damen und Herren! Ich wiederhole nun – das geht nicht nur an die Adresse des Abgeordneten Khol –: Viereinhalb Parteien stimmen dem Antrag im Sozialausschuß im Prinzip zu. Es wurde im Sozialausschuß vereinbart, daß dieser Antrag – ich werde ihn dann noch kurz erläutern, Herr Abgeordneter Feurstein –, um eine klare Haltung der ÖVP herbeiführen zu können, vertagt wird. Es wurde uns damals, vor einem halben Jahr, versprochen, daß der Antrag bis zur nächsten Sitzung vertagt sei. In der nächsten Sitzung war der Antrag nicht auf der Tagesordnung.

Es war Kollege Guggenberger, der Stein und Bein geschworen hat: Der Antrag wird auf die Tagesordnung kommen, er verbürgt sich für die sozialdemokratische Fraktion dafür! – Es war so, Sie wissen das, Frau Kollegin Reitsamer. Aber der Antrag ist nicht auf die Tagesordnung gekommen. Er ist deswegen nicht auf die Tagesordnung gekommen, weil diese Männer der ÖVP, zwei oder drei, vielleicht sind es vier – vielleicht zeigen einige noch auf, die sich zu dieser Haltung bekennen –, nein sagen.

Wenn vier Parteien dafür sind – oder viereinhalb Parteien, denn auch in der ÖVP gibt es viele, die diesem Antrag zustimmen wollen –, dann heißt das noch lange nicht, daß das Parlament zustimmen kann. Schließlich sitzt ja noch Herr Khol herinnen, und der weiß schon, was er dem Parlament vorzuschreiben hat! – Meine Damen und Herren! Wir sind tatsächlich in der Situation, daß das Parlament anläßlich der Debatte über einen ganz bescheidenen Antrag in der Geiselhaft des Herrn Kollegen Khol, vielleicht auch des Herrn Feurstein – ich weiß es nicht so genau – und einiger anderer Herren ist.

Worum geht es? – Das ist wirklich interessant: Es geht nicht um Geld. Es geht um keinen Groschen Geld. Der Antrag beinhaltet, daß jene Bestimmung des Sparpakets, wonach Frauen, die den Namen des Kindesvaters nicht nennen wollen oder können, auch wieder den Anspruch auf das erhöhte Karenzgeld erhalten – aber nur unter der Voraussetzung, daß diese Frauen sich bereit erklären, diese Unterhalts-Vorauszahlungen wieder zurückzuzahlen. Das ist also die analoge Regelung, die auch für alle anderen Frauen gilt. Denn das erhöhte Karenzgeld – besser gesagt: der Differenzbetrag – wird nur noch bevorschußt und ist zurückzuzahlen, nicht von der Frau, sondern vom Mann.

Es gibt alleinerziehende Frauen, die den Namen des Kindesvaters nicht nennen können oder nicht nennen wollen. Für beides, meine Damen und Herren, gibt es gute Gründe, absolut gute Gründe. Ich hoffe, ich brauche Ihnen nicht zu erläutern, welche guten Gründe das sein können. Es ist das absolute Recht dieser Frauen, den Namen des Kindesvaters selbst dann nicht zu nennen, wenn sie ihn kennen, mit dem Mann aber nichts mehr zu tun haben wollen, aus welchen Gründen auch immer: sei es, weil es eine Vergewaltigung war, oder seien es welche anderen Umstände auch immer. Dieses Recht gibt der Gesetzgeber den Frauen. Die ÖVP-Männer – diese paar Männer – aber sagen: Das ist uns egal, diese Frauen müssen für die Nichtnennung des Namens bestraft werden!

Wer wird damit bestraft, meine Damen und Herren? – Es werden alleinerziehende Frauen bestraft, die in dieser für sie in der Regel nicht erfreulichen Situation sind. Sie müßten laut Inhalt dieses Antrages das Geld zurückzahlen, es geht nur um eine Vorauszahlung!

Dieser Antrag ist nur deshalb zustande gekommen, weil Frauenberatungsstellen und Familienberatungsstellen – christliche, katholische, evangelische Familienberatungsstellen – uns gesagt haben: Bitte, macht einen derartigen Antrag! Denn die Entscheidung, daß diese Frauen kein erhöhtes Karenzgeld erhalten, bedeutet für viele auch die Entscheidung gegen das Kind. Sie können nicht anders, weil sie nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.

Kein finanzieller Nachteil für den Staat ist damit verbunden, ausgenommen – was bei der Karenzgeldregelung auch für alle anderen Alleinerziehenden gilt – für jenen Fall, daß das Einkommen auch in der Periode nach dem Karenzgeld, wenn man wieder arbeiten geht, so niedrig ist, daß man nicht zurückzahlen kann. Aber dieses Recht gilt für alle, nicht nur für diese Gruppe von Frauen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wenn Sie schon glauben, daß jene 500 000 S, die da bevorschußt werden, zuviel sind und daß wir uns das nicht leisten können – wenn Sie das glauben, dann argumentieren Sie doch entsprechend! Argumentieren Sie, daß Sie wollen, daß die Frauen, die trotzdem das Kind bekommen haben und den Namen des Kindesvaters aus ganz spezifischen Gründen nicht nennen wollen, in der Armutsfalle bleiben sollen! Sagen Sie es laut, damit wir es hören, meine Herren von der ÖVP!

Denn noch einmal: Es geht ausschließlich darum, daß mit diesem Antrag viereinhalb Parteien in die Geiselhaft einiger weniger Männer der ÖVP genommen werden sollen. Es ist die FPÖ dafür, es ist die SPÖ dafür, es ist das LIF dafür, es sind die Grünen dafür und auch viele von Ihnen aus der ÖVP, ich weiß es. Dennoch soll eine absolute Mehrheit in diesem Haus diesen Antrag, der nichts kostet, nicht beschließen können? – Meine Damen und Herren! Natürlich fürchte ich, daß es so kommen wird: Wir werden das nicht beschließen. Das ist dann aber nicht mehr nur die Verantwortung des Kollegen Khol, meine Damen und Herren, sondern auch die der anderen Parteien. Diese Verantwortung übernehmen auch Sie mit.

Es geht hier ausschließlich darum, daß diesem Antrag eine Frist gesetzt wird. Es ist Ihre Verantwortung, wenn Sie einer Politik des Herrn Khol, die in diesem Fall grausam – grausam gegenüber den Frauen –, menschenverachtend, frauenverachtend und unchristlich ist, auch noch mit Ihrer Verweigerung der Fristsetzung Ihre Zustimmung erteilen wollen.

Ich hoffe, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, Liberalen, Christlich-Sozialen in der ÖVP und Freiheitlichen – alle, die schon gesagt haben, daß sie zustimmen werden –, daß Sie sich diese Zustimmung gut überlegen und sie erteilen.(Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

17.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.34

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Öllinger! Es freut mich, daß Sie wieder genesen sind. Sie haben die unendliche Geschichte hier herinnen sehr gut geschildert, und ich kann eigentlich nur noch ein paar Punkte hinzufügen. Ich möchte hier nur erzählen, daß wir seinerzeit mit Minister Hums den Minister Bartenstein gebeten haben, eben weil es nichts kostet, genau diese Lösung anzustreben, als es damals zu den Kürzungen kam. Es war nicht zu erreichen. Und wie Sie wissen: Wir sind in einer Vernunftehe gefangen. Ich möchte aber nur ... (Abg. Öllinger: Was ist da die Vernunft daran? – Abg. Seidinger: Keine Details!) Ich habe Ihnen so aufmerksam zugehört. Billigen Sie mir dieses Recht auch zu, lieber Kollege Öllinger.

Da Sie in der Begründung über diejenigen gesprochen haben, die den Namen nicht nennen können oder nicht nennen wollen, möchte ich auch einiges dazu sagen: Es ist so oft, wie wir es gar nicht glauben wollen, Gewalt im Spiel, sodaß die Frauen den Namen gar nicht nennen können. Dazu, daß sie ihn nicht nennen wollen, sollte man sie meiner Ansicht nach nicht unbedingt animieren; jedoch gibt es auch dafür triftige Gründe. Aber wir sollten vielmehr Aufklärungsarbeit darüber leisten – selbst wenn es uns etwas kostet –, was für Folgen es hat. Denn es kann sich nicht jede Frau leisten, mit dem Partner – weil sie ihn nicht nennen kann, wir kennen alle die Gründe dafür – zum Notar zu gehen und das Kind entsprechend abzusichern. Das hat auch Konsequenzen für allfällige Halbwaisenrenten, für Erbschaftsfragen und so weiter. – Trotzdem können die Sozialdemokraten Ihrem Antrag nahetreten.

Ich möchte hier auch noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Karenzurlaubsgesetz und zum Karenzurlaubszuschußgesetz machen: Wir haben im Moment die Diskussion über Karenzgeld für alle. Dazu sage ich Ihnen klar und deutlich: Wenn wir künftig schon Überschüsse im FLAF haben, dann nehmen wir erst einmal die Kürzungen zurück, die die ärmsten Frauen betroffen haben. Dann möchte ich Herrn Minister Bartenstein sehr herzlich bitten, seine Schulden an den Pensionstopf zu bezahlen.

Sie alle können sich erinnern, daß wir seinerzeit beim Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz für Transparenz gesorgt und diese hier im Haus beschlossen haben. Das heißt: familienpolitische Maßnahmen – etwa Kindererziehungszeiten – aus dem Topf des Familienministers, Zivildienst aus dem Topf des Innenministers, Präsenzdienst aus dem Topf der Landesverteidigung, und wenn dann noch Geld übrigbleibt – ich wage es zu bezweifeln, aber wir wissen alle, daß der FLAF etwas anders finanziert wird –, dann werden wir weitersehen. Dann können wir sehen, wie wir dieses Geld verteilen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch beim Frauen-Volksbegehren sind wir kläglich an diesem Widerstand gescheitert. Denn auch darin war es ein Punkt, daß man den alleinerziehenden Müttern, die den Kindesvater nicht nennen wollen oder können, wenigstens die Möglichkeit gibt, den Zuschuß zu bekommen, wenn sie ihn später zurückzahlen – also eine kostenneutrale Bestimmung.

Aber ich möchte noch folgendes anmerken, Herr Kollege Öllinger: Ich wurde vor dem letzten Sozialausschuß damit konfrontiert, daß Sie die Tagesordnung um diesen Antrag zu ergänzen wünschen. Ich bin dem positiv gegenübergestanden, habe allerdings, bevor ich mit der ÖVP reden konnte, schon erfahren, daß Sie dieses Ansinnen aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen müssen. Ich weiß also nicht, wie sich die ÖVP in diesem einen Fall verhalten hätte, ich fürchte aber – bei der eigenartigen Sexualmoral, die dort vertreten wird –, daß wir nicht recht weitergekommen wären. Wir Sozialdemokraten sind bei diesem Thema ganz bei Ihnen, Herr Kollege Öllinger.

Ein Problem habe ich mit der Fristsetzung. Sie wissen selbst, daß es für die außerplanmäßige Einberufung einer Ausschußsitzung einer Konsensfindung bedarf. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir diesen Konsens finden können. Außerdem muß ich sagen, daß die Begutachtungsfrist für das Schwarzarbeitsgesetz Ende Oktober abläuft. Dann müssen die Änderungswünsche eingearbeitet werden. Das wird bis zum 3. November nicht möglich sein. Den Sozialausschuß also für einen einzigen Antrag einzuberufen: Ich fürchte, das – ich sage es volkstümlich – derheb ich nicht!

Ich bitte Sie also um Verständnis dafür, daß ich der Fristsetzung nicht zustimmen kann, wiewohl ich inhaltlich voll und ganz bei Ihnen bin. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trinkl. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Öllinger: Ein Mann! Ein ÖVP-Mann!)

17.39

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht in einer völlig neuen Sicht, Herr Kollege Öllinger, darf ich Sie aber versichern: Die ÖVP begrüßt grundsätzlich alle Initiativen, die zur Stärkung der österreichischen Familie beitragen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die ÖVP und unser Minister Bartenstein haben ein umfangreiches Familienpaket 2000 vorgelegt und unsere Vorstellungen klar auf den Tisch gelegt. (Abg. Öllinger: Jede Woche eine andere!) Es geht uns dabei um ein höheres Karenzgeld, es geht uns um die Ausdehnung des Kreises der Berechtigten – Stichwort: Karenzgeld für alle –, es geht um eine Verbesserung des Teilzeitkarenzgeldes, um einen Schwerpunkt in der Familienberatung und um Elternbildungsmaßnahmen. Ich könnte diese Liste unendlich fortsetzen.

Sie wissen, daß dieses Paket zurzeit Gegenstand intensiver Verhandlungen zwischen den Ministern Bartenstein und Prammer ist. Wir hoffen – das gebe ich zu – auf eine baldige Einigung. Ich gebe weiters zu, Frau Kollegin Reitsamer, daß es uns lieber wäre, wenn Frau Minister Prammer ein wenig mehr Beweglichkeit in Richtung österreichische Familien an den Tag legen könnte, im Interesse unserer Familien und im Interesse unserer Kinder. (Beifall bei der ÖVP.) Ich bin aber wirklich zuversichtlich, und ich bin sicher, daß es hier zu einer guten Lösung im Sinne aller Beteiligten kommen wird und kommen kann. (Abg. Öllinger: Zum Thema!)

Zum Thema: Der gegenständliche Antrag betrifft eine Regelung, die im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes getroffen wurde. Ich bekenne mich dazu, wir bekennen uns dazu! Diese Vereinbarung wurde mit dem Koalitionspartner getroffen, und es gab und gibt Gründe dafür, daß diese Lösung so getroffen wurde. Wir von der Volkspartei stehen zu Vereinbarungen, auch wenn sie zwei Jahre zurückliegen.

Ich möchte absichtlich nicht zu sehr auf den Inhalt des Antrages eingehen, weil er – wie bereits erwähnt – zurzeit Gegenstand intensiver Verhandlungen ist. Nur zwei kurze Anmerkungen seien mir gestattet.

Ich gebe zu, daß es Situationen geben kann, die es der Mutter schwer machen, den Kindesvater zu nennen. Diese Fälle haben wir im Ausschuß ausdrücklich diskutiert, und ich gebe zu, daß ich damals über manche Fälle auch sehr betroffen war. Ich bitte aber auch zu sehen, daß uns der Schutz des Kindes ebenso wichtig sein sollte. Es geht letztendlich auch – Frau Kollegin Reitsamer hat es erwähnt – um Unterhaltsansprüche. Es geht um Erbansprüche des Kindes, die sich vielleicht 20 Jahre nach der Zeugung des Kindes ganz anders darstellen können. Schließlich kann es auch nicht unser Ideal sein, hier in Österreich eine vaterlose Gesellschaft ins Leben zu rufen.

Zusammenfassend darf ich festhalten: Ein umfassendes Familienpaket 2000 ist zur Zeit Gegenstand intensiver Verhandlungen. Es ist nicht sinnvoll, einen Punkt herauszunehmen, der doch auch beachtliche finanzielle Konsequenzen hätte. Die Frage der Familienförderung und des Karenzgeldes muß gesamthaft diskutiert werden. Es ist daher auch eine Fristsetzung über einen einzigen Verhandlungspunkt heute nicht zielführend.

Sie werden daher Verständnis dafür haben, daß wir diesen Fristsetzungsantrag nicht mittragen können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Elfriede Madl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.43

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Trinkl! Ich gebe Ihnen schon recht, daß es hier um einige Überlegungen in bezug auf das Erbrecht und andere Situationen geht, die später wirklich entstehen können. Aber Sie hätten sieben Monate Zeit gehabt, diese Position mit Ihrem Regierungs- und Koalitionspartner auszuverhandeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man darf aber nicht vergessen – und das ist genau der Punkt, den ich jetzt aufzeigen möchte –, wie man mit Anträgen der Opposition hier in diesem Hause umgeht. Am 8. Oktober fand über diesen Antrag in diesem Saal die erste Lesung statt. Am 1. April – also sieben Monate und damit ohnehin schon eine erkleckliche Zeit später – wurde dieser Antrag im Ausschuß verhandelt. Es wurde keine Einigung der Regierungsparteien erzielt. Der einzige Ausweg war damals, diesen Antrag zu vertagen, denn es gab – wie schon vorher gesagt wurde – von der ÖVP einige Widerstände.

Sie haben sieben Monate Zeit gehabt, sich diesen Antrag durchzusehen und sich etwaige Auswirkungen zu überlegen, um dort argumentieren zu können. Das einzige, was Ihnen damals im Ausschuß einfiel, war, daß die Männer dann die Frauen erpressen könnten. Fadenscheiniger ging es nicht mehr!

Aber das ist ganz typisch. Versprochen wurde – Frau Kollegin Pittermann hat sich sehr dafür eingesetzt –, daß dieser Antrag im nächsten Ausschuß behandelt wird. Nichts ist geschehen! Genau so ist es: Anträge, die von den Oppositionsparteien gestellt werden, werden erst einmal sehr lange verschleppt. Wenn dann halbwegs eine Einigung zustande kommt und wenn es kein Antrag der Regierungsparteien ist, dann wird die Sache vertagt und verschwindet auf Nimmerwiedersehen oder auf lange Zeit in der Schublade. – Deswegen stimmen wir auch dem Fristsetzungsantrag zu.

Meine Damen und Herren! Das zeigt, daß in diesem Hause nichts mehr weitergeht. Wenn man sogar ein Problem, das den Staat nicht einen Groschen Geld kostet, nicht innerhalb von sieben Monaten lösen kann, dann muß ich Sie fragen, wie Sie von der ÖVP und von der SPÖ dann Probleme wie die immer noch anstehende Pensionsreform lösen wollen. Wie wollen Sie eine Steuerreform, die ein großes Paket ist, zustande bringen? Wie wollen Sie zum Beispiel die Lehrlingsproblematik lösen?

In diesem Haus geht nichts mehr weiter, und diese Situation, wie wir sie heute sehen, ist der Beweis dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Wenn es soweit ist, werden wir Sie fragen! – Abg. Dr. Kier: Schwemlein ist vorlaut!)

17.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ich erteile ihm das Wort.

17.46

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Es gibt wohl kaum einen klareren Fall von einer Notwendigkeit, eine Frist zu setzen, wenn folgender Ablauf dahintersteht: Zuerst wird ein Antrag auf die Tagesordnung des Sozialausschusses genommen. Dann erkennt man, daß es schwierig ist, ihn zu verhandeln, weil den Koalitionsparteien irgendwie mulmig ist. Daraufhin wird er mit der Maßgabe vertagt, daß er auf der nächsten Tagesordnung wieder draufstehen wird. Und dann verschwindet er irgendwann zwischen den Sitzungen und kommt nicht wieder auf die Tagesordnung. Das ist deswegen sehr unangenehm, weil man sich da fragt: Wozu bemüht man sich überhaupt, Anträge der Opposition auf eine Tagesordnung zu bringen, wenn das dann nicht einmal deren Ablehnung zur Folge hat, sondern nur deren unerledigte Vertagung? (Abg. Mag. Peter: Warum macht die Frau Vorsitzende das?)

Ich verstehe schon, daß das Frau Kollegin Reitsamer vielleicht schmerzt. Aber da muß sie sich eben überlegen, was ihr wichtiger ist: ihr Gewissen als Mandatarin und dann für so einen Antrag zu stimmen, oder aber die Koalitionsdisziplin und dann gegen so einen Antrag zu stimmen. (Abg. Mag. Peter: Warum tut Frau Reitsamer das?) Aber der billige Weg, das zu vertagen, auf daß nichts geschieht – sodaß man den Menschen, wenn sie einen fragen, immer noch sagen kann: Wir hätten eh zugestimmt, aber wir konnten nicht, daher haben wir es vertagt –, ist zu einfach. Meiner Meinung nach ist daher ein Fristsetzungsantrag in solchen Dingen mehr als geboten. Bis zum 3. November ist Zeit genug, das abzuhandeln. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir können in diesem Antrag keine budgetäre Belastung erkennen, weil es sich dabei um rückzahlbare Beträge handelt.

Punkt drei: Es liegt auch häufig im Interesse der betroffenen Kinder, oder es kann ganz leicht im Interesse der betroffenen Kinder liegen, daß in Einzelfällen der Name des Vaters nicht offengelegt wird. Es kann für die gesamte spätere Lebensbahn des Kindes von wesentlicher Bedeutung sein, daß der Name des Vaters nicht offengelegt ist. Das ist eine Schutzmöglichkeit, die die Mutter nicht nur für sich selbst, sondern auch für das heranwachsende Kind hat.

Wenn jemand davon Gebrauch macht, dann überlegt er sich das gründlich, weil es ja nicht mit sehr vielen Vorteilen verbunden ist, den Vater nicht zur Verfügung zu haben – insbesondere unter Umständen auch als Zahler –, sondern das ist eine schwere Entscheidung. Wenn sie getroffen ist, dann muß man sie respektieren. Es ist hart genug, daß solche Betroffene das Geld dann zurückzahlen müssen. Das ist hart genug! Aber wenigstens in der kritischen Phase, in der Karenzzeit, sollten wir sie finanziell nicht im Stich lassen.

Ich meine daher: Der Antrag gehört rasch ins Hohe Haus gebracht, nachdem ein Ausschuß ihn vorberaten hat. Wenn Sie sich nicht trauen, im Ausschuß dafür zu stimmen, dann zeigen Sie wenigstens Flagge und stimmen Sie dagegen. Auch das ist eine politische Aussage! Aber sich um die politische Aussage einfach herumzudrücken, das ist weder parlamentarisch noch mutig, sondern das Gegenteil von beidem. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

17.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kammerlander. Ich erteile ihr das Wort.

17.49

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich unbegreiflich – wenn wir dieser kurzen Debatte zuhören –, daß ein solcher Antrag nicht behandelt werden kann, obwohl er – wie man sieht – eine Mehrheit hier im Haus hätte, und dann auch nicht entsprechend abgestimmt werden kann. Das ist mir umso mehr unbegreiflich, als ja – wie schon oft ausgeführt wurde – die Auswirkungen dieses Antrages absolut kostenneutral sind. Im übrigen – das möchte ich ebenfalls sagen – halte ich auch das für diskussionswürdig. Aber eben um eine Mehrheit in diesem Haus zu bekommen, hat sich die Mehrheit darauf geeinigt, diesen Antrag so zu formulieren, daß er kostenneutral ist.

Aber ich möchte noch einmal an die Adresse der Männer in der ÖVP, auch an Kollegen Trinkl, der hier gesprochen hat, etwas anmerken. Wenn Sie sagen: Wir können doch nicht so weit kommen, daß es eine vaterlose Gesellschaft gibt – wenn Sie also das Charakteristikum einer vaterlosen Gesellschaft oder einer Gesellschaft mit Vätern offensichtlich ausschließlich daran festmachen wollen, ob Väter zahlen oder nicht –, dann ist das auch ein sehr erbärmliches Zeichen Ihrer Familienpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist vielleicht in einer Tradition mit dem Interview zu sehen, das Ihr Klubobmann Khol vor ungefähr eineinhalb, zwei Jahren gegeben hat. Damals berichtete er vom Sonntagsfrühstück, in dessen Verlauf er sich den Problemen der Familie widmet, weil er ja unter der Woche soviel zu tun und gar keine Zeit dazu hat. – Wenn das die Begrifflichkeit von der Vater- oder Vätergesellschaft ist, dann müßten Sie meiner Ansicht nach einiges dazulernen, was es noch alles an Pflichten für die Väter – nebst dem Zahlen – gibt.

Andererseits – ich möchte Ihnen schon noch einmal raten, sich das zu überlegen – unterstützen alle Beratungsstellen – fragen Sie selbst nach! – aus dem christlichen Bereich, alle Beratungsstellen, die den Schutz des Kindes zum Zentrum ihres Anliegens gemacht haben, diesen Antrag und dieses Anliegen. Sie argumentieren genauso mit dem Schutz des Kindes, sie sagen, es sei nicht einsehbar, daß alleinerziehende Mütter, die aus guten Gründen den Namen des Vaters nicht bekanntgeben wollen oder können, dafür bestraft werden. Das hat auch in den einzelnen Fällen zum Teil schlimme Auswirkungen.

Man könnte sogar zweierlei vermuten: Zum einen, daß Sie offensichtlich Frauen bestrafen wollen, Frauen, die nicht Ihrer Norm vom Familienleben entsprechen, aus welchen Gründen auch immer. Diese gehören offensichtlich nach Ansicht der Männer in der ÖVP bestraft und sanktioniert. Die zweite, nicht einmal Vermutung, sondern Schlußfolgerung, die Sie vielleicht noch nicht überlegt haben, ist: Wie viele Frauen werden es sich in Zukunft überlegen, unter besonders kritischen und schlimmen Umständen für Frauen ein Kind zur Welt zu bringen, wenn sie wissen, daß die Gesellschaft das nicht entsprechend unterstützen und auffangen kann? – Sei es unter anderem durch ein erhöhtes Karenzgeld, wobei sie sich, um das noch einmal zu unterstreichen, verpflichten, es zurückzuzahlen, wenn sie dazu in der Lage sind, also in späteren Jahren, wenn das Kind größer ist.

Es ist geradezu absurd, wie Sie um einen solchen Antrag geradezu herumtanzen und daß Sie sich nicht entscheiden können, ihn zu behandeln. Aber es ist eine Erfahrung, die nur nahtlos an jene Erfahrungen anschließt, die wir hier gemacht haben, nämlich daß Inhalte, über die Sie sich in der ÖVP und in der SPÖ nicht einigen können, nicht behandelt, sondern vertagt und in Unterausschüssen abgelagert werden. Sie werden einfach nicht behandelt.

Aber in diesem Fall ist es noch krasser. In diesem Fall geht es nicht darum, daß nur Sie beide sich nicht einigen können, sondern in diesem Fall geht es darum – man muß es noch einmal unterstreichen –, daß vier Parteien und eine halbe Fraktion, nämlich jene in der ÖVP, für diesen Antrag sind. Das heißt, einige wenige Männer versuchen, das mittels einer familienfeindlichen, ja fast revanchistischen Art von Politik zu verhindern. (Beifall bei den Grünen.)

17.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 504/A des Abgeordneten Öllinger betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschußgesetz und das Karenzgeldgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 3. November 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit können wir die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 7 der Tagesordnung wiederaufnehmen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die freiwillige Redezeit ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

17.55

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Mitglied der Bundesregierung, so konstatiere ich, ist keines zugegen. (Abg. Schwarzenberger: Doch, Sie brauchen nur die Augen aufzumachen!) – Die Frau Bundesministerin kommt schon. Wir haben uns vor der Dringlichen Anfrage und der Fristsetzung mit der österreichischen Politik in Sachen Atomkraft auseinandergesetzt. Es wurde zum einen beklagt, daß die Freiheitliche Partei den Konsens, den es dabei unter den Parteien gegeben hätte, verlassen hat. Zum anderen wurde beteuert, daß sich an der österreichischen Anti-AKW-Haltung nichts geändert hat. Ich denke, beide Behauptungen können in dieser Form nicht aufrechterhalten werden.

Leider, Frau Bundesministerin, hat sich die österreichische Atompolitik verändert, sodaß das, was heute übrig geblieben ist, wirklich nur noch ein kleinster gemeinsamer Nenner ist. Selbstverständlich wird auch dieser kleinste gemeinsame Nenner von den Grünen mitgetragen, wobei wir jedoch unser Bedauern hinzufügen, daß dieser Nenner sehr klein geworden ist. – Ich komme darauf noch zurück.

Das zweite, nämlich das Bedauern darüber, daß die Freiheitlichen ihre Linie geändert hätten, ist auch unzutreffend, denn ich habe nie eine Linie bei den Freiheitlichen erkennen können, insofern kann ich auch keine Änderung der Linie erkennen. (Rufe bei den Freiheitlichen.) Es waren doch immer Vertreter der Freiheitlichen Partei, die mit Freude eine besondere Nähe zur bayrischen CSU konstatiert und vermerkt haben. Es war doch Ihr Parteiobmann, der sich als politischer Ziehsohn des verstorbenen bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß bezeichnet hat. Wenn Sie sich noch genau zurückerinnern, dann werden Sie wissen, daß die erste Opernballdemonstration, die Sie bis zum heutigen Tag als den Inbegriff des Chaos hochskandalisiert haben, anläßlich einer Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung durch Franz Josef Strauß im Zusammenhang mit der Anti-Atom-Haltung stattgefunden hat.

Wo ist da Ihre Linie? – Frau Abgeordnete Haller hat heute sehr heftig beklagt, daß die Gefahr nicht nur von den Reformstaaten und den EU-beitrittswerbenden Staaten komme, sondern auch aus dem Westen. Richtig, Frau Abgeordnete, und genau deshalb verstehe ich Ihre Haltung und die Haltung Ihres Parteiobmannes in dieser Angelegenheit nicht ganz. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Zurück zur Linie der Bundesregierung und zu diesem kleinsten gemeinsamen Nenner. – Frau Bundesministerin! Es hat sich vieles geändert. Es hat sich beispielsweise die Linie, die von der Bundesregierung immer häufiger an den Tag gelegt wird, geändert, und zwar dahin gehend: Wenn wir schon keinen Ausstieg erreichen können, so wollen wir doch möglichst gute Sicherheitsstandards. Das ist keine Fortsetzung der bisherigen Linie, sondern das ist beinahe schon das Gegenteil. Die Politik der Sicherheitsstandards, die nie jemand definiert hat, ist eine Einladung an die Atomlobbies, weiter in diesem Bereich zu forschen, zu investieren und mit ihren Angeboten gerade in den Reformstaaten, die sich um einen EU-Beitritt bemühen, vorstellig zu werden.

Ohne diese Reformlinie, ohne die Linie, die Schrottreaktoren zu modernisieren, würden sich diese Geschäfte nicht mehr rechnen, Frau Bundesministerin! Welche Geschäfte das sind, wissen Sie. Ich finde es gut, wenn Sie in Ihrem Gespräch mit Milos Zeman die Frage der AKWs einmal mehr ansprechen werden. Aber ich vermisse ein ebenso starkes Auftreten der Bundesregierung bei jenen EU-Mitgliedstaaten, bei jenen EU-Kernstaaten, die milliardenschwere Geschäfte im Atombusiness tätigen. Wo haben Sie Stellung genommen, wann haben Sie Stellung genommen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Firmen wie Siemens, Framatom, EdF, die genau bei diesen Schrottreaktoren große Geschäfte wittern? – In diesem Bereich wären sehr harte Worte angesagt. Dort besteht jetzt die Hoffnung – Monika Langthaler hat es ausgeführt –, daß mit dem Regierungswechsel in Deutschland vielleicht die öffentlichen Hilfestellungen für derartige Unternehmen nicht mehr so großzügig gewährt werden. Was haben Sie gegen die Hermes-Kredite getan, Frau Bundesministerin?

Noch eines, denn damit schließt sich der Kreis: Die ganze Atomwirtschaft kann nicht wirklich als marktwirtschaftlich bezeichnet werden, das ist bereits von mehreren Rednern gesagt worden. Angefangen bei der Atomforschung über die Frage der Endlagerung bis zum Uranabbau – überall haben Sie diese Staaten im Hintergrund. Ohne diese würde sich all das nicht mehr rechnen. Also wo bleibt Ihr Plädoyer für ein Einschränken dieser Forschungen, dieser Subventionen?

Ein Allerletztes: Im Zusammenhang mit dem Uranabbau betreiben Konzerne wie Rio Tinto, sattsam bekannt von der Affäre in Lassing, auch mit Konnexen zur deutschen Atomindustrie ihre teilweise blutigen Geschäfte. Im namibischen Rossing baute Rio Tinto illegal Uran ab und verstieß damit gegen UN-Resolutionen. Dann wurde dieses illegal abgebaute Uran auf derart verschleierten Wegen in Umlauf gebracht, daß die Herkunft nicht mehr eindeutig erkennbar war. Bei diesem Deal hatte Rio Tinto nicht nur Rückhalt bei den Atomwaffenstaaten wie Frankreich, England, den USA, sondern auch bei der deutschen Atomwirtschaft.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Deswegen würde ich auch von Ihnen erwarten, daß Sie jetzt nicht Ihre sattsam bekannten nationalistischen Untertöne, jetzt gekleidet in Antiatomargumente, im Zusammenhang mit den Reformstaaten vorbringen, sondern daß Sie Ihre Kritik vielleicht auch dort vorbringen, wo es wirklich um Konzerne geht, die in blutige, undurchsichtige und teilweise korrupte Geschäfte verstrickt sind. Es hat mich doch sehr gewundert, wie Sie heute im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Rio Tinto Stellung genommen haben, denn Ihr ganzes Aufklärungsinteresse scheint, wenn es um Ihre guten Konnexe, um Ihre Burschenschaften, um Ihre Bergbehörden geht, auf einmal wie weggewischt zu sein. Das ist inkonsequent. Das läßt keine Linie erkennen.

Frau Bundesministerin! Aber eines sage ich Ihnen schon: Dieser kleinste gemeinsame Nenner ist so klein, daß er für uns heute schon ein wirklich absolutes Minimum darstellt. Und wenn nicht endlich auch gegenüber derartigen Konzernen klare Worte gefunden werden, dann wird es schwer, eine diesbezüglich effiziente Politik zu machen, und dann werden Sie wahrscheinlich auch, egal, ob Sie in die Slowakei oder nach Tschechien reisen, dort auf immer größeres Unverständnis stoßen. Denn man sagt nicht zu Unrecht: Von uns verlangt ihr, obwohl unsere Staaten arm sind, obwohl das Sozialprodukt nicht allzu hoch ist, große Entscheidungen und große Investitionen. Wo bleibt dieselbe Kritikbereitschaft in Richtung der westlichen Industrie, wenn es um mächtige, potente, auch politisch sehr einflußreiche Konzerne geht? – Da ersuchen wir um etwas mehr politischen Mut, auch von Ihnen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Grünen.)

18.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin Mag. Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

18.04

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal kurz zu Wort melden, weil ich das, was Frau Abgeordnete Petrovic gesagt hat, so nicht im Raum stehen lassen möchte.

Für mich heißt es: In Österreich soll überhaupt keine Veränderung in der Atompolitik oder in der Antiatompolitik stattfinden, denn es gibt nur ein einziges Ziel: zunächst Europa und darüber hinaus die ganze Welt kernkraftfrei zu machen, und zwar – ich habe das heute am Vormittag auch schon gesagt – keine Kernkraft im Energiebereich und auch keine Kernkraft im Waffenbereich.

Die Sicherheitsdebatten, die derzeit innerhalb Europas stattfinden, haben nicht zum Ziel – das zeigen die Debatten eindeutig –, sich sozusagen mit dem Sicherheitspolster in ein sicheres Nest zu setzen, sondern das Gegenteil ist der Fall. Je mehr über Sicherheit debattiert wird, umso mehr wird sichtbar, daß es nicht geht und daß es sich vor allem auch nicht rentiert. Lange Zeit war das Thema Sicherheit überhaupt kein Kriterium, und es sind nur der Gewinn und die Ökonomie im Mittelpunkt gestanden. Es ist notwendig, über diese Schiene der Sicherheitsfragen auch in Richtung Ausstieg zu argumentieren und zu arbeiten.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang schon noch eines sagen: Wir wissen, daß gerade jene Kernkraftwerke, die von Staaten innerhalb der Europäischen Union betrieben werden, in der Regel keine neuen sind. Wir kennen die Probleme, die diese Staaten damit haben. Sie stehen vor nahezu unlösbaren Problemen, sie wissen nicht, wie es weitergeht, wie es mit den Endlagerungen ausschaut. Wir wissen genau, daß die Wiederaufbereitung keine Alternative ist, und auch diese Betreiber wissen es, die Konzerne wissen es, und die Staaten wissen es.

Es ist natürlich gerade innerhalb Europas eine riesige Herausforderung, sich auf diese Debatte einzulassen. Und ich möchte auch ganz deutlich sagen, daß auch in Frankreich Veränderungen stattgefunden haben. Frankreich – das ist vielen entgangen – hat derzeit einige Kraftwerke aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Das ist ein Novum, das ist ein absolutes Novum. Das heißt, dort ist die Sicherheitsdebatte bereits auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich denke, dem wird noch einiges folgen, und ich denke, daß das auch in Ländern wie Deutschland und darüber hinaus ein Thema sein wird.

Wo ich Ihnen hundertprozentig recht gebe, ist, daß jene Konzerne, die bisher im Westen Europas ihre Geschäfte gemacht haben, nicht in den Osten ausweichen dürfen, also in jene Staaten, die sozusagen diesen Schrott, nichts "Besseres" – unter Anführungszeichen – bekommend, nehmen und glauben, damit den wirtschaftlichen Anschluß an die Europäische Union schaffen zu können.

Da wird es ganz sicher notwendig sein, auch wiederum über die Sicherheitsdebatte, über die Sicherheitsschiene aufzuzeigen, daß eines nicht funktionieren kann: Wenn das schon im Westen nicht akzeptiert wird, so kann es auch in den Beitrittsstaaten nicht akzeptiert werden. Darum ist es auch so notwendig, daß wir innerhalb dieser Beitrittsverhandlungen klare Verhältnisse schaffen. Aber – das habe ich immer wieder zum Ausdruck gebracht – ich will mich nicht als Lehrmeisterin aufspielen, sondern ich will diese Beitrittsstaaten als gleichwertig betrachten und will den guten Willen, den ich hineinlege, auch bei meinem Gegenüber erwarten oder annehmen.

Die Großkonzerne werden sich wahrscheinlich in anderen Sparten breitmachen müssen, denn diese Perspektive innerhalb Europas ist am absterbenden Ast. Davon bin ich überzeugt, und dazu hat sicherlich dieses kleine Österreich seinen Beitrag geleistet und wird es auch in Zukunft tun.

Mir ist wichtig, die unmittelbaren, ganz engen Zugänge zu den einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union, aber auch zu den Beitrittskandidaten und zu anderen Staaten zu haben. Das ist wesentlich und wichtig.

Die Frage der Sicherheit löst nicht das Problem der Kernkraftwerke. Aber das Problem Sicherheit – davon bin ich überzeugt – ist ein Türöffner, mit dem wir uns sehr wohl in die Richtung bewegen können, daß wir in einer mittelfristigen, hoffentlich sehr kurzen Zeit ein Europa ohne Kernkraftwerke haben werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Wenn Frau Kollegin Petrovic Klimmzüge macht, um nachzuweisen, daß die Freiheitlichen die Linie der Antiatompolitik verlassen hätten, so ist dieses Unterfangen mit Sicherheit gescheitert, und ich werde auch im Detail darauf noch zu sprechen kommen. Ich deute es nur als Folge der Wahl in der Bundesrepublik Deutschland und stelle fest, die Ampel blinkt wieder etwas.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erinnere mich an die hier im Hause stattgefundenen Debatten im Zuge der Errichtung des Atomkraftwerkes Mochovce und an die Verhandlungen des Herrn Bundeskanzlers mit seinem Amtskollegen Mečiar. Im Gesprδch war das Schlieίen von Bohunice fόr den Fall der Inbetriebnahme von Mochovce. Mochovce war gefδhrlich, es wurden Mängel festgestellt, die von einer internationalen Expertenkommission aufgelistet wurden. Nun ist alles etwas anders.

Dem IAEO-Bericht zufolge ist nun mittlerweile dieses Mochovce – in Klammer: Bohunice wurde nicht geschlossen – ein sicheres Kernkraftwerk, wie wir wissen. Man hat einfach das Containment in diesem Sicherheitsstatement nicht erwähnt, sondern weggelassen, also jenen Bereich, der tatsächlich dafür Sorge trägt und verantwortlich zeichnet, daß Mochovce ein unsicheres, ein gefährliches Kernkraftwerk ist. Jetzt frage ich: Welche Verhandlungen haben nach der Inbetriebnahme, nach der Aufnahme des Probebetriebes von Mochovce tatsächlich stattgefunden? Welche Erfolge gibt es aufgrund der angeblichen Verhandlungen in Sachen AKW-Politik der Bundesregierung zu verzeichnen? – Sie, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ, ÖVP und den Grünen, werfen uns Freiheitlichen das Verlassen der österreichischen Anti-AKW-Linie vor. Wir Freiheitlichen – das kann ich Ihnen sagen – lassen uns für Ihre Placeboanträge, die Sie stellen, für diesen Vierparteienantrag, der er nunmehr ist, mit Sicherheit nicht mißbrauchen, sodaß Sie sagen können: Wir haben eine gemeinsame Linie! – Denn mit diesem Antrag streuen Sie der Bevölkerung Sand in die Augen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich stelle fest, daß wir die einzigen sind, die eine glasklare, eine nachvollziehbare und eine konsequente Anti-AKW-Politik verfolgen und auch dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Österreicher entsprechend Rechnung tragen. Sie, meine Damen und Herren von SPÖ, ÖVP und den Grünen, haben die Möglichkeit, heute dem freiheitlichen Antrag Ihre Zustimmung zu geben, der die einstimmige Resolution der Oberösterreichischen Landesregierung zum Inhalt hat – jene einstimmige Resolution, die die Junktimierung eines verbindlichen Ausstiegsszenarios als Voraussetzung für einen Beitritt zur Europäischen Union zum Inhalt hat.

SPÖ und ÖVP werden aufgefordert, ihre Doppelbödigkeit, die Doppelbödigkeit ihrer Anti-Atom-Politik zu beenden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere: Die Atomenergie ist vielleicht eine ganz große Chance für die Menschheit, aber wir werden noch sehr viel Geld und auch Zeit in die Forschung investieren müssen. Es wäre unverantwortlich, diese junge Technologie nicht weiterentwickeln zu wollen. – Sie wissen, Frau Kollegin Rauch-Kallat, wer dies gesagt hat? (Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch-Kallat und Mag. Schweitzer.) Das war Ihre Vorgängerin als Umweltministerin, die Abgeordnete zum Europäischen Parlament der ÖVP, Marilies Flemming, die dies am 15. Mai 1997 von sich gegeben hat.

Auch die SPÖ hat eine realistische Chance, von den Lippenbekenntnissen – als solche sind sie zu sehen – mittels des Mitstimmens für diesen Antrag zu einer tatsächlichen Anti-AKW-Politik zu kommen. Ich erinnere an die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers Vranitzky 1990, 1994 und 1996 und ebenso des Bundeskanzlers Klima aus dem Jahre 1997.

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Es ist nicht damit abgetan, einfach eine neue Sprachregelung zu finden, die da lautet: Westliche Sicherheitsstandards werden eingefordert. Es ist – das wird Ihnen jeder Experte bestätigen, und mir ist keiner bekannt, der hiezu eine anderslautende Meinung abgegeben hat –, konstruktiv bedingt, nicht möglich, bei Ost-AKWs einen westlichen Sicherheitsstandard einzufordern.

Ich will abschließend noch kurz zum Atomhaftungsgesetz Stellung nehmen. Das Gesetz als solches mit Folgeschritten, die erforderlich sind, stellt eine bessere Voraussetzung dar, als sie mit dem jetzigen atomindustriefreundlichen Gesetz gegeben ist: beispielsweise eine Erhöhung der Haftpflichtsummen, weg von der Kanalisierung in Richtung AKW-Betreiber. Das heißt, der Haftungsbereich ist etwas breiter angelegt, es besteht eine Auskunftserleichterung und so weiter.

Ein Nachteil besteht eindeutig darin, daß wir jenen Abkommen, nämlich den Abkommen von beispielsweise Paris und Brüssel, nicht beitreten können, die auch Haftungsfonds haben, wodurch wir auch keinen Zugriff auf die geringen Geldmittel im Falle eines Schadens haben.

Ein Vorteil ist sicherlich die Anwendung österreichischen Rechts, die Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit. Das Problem ist nur die Einbringlichkeit. Das heißt, wie erfolgt die Vollstreckung? – Eine Zugriffsmöglichkeit wäre nur dann gegeben, wenn beispielsweise im Störfall, im Falle von Einflüssen aufgrund eines Unfalles in Ost-AKWs ausländisches Vermögen in Österreich ist; dies ist im Normalfall nicht gegeben.

Das heißt, dieses Gesetz – dem wir zustimmen werden – ist nur dann eine tatsächliche Verbesserung, wenn auch Schritt zwei folgt, und dieser Schritt zwei setzt Aktivitäten der Bundesregierung voraus, damit entsprechende bilaterale Haftungsabkommen abgeschlossen werden, beziehungsweise setzt dieser Schritt zwei voraus, daß die Bundesregierung überhaupt auf internationaler Ebene für eine Verbesserung der internationalen Atomhaftung eintritt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden sehr genau darauf schauen – ich habe noch die Worte und Statements der Dringlichen im Ohr –, inwieweit Sie seitens der Bundesregierung, seitens der Regierungsparteien tatsächlich in der Lage sind, dem gerecht zu werden und auch diesen zweiten Schritt, der erforderlich ist, zu vollziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt eine Reihe von Abstimmungen durchzuführen.

Wir stimmen über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1402 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Entschließung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 139.)

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend europäische Atomausstiegskonzepte und Atomwaffenstationierungsverbot.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend ein umfassendes Verfassungs-Verbot von Atomwaffen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf, Oberhaidinger, Moser, Barmüller und Genossen betreffend AKW Temelin.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hier zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen. (E 140.)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend "weitere Vorgangsweise des Bundes in der Anti-Atom-Linie".

Wer hier zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1403 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1404 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1405 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1406 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1407 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Nun stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1357 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1415 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse daher zunächst über den vom erwähnten Antrag betroffenen Teil und schließlich über die noch nicht abgestimmten, restlichen Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 25 Abs. 1 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 25 Abs. 1 in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzes ist in der Fassung der Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in 1357 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1415 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen kundzutun. – Die Zustimmung erfolgt einstimmig. Einstimmige Annahme.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1415 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 141.)

8. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 230/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit für Ausgebildete des Lehrberufs Recycling- und Entsorgungstechniker (1408 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 231/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Entwicklung und Abstimmung der Lehrberufe im Umweltbereich (1409 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wir beginnen die Debatte mit einer Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.23

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Frau Kollegin Petrovic! Ich kann es mir jetzt doch nicht verkneifen, noch kurz auf die grüne Linie in Sachen Antiatompolitik einzugehen, haben Sie es jetzt doch geschafft, einen Antrag abzulehnen, den Sie im Ausschuß noch gemeinsam mit den Freiheitlichen eingebracht haben! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Der Tagesordnungspunkt ist aber schon erledigt!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Sie haben einen Antrag abgelehnt, den Kollege Anschober im Oberösterreichischen Landtag mit seiner Fraktion mitunterstützt hat. Soviel zur grünen Linie in Sachen Antiatompolitik am heutigen Tage. Ich glaube, das war ein bißchen mehr als eine Schlangenlinie, die Sie diesbezüglich gefahren sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Wabl.) – Aber was soll’s, Herr Kollege Wabl! Passiert ist passiert. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!) Zur Sache werde ich vom Klubobmann, dem "heiligen Andreas", gerufen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Auch der Präsident ist der Meinung, daß Sie zur Sache reden sollen! – Bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Dann komme ich erst recht zur Sache, Herr Präsident! (Abg. Wabl: Das ist ein Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen kann bei ihm!)

Trotz gewaltiger finanzieller Anstrengungen – es ist inzwischen offenkundig geworden, daß das Geld ausgegangen ist – konnte auch die so vollmundig angekündigte Einstellung aller Lehrstellensuchenden nicht zuwege gebracht werden; dieses Problem konnte nicht gelöst werden. Es gibt nach wie vor eine Unzahl von Lehrstellensuchenden. Inzwischen ist das Geld ausgegangen, das man vorher so großzügig, vor allem für die Anstellung von jungen Leuten mit Teillernschwächen, zum Fenster hinausgeworfen hat.

Deshalb glaube ich, daß die Barmüller-Anträge durchaus ihre Berechtigung haben, denn sie zeigen eine Möglichkeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Umweltbereich auf, und zwar zur Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze. Diese Möglichkeit, die es gegeben hat, wurde aber von den wenigsten ergriffen. Ich meine, sie wurde deshalb von wenigen ergriffen, weil in Österreich die Rahmenbedingungen für diese neuen Berufe einfach nicht gegeben sind.

Deshalb rege ich im Zuge dieser Debatte an, daß wir bei der – das ist angekündigt, Herr Bundesminister – Neuordnung des Abfallwirtschaftsgesetzes, nämlich beim Abfallwirtschaftsgesetz 2000, überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, nach ausländischen Vorbildern ein sogenanntes Kreislaufwirtschaftsgesetz zu entwickeln, das die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür schafft, daß in Hinkunft diese von Kollegen Barmüller in seinen Anträgen geforderten Berufe nachgefragt werden. Wenn es ein Kreislaufwirtschaftsgesetz gibt, dann kann ich mir vorstellen, daß die Nachfrage durchaus sprunghaft ansteigen wird und dadurch sinnvolle Berufsausbildungsmöglichkeiten entstehen.

Ich bringe deshalb auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dipl.-Ing. Hofmann, Aumayr, Wenitsch, Dr. Salzl und Kollegen betreffend Initiative der Bundesregierung zur Erstellung eines Entwurfes zu einem Kreislaufwirtschaftsgesetz

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, einen Entwurf zu einem ‚Kreislaufwirtschaftsgesetz‘ zu erstellen, der neben der Abfallwirtschaft im allgemeinen auch auf Beschäftigungsmöglichkeiten für Recycling- und Entsorgungstechniker Rücksicht nimmt, etwa durch die Einschränkung der ausufernden Einwegproduktion."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, geschäftsordnungsgemäß eingebracht und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte nicht den Fehler des Kollegen Schweitzer machen, vom Thema abzuweichen. Ich bleibe beim Thema. Es geht um den Entsorgungs- und Recyclingfachmann. Da könnte man im weitesten Sinn natürlich auch die radioaktiven Abfälle hinzuzählen, und diesbezüglich wäre dann beispielsweise Dukovany dazuzurechnen. Das sind Abfälle, die da hineinpassen könnten. Daher weiche ich nicht ab, wenn ich erwähne, daß der heutigen "Kronen-Zeitung" zu entnehmen ist, daß sich die Slowakei vor den freiheitlichen Drohungen offensichtlich schon derart fürchtet, daß sie den Ausstieg aus der Atomenergie unter der neuen Regierung verspricht. – Das nur als kleine Anmerkung und doch zum Thema passend und zeigend, daß die Politik dieser Regierung richtig ist, was sich hier offensichtlich wieder bestätigt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.)

Bevor Sie, Frau Kollegin, sich wieder aufregen, möchte ich sehr positiv auf das Liberale Forum und auf die Anträge des Kollegen Barmüller eingehen. Ich schätze seine konstruktive Art, wodurch verschiedentlich auch die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit der Thematik der Berufsausbildung im Umweltbereich zu beschäftigen. Es gab den Ausbildungsversuch Recycling- und Entsorgungstechniker, der dann ausgelaufen ist. Es ist aber doch etwas geschehen: Es gibt jetzt neuerdings diesen Berufstyp Entsorgungsfachmann/Entsorgungsfachfrau mit der Teilung in Abwasserbereich und Abfallbereich, wobei jeweils zwei Lehrjahre angerechnet werden können.

Ich bin froh darüber, daß es das gibt, habe aber trotzdem ein etwas weinendes Auge, und zwar betreffend – das ist natürlich ein philosophischer Streit – die Spezialisierung bei den Lehrberufen. Ich komme selbst aus einem großen Betrieb und habe mich viele Jahre mit dieser Problematik und insbesondere mit den Berufsbildern im Umweltschutz und den Möglichkeiten dabei beschäftigt. Ich kann Ihnen sagen, wir haben in den letzten Jahren mit viel zuviel Optimismus junge Leute zu Ausbildungen animiert, die ihnen in Wirklichkeit dann nicht jene Möglichkeiten eröffnet haben, die sie sich vorgestellt hatten.

Ich kann Ihnen sagen, wir haben im Betrieb der Lenzing AG vier junge Leute in diesem Lehrberuf ausgebildet. Keiner der vier konnte im Betrieb einschlägig Verwendung finden – alle sind in der Produktion gelandet.

Ich möchte also vor überzogenen Vorstellungen und Optimismus warnen, was diese ganze Palette an Ausbildungen in diesen Umweltberufen betrifft, von denen es bereits sehr viele gibt. Ich verweise für alle Interessierten auf drei wirklich sehr gute Broschüren der Oberösterreichischen Umweltakademie: "Umweltschutz als Beruf nach der Matura", "Nach dem Studium – berufsbegleitende Weiterbildung" und "Umweltschutz als Beruf nach der Pflichtschule". Man sieht also, welche Palette es gibt, aber, meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: Es gibt eben nicht die notwendigen Arbeitsplätze dafür. Hier sollten wir aufpassen.

Daher war ich und bin ich nach wie vor der Meinung, daß man auch bei diesem Beruf des Recycling- und Entsorgungstechnikers eher eine Ausbildung auf der Basis eines Chemiewerkers, eines Schlossers hätte anstreben sollen – ich meine, Chemiewerker wäre gut gewesen –, damit der junge Mann, die junge Frau, die diese Ausbildung macht, gleichzeitig auch ein anerkanntes Zeugnis als Chemiewerker besitzt, um bessere Möglichkeiten im Berufsleben zu haben.

Ich habe mir die Zahlen angeschaut und kann Ihnen sagen, es sind ganz wenige Lehrplätze bisher angeboten worden. Laut Entschließung sollen wir nach drei Jahren einen Bericht bekommen, und dann wird es interessant werden. Ich aber glaube – ich hoffe, mich da zu täuschen, Herr Bundesminister –, daß dieser Durchbruch, den wir oder einige mit dieser Trennung und Spezialisierung zu erreichen geglaubt haben, nicht gelingen wird. Die jungen Leute werden spezialisiert in einem Bereich ausgebildet, für den es gar nicht so viele Firmen gibt. Wir können nur hoffen, daß von seiten der öffentlichen Hand wieder mehr Geld dafür vorhanden ist, um beispielsweise bei allen Bezirkshauptmannschaften Umwelttechniker vor Ort – ähnlich den Arbeitsinspektoren – einführen zu können. Das würde uns Luft verschaffen, betrifft aber eher jene Leute, die nach einer Matura eine Zusatzausbildung machen. Momentan schaut es nicht so aus, als daß sehr viele diese Lehrberufe ergreifen würden. Ich warne also davor, allzugroße Hoffnungen in diesen Bereich zu setzen.

Zur Ausbildung generell nochmals: Ich glaube, daß der Weg dieser "Schmalspurausbildungen" in Lehrberufen, den wir derzeit, von der Wirtschaft stark forciert, gehen, eher zu verkappten Hilfsarbeitern führen wird und daß dieser Weg nicht richtig ist. Und was den Lehrberuf des Recycling- und Entsorgungstechnikers betrifft, den Barmüller angesprochen hat und für den er eine Verbesserung erreichen will, glaube ich, daß wir mit der Verordnung einen falschen Weg gegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.33

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich danke für die inhaltliche Diskussion, die es über diese Anträge auch im Umweltausschuß gegeben hat, kann aber dennoch nicht umhin, klarzulegen, daß die Liberalen die Lösung, die gefunden worden ist, nicht mittragen werden, und zwar deshalb nicht, weil wir von der Problemlage ausgegangen sind, daß Personen, die sich in Umschulung befunden haben und zum Recycling- und EntsorgungstechnikerIn ausgebildet worden sind, am Ende der Umschulung erkennen mußten, daß sie nicht beschäftigbar sind. Das war etwas, was sie am Beginn der Ausbildung nicht erwartet haben und was ihnen auch so nicht gesagt worden ist.

Ausgehend von diesem Problem ist der Entschließungsantrag entstanden, der darauf abzielt, derart ausgebildete Personen auch als Leiter, als Leiterin einer Deponie zuzulassen. Das war durch die Deponieverordnung nicht möglich.

Diese Anträge sind nicht nur über eineinhalb Jahre im Ausschuß verhandelt und immer wieder vertagt worden, offenbar sind sie außerhalb des Hauses auch mit den Sozialpartnern abgestimmt worden. Das Ergebnis, das jetzt herausgekommen ist, bezeichnet auch Herr Abgeordneter Keppelmüller selbst als für das Problem schlechthin unbefriedigend, und ich teile diese seine Auffassung. Ich teile sie deswegen, meine Damen und Herren, weil ich überzeugt davon bin, daß wir generell dafür sorgen müssen, daß Qualifikationen von Personen erworben werden und daß man dann, wenn man diese modulartig erwerben kann, zur Berufsausübung in bestimmten Bereichen geeignet ist und in anderen eben nicht.

Wenn wir diesen Zugang fänden und von dem starren "Kastlmachen" beim Erfinden von Lehrberufen – wobei jene, die sie erlernen, dann im Laufe der Zeit nicht mehr einsetzbar sind – wegkämen, dann könnte das eine erhöhte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt bringen. Das ist etwas, was von seiten der Liberalen vehement eingefordert wird, und wir meinen, daß diesbezüglich endlich auch von seiten der Regierung ein Umdenken stattfinden sollte.

Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag, den die Freiheitlichen eingebracht haben und der sich auf ein Kreislaufwirtschaftsgesetz bezieht, ist von seiner Grundintention her ohne Zweifel richtig, aber – und da wundere ich mich, daß Kollege Schweitzer nicht wenigstens den Nationalen Umweltplan zu Hilfe genommen hat – in der Pauschalität, wie es vorgeschlagen wird, stellt es in Wahrheit für die Regierung keine Latte dar. Denn man könnte ein solches Kreislaufwirtschaftsgesetz durchaus erlassen, aber es würde sich vielleicht gar nicht so sehr von dem unterscheiden, was wir heute schon kennen. Aber solange es nicht Latten gibt, die wenigstens am Nationalen Umweltplan angelehnt sind, in dem all diese Ziele schon vorformuliert sind und hinsichtlich dessen sich die Bundesregierung auch verpflichtet hat, diese Ziele in der Gesetzgebung zu berücksichtigen, so lange hat ein solcher Entschließungsantrag in dieser Pauschalität keinen Sinn.

Kollege Schweitzer! Vielleicht wäre es angemessen, daß nächste Mal über einen solchen Entschließungsantrag noch im Vorfeld zu reden. Es wäre möglich, daß dann mehr an Inhalt herausschaut – und vielleicht auch eine Zustimmung von seiten der Liberalen. In diesem Fall aber wird es, weil die Latte für die Regierung zu niedrig ist, von seiten der Liberalen keine Zustimmung geben.

Daher abschließend, meine Damen und Herren: Die beiden Entschließungsanträge der Liberalen haben zu einer Befassung nicht nur des Umweltausschusses, sondern auch der Sozialpartner geführt. Die Lösung, die gefunden wurde, ist aber keine, die problemadäquat ist, insbesondere werden dadurch jene Personen, die die Ausbildung zum Recycling- und Entsorgungstechniker beziehungsweise zur Recycling- und Entsorgungstechnikerin gemacht haben, keinen größeren Markt finden als vorher auch.

Daher sehen wir das Ziel als verfehlt an und werden die Lösung, die heute hier vorgeschlagen wird, nicht mittragen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Stampler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.37

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den Antrag des Abgeordneten Barmüller und den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf und Keppelmüller eingehe, möchte ich noch kurz etwas zur Geschichte des Lehrberufes des Recycling- und Entsorgungstechnikers festhalten.

Durch die Verordnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten aus dem Jahre 1992 wurde ein neuer Lehrberuf als Ausbildungsversuch, nämlich der des Recycling- und Entsorgungstechnikers, geschaffen. Im ursprünglichen Entwurf war der Lehrberuf dermaßen strukturiert, daß ab dem dritten Lehrjahr entweder die Fachrichtung Abfall oder die Fachrichtung Abwasser gewählt und ausgebildet werden konnte. Schließlich wurde jedoch für die Dauer dieses Ausbildungsversuches ein einheitlicher Lehrberuf, der die Ausbildung für die Bereiche Abwasser und Abfall in einem Lehrberuf vorsieht, durchgesetzt.

Ich glaube, über eines sind wir uns sicherlich einig: Die Schaffung eines neues Berufsbildes, das den modernen Anforderungen und Wünschen der Wirtschaft und der Arbeitnehmer entspricht und dazu noch auf aktuelle Probleme der Umwelt und der Abfallwirtschaft Rücksicht nimmt, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es war schließlich ein verständlicher Wunsch der Wirtschaft – und ich möchte sagen, auch ich sehe das so –, diesen Lehrberuf, so wie es ursprünglich vorgesehen war, zu trennen, und zwar in einen Lehrberuf Entsorgungs- und Recyclingfachmann/Abfall und einen Entsorgungs- und Recyclingfachmann/Abwasser. Weiters war es ein Anliegen, daß es ermöglicht werden sollte, die Absolventen dieses Lehrberufes für Abfall auch als Leiter oder stellvertretende Leiter der Eingangskontrolle einer Deponie, allerdings nur für Baurestmassen beziehungsweise Bodenaushub, zu verwenden.

Meine Damen und Herren! Mit der Verordnung vom April 1998 wurde der Beruf des Recycling- und Entsorgungstechnikers in zwei Sparten, nämlich Abfall und Abwasser, gesplittet. Dadurch ist es nun möglich, viel besser auf die Anforderungen und Probleme in den einzelnen Sparten einzugehen.

Zur Forderung, Recycling- und Entsorgungstechniker als Leiter oder stellvertretende Leiter der Eingangskontrolle bei Deponien verwenden zu dürfen, gilt es folgendes festzuhalten: Deponie ist nicht Deponie. Hier müssen wir unterscheiden. Es gibt verschiedene, je nachdem, für welche Eluatklassen von Müll die Deponien vorgesehen sind. Und dem Einsatz der oben genannten Fachleute als Leiter der Eingangskontrolle für Bauschutt- und Bodenaushubdeponien steht seit der neuen Verordnung ohnehin nichts entgegen. So steht es auch im Berufsbild.

Ein weiterer Schritt betreffend den Abwasserbereich ist nun auch die Anerkennung als Klärwärter. Damit ist eigentlich für diese beiden Berufe alles okay. Zur Forderung, die Regelung für alle Deponien gelten zu lassen, ist aber folgendes zu sagen: Bei Massenabfall- und Reststoffdeponien trägt der Leiter der Eingangskontrolle die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen. Durch die Verschiedenartigkeit der Abfälle und für die Entnahmen von Proben, die durchgeführt werden müssen, und vieles mehr ist eine umfassende chemische Ausbildung Grundvoraussetzung.

Aus Gründen der Sicherheit vertrete ich daher die Ansicht – und ich glaube, daß sie auch vom Herrn Minister geteilt wird –, daß das Vorsehen der Möglichkeit, Entsorgungs- und Recyclingstechniker als Leiter der Eingangskontrolle bei Massenabfalldeponien zu verwenden, zu weit gegriffen wäre, weil es auch in unserer Verantwortung liegt, sicherzustellen, daß nichts passieren kann.

Ich glaube, das ist eine vernünftige Lösung, wobei gesagt werden muß, daß Bodenaushub- und Baurestmassendeponien die größere Anzahl der Deponien darstellen und daher jetzt schon eine massive Aufwertung dieses Lehrberufes stattfand. Der gemeinsame Entschließungsantrag der Regierungsparteien ist nur eine letzte Konsequenz aus dem eben Gesagten.

Wir wünschen uns, daß die Entwicklung dieses Berufsbildes, die Anzahl der Lehrlinge und so weiter beobachtet werden und darüber dem Parlament nach drei Jahren berichtet wird. Dann kann man sehen, was sich bewährt hat und was man ändern soll. Politische Schnellschüsse sind, glaube ich, auf keinen Fall die richtige Lösung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon richtig, wenn einige Abgeordnete meinen, daß eine zu punktgenaue Ausbildung oder eine zu sehr auf Spezialisierung zugeschnittene Ausbildung in Lehrberufen stattfindet. Aber letztlich zwingt uns ja gerade die allgemeine Situation auf dem Lehrlingsmarkt dazu, neue Wege zu gehen. Wenn wir die Zukunft nicht verschlafen wollen, dann müssen wir sehen, daß gerade in den Bereichen Umwelt und Recycling Chancen für künftige Beschäftigungen liegen.

Ich habe oft den Eindruck, daß mit der nunmehr beinahe drei Jahrzehnte andauernden sozialdemokratischen Bundeskanzlerschaft in Österreich – auch das Sozialministerium ist seit 30 Jahren in SPÖ-Händen – eine permanente und stete Verschlechterung im Bereich der Lehrlingsausbildung und im Bereich der Beschäftigten einhergeht. Trotz Milliardenaufwendungen in den letzten beiden Jahren gelingt es auch nicht nur annähernd, jene 7 300 Jugendliche unterzubringen, die derzeit noch ohne Beschäftigung, ohne Ausbildungsplatz sind. Ein düsteres Zeichen auf der anderen Seite, nämlich im Bereich der Wirtschaft, ist, daß es etwa 1 300 Lehrstellen weniger gegenüber dem Jahr davor gibt. Hier sind fehlende Verantwortung und auch fehlendes Gerechtigkeitsbewußtsein gegenüber einem Teil der Staatsbürger zu verzeichnen, von denen wir dann in ihrer Berufstätigkeit jedoch eine ausgezeichnete Arbeit verlangen.

Es wird von der Wirtschaft immer wieder der Facharbeitermangel kritisiert, wir beziehungsweise die Betriebe sind aber nicht bereit, die Ausbildung dafür im entsprechenden Ausmaß mit zu finanzieren. (Abg. Schaffenrath: Die Rahmenbedingungen passen für die Wirtschaft, oder?) Die passen im wesentlichen. Ich stimme dem durchaus zu. Darf ich Ihnen sagen, Frau Abgeordnete, daß ich es nicht mehr hören kann, daß heute Wirtschaftsbetriebe Lehrlinge nicht beschäftigen, weil es ein eheähnliches Verhältnis sei und ähnliches mehr. Bitte, was haben denn die Betriebe früher gemacht? Früher haben die Betriebe ohne Millionensubventionen Lehrlinge ausgebildet, weil sie in den Betrieben gebraucht wurden. Und heute ... (Weiterer Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.) Ja, das hätten die Liberalen sicher gerne, daß die Schüler und die Lehrlinge für die Ausbildung wieder zahlen müssen. Das kann ich mir bei Ihrem Denken durchaus vorstellen, Frau Kollegin! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.) Die Einführung eines musealen Bildungswesens wäre sicherlich im Interesse der Liberalen. Bei Ihnen würde das wahrscheinlich dann der Herr Haselsteiner finanzieren.

Aber ich sage Ihnen eines: Wir versuchen heute ... (Abg. Schaffenrath: Sie vertreten eine andere Meinung als Ihr Klub!) Sind Sie fertig? (Abg. Schaffenrath: Fragen Sie Ihren Klubchef! Der wird Ihnen etwas anderes erzählen!) Sehen Sie, wie breit bei uns die Meinung auf diesem Sektor sein kann – im Gegensatz zu Ihrer Fraktion! (Abg. Schaffenrath: Da müssen Sie aber aufpassen, daß Sie nicht gleich ausgeschlossen werden wie der Herr Mentil!) Ja, ich weiß, Sie befinden sich im Tiroler Landtagswahlkampf, aber das hat zur Sache nichts beizutragen. (Abg. Schaffenrath: Sie müssen aufpassen!) – Wollen Sie mir drohen? Sie können mir nicht drohen, nein, wirklich nicht! Dazu sind Sie viel zu schwach.

Bei der Berufs- und Lehrlingsausbildung in Österreich versagt die ach so gepriesene Sozialpartnerschaft kläglich. Die Sozialpartner, die immer vorgeben, Beispielwirkung in ganz Europa zu haben, versagen auch auf diesem Gebiet. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich weiß schon, das können Sie nicht hören, gerade die Herren von der SPÖ nicht, daß wir nach wie vor 7 300 Jugendliche in Österreich haben, die ohne Beschäftigung dastehen. Ihr Bundeskanzler hat jedem eine Beschäftigung versprochen und hat gesagt, wir haben die Situation im Griff, wir sind ja jetzt die großen EU-Vorsitzenden.

Ich darf Ihnen nur eines sagen: Dieser EU-Vorsitz Österreichs ist nichts anderes als eine große Politshow auf Kosten der heimischen Steuerzahler, auf Kosten der heimischen Betriebe und auf Kosten der Arbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Sie reden zum Lehrberuf des Recycling- und Entsorgungstechnikers!)

Ja, ich rede dazu, und wissen Sie, warum ich darüber rede? Weil 30 Jahre sozialistische Herrschaft in diesem Lande dazu geführt haben, daß Sie trotz Milliardensubventionen nicht in der Lage sind, den Jugendlichen eine Zukunft zu bieten. Und das schreiben Sie sich einmal hinter die Ohren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schaffenrath: Sie kennen sich leider nicht aus!)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister. (Bundesminister Dr. Bartenstein – in Schwierigkeiten mit dem Mikrophon –: Es ist mir gerade noch gelungen, dieses Mikrophon nicht zum "Abfall" werden zu lassen und da hinabfallen zu lassen!)

18.47

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich hoffe auf Ihr Verständnis, daß ich nach den soeben gehörten Ausführungen des sehr geehrten Herrn Abgeordneten Gaugg zum Thema Lehrlingssituation und Wirtschaftssituation im allgemeinen und EU-Vorsitz im besonderen wieder auf das Thema der Ausbildungserfordernisse und auch der Beschäftigungsmöglichkeiten für den Recycling- und Entsorgungsfachmann zurückkomme.

Ich darf mich kurz fassen: Es geht hier nicht darum, was sich die Wirtschaft von uns erwartet oder erhofft hat, sondern gerade die Eingangskontrolle im Deponiebereich ist etwas – und ich glaube, dafür wird eine breite Zustimmung zu finden sein –, wo die Regulierungskräfte und Qualifizierungskräfte des Marktes eine, wenn überhaupt, nur sehr geringe Rolle spielen können und daher auf der anderen Seite behördliche Vorschriften und Qualifizierungsvorschriften eine große Rolle spielen. Es geht um die Gesundheit der Anrainer, es geht um die Möglichkeit hier entstehender Altlasten, es geht um die Notwendigkeit, Abfall so zu deponieren, daß er tunlichst auf Ewigkeit keine Sorgen mehr macht.

Wir sind der Auffassung, daß wir mit dem neuen Ausbildungsschema für den Entsorgungs- und Recyclingfachmann einen wichtigen neuen Lehrberuf haben. Welche Breitenwirkung dieser Lehrberuf bekommen wird, das wird letztlich der Herr Wirtschaftsminister in einigen Jahren im Rahmen einer Berichterstattung darstellen. Ich darf aber gleichzeitig dazusagen, daß wir sehr wohl der Auffassung sind, daß wir die Eingangskontrolle bei Bodenaushub- und Baurestmassendeponien diesen Leuten, die eine derartige Ausbildung absolviert haben, überlassen wollen, wir es aber für nicht verantwortbar und für nicht sinnvoll halten, auch die Eingangskontrolle bei Massenabfall- und Reststoffdeponien, also beispielsweise Hausmülldeponien, wie wir sie bisher kennen, von Entsorgungs- und Recyclingfachmänner und -frauen vornehmen zu lassen. Das erscheint uns zu weit gegriffen, das halten wir für nicht sinnvoll.

Zu den relevanten Zahlen möchte ich aber schon sagen, daß die Bodenaushub- und Baurestmassendeponie die zahlreichere Deponietype in Österreich darstellt, sodaß die dort gegebene Beschäftigungsmöglichkeit jedenfalls eine ist, die neu hinzukommt.

Ich darf daran erinnern, daß der Recycling- und Entsorgungsfachmann der Fachrichtung Abfall – die sinnvolle Trennung in Fachrichtung Abfall und Fachrichtung Abwasser ist ja schon von Herrn Abgeordneten Stampler hier angeführt worden – auch zur Tätigkeit als Abfallbeauftragter in einem Unternehmen qualifiziert ist, also ein relativ breites Betätigungsfeld hat.

Ich möchte weiters, da gesagt wurde, dieses Ausbildungsschema sei zu eng gefaßt, darauf verweisen, daß sehr wohl eine Möglichkeit zum Wechsel zu verwandten Lehrberufen wie dem des Chemielaboranten gegeben ist. Es kann durch eine vereinfachte Zusatzprüfung die Qualifikation für den Beruf Chemielaborant erworben werden, und dann ist nach Vorliegen einer entsprechenden Praxis, und zwar einer zweijährigen Praxis, auch die Leitung der Eingangskontrolle einer Reststoff- und Massenabfalldeponie möglich.

Bei aller Wertschätzung der Initiative des Abgeordneten Barmüller meine ich, daß in der Richtung vorzugehen war, daß das Aufmachen der von Barmüller gewünschten Eingangskontrolle jeder Deponietype für Absolventen dieser Ausbildungsrichtung abzulehnen war. Auf der anderen Seite sollten und werden für Recycling- und Entsorgungsfachleute im Bereich von Baurestmassen- und Bodenaushubdeponien, aber insbesondere und insgesamt als Abfallbeauftragte in der Wirtschaft interessante Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben sein. – Herr Präsident, ich danke für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es hat sich als nächster Herr Abgeordneter Heinzl zu Wort gemeldet. 6 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.53

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gaugg zu dem jetzt zur Debatte stehenden Thema möchte ich nicht näher eingehen, möchte aber doch feststellen, daß ich heute den Eindruck hatte, daß Sie sich, Herr Abgeordneter – und das war aus Ihren Ausführungen klar herauszuhören –, anscheinend darüber freuen, daß wir in Österreich noch nicht alle Lehrlinge im Arbeitsprozeß haben. Herr Abgeordneter, Ihre Ausführungen haben vor sachlicher Unkenntnis und Polemik gestrotzt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Gaugg.)

Hohes Haus! Die Bewältigung des Problems der Umweltverschmutzung gehört zu den dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Aufgrund der Menge der produzierten Güter und aufgrund der zunehmenden Chemisierung dieser Güter sind die Vermeidung und das Wiederverwerten und die Entsorgung von Problemstoffen sowie die Abwasserbehandlung zu einem fast nicht bewältigbaren Problem geworden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gaugg. – Abg. Böhacker: Falsche Rede! Umblättern!) Hören Sie genau zu, Herr Gaugg, Sie werden es brauchen! (Demonstrativer Beifall des Abg. Grabner.– Aus diesem Grund gilt seit langem die Umwelttechnik als Zukunftsbranche schlechthin. Vermeidung von Umweltbelastungen hat eindeutig Vorrang gegenüber Begrenzung und Sanierung. Der Reduktion von Stoff- und Energieströmen und der Schließung von Stoffkreisläufen kommen entscheidende Bedeutung zu. Außerdem steigern saubere Technologien die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Unternehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! In Österreich wird derzeit das Abfallaufkommen mit 39 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Um dieser gigantischen Menge Abfall begegnen zu können, brauchen wir ganz dringend qualitativ gut ausgebildete Fachkräfte. Deshalb wurde unter anderem auch der Lehrberuf des Recycling- und Entsorgungstechnikers eingerichtet. Gleichfalls wurde über Jahre hinweg ein gut funktionierendes Sammel- und Verwertungssystem aufgebaut, um die anfallenden Abfallmengen kontinuierlich reduzieren zu können. Im internationalen Vergleich liegen die Österreicher bei der Sammlung und der Verwertung von Abfällen im Spitzenfeld und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Ressourcenschonung und Reduzierung von Deponievolumen.

Mit zunehmender Sensibilisierung der Bevölkerung im Hinblick auf umweltbezogene Probleme gewinnen umweltverträgliche Technologien und Produktionsprozesse immer mehr an Bedeutung und Interesse.

Die Umweltschutzindustrie stellt heute, sehr verehrte Damen und Herren, Hohes Haus, einen wichtigen und expandierenden Bereich in der österreichischen Wirtschaft dar. Rund 11 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind derzeit in mehr als 250 österreichischen Firmen primär mit Umweltschutz und Umwelttechnologie befaßt.

Umso befremdlicher ist es für mich, wenn ich diesen durchaus imposanten Beschäftigungszahlen die Zahl der angebotenen Lehrplätze in diesem Wirtschaftsbereich gegenüberstelle. Laut Bildungsbericht 1997 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten standen zum Beispiel im Jahre 1996 lediglich 28 Lehrlinge in ganz Österreich für den Ausbildungsversuch Recycling- und Entsorgungstechniker in Ausbildung. Aber auch im Jahre 1998 scheint es zu keiner merklichen Zunahme beim Lehrstellenangebot für diese Lehrberufe zu kommen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich frage mich, wann sich die Wirtschaft und letztendlich die Betriebe endlich ihrer Verantwortung bewußt werden und Lehrplätze für diese neuen und zukunftsträchtigen Lehrberufe anbieten.

Die sozialdemokratische Fraktion, Hohes Haus, Herr Abgeordneter Gaugg, weiß schon seit langem, wohin der Weg im Bereich der Jugendbeschäftigung führen muß. Die Erhaltung der Jugendbeschäftigung ist nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Frage. Wir müssen weg von den angelernten und beliebig austauschbaren Hilfskräften hin zu qualifizierten Fachkräften kommen.

Deshalb fordere ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf, die Entschließung der Abgeordneten Keppelmüller und Kopf anzunehmen und so zur Etablierung neuer, zukunftsorientierter Berufe beizutragen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters wurde nicht verlangt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar stimmen wir über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst stimmen wir ab über die dem Ausschußbericht 1408 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 142.)

Wir stimmen nun ab über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1409 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Genossen betreffend Initiative der Bundesregierung zur Erstellung eines Entwurfes zu einem Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

10. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1414 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß ich sogleich als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Schieder das Wort erteile. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.01

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz bringt ein paar Verbesserungen, und zwar vor allem was Fristen betrifft. Bisher war vorgesehen, daß die Vorberatung eines Volksbegehrens innerhalb eines Monats nach Zuweisung aufzunehmen ist und dann nach weiteren sechs Monaten der Nationalrat jedenfalls einen Bericht zu erhalten hat. Diese Sechs-Monate-Frist wird nun auf vier Monate verkürzt.

Bevollmächtigte eines Volksbegehrens erhalten das Recht, zwei weitere Vertreter mitzunehmen, Generaldebatten und "Hearings" – unter Anführungszeichen – finden öffentlich statt, Ton- und Bildaufnahmen werden zulässig sein, die Ausschußberichte zu einem Volksbegehren sind den Bevollmächtigten und ihren Stellvertretern zuzustellen, deren Veröffentlichung erfolgt in der "Wiener Zeitung", und darüber hinaus wird das Recht geschaffen, daß jedem Bürger, dem das Recht zukommt, ein Volksbegehren zu unterstützen, die Berichte, wenn er sie anfordert, kostenlos zugeschickt werden.

Es sind das, meine Damen und Herren, gar keine so kleinen Veränderungen, wie Sie meinen, und ich bedauere es eigentlich, daß die Debatte im Ausschuß in der Weise abgelaufen ist, daß sich die Oppositionsparteien vor allem darauf gestürzt haben, zu sagen, was alles an anderen Dingen sie noch gerne hätten, und im Vergleich zu diesem Riesenwust an Wünschen nimmt sich jetzt das, was nun beschlossen wird, klein aus. Das wird aber dem Umstand, daß in unserer Geschäftsordnung laufend die Minderheitsrechte ausgedehnt werden, nicht gerecht.

Ich möchte mich jetzt nicht berühmen und sagen, das sei die große Geschäftsordnungsreform, aber ich meine, daß es wesentliche Punkte sind und wir auch den Umstand sehen sollten, daß es im österreichischen Parlament schon Minderheits- und Kontrollrechte gibt, die weit über das hinausgehen, was es in anderen Ländern an diesbezüglichen Rechten gibt. (Abg. Mag. Barmüller: In Syrien!)

Daß fünf Abgeordnete verlangen können, daß ein Oppositionsantrag nach Vorbereitung auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen ist und daß jede kleine Fraktion einmal im Jahr eine Sondersitzung verlangen kann, ist nicht, wie Sie, Herr Abgeordneter Barmüller, dazwischengerufen haben, bloß in "Syrien" nicht der Fall, sondern dieses Recht der Minderheit gibt es in keinem Parlament Europas – außer eben in Österreich.

Daß jedes Mitglied des EU-Hauptausschusses – jedes einzelne Mitglied im EU-Hauptausschuß! – die Beratung einer Vorlage verlangen kann, ist dem dänischen Ausschuß nachgebildet, wobei ich sagen möchte, daß das Recht, daß jedes einzelne Mitglied des Ausschusses einen Punkt auf die Tagesordnung bringen kann, nicht einmal in Dänemark besteht.

Die Möglichkeit zu abweichenden Stellungnahmen zum Ausschußbericht gibt es in einigen Ländern.

Daß fünf Abgeordnete eine Kurzdebatte über Untersuchungsausschußanträge et cetera erzwingen können, daß fünf Abgeordnete die Durchführung einer Debatte über die Erklärung eines Mitglieds der Bundesregierung erzwingen können, gibt es auch nur in einer Minderheit der europäischen Länder.

Ebenso verhält es sich mit der dringlichen Behandlung einer schriftlichen Anfrage.

Die Bestimmung, daß das Thema in der Aktuellen Stunde von den Fraktionen abwechselnd bestimmt wird, kommt natürlich den kleineren Fraktionen entgegen.

Die Einwendungen gegen die Tagesordnung sind ein weiteres Beispiel dafür.

Daß 20 Abgeordneten, einem Fünftel der Abgeordneten, einem Viertel der Abgeordneten sowie einem Drittel der Abgeordneten eine weitere Vielzahl von Minderheitsrechten offensteht, ist weiterhin etwas, was nicht in der Mehrzahl der Parlamente der Fall ist.

Es stimmt, daß in den europäischen Ländern zur einen Hälfte kein Untersuchungsausschuß von der Minderheit eingesetzt werden kann und zur anderen Hälfte das sehr wohl möglich ist. (Demonstrativer Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.) Diese Bestimmungen halten in Europa einander die Waage.

Das ist ein Forderung, die von der Opposition besonders erhoben wurde. Dagegen spricht – ich sage es ganz offen – die Erfahrung mit dem Verhalten mancher Oppositionsvertreter in den letzten Jahren. Ich habe das selbst erlebt. Da gilt es, mehr Vertrauen in die ordnungsgemäße Behandlung aufzubauen.

Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Sie werden jetzt sicherlich sagen, das alles sei nichts oder zumindest zu wenig. In Wirklichkeit wird mit dieser Novelle ein kleiner, aber "feiner" Schritt zu mehr Oppositionsrechten gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

19.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.06

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da Herr Abgeordneter Schieder die einzelnen Punkte bereits dargestellt hat, kann ich mich sehr kurz fassen und darf nur ein paar Ergänzungen anbringen.

Mit dem gegenständlichen Initiativantrag zur Novellierung des Geschäftsordnungsgesetzes sind in erster Linie Wünsche der Initiatoren von Volksbegehren erfüllt worden. (Abg. Wabl: "Großartig"!) Die Hauptinhalte beziehen sich vor allem auf eine schnellere Behandlung von Volksbegehren im Parlament. Es handelt sich dabei im wesentlichen um folgende vier Punkte:

Punkt eins: Es müssen gemäß der nun vorliegenden Novelle Volksbegehren, die mehr als 100 000 Unterschriften erhalten haben, innerhalb eines Monates im Ausschuß behandelt werden, und spätestens nach weiteren vier Monaten – diese Frist kann auch kürzer sein – muß ein Bericht an das Parlament erstattet werden. Diese Frist ist immerhin um ein Drittel kürzer, als das in der bisherigen Geschäftsordnung vorgesehen war.

Punkt zwei: Der Bevollmächtigte eines Volksbegehrens kann nun auch, wenn er verhindert ist oder aus anderen Gründen oder auch zur Unterstützung, zwei weitere Personen – in der Regel werden es Stellvertreter sein – nominieren, denen das Recht zusteht, auch an den Verhandlungen im Ausschuß teilzunehmen.

Punkt drei: Um die Beratungen über Volksbegehren transparenter zu gestalten, finden Generaldebatten und Hearings im Ausschuß, sofern eine Enderledigung im Ausschuß stattfindet, öffentlich statt, und dabei sind auch Ton- und Bildaufnahmen zulässig. Das war in unserer Geschäftsordnung bisher nicht vorgesehen.

Punkt vier: Die Ausschußberichte zu einem Volksbegehren, und zwar auch Minderheitsberichte – auch das war bisher nicht vorgesehen – oder abweichende persönliche Stellungnahmen, sind dem Bevollmächtigten und seinen Stellvertretern zuzustellen. Weiters verfügt der Präsident die Veröffentlichung aller Berichte über ein Volksbegehren im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung".

Auch Personen, die in der Wählerevidenz eingetragen sind und die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, haben nun das Recht, Berichte auf Anforderung kostenlos zugesendet zu erhalten.

Es wurde zum Initiativantrag im Ausschuß auch ein Abänderungsantrag eingebracht, und zwar ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Dr. Graf, in welchem zusätzliche Klarstellungen zur Vermeidung von Mißdeutungen in der bisherigen Geschäftsordnung vereinbart wurden. Unter anderem wurde der § 94 Absatz 5 klargestellt. Darüber, wie dieser Paragraph auszulegen ist, gab es ja in einer der letzten Plenarsitzungen Unklarheiten. Er lautet nun folgendermaßen:

"In einer solchen Sitzung sind, sofern für denselben Tag eine weitere Sitzung des Nationalrates in Aussicht genommen ist, kurze Debatten gemäß § 57a sowie die Behandlung einer Dringlichen Anfrage oder eines Dringlichen Antrages nicht zulässig."

§ 57a bezieht sich auf schriftliche Beantwortungen von schriftlichen Anfragen, Fristsetzungsanträge und Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sowie auf die Behandlung einer Dringlichen Anfrage und eines Dringlichen Antrages. Diese sind dann, wenn am gleichen Tag eine zweite, eine nachfolgende Sitzung stattfindet, in dieser Sitzung nicht zulässig. Im Ausschuß wurde vom Liberalen Forum und von den Grünen ein Abänderungsantrag eingebracht, wonach bereits zwei Fraktionen einen Untersuchungsausschuß zwingend verlangen können. Eine Fraktion in unserem Parlament kann bereits mit fünf Abgeordneten erreicht werden. Das heißt, zehn Abgeordnete könnten Untersuchungsausschüsse sozusagen zwingend verlangen! Ich glaube, das gibt es wirklich in keinem anderen europäischen Parlament! Deshalb haben wir das auch abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP. – Oje!-Rufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Wabl: Da muht die Kuh!)

19.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.11

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe Herrn Kollegen Schieder heute nicht um seine Rolle innerhalb der SPÖ als Verteidiger oder Befürworter dieser Geschäftsordnungsreform beneidet. Naturgemäß finden sich darin auch positive Ansätze, die von uns auch begrüßt werden.

Kollege Schieder! Wenn Sie von einem "kleinen, aber feinen Schritt in die richtige Richtung" sprechen, dann muß ich Ihnen sagen: Das ist bescheiden, das gebe ich zu. Sie haben sich hier auch in angemessener Bescheidenheit geübt. Bei dem Wort "klein" pflichte ich Ihnen wirklich bei. Aber bis zu einem "feinen Schritt", bis zu einer tatsächlichen, auch minderheitenfreundlichen Reform unserer Geschäftsordnung, ist es wirklich noch sehr weit!

Kollege Schieder, Sie haben es dankenswerterweise ja angesprochen: Es geht in dieser Diskussion nicht so sehr um die punktuellen Verbesserungen bei der Behandlung von Volksbegehren, sondern es geht – und das ist der zentrale Punkt bei jeder Reform des Geschäftsordnungsgesetzes – um die zentrale Frage, mit welchen Mehrheiten Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Die Position, die Sie hier bei allen Debatten einnehmen, die sich mit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen befassen, die Rolle, die Sie hier spielen, ist kläglich, ist eine der Demokratie unwürdige Rolle! Das ist eine der Demokratie zutiefst unwürdige Rolle, weil Sie solche Anträge nämlich nicht mit individuellen Argumenten ablehnen, etwa unter Hinweis auf ein laufendes Strafverfahren, unter Hinweis auf eine andere Aufklärung durch den Rechnungshof – solche Hinweise kommen höchstens noch dazu, das sind zusätzliche Hilfsargumente, die Sie ins Treffen führen –, sondern Sie lehnen schlichtweg jeden wie immer gearteten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses per se ab. Und das, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist ein zutiefst verantwortungsloser Umgang mit der Geschäftsordnung und mit unserer Bundesverfassung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die andere Frage ist, mit welcher Mehrheit oder mit welchen Beschlußerfordernissen ein Untersuchungsausschuß in Hinkunft eingesetzt werden sollte. Wir kennen Beispiele aus der Praxis, zum Beispiel die Regelung in Deutschland: dort ist das ein selbstverständliches Minderheitsrecht. Und in der Tat ist es eine Absurdität der besonderen Art, daß die, die zu kontrollieren sind, nämlich die obersten Vertreter der Verwaltung, die zu kontrollierenden Vertreter, selbst entscheiden können, ob sie kontrolliert werden wollen oder nicht!

Die Damen und Herren auf den Regierungsbänken gehören ja jenen Parteien an, die hier im Hohen Haus die Mehrheit haben. Man hat es ja erst kürzlich gesehen: Herr Farnleitner kann sich das gemütlich bestellen, je nachdem, ob es ihm recht ist oder nicht! Er kann sagen: Nein, meine Damen und Herren von der eigenen Partei, stimmt dagegen! – Und aus Koalitionstreue, aus Gründen der Pakttreue, ist die SPÖ, die Sozialdemokratie, gehalten, ebenfalls gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stimmen.

Das ist eine Absurdität! Es kann doch nicht der zu Kontrollierende darüber bestimmen, ob er kontrolliert wird oder nicht! (Abg. Wurmitzer: Das stimmt doch nicht!) Und, Herr Kollege Schieder, auch wenn Sie sich jetzt eher in den "Kurier" vertiefen, was ich auch verstehe: Es ist doch eine Frage der Demokratie, eine zutiefst demokratische Grundsatzfrage (Abg. Schieder – die Zeitung zusammenfaltend –: Ich höre zu!), ob man für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Minderheitsrecht einräumt! Jeder Staatsrechtler, jeder Verfassungsrechtler wird das bestätigen. Alle anderen Verfassungen, auf die wir gelegentlich hinweisen, wie etwa das deutsche Staatsgrundgesetz, sehen dieses Minderheitsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, wir brauchen ja nicht einmal ins Ausland zu sehen; dabei sind insbesondere Sie von der ÖVP angesprochen. Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ihrem Kollegen, dem Landeshauptmann von Salzburg! In Salzburg wurde die sogenannte Proporzregierung – die meines Erachtens eher eine Konzentrations- als eine Proporzregierung ist; aber das ist eine Frage der Definition – ja bekanntlich abgeschafft. Ab der nächsten Legislaturperiode wird es dort Koalitionen geben, es wird eine Mehrheitsregierung geben, und die Parteien werden nicht mehr der Stärke nach auf der Regierungsbank vertreten sein. Und nun sagt der Herr Landeshauptmann, der auch Staatsrechtler ist: Selbstverständlich brauchen wir als Korrektiv dieser Mehrheitsregierung – die Konzentrationsregierung ist abgeschafft – das Minderheitsrecht im Landtag! Das heißt, die Minderheit kann dort darüber bestimmen, welche Akte der Vollziehung der Verwaltung in der Landesregierung untersucht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ich weiß nicht, ob nach mir noch jemand von Ihnen hier zum Rednerpult geht, aber ich frage Sie: Wieso soll das, was Ihr schwarzer Landeshauptmannkollege in Salzburg als Recht erachtet, und das zu recht, hier nicht billig sein? – Das müssen Sie mir erst einmal erklären! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Sie haben recht, es traut sich niemand von der ÖVP mehr heraus! – Abg. Schieder: Darf ich einen Zwischenruf machen: Das findet aber nicht nach der Strafprozeßordnung statt, und auch nicht mit dem Recht eines Vorsitzenden, Leute quasi einzusperren! So weit geht das nicht!) – Herr Kollege! Ein so weit gehendes Recht ist bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sicherlich nicht gegeben! (Abg. Schieder: Sehr weit davon entfernt sind wir nicht! – Abg. Böhacker: Argumentieren Sie nicht unscharf, Kollege Schieder!)

Es ist ja nicht so, daß Sie sich ernstlich große Sorgen um den Zeugenschutz machen müssen. Das ist überhaupt nicht wahr! Mit Ihren Experten aus den Ministerien und aus dem Legislativdienst könnten Sie doch in Kürze – in drei Stunden wären Sie doch kraft Ihrer Apparate dazu in der Lage! – ordnungsgemäße Normen schaffen, die in Untersuchungsausschüssen einen anständigen Umgang mit Zeugen- und Auskunftspersonen gewähren würden. Das ist doch überhaupt keine Frage! Aber, meine Damen und Herren, Sie wollen nicht! (Abg. Böhacker: Das ist es! Zudecken! Vertuscherpartie! – Abg. Haigermoser: Die Tuchent des Vergessens darüberziehen!) Sie wollen hier nicht kontrolliert werden, das ist doch das zentrale Problem! Sie lehnen stereotyp jede Kontrolle ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber falls es einen Meinungsumschwung geben sollte, können Sie dies gerne beweisen. Wir bringen im Sinne unserer diesbezüglichen Ausführungen einen Abänderungsantrag ein, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen zum Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird in der Fassung des Ausschußberichtes 1414 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Antrag in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

Nach Z 2 wird folgende Z 2a eingefügt:

2a. Nach § 33 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Ein Untersuchungsausschuß ist auch ohne Beschluß des Nationalrates aufgrund eines Antrages zur Geschäftsbehandlung einzusetzen, wenn der Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten unterstützt wird."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ihre Einstellung zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie wird auch daran gemessen, welches Stimmverhalten Sie bei diesem Antrag zeigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Herrn Abgeordneten Dr. Krüger vorgetragene Abänderungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schieder, Dr. Graf und Dr. Khol. – Unruhe im Saal.)

Herr Abgeordneter Mag. Barmüller! Ich möchte Ihnen einen ruhigen Anfang ermöglichen, deshalb habe ich gewartet. – Bitte, Sie sind der nächste.

19.20

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nicht garantieren, daß Herr Abgeordneter Schieder während meiner Rede ruhig bleiben wird, denn, Herr Abgeordneter Schieder, wir von den Liberalen teilen jetzt einmal, was den grundsätzlichen Anspruch dieser Geschäftsordnungsgesetz-Novelle angeht, die sich ja eigentlich nur mit dem Volksbegehren beschäftigt, die Verbesserungen. Diese werden wir auch in der zweiten Lesung mittragen. (Abg. Dr. Khol: Was heißt "nur"? Das Volksbegehren ist wichtig!)

Das Volksbegehren ist wichtig. Aber die Novelle beschäftigt sich nur mit dem Volksbegehren und nicht mit all den anderen drängenden Kontrollfragen, die es in diesem Hause gibt. Und darauf, Herr Abgeordneter – und nur darauf – hat sich mein "nur" bezogen. Das ist keine Abwertung des an sich wichtigen Themas, sondern weist auf die Einschränkung hin, die von den Regierungsfraktionen im Rahmen der Debatte des Geschäftsordnungsausschusses gemacht wurden.

Dabei möchte ich etwas hinzufügen: Es ist ja interessant, daß man zwar sagt, der Bericht, der gemacht wird, kann jedem, der im Wählerverzeichnis eingetragen ist, auf Anforderung zugeschickt werden, aber mit keinem einzigen Wort erwähnt, daß es in diesem Zusammenhang etwa auch eine Nutzung der neuen Medien geben soll, was durchaus eine Vereinfachung wäre.

Es ist zwar richtig, daß letztlich die Berichte auch ins Internet gestellt werden, aber es wäre angemessen, auch in diesem Bericht einmal darauf zu verweisen, daß parlamentarische Materialien über das Internet vermehrt zugänglich gemacht werden. Das ist eine Nutzung neuer Medien, die zu befürworten ist und die etwa von jungen Abgeordneten dieses Hauses schon vehement an anderer Stelle gefordert wurde.

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schieder hat heute gesagt, es gibt ein Instrument, das in anderen Staaten nicht so gehandhabt wird, und zwar die Einberufung einer Sondersitzung durch eine Fraktion dieses Hauses.

Herr Abgeordneter Schieder! Darin gebe ich Ihnen recht: Das ist eine besondere Regelung, die es nur in Österreich gibt. Aber wahr ist auch, daß diese Regelung und diese Änderung der Geschäftsordnungsreform ja nur dadurch entstanden ist, daß die vorherige zahlenmäßige Regelung, die es gegeben hat, massiv mißbraucht wurde. Und weil man da gesagt hat, das kann nicht die Zukunft sein, hat man eine neue Regelung gefunden. Und man hat es offenbar als das kleinste Übel empfunden, daß jede Fraktion nun das Recht hat, einmal im Jahr eine solche Sondersitzung zu beantragen. Das ist aber nichts, was von einem besonderen oder verstärkten Demokratieverständnis getragen war, sondern etwas, zu dem das Parlament durch jenen massiven Mißbrauch genötigt war, der früher auf Basis der Geschäftsordnung stattgefunden hat.

Meine Damen und Herren! Richtig ist auch, daß in allen europäischen Staaten ein Untersuchungsausschuß mit einer Mehrheit eingesetzt werden kann. In etwa der Hälfte der europäischen Staaten kann er darüber hinaus auch mit einer Minderheit eingesetzt werden. Und darüber gab es ja auch eine Diskussion im Geschäftsordnungsausschuß, in die sich Herr Präsident Neisser sehr massiv eingeschaltet und gesagt hat, er könne sich durchaus vorstellen, daß ein Viertel der Abgeordneten einen solchen Untersuchungsausschuß einsetzen könnte.

Meine Damen und Herren! Daher möchte ich gleich zu Anfang meines Debattenbeitrages einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Heide Schmidt und Kollegen einbringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Andreas Wabl und PartnerInnen betreffend den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 131/1997, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 131/1997, geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (1414 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Nach Z 2 wird eine neue Z 3 eingefügt, die lautet:

3. § 33 wird wie folgt geändert:

Nach § 33 Abs. 1 werden die Absätze 2 und 3 eingefügt, die lauten:

(2) Ein Untersuchungsausschuß ist auch ohne Beschluß des Nationalrates einzusetzen, wenn ein gemäß Abs. 1 eingebrachter Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates unterstützt wird.

(3) Sind bereits zwei Untersuchungsausschüsse gemäß Abs. 2 eingesetzt, darf kein weiteres derartiges Verlangen gestellt werden.

Die bisherigen Absätze 2 bis 5 erhalten die Bezeichnungen 4 bis 7.

Die bisherigen Ziffern 3 bis 8 erhalten die Bezeichnungen 4 bis 9.

*****

Das ist ein Antrag, der von der Intention her gleichlautend ist mit jenem Antrag, der soeben von Herrn Abgeordneten Krüger eingebracht wurde. Die Liberalen haben aber darüber hinaus auch noch den Vorschlag geäußert, daß auch zwei Fraktionen gesamthaft einen solchen Untersuchungsausschuß beantragen können sollen.

Im Geschäftsordnungsausschuß ist argumentiert worden, das sei systemfremd. Und wir haben schnell noch einmal nachgeschaut: In der Geschäftsordnungsgesetz-Novelle des Jahres 1996 ist das heute bereits erwähnte Fraktionsrecht auf Einberufung einer Sondersitzung eingeführt worden. Es gibt also in unserer Geschäftsordnung Fraktionsrechte. Es ist aber auch so, meine Damen und Herren, ... (Abg. Dr. Graf: Das war der Systembruch!) Das ist kein Systembruch, sondern die Einführung eines neuen Mittels im Rahmen der Geschäftsordnung, die gute Gründe hat.

Es ist so, daß etwa auch die Abgeordneten, die in die Ausschüsse entsendet werden, von ihren Fraktionen nominiert werden und nicht etwa durch eine Mehrheitsbeschlußfassung des Parlaments. Das Nominierungsrecht liegt bei den Fraktionen, und es wird gegen dieses Nominierungsrecht seitens der Mehrheit des Nationalrates selbstverständlich kein Einwand erhoben. Das heißt, die Fraktionen bekommen im Rahmen des parlamentarischen Ablaufes immer mehr Rechte.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus haben wir nachgeschaut und verweisen darauf, daß das letztendlich auch die Einbringung von Dringlichen Anfragen oder von Dringlichen Anträgen betrifft, weil es zusätzlich zum Abgeordnetenrecht neuerdings auch ein Fraktionsrecht gibt – also auch hier eine Ausweitung von der bisher nur zahlenmäßig beschränkten Ausrichtung der Geschäftsordnung auf die einzelnen Abgeordneten hin zur Fraktion.

Darüber hinaus finden Sie auch noch drei weitere Bestimmungen in der Geschäftsordnung, die damit zusammenhängen, nämlich § 43 Abs. 3, § 92 Abs. 1 und § 99 Abs. 3, in denen ebenfalls ein Fraktionsrecht vorgesehen ist, das aber in diesem Fall nur zur Einschränkung jener Rechte, die durch die Abgeordneten wahrgenommen werden können, gebraucht wird.

Meine Damen und Herren! Was damit gezeigt werden kann, ist, daß Fraktionsrechte und die Möglichkeiten von Fraktionen, einzelne Mittel zu verlangen, keine systemfremde Einrichtung unserer Geschäftsordnung mehr sind.

Daher bringen die Liberalen einen zweiten Abänderungsantrag ein, der da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Andreas Wabl und PartnerInnen betreffend den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 131/1997, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 131/1997, geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (1414 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Nach Z 2 wird eine neue Z 3 eingefügt, die lautet:

3. § 33 wird wie folgt geändert:

Nach § 33 Abs. 1 werden die Absätze 2 und 3 eingefügt, die lauten:

(2) Ein Untersuchungsausschuß ist auch ohne Beschluß des Nationalrates einzusetzen, wenn ein gemäß Abs. 1 eingebrachter Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder von allen Abgeordneten zweier Klubs unterstützt wird.

(3) Sind bereits zwei Untersuchungsausschüsse gemäß Abs. 2 eingesetzt, darf kein weiteres derartiges Verlangen gestellt werden.

Die bisherigen Absätze 2 bis 5 erhalten die Bezeichnungen 4 bis 7.

Die bisherigen Ziffern 3 bis 8 erhalten die Bezeichnungen 4 bis 9.

*****

Meine Damen und Herren! Wir haben diese Trennung deshalb vorgenommen, weil durch die Argumentation des Herrn Präsidenten Neisser im Geschäftsordnungsausschuß klar wurde, daß offensichtlich unterschiedliche Auffassungen bestehen, was das Fraktionsrecht angeht, nicht so gravierend unterschiedliche Auffassungen aber, was die Senkung der Zahl der Abgeordneten angeht, die einen Untersuchungsausschuß verlangen können.

Daher soll heute die Möglichkeit geboten werden, daß auch von den Regierungsfraktionen jene Mitglieder des Nationalrates für einen Abänderungsantrag stimmen können, der eine geringere Zahl von Abgeordneten bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vorsieht, als das der Fall wäre, wenn diese Abänderungsanträge nicht gestellt worden wären. Daher sind auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen herzlich eingeladen, einem der beiden Abänderungsanträge ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Demonstrativer Beifall des Abg. Wabl.)

19.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden Abänderungsanträge, die Herr Abgeordneter Mag. Barmüller verlesen hat, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.28

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Khol, der Wabl wird nicht immer der Höhepunkt, nur weil Sie der Tiefpunkt in diesem Hause in Sachen Kontrolle sind. (Abg. Schwarzenberger: Das ist aber sehr "charmant"!)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich ja sehr darüber gefreut, daß Kollege Schieder seine Wette verloren hat. Herr Kollege Schieder, daß Sie aber heute in Ihrer Rede überhaupt nicht mehr Bezug genommen haben auf das "großartige" Demokratiepaket, das Sie im Geschäftsordnungsausschuß geschnürt haben, sondern daß Sie gleich in Verteidigungsposition gegangen sind und erklärt haben, warum Sie in Sachen Kontrolle und Minderheitenrechte so wenig weitermachen und nicht mehr bereit sind, Verbesserungen zu machen, das hat mich schon enttäuscht.

Herr Kollege Schieder! Ich weiß schon, es ist schwierig in einer "Vernunftehe", wie das hier heute ausgedrückt wurde – vor allem dann, wenn man nicht weiß, welche höhere Vernunft den Herrn Khol und welche höhere Vernunft den Herrn Kostelka treibt, und welche Ehe die beiden führen. Denn wenn es jene Vernunft ist, die befiehlt, um jeden Preis zu verhindern, daß in diesem Haus Kontrolle durchgeführt wird, dann, Herr Kollege Khol, ist diese Vernunft nur kurzfristig klug und vernünftig.

Sie sollten darüber nachdenken, denn es könnte ja passieren, daß Ihre Fraktion vielleicht einmal in Opposition ist. Das soll ja vorkommen. Schauen Sie das große Nachbarland Deutschland an! Dort kommt so etwas ja vor. Und dann würden Sie vielleicht froh darüber sein, wenn die Minderheit einen Untersuchungsausschuß stellen kann. Herr Kollege Khol! Das kann schneller gehen, als man denkt – und als Khol denkt. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Meine Damen und Herren! Die Grünen werden sicher nicht dabei sein. Die SPÖ benützt zwar sicherlich die Grünen und die Liberalen als gute Karte im Machtpoker mit der ÖVP, aber wahrscheinlich wird sie die ÖVP nur solange reizen, bis sie etwas anderes findet. Aber ich kann das nicht beurteilen und will auch nicht länger auf diese Befindlichkeiten der Koalitionäre eingehen.

Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen lieber anführen und klarmachen, was in diesem Haus unter Kontrolle verstanden wird und wie offensichtlich die Abgeordneten der ÖVP unter der Führung des Herrn Khol ganz bestimmte Kontrollausschüsse systematisch kaputtmachen.

Wir haben damals, nach den Ergebnissen der Untersuchungsausschüsse betreffend Lucona, Noricum und Milchwirtschaft, zwei zusätzliche Kontrollausschüsse eingerichtet, aber Herr Minister Fasslabend ist gemeinsam mit der ÖVP und anderen gerade dabei, einen dieser Kontrollausschüsse kaputtzumachen. Es hat dort noch keine einzige Unterlage gegeben, die von Interesse gewesen wäre. Und das, was die Opposition dort an Unterlagen sehen wollte und gefordert hat, ist regelmäßig abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Das, was Sie in diesem Unterausschuß demonstrieren, ist nicht Demokratie, sondern etwas, was früher in anderen Ländern angesiedelt gewesen ist. – Herr Kollege Khol! Ich weiß nicht, welche Order Sie immer in Ihren Reihen ausgeben, aber: Das, was dort praktiziert wird, ist eine Verhöhnung der Demokratie, ist eine Verhöhnung der Kontrolle. Sie treiben es offensichtlich auf die Spitze! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben dort argumentiert, Sie könnten die Unterlagen nicht herzeigen, denn damit würden private oder nationale Sicherheitsinteressen berührt. Wir haben eigens, Herr Kollege Schieder, in den früher stattgefundenen Geschäftsordnungskomitees und -ausschüssen zugestimmt, daß es eine Strafverschärfung in diesen Ausschüssen gibt, wenn vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gehen. (Abg. Schieder: Stimmt!) Was ist die Konsequenz? Wir haben uns gedacht, es wird dann dort ein echtes Überprüfungsrecht, ein Kontrollrecht für die Minderheit geben. – Nein, weit gefehlt! Dort wird gemauert, gemauert, gemauert!

Meine Damen und Herren! Die grüne Fraktion wird an den Sitzungen des Kontrollausschusses Landesverteidigung über Heeres-Nachrichtendienst und Heeres-Abwehramt nicht mehr teilnehmen, solange nicht jene Akten herausgegeben werden, die Aufzeichnungen über politische Mandatare in diesem Haus enthalten. Wir werden diesen Antrag in der Präsidiale schriftlich deponieren, wir werden ihn noch in der nächsten Sitzung einbringen – und dann den Ausschuß verlassen. Wenn dieses Minimum, dieses Minimalerfordernis an demokratischem Anstand nicht gegeben ist, Herr Kollege Khol, dann erachte ich das nicht nur als eine Verhöhnung der Kontrolle, nicht nur als Desavouierung der Kontrolle, sondern als Demontage von elementaren Rechten der Minderheit. Und wir sind nicht bereit, eine Staffage für Ihre Art von Demokratie abzugeben. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. – Abg. Dr. Maitz: Irgendwie muß man ja auffallen!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Khol hat heute hier mit seiner unglaublichen Arroganz demonstriert ... (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) – Herr Kollege Maitz, wahrscheinlich war Ihr Zwischenruf so unanständig, und deshalb hat der Herr Präsident geläutet!

Herr Kollege Khol! Was Sie im Zusammenhang mit den untersuchungswürdigen Umständen im Fall Lassing heute hier demonstriert haben, war wirklich das Letzte. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Sie stellen sich hierher, machen in einer unglaublich schwachen Art die Pflichtverteidigung für Ihren Minister – und dann verhöhnen Sie auch noch dieses Haus, indem Sie sagen, die Abgeordneten hier seien säumig gewesen in Sachen Bergrecht.

Herr Abgeordneter Khol! Sie bremsen mit Ihrer Fraktion in diesem Bereich seit Monaten, ja seit Jahren! Sie verhindern Anrainerrechte, Sie verhindern Minderheitsrechte, Sie sorgen dafür, daß ein aus der Monarchie übernommenes, mehr oder minder undemokratisches Bergrecht einzementiert wird! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Und dann haben Sie auch noch die unglaubliche Anmaßung, vor dieses Haus zu treten und die Abgeordneten hier zu maßregeln, sie sollten doch emsiger, fleißiger sein bei der Durchsetzung solcher Anträge! Herr Abgeordneter Khol! Sie sitzen in irgendwelchen Kämmerlein, massieren Ihren Koalitionspartner in der sogenannten Vernunftehe und sagen, es dürfe darin nichts verändert werden. Aber dann treten Sie vor dieses Haus hin und erklären: Meine lieben Abgeordneten, werden Sie doch eifriger, machen Sie etwas für Ihr Geld! Wir müssen uns selbst bei der Nase nehmen! (Abg. Steibl: Wir sind nicht taub! Schreien Sie nicht so!) – Lassen Sie mich doch in Ruhe, Frau Kollegin! Lassen Sie sich von Ihrem Herrn Khol am Nasenring hinausführen! (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Hier hat heute Frau Abgeordnete Tichy-Schreder in herrlichen Zitaten beschimpft. Wissen Sie, was Sie hier auf die Spitze treiben? – Sie treiben die Verhöhnung von Minderheitsrechten und Abgeordnetenrechten auf die Spitze. Das werde ich nicht zulassen, das werden die Grünen nicht zulassen – und alle anderen Oppositionsparteien hoffentlich auch nicht! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen noch ein weiteres Beispiel aus einem anderen Ausschuß. Rechnungshof-Unterausschuß: Dort wird ein Beamter geladen, um Auskunft zu geben, wer ihm eine rechtswidrige Weisung gegeben hat. Er nennt den Namen der Person, die ihm eine rechtswidrige Weisung gegeben hat. Diese rechtswidrige Weisung hat dazu geführt, daß österreichische Staatsbürger rechtswidrig enteignet wurden. Sie sind zu österreichischen Gerichten gegangen und haben sich dort beschwert – bis zum Obersten Gerichtshof! – und haben immer recht bekommen. -Zig Urteile wurden aufgehoben, -zig Entscheidungen dieser Enteignungsbehörde wurden aufgehoben, weil sie denkunmöglich waren. Da war Amtsmißbrauch im Spiel!

Und was macht Kollege Wurmitzer, was macht Herr Professor Lukesch, was machen die anderen Mitglieder dieses Ausschusses, nachdem ein Antrag gestellt wurde, daß dieser Beamte, der die rechtswidrige Weisung gegeben hat, geladen wird? – Sie sagen: Wir lehnen das ab, wir wollen nicht hören, welcher Beamte das ist. Das war nur der eine traurige "Höhepunkt" – offensichtlich alles akkordiert mit Klubobmann Khol!

Dann die nächste Causa: In der Steiermark versucht man, mit der Finanzprokuratur jene Bürger einzuschüchtern, die sich gegen die Enteignung gewehrt haben. Jene Bauern und Bäuerinnen, die sich dagegen gewehrt haben, daß rechtswidrig enteignet wird, versucht man mit Klagen mundtot zu machen und einzuschüchtern. Und dann gehen diese Klagen ebenso verloren für die Republik Österreich: 2 Millionen Schilling Schaden für die Republik Österreich, weil offensichtlich ein wildgewordener Landespolitiker meint, er müsse Bürgerinnen und Bürger Österreichs mittels Klagen einschüchtern!

Was passiert in diesem "herrlichen" Ausschuß? – Meine Damen und Herren! Es gab niemanden, es hat niemand die Finanzprokuratur beauftragt, es hat niemand den Rechtsanwalt der Republik beauftragt beziehungsweise es ist nicht zu eruieren, wer das war. Herr Khol, wissen Sie, was das ist? Frau Kollegin aus der Steiermark, haben Sie sich erkundigt, wer das war, wer österreichische Bürger einschüchtern wollte mittels Klagen? Wer übernimmt die Verantwortung für jene 2 Millionen Schilling Schaden für die Republik Österreich, weil diese Klagen sinnlos waren und ausschließlich dazu geeignet waren, österreichische Bürger einzuschüchtern?

Es taucht dann ein Brief eines Landesrates von der ÖVP, des Herrn Pöltl, auf, der an Herrn Bundeskanzler Klima gerichtet war, und zwar mit der Bitte, Herr Klima möge doch diese Klagen einstellen, und es wurde damit suggeriert, daß es der rote Partner war, der rote Genosse, der da offensichtlich Bürger einschüchtern wollte. Es kommt keine Antwort. Nur: Der Zweck war erreicht. Der Herr Landesrat der ÖVP in der Steiermark konnte sich vor seine Bürger, vor seine Bauern hinstellen und sagen: Ich habe ohnehin alles versucht, damit ihr nicht geklagt werdet! Herr Klima hat zu Recht gesagt: Damit habe ich nichts zu tun.

Wir wollten wissen: Wer war denn das, der diese Aufträge erteilt hat? – Herr Kollege Khol, das verstehen Sie unter Demokratie, das verstehen Sie unter Kontrolle! Und Sie beschweren sich dann, wenn ich etwas lautstarker werde! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, wenn ich Ihre Ohren beleidige. Sie aber beleidigen die Demokratie und dieses Haus! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Nun, meine Damen und Herren, zum Thema Untersuchungsausschüsse. Herr Kollege Khol! Sie haben vor einem Jahr auf die Forderungen der Opposition nur reagiert, weil hier schärfere Maßnahmen ergriffen wurden und weil die Öffentlichkeit verlangt hat, daß es einen Untersuchungsausschuß in der Causa Kurden-Morde geben soll. Es hat immerhin vier Tote gegeben. Sie haben damals unter dem Druck der Öffentlichkeit, unter dem Druck der Opposition zugestimmt, Gespräche dahin gehend zu führen, die Geschäftsordnung zu ändern, jene Mängel im Procedere der Untersuchungsausschüsse zu beseitigen, denn nur dann könnten Sie Untersuchungsausschüssen zustimmen.

Herr Kollege Khol! Sie haben genau kalkuliert. Sie haben sich gesagt: Möglicherweise können wir die Opposition auseinanderbrechen. Und das ist Ihnen gelungen mit Ihrem obersten Repräsentanten dieser Republik. Dieser hat nämlich Herrn Haider empfangen, und Herr Haider hat dann demonstrativ in aller Öffentlichkeit kundgetan: Ich habe unseren Präsidenten schon kontrolliert, er ist absolut in Ordnung, wir brauchen keinen Untersuchungsausschuß! Und damit war für Sie schon alles gewonnen. Es gab offensichtlich eine Nebenabsprache – wie in vielen anderen Bereichen auch, ähnlich wahrscheinlich jener bei der Bank Austria und der CA. (Abg. Dr. Graf: Sie haben die Absprachen gehabt mit der Geschäftsordnungsreform!)

Herr Kollege Khol! Diese schmutzigen Geschäfte werden Ihnen auf die Dauer wenig einbringen. Mit dieser Art von Politik werden Sie nicht nur das Klima in der Präsidiale vergiften, nicht nur das Klima in diesem Haus vergiften, sondern auch das Klima auf der Straße vergiften. Herr Kollege Khol! Wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie vielleicht kurzfristig Erfolge dahin gehend haben, daß Sie solche Untersuchungsausschüsse verhindern können. Aber auf die Dauer werden Sie hoffentlich in Ihrer eigenen Fraktion Schwierigkeiten bekommen, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß alle Abgeordneten der ÖVP diese Art von Politik gutheißen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle Abgeordneten der SPÖ sich diese Art der Auseinandersetzung gefallen lassen.

Herr Kollege Khol! Sie werden in dieser Frage nicht gewinnen können. Sie werden auf jeden Fall zu den Verlierern zählen, denn die Demokratie schützt auch Ihre Rechte! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe folgenden Antrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Freunde und Freundinnen betreffend den Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrats geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 855/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird (i. d. F. des Ausschußberichtes 1414 d. B.) wird wie folgt geändert:

Nach Z 2 werden folgende Z 2a und 2b eingefügt:

"2a. § 32c Abs. 1 lautet neu wie folgt:

‚§ 32c (1) Jedes Mitglied des Ständigen Unterausschusses im Sinne des § 32b kann vom zuständigen Mitglied der Bundesregierung im Zuge einer Sitzung des Unterausschusses einschlägige Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen verlangen.‘

2b. § 32e Abs. 5 lautet neu wie folgt:

‚(5) Für diesen Unterausschuß gelten die Bestimmungen über Organisation und Verfahren der Unterausschüsse, § 32b Abs. 2 sowie § 79 Abs. 3 zweiter und dritter Satz.‘"

Nach Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt:

"In § 79 Abs. 3 wird folgender zweiter und dritter Satz eingefügt:

‚Bei der Vorberatung werden auf Verlangen einer Ausschußfraktion Sachverständige oder andere Auskunftspersonen zur mündlichen Äußerung eingeladen (§ 40). Wird zwischen den Ausschußfraktionen über die einzuladenden Sachverständigen beziehungsweise Auskunftspersonen kein Einvernehmen erzielt, so kommt jeder Fraktion das Recht zu, einen Sachverständigen oder eine Auskunftsperson namhaft zu machen.‘"

*****

Herr Kollege Schwarzenberger! Sie haben heute hier gesagt, Ihre Fraktion werde dem Antrag der Liberalen und der Grünen nicht zustimmen, wonach zwei Fraktionen in Zukunft einen Untersuchungsausschuß einsetzen können sollen. Sie haben dann messerscharf gerechnet, wie das für einen Bauernvertreter üblich ist: Eine Fraktion kann man bereits mit fünf Abgeordneten bilden. Zweimal fünf ist zehn – das ist ja unglaublich!

Herr Abgeordneter Schwarzenberger! Da gebe ich Ihnen recht, das ist wirklich sehr wenig. Deshalb lade ich Sie ein: Folgen Sie dem Beispiel – Kollege Schieder hat es heute schon erwähnt – der Hälfte der EU-Länder, die, und das schon seit längerer Zeit, das Minderheitsrecht für Untersuchungsausschüsse eingeführt haben. Nehmen wir ein Viertel oder nehmen wir ein Drittel! Aber Sie wollen ja überhaupt nicht von Ihrer Linie abgehen: Kontrollieren tun wir uns selber, da redet uns niemand dazwischen! Unsere Gutachten kaufen wir uns selber. Unsere Experten nehmen wir uns selber. Diese setzen wir auch unter Druck, wie wir im Unterausschuß des Rechnungshofausschusses erfahren haben, diese zwingen wir auch, Briefe zu schreiben.

Sie müssen sich einmal vorstellen, was in diesem Unterausschuß alles passiert ist: Da wird ein Gutachter bestellt. Er kassiert von uns 100 000 S, er macht ein Gutachten, und er schreibt uns dann, er könne leider keine Gutachten mehr für uns machen, er könne auch nicht zu diesem Gutachten stehen, weil er von der Behörde unter Druck gesetzt worden sei.

Meine Damen und Herren! Und in diesem Ausschuß kommt dann der betreffende Beamte aus der zuständigen Rechtsabteilung und behauptet: Ich habe hier auch ein Schreiben, in dem steht, was der Gutachter für die Grünen begutachtet habe, sei alles falsch. Und er sei von niemandem unter Druck gesetzt worden, und es sei alles in Ordnung. Und dann kommt auch noch ein netter, freundlicher Abgeordneter der SPÖ daher und sagt: Da sieht man wieder einmal, welch unglaublich schlechte Gutachter sich die Grünen einkaufen!

Meine Damen und Herren! Machen Sie so weiter! Machen Sie so weiter, Herr Khol! (Abg. Dr. Maitz: Märchenstunde!) Herr Kollege Maitz! Die Märchenstunde gab es immer, als die "Tagespost" noch existiert hat. Da hat es immer viele Märchenstunden gegeben. Zum Glück, Herr Kollege Maitz, ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz.– Ist ja klar! Bei "solchen" Abgeordneten kann man doch niemals einen Untersuchungsausschuß einrichten! Herr Kollege Khol hat mir das auch immer erzählt: Solange es "solche" Abgeordnete gibt! Da müssen schon alle 100 Prozent ÖVP-Abgeordnete sein, dann könnte man vielleicht einen Kontrollausschuß einrichten, dann würde schon das Richtige herauskommen! (Abg. Dr. Maitz verläßt seinen Sitzplatz.) – Herr Kollege Maitz! Sie gehen besser hinaus, glaube ich.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kostelka! Ich werde auf jeden Fall diese Linie, daß wir in den Ausschüssen keine Staffage mehr abgeben, beibehalten. Und ich lasse mich auch nicht von irgendeinem Herrn Haider, der meint, aus wahltaktischen Gründen in irgendwelchen Dingen nachgeben zu müssen, davon abhalten. Ich habe einen Auftrag als gewählter Volksvertreter. Und wenn ich hier der Kontrolle nicht nachkommen kann, weil irgendwelche taktischen Spiele des Herrn Khol oder von anderen "vernünftigen Ehepartnern" im Hintergrund erfolgen, dann werde ich so lange dafür kämpfen, daß diese Art der Mißachtung hier in diesem Hause nicht ungestört Platz greift.

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, das ist Ihnen ziemlich gleichgültig, und es macht Ihnen nichts aus, daß bereits ein Jahrzehnt lang in diesem Haus die Kontrolle immer mehr und mehr demontiert und der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von Ihnen nicht mehr zugestimmt wird. Aber, meine Damen und Herren, Sie werden hoffentlich irgendwann einmal darüber nachdenken – so wie dies auch Herr Präsident Neisser getan hat, der gesagt hat, es wäre gut, wenn dies ein Minderheitsrecht wäre. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl! Erlauben Sie mir eine Bemerkung: Ich habe viel Verständnis dafür, daß Sie als oppositioneller Abgeordneter natürlich auch die Regierungsfraktionen beziehungsweise die Abgeordneten der Regierungsfraktionen in diesem Haus heftig kritisieren. Ich glaube nur, daß der persönliche Vorwurf der "Arroganz" gegenüber einem Abgeordneten dieses Hauses kein Beitrag zu einem neuen Stil ist, um den wir uns alle hier bemühen wollen.

Der Abänderungsantrag, den Sie eingebracht haben, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt; er wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1414 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen zwei Zusatzanträge eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Wabl und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die eben erwähnten Zusatzanträge, und zwar der Reihe nach, und schließlich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Nach Artikel 30 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes kann der Entwurf betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Ich stelle daher zunächst einmal die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Wabl und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Neuregelung von § 32c Abs. 1, § 32e Abs. 5 sowie § 79 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Zusatzantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Es gibt mehrere Zusatzanträge, die sich auf § 33 des Geschäftsordnungsgesetzes beziehen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der eine Neuregelung des § 33 vorsieht, wonach die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von einem Viertel der Abgeordneten oder von allen Abgeordneten zweier Klubs verlangt werden kann, und eine zahlenmäßige Beschränkung derartiger Verlangen vorsieht.

Es liegt weiters ein Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen vor, der sich ebenfalls auf § 33 bezieht. Gemäß diesem Antrag soll ein Untersuchungsausschuß durch Verlangen eines Viertels der Abgeordneten eingesetzt werden können. Ebenso sieht auch dieser Antrag eine zahlenmäßige Beschränkung derartiger Verlangen vor.

Schließlich haben die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen einen Zusatzantrag betreffend § 33 eingebracht, der die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses über Verlangen von mindestens einem Viertel der Abgeordneten beinhaltet.

Ich werde über diese Zusatzanträge im Sinne des § 65 Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes in der Reihenfolge der von mir vorgenommenen Aufzählung abstimmen lassen.

Wir kommen daher zunächst zur Abstimmung über den zuerst genannten Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

In der Reihenfolge gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über den zweiten Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen.

Wer für diesen zweiten Zusatzantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen.

Wer für den Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entwurf wird in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen, wobei ich ausdrücklich das Vorliegen der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit feststelle.

Die dritte Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes, die frühestens 24 Stunden nach Ablauf der zweiten Lesung stattfinden darf, ist als Tagesordnungspunkt 8 für den morgigen Tag vorgesehen.

11. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1384 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1416 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Mag. Maier das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.53

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird, regelt in erster Linie die Bewerbung, die Voraussetzungen dafür, das Verfahren, die Kommissionstätigkeit sowie die Listeneintragung von allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen oder Dolmetschern.

Diese haben sich nun allerdings einem Qualitätssicherungsverfahren – ähnlich wie bei einer Zertifizierung – durch eine nach dem Akkreditierungsgesetz akkreditierte Zertifizierungsstelle zu unterziehen. Sie unterliegen – und das ist ganz wesentlich – bei ihrer weiteren Tätigkeit der ständigen Kontrolle durch das jeweilige Gericht und den listenführenden Präsidenten.

Bei dieser speziellen Zertifizierung für die Sachverständigen- beziehungsweise Dolmetschtätigkeit handelt es sich um eine solche vor den inländischen Gerichten, wobei in den Geltungsbereich des Akkreditierungsgesetzes nicht eingegriffen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich bestimmt fragen: Warum diese Neuregelung? – Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen gab es das Bedürfnis in der Wirtschaft beziehungsweise im Verband der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs, daß Sachverständige auch zertifiziert werden können. Notwendig ist diese Neuregelung jedoch aus einem anderen Grund geworden, und da sehe ich den Schwerpunkt.

Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Diese Neuregelung ist deswegen notwendig geworden, weil das Anhörungsrecht der Wirtschaftskammer nach dem geltenden Recht de facto zur normativen Kraft des Faktischen mutierte. Das heißt, der Meinung der Wirtschaftskammer beziehungsweise der zuständigen Interessenvertretung – ich denke da beispielsweise an die Wirtschaftstreuhänder – wurde im Regelfall durch den listenführenden Präsidenten entsprochen, und es gibt nach der alten Rechtslage keinen Rechtszug und keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mit aller Deutlichkeit festzuhalten, daß so Konkurrenzsachverständige verhindert wurden.

Durch die nun vorgesehene Neuregelung wird allerdings die Situation eindeutig verbessert. Unter dem Vorsitz eines unabhängigen Richters ist eine Kommission vorgesehen, welche ein Gutachten über den Bewerber oder die Bewerber erstellt und auch Prüfungen durchführt; die einzelnen Prüfungsschritte müssen im Detail dokumentiert werden. Zwei weitere qualifizierte und unabhängige Sachverständige sind Mitglieder dieser Kommission. Damit ist die Bewerbung transparent gestaltet und kann von jedermann nachvollzogen werden – daher auch unsere grundsätzliche Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage.

Herr Bundesminister! Erlauben Sie aber, daß ich trotz dieser positiven Neuregelung einige Problembereiche darstelle, die mit der Tätigkeit von allgemein gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen verbunden sind. Ich weiß, sie fallen nicht in diese Gesetzesmaterie, sondern müßten in anderen Gesetzesmaterien geregelt werden.

Zum einen das Thema der Befangenheit von Sachverständigen. Sachverständige müssen über ein besonders großes Fachwissen und Erfahrung, über Objektivität, Unabhängigkeit und Verläßlichkeit sowie über ausreichende Kenntnisse des Wesens und der Bedeutung der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit und einschlägige Verfahrensbestimmungen verfügen. Mich beschäftigt die Frage der Unabhängigkeit, das Thema "Befangenheit".

In diesem Zusammenhang stehen wir vor dem Problem, daß vor oder bei der gerichtlichen Bestellung nach der Straf- beziehungsweise Zivilprozeßordnung Sachverständige hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit – oder wenn Sie wollen: Befangenheit – nicht im Detail überprüft und kontrolliert werden. So kann es beispielsweise passieren, daß ein Sachverständiger der Mehrheitsgesellschafter einer Firma ist und durch Gerichtsauftrag die Tätigkeit einer anderen Person gutachterlich zu prüfen hat, obwohl er, der Sachverständige, Minderheitsgesellschafter an der Firma ist, bei der die zu beurteilende Person Mehrheitsgesellschafter ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, daß wir die Frage der Befangenheit wirklich diskutieren müssen. Wir meinen, daß die Diskussion, die wir im Justizausschuß geführt haben, weitergeführt werden soll: daß nämlich vor oder nach der Bestellung, jedenfalls vor Beginn der gutachterlichen Tätigkeit, auf einem Formblatt mögliche Befangenheitsgründe aufscheinen oder dokumentiert werden müssen. Dies sollte später allfällige Haftungsfragen klären, weil es nicht nur darum geht, die Befangenheit, die man natürlich in jeder Phase des Verfahrens geltend machen kann, im Verfahren geltend zu machen, sondern es geht auch um die Konsequenzen, die Sie ja auch kennen: Die Folge ist die Nichtigkeit des Verfahrens.

Ein zweiter Punkt, den ich kurz ansprechen möchte, ist – darum haben mich auch die Richter am Landesgericht Salzburg gebeten –, daß man eine gesetzliche Regelung dafür schaffen sollte, daß Richter überprüfen können, ob das Gutachten auch nach dem Gerichtsauftrag entsprechend verfaßt wurde, und davon die Zahlung der Gebühren abhängig machen können.

Ein anderes Beispiel: die Auftragserteilung. Manchmal warten Richter Monate. Ich darf Sie auf einen Fall aufmerksam machen: Strafverfahren Gemeinnützige WEB in Salzburg. Nach meinem Informationsstand mußten die Richter vier Jahre lang auf das Sachverständigengutachten war-ten. Ich meine, wir müssen sicherstellen, daß Sachverständigengutachten auch zeitgerecht abgeliefert werden.

Lassen Sie mich auch zur Frage der Kosten kommen. Herr Bundesminister! Bei den Anwälten haben wir die sogenannten "Kostenschinder". Über dieses Problem werden wir noch, wenn wir das Rechtsanwalts-Berufsrechtsänderungsgesetz behandeln, intensiv diskutieren. Heute geht es mir um die sogenannten Zeiten- oder Zeilenschinder bei den Sachverständigen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es geht nicht nur darum, daß man ein dickes Sachverständigengutachten abgibt. Wenn man sich dann ein derartiges Gutachten genau ansieht, merkt man, wie es geschrieben ist: zweizeilig, oder das Blatt Papier ist nur zu einem Drittel beschrieben. – Herr Bundesminister! Was wir benötigen, ist nicht Quantität, sondern mehr Qualität.

Oder ein weiteres Beispiel – ich zitiere aus einer Kärntner Tageszeitung von heute –: Millionenstreit um Gutachten. Klagenfurter Steuerberater präsentiert dem Gericht eine 9-Millionen-Schilling-Rechnung. – Ich erinnere auch an das große WEB-Strafverfahren: 80 Millionen Schilling an Sachverständigenkosten. Wenn man weiß, wer die Tätigkeit erbracht hat – das sind nämlich nicht die Sachverständigen, sondern Jungakademiker, die zu miesen Bedingungen eingestellt werden –, dann muß man sich schon fragen: Warum soll der Steuerzahler für so hohe Gebühren aufkommen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz regelt mit Listeneintragung zum einen den Zugang zum allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, zum anderen soll dabei auch eine Qualitätssicherung erfolgen.

Herr Bundesminister! Dies ist in erster Linie Aufgabe der Gerichtspräsidenten: der Präsidenten an den Landesgerichten, der Oberlandesgerichte, insbesondere auch des Oberlandesgerichtes Wien. Das gilt insbesondere für die Gebührenbeschwerden.

Sie alle haben Ihren Beitrag dazu zu leisten, daß Qualität vor Quantität geht. Aufgabe dieses Hauses und Ihres Ministeriums wird es allerdings sein, die Entwicklung in diesem Bereich weiter zu beobachten und die von mir angeschnittenen Probleme zu diskutieren. Unsere Unterstützung haben Sie für diese Diskussion, genauso wie Sie unsere Unterstützung zu diesem Gesetzentwurf haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf Sie einladen, dieser Regierungsvorlage Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.02

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sachverständige hat im gerichtlichen Verfahren in Österreich große Bedeutung. Sein Gutachten ist nicht nur eine Hilfe für das Gericht, sondern auch ein wichtiges Beweismittel. Mit Recht besteht daher die Forderung, daß ein Sachverständiger mit hoher Fachkenntnis und Erfahrung ausgestattet ist. Unerläßlich sind Kenntnisse der Verfahrensbestimmungen, aber auch Objektivität und Unabhängigkeit.

Durch das Akkreditierungsgesetz bestand tatsächlich die Gefahr, daß die Kompetenz der gerichtlich beeideten Sachverständigen im Vergleich zum zertifizierten Sachverständigen in Zweifel gezogen werden könnte. Mit dem jetzt vorliegenden neuen Verfahren wird sichergestellt, daß die Glaubwürdigkeit und die Qualität der gerichtlich beeideten Sachverständigen auch in Zukunft gegeben ist. Gleichzeitig aber haben wir erreicht, daß sich auch in Zukunft die Qualitätsanforderungen immer wieder den geänderten Rahmenbedingungen anpassen können, und zwar durch die Befristung der Eintragung in die Sachverständigenliste.

Herr Kollege Maier! Ich bin mir dessen sicher, daß die neu zu schaffenden Kommissionen ihre Aufgabe ernst nehmen werden, daß sie die Fach- und Sachkenntnisse der anstehenden Prüflinge auch tatsächlich entsprechend überprüfen werden. Ich fürchte aber, daß Ihr Wunsch, daß die Kammern und Interessenvertretungen in Zukunft aus diesem Verfahren ausgeschlossen bleiben werden, nicht in Erfüllung gehen wird. Denn wer sonst als die Interessenvertretungen soll feststellen, ob die entsprechenden Fach- und Sachkenntnisse auch tatsächlich gegeben sind?! Ich glaube, daß die Richter sehr froh sein werden, wenn sie da durch entsprechende Fachleute unterstützt und diese Fachleute ihnen in den Kommissionen zur Verfügung stehen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Folgende Anmerkung sei mir in diesem Zusammenhang auch noch erlaubt: Viele Parteien beklagen sich darüber – ich glaube, mit Recht –, daß durch die Bestellung von Sachverständigen oft unnötige Prozeßverzögerungen und auch zusätzliche Kosten entstehen. Im Interesse der Ökonomie und der Schnelligkeit von Prozessen, aber auch um Kosten der Rechtsdurchsetzung nicht zum Hindernis für jemanden zu machen, sein Recht auch zu suchen, appelliere ich an die österreichische Richterschaft, Sachverständige nur dann zu bestellen, wenn der Richter dieses entsprechende Wissen tatsächlich nicht hat oder tatsächlich nicht haben kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf, den mein Vorredner bereits im Detail erläutert hat, wird zweifelsohne zur Verbesserung der Qualität von gerichtlich beeideten Sachverständigen und Dolmetschern führen. Er wird aber auch darüber hinaus dazu beitragen, das Vertrauen der Bevölkerung in die österreichische Justiz weiter zu fördern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Maier.)

20.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters  zu  Wort  gemeldet  ist  Herr  Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz soll, wie ich meine, eine Verbesserung der Situation der österreichischen Gerichtssachverständigen gleichsam auf dem freien Markt erfolgen, und zwar durch die Einführung des Begriffes "gerichtlich zertifiziert". Grund dafür ist nicht die Größe der Visitenkarte, und es ist auch nicht unbedingt eine Frage der österreichischen Titelsucht. Es wurden schon von meinen Vorrednern einige Aspekte aufgezeigt, die es sinnvoll erscheinen lassen, dieses Gesetz zu beschließen.

Beide Vorredner sind auf die Qualitätssteigerung, die damit verbunden werden sollte, eingegangen, ebenso auf eine mögliche Verkürzung der Prozeßdauer.

Ich erlaube mir, einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Dr. Ofner einzubringen, der verteilt wurde und auf dessen wesentliche Inhalte ich nun kurz zu sprechen komme.

Die Intention dieses Abänderungsantrages ist zum einen, daß die Kommission aus dem vorsitzenden Richter und zwei Sachverständigen aus anderen Oberlandesgerichtssprengeln bestehen soll, also keine Entsendung durch die Kammer oder durch den Verband der Sachverständigen. Es wurde hier ja auch das Wort "Konkurrenzsachverständige" verwendet. Das würde man damit hintanhalten, und das wäre eine gute Möglichkeit zur Objektivierung. Außerdem erachten wir es als sinnvoll, das Probegutachten vor Ersteintragung verpflichtend vorzuschreiben.

Ein weiteres Problem sehen wir im Bereich der Befristungen. Befristungen auf zehn Jahre sind ein sehr langer Zeitraum, und es fällt schwer, für den Zeitraum von zehn Jahren eine Beurteilung abzugeben. Unser Abänderungsantrag sieht daher eine Verkürzung vor, und zwar: für die Ersteintragung drei, dann in der Folge fünf Jahre. Uns scheinen zehn Jahre zu lang zu sein. In dieser Zeit soll jedenfalls eine Benotung erfolgen, und aufgrund dieser Benotung durch die Richter ist eine Reihung vorzunehmen.

Kollege Mag. Maier hat den Zeitfaktor angesprochen; die Prozeßdauer, die, wie manchen bekannt ist, gut zu verkürzen wäre, fließt in dieser Benotung durch die Richter mit ein. Es würde somit gleichsam auch zu einer Bereinigung kommen. Wir denken, daß ein Übergang nicht dazu da sein soll, tatsächlich alle von der bestehenden Sachverständigenliste zu übernehmen, sondern er soll ebenfalls eine Bewertung und damit eine Bereinigung der – unter Anführungszeichen – "Leichen auf der Sachverständigenliste" – ermöglichen.

Jene, die aufgrund der Beurteilung nicht übernommen werden, können sich immer noch – so sieht es der Abänderungsantrag vor – der Kommission stellen beziehungsweise ein Probegutachten erstellen. Somit ist der Entfall der Bedarfsprüfung gegeben. Wir vertreten die Ansicht, daß es tatsächlich eine entsprechende Qualitätssteigerung ist, und – jetzt komme ich auf die ursprüngliche Begründung dieses Gesetzes zurück – das wird wohl auch jenen Sachverständigen gut tun, die sich wirklich auf dem freien Markt bewegen.

Wir wissen, daß es in der EU, im deutschsprachigen Raum, in den westlichen Bundesländern aufgrund der bislang fehlenden Bezeichnung "gerichtlich zertifiziert" mitunter Schwierigkeiten gibt. Nun soll eine Gleichstellung zwischen "gerichtlich zertifiziert" und "echt zertifiziert" erfolgen, und es möge all jenen Sachverständigen die Blamage erspart bleiben, bei dieser Übernahmeregelung, so wie sie jetzt vorgesehen ist, mit Kollegen konfrontiert zu werden, die Gutachten minderer Qualität liefern.

Wir denken, daß dieser Abänderungsantrag eine entsprechende Steigerung dieses von Ihnen geforderten Qualitätsmerkmals mit sich bringen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

In Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im übrigen wird der Antrag dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann, Dr. Ofner zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1384 d.B.) in der Fassung des Ausschußberichtes (1416 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 4 lit. a werden folgende lit. aa und bb eingefügt:

"aa) Der Einleitungssatz zu § 2 Abs. 2 lautet:

"(2) Für die Eintragung in die Sachverständigenliste für ein bestimmtes Fachgebiet müssen folgende persönlichen Voraussetzungen des Bewerbers gegeben sein"

bb) in § 2 Abs. 2 entfällt die Wortfolge "1. in der Person des Bewerbers" und die Ziffer 2.

2. In Ziffer 8 werden die Ziffern 1 und 2 in § 4a Abs. 1 durch folgenden Text ersetzt:

"nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in der Sachverständigenliste eines anderen Oberlandesgerichtssprengels mit zumindest einer Verlängerung eingetragen sind und bei der letzten Verlängerung auf einem der ersten drei Plätze gereiht wurden."

3. In Ziffer 8 wird der zweite Satz in § 4a Abs. 2 durch folgende Sätze ersetzt:

"Wenn dies zweckmäßig ist, ist der Bewerber auch schriftlich zu prüfen. Vor der ersten Eintragung in die Sachverständigenliste hat der Bewerber überdies ein Probegutachten zu erstatten."

4. In Ziffer 9 lautet § 6 Abs. 1

"(1) Der Eintrag in die Sachverständigenliste ist zunächst mit dem Ende des dritten auf die Eintragung folgenden Kalenderjahrs befristet. Der Zeitpunkt des Fristablaufs ist in die Sachverständigenliste einzutragen. Danach kann auf Antrag die Eintragung jeweils bis zum Ende der nächsten Fünfjahresperiode verlängert werden, deren Berechnung mit dem Jahr 2005 beginnt."

5. In Ziffer 9 lautet § 6 Abs. 3:

"(3) Im Antrag sind alle gerichtlichen Verfahren, in denen der Sachverständige seit seiner Eintragung oder seit der letzten Verlängerung der Eintragung tätig geworden ist, anzuführen. Die Leiter der Gerichtsabteilungen, denen die jeweiligen Verfahren zur Erledigung zugewiesen sind oder waren, haben folgende Stellungnahmen abzugeben:

1. zu den Anträgen für die erste Verlängerung der Eintragung eine schriftliche Stellungnahme über die Eignung des Sachverständigen, besonders über die Sorgfalt der Befundaufnahme, über die Rechtzeitigkeit der Gutachtenserstattung sowie über die Schlüssigkeit, die Nachvollziehbarkeit und den richtigen Aufbau seiner Gutachten;

2. zu den Anträgen auf Verlängerung der Eintragung für die nächste Fünfjahresperiode eine Stellungnahme mit einer generellen Bewertung der Sachverständigen anhand einer Notenskala von 1 (sehr gut) bis 5 (nicht genügend).

Der entscheidende Präsident kann bei der ersten Verlängerung der Eintragung auf Grund der ihm vorgelegten Stellungnahmen die weitere Eignung des Sachverständigen prüfen; zu diesem Zweck kann er weitere Ermittlungen anstellen und ein Gutachten der Kommission (§ 4a) einholen. Bei der Verlängerung der Eintragungen bis zum Ende der nächsten Fünfjahresperiode sind die Sachverständigen für die jeweiligen Fachgebiete nach der Bewertung durch die Leiter der Gerichtsabteilungen zu reihen. Der Präsident hat den Bedarf an allgemein beeideten Sachverständigen für die einzelnen Fachgebiete festzulegen und der Reihung folgend die Eintragung so vieler Sachverständiger zu verlängern, wie nach dem ermittelten Bedarf erforderlich sind."

6. In Ziffer 20 entfällt in § 15a der zweite Satz.

7. In Z 21 lautet § 16a Abs. 1:

"(1) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXXXX in eine Liste eingetragenen allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher gelten als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige und Dolmetscher im Sinn dieses Bundesgesetzes. Die im genannten Zeitpunkt bestehenden Eintragungen auf unbestimmte Zeit gelten als mit 30. Juni 1999 befristet. Bis spätestens 30. Juni 1999 ist das Verfahren zur Verlängerung der Eintragungen nach § 6 für den Zeitraum bis Ende 2005 für diese Sachverständigen durchzuführen. Wenn eine Verlängerung der Eintragung erfolgt, haben alle vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in die Sachverständigenliste eingetragenen, jedenfalls aber die auf Grund eines vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gestellten Antrags nach Inkrafttreten eingetragenen Sachverständigen dem die Liste führenden Präsidenten den Abschluß einer dem § 2a entsprechenden Haftpflichtversicherung nachzuweisen. Wenn eine Verlängerung aufgrund der Reihung nicht erfolgen würde, ist über die Verlängerung aufgrund eines Gutachtens der Kommission (§ 4a) zu entscheiden."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.11

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki Dom! Spoštovane dame i gospodje! (Abg. Dr. Ofner: Damit bist du ja schon beim Thema! – Abg. Dr. Khol: ... Ruhe sanft!)

Wir Liberalen werden dieser Vorlage zustimmen. – Lieber Kollege Khol! Ich würde gerne wieder einmal eine Rede in Slowenisch halten und dann vielleicht auch gleich als einschlägiger sachverständiger Übersetzer tätig werden. Da du die Sprachen der Volksgruppen nicht kannst, Khol – was du ja schon hättest lernen können; als jemand, der mit einer Kärntnerin verheiratet ist, hättest du dir Slowenisch schon beibringen lassen können –, ich stelle mich dafür gerne zur Verfügung. Dann kann ich auch zumindest für dich Reden in meiner Muttersprache halten. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Das kann ich mir nicht leisten mit meinem Bezug!)

Die enorm steigende Bedeutung von Dolmetschern und Sachverständigen braucht man von dieser Stelle aus nicht zu unterstreichen. Ich persönlich habe sehr lange Erfahrung in diesem Beruf. Ich arbeite seit dem Jahre 1963 als Übersetzer und Dolmetscher, seit 1964 für das Justizministerium, seit 1966 bin ich auch eingetragener Gerichtsdolmetsch.

Meine Damen und Herren! Wenn ich auf die Zeit meiner Tätigkeit zurückblicke, so muß ich sagen, daß die Bedeutung des Dolmetsches im Verfahren enorm gestiegen ist. Es geht nicht mehr nur darum, mitzudenken, mitzuübersetzen, sich laufend mit der Materie, die zur Verhandlung steht, zu befassen, sondern es gehört ein enormes Einfühlungsvermögen dazu, vor allem weil es sich ja, wie wir wissen, oft um sehr schwierige, oft emotionelle Äußerungen von Delinquenten, aber auch von Zeugen, von Beteiligten handelt, und es ist ein großes Gespür erforderlich, um nicht nur zu übersetzen, nicht nur Worte zu übertragen, sondern um den Sinn in völliger Korrektheit des Gesagten nachzuempfinden und wiederzugeben. Wie wir wissen, ist eine Sprache eine sehr diffizile Angelegenheit und die Übertragung einer Sprache nicht einfach.

Ich möchte auf die enorme Bedeutung des Dolmetsches im Strafrecht hinweisen. Wir wissen, da stehen zwei Aspekte stark im Vordergrund: Der eine Aspekt ist, daß man letztlich von dem, der eine andere Sprache als die Gerichtssprache verwendet, das erfahren will, was er zu sagen hat. Das klingt natürlich sehr klar, sehr einfach. In Wirklichkeit ist es nicht sehr einfach, weil es sich zum Beispiel bei Zeugen um Wahrnehmungserlebnisse handelt, die jemand vor Monaten, oft vor Jahren gehabt hat, und die er dann in einer – für das Gericht – fremden Sprache vor einem fremden Gericht vortragen muß, ohne sicher zu sein, ob er verstanden wurde. Er muß sozusagen im Vertrauen erzählen, im vollen Vertrauen gegenüber dem Dolmetsch – sei er nun Zeuge, sei er Delinquent, sei er sonst wie Beteiligter –, und im Vertrauen, daß ihn das ihm sprachfremde Gericht verstanden hat.

Der zweite Aspekt ist nicht minder bedeutend. Es ist natürlich für den Ausgang eines Verfahrens äußerst wichtig, daß denjenigen, die letztlich zu Gericht sitzen, die Entscheidungen treffen, wohl klar übertragen wurde, was sie zu erfahren haben. Ich kann Ihnen sagen: Nicht selten war der Dolmetsch wesentlich daran beteiligt, daß man näher an die Wahrheit herangekommen ist, an die man sich – wie wir alle wissen – nur annähern kann. Deshalb ist die Qualitätssteigerung in diesem Bereich äußerst wichtig, vor allem ist es äußerst wichtig – und in diese Richtung müßte man noch mehr tun –, darüber nachzudenken, daß Personen, die in diesen Funktionen sind, auch tatsächlich immer wieder in diesem Bereich aktiv tätig sind und daß Nachholen an Wissen einfach zu einer Selbstverständlichkeit wird.

Ich möchte den großen Bereich Zivilrecht ansprechen. Da wird es ganz schwierig, denn da geht es meist um nicht gerade kleine Summen, um kleine Ansprüche, um bescheidene Rechte, sondern meist doch um sehr ansehnliche Beträge, um sehr ansehnliche und umfangreiche Rechte. Da ist wiederum die Mitwirkung des Dolmetsches und auch des Sachverständigen oft entscheidend. Ich beschränke mich in diesem Fall auf den Bereich, den ich persönlich näher kenne. Es ist sehr wichtig, gerade auch im Zivilverfahren die Entscheidung letztlich nicht von sozusagen falschen und ungenauen Voraussetzungen, nämlich Übersetzungen, abhängig zu machen.

In letzter Zeit – das wissen wir alle, die wir in diesem Bereich tätig sind – hat das Vertragsrecht eine große Ausweitung erfahren. Wir wissen, daß durch die enorme Globalisierung beziehungsweise "Mitteleuropäisierung" der Wirtschaft, vor allem auch unsere Nachbarländer im Osten betreffend, der Nachholbedarf in diesen Sprachen enorm gestiegen ist, damit nicht unbedingt Schritt gehalten hat – ich glaube, das sagen zu dürfen – die Qualität der Personen, die diese Sprachen verwenden: sei es als Übersetzer oder als Sachverständiger.

Meine Damen und Herren! Davon kann zum Beispiel auch ein Kärntner Slowene oder ein burgenländischer Kroate, der in den Genuß der slowenischen beziehunsgweise kroatischen Amtssprache kommt, ein Lied singen. Ich könnte Ihnen reihenweise Bescheide von Kärntner Behörden vorlegen, aus denen hervorgeht, daß die Kenntnis der slowenische Sprache äußerst mangelhaft ist, es gibt Bescheide, die in ihrer Sprache unverständlich sind. Auch im Burgenland gibt es Bescheide, die unverständlich sind, die jemand sozusagen irgendwie mutig formuliert hat, der, sich auf seine – entschuldigen Sie – kroatische oder slowenische Großmutter berufend, versucht hat, in die Sprache einer Minderheit zu übersetzen. (Abg. Gaugg: Wie schaut das in Slowenien aus?) – Ausgezeichnet schaut das dort aus. (Abg. Gaugg: Die haben sie ausradiert, die deutsche Minderheit!) Zum Beispiel die ungarische und italienische Volksgruppe: Da wird immer danach getrachtet, daß zum Beispiel Murska Sobota, der Präsident des dortigen Gerichtes, der ungarischen Sprache selbstverständlich mächtig ist. Also da gäbe es einige Möglichkeiten, sich von Slowenien etwas abzuschauen. (Zwischenrufe des Abg. Gaugg.)

Ich will natürlich nicht parteiisch sein. Es ist klar: Es gibt auch anderswo sehr große Mängel. Das betrifft auch Schriftstücke aus den Nachbarländern oder auch von anderswo. Auch aus Spanien zum Beispiel habe ich schon Papiere bekommen, die mehr oder minder verständlich waren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang in einigen Sätzen noch auf das Volksgruppenrecht hinweisen, speziell auf das Volksgruppengesetz, wo Übersetzungen in die Volksgruppensprachen als eine Art Regel postuliert werden. Da ist es natürlich ganz wichtig, daß die Volksgruppen, wenn sie eine Ausfertigung in ihrer Muttersprache bekommen, nicht das Gefühl haben, daß das Dokument in ihrer Sprache nur eine Ersatzausfertigung beziehungsweise eine zweitrangige Ausfertigung ist, sondern daß sie wirklich ein gleichwertiges Dokument in den Händen halten. Ich muß sagen: Häufig ist das nicht so.

In diesem Zusammenhang sind zumindest drei Bezirksgerichte in Kärnten lobend zu erwähnen, in denen die slowenische Amtssprache sehr wohl zugelassen ist. Herr Justizminister! Wie Sie jedoch wissen, harren noch sechs weitere Bezirksgerichte einer entsprechenden Ausweitung dahin gehend, daß auch dort die Amtssprache Slowenisch eingeführt wird. Sie wissen, daß diese Forderung in einer Reihe von Vorstellungen, die slowenische Organisationen eingebracht haben, enthalten ist.

Ich glaube, in Kärnten und im Burgenland sollte man auch den Mut haben, die Gerichtssprache auszuweiten. Die Gerichtssprache ist an sich oft weit weg von der Sprache des Bürgers. Aber wenn er diese Sprache im Umgang mit Gericht oder Behörde braucht, dann kann sich die Sprache zu einer zentralen Frage entwickeln.

Deshalb fordern wir auch im Sinne der Öffnung in Richtung Europa: Stützen, stärken und fördern wir die Sprachen in unserem Land, denn die Sprachen unserer Staatsbürger, unserer Volksgruppen, sind eine erste kräftige Brücke auch zu unseren neuen Freunden, die wir bald in der EU begrüßen wolen! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

20.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.21

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Beschlußfassung über die Novelle zum Sachverständigen- und Dolmetschergesetz betrifft einen Teil des Justizrechtes, der von wachsender Bedeutung – mein Vorredner hat das zu Recht hervorgehoben – für die gesamte Rechtspflege ist.

In vielen Fällen ist die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes heute nur mehr mit Hilfe eines Sachverständigen möglich. Der Sachverständige ist sozusagen nicht nur gerichtliches "Beweismittel", sondern vielmehr auch unverzichtbarer Helfer des Richters für die Entscheidungsfindung im Verfahren.

Aber auch die Tätigkeit der Gerichtsdolmetscher hat in den letzten Jahren aufgrund zunehmender internationaler Verflechtung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen sowie auch aufgrund der Öffnung der nationalen Grenzen enorm an Bedeutung zugenommen.

Diesem veränderten Stellenwert des gerichtlichen Sachverständigen- und Dolmetschwesens für die Rechtspflege muß auch der Gesetzgeber in besonderem Maße Rechnung tragen. Es muß sichergestellt werden, daß gerade die kompetentesten und bestqualifizierten Sachverständigen und Dolmetscher für den Dienst an der Rechtspflege zur Verfügung stehen. Einen wichtigen Schritt haben wir bereits mit der Novelle 1994 zum Gebührenanspruchsgesetz unternommen. Dabei haben wir auch hinsichtlich der heute im wesentlichen angeführten Kritikpunkte der Richterschaft das erforderliche Rüstzeug zur Abhilfeschaffung in die Hand gegeben.

Ich werde aber auch die in den heutigen Debattenbeiträgen geäußerten Anregungen zum Anlaß nehmen, diesbezüglich auch vermehrte Fortbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Im übrigen wurde die Überprüfung der damals geschaffenen Rechtsnormen auch zu einem fixen Bestandteil des periodischen Revisionsprogramms.

Ein weiterer Schritt in die angestrebte Richtung, bestqualifizierte Sachverständige für die Gerichte zu rekrutieren, soll durch die vorliegende Novelle sichergestellt werden, wobei ich im wesentlichen auf zwei Neuerungen hinweisen möchte: Zum einen wird damit das bisherige Auswahlverfahren, das bei der Aufnahme von Sachverständigen und Dolmetschern in die Listen angewendet wird, verfeinert, indem die persönlichen Eintragungsvoraussetzungen erweitert und das Eintragungsverfahren unter Beiziehung einer Fachkommission einer genauen gesetzlichen Regelung zugeführt wird. Zum anderen wird mit dieser Novelle die fortwährende Kontrolle der Qualität der Sachverständigen und Dolmetscher dadurch effizienter gemacht, daß eine periodische Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen durch den listenführenden Gerichtshofpräsidenten eingeführt wird.

Ich bitte Sie aber, dafür Verständnis zu haben, daß wir dabei hinsichtlich des gewählten Überprüfungszeitraumes – um auch auf den Abänderungsantrag zu sprechen zu kommen – und hinsichtlich der Maßnahmen betreffend die bereits eingetragenen Sachverständigen auch auf die Ressourcen der Justizverwaltung – immerhin gibt es etwa 10 000 gerichtlich beeidete Sachverständige – Rücksicht nehmen müssen.

Schließlich möchte ich noch hervorheben, daß mit der Novelle auch die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen für die Umstellung der Sachverständigen- und Dolmetscherlisten auf EDV geschaffen werden. Damit soll den Gerichten ein modernes Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, womit die rasche und effiziente Auffindung des jeweils benötigten Sachverständigen oder Dolmetschers besser als bisher sichergestellt wird, womit nicht zuletzt auch ein Beitrag zur Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren geleistet wird. Es ist dies ein weiterer Schritt im Rahmen jener Bemühungen, die moderne Informationstechnologie für den Gerichtsbetrieb optimal zu nützen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

20.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. –Bitte.

20.25

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann an die Ausführungen des Herrn Bundesministers anschließen. Ich glaube, daß den gerichtlich beeideten Sachverständigen nicht nur steigende Bedeutung für die Rechtspflege zukommt, sondern daß ihnen aufgrund der österreichischen Rechtslage ohne Zweifel eine weit darüber hinausgehende bedeutende Rolle zukommt. Daher möchte ich aufgrund dieser heute zu beschließenden Novelle zwei mir sehr wesentlich erscheinende Verbesserungen noch einmal kurz skizzieren.

Erster Punkt: Die Qualitätssicherung und die kontinuierliche Qualitätskontrolle in bezug auf die Sachverständigen halte ich für einen wesentlichen Vorteil. Durch diese Gesetzesnovelle wird gewährleistet sein, daß zunächst alle fünf Jahre und in der weiteren Folge immerhin alle zehn Jahre eine Prüfung der Sachkenntnisse der Sachverständigen stattfindet. Gleichzeitig streichen wir die bisherige Regelung, wonach sozusagen eine lebenslange Eintragung in die Sachverständigenliste durchgeführt werden konnte. Herr Bundesminister! Ich freue mich darüber, daß Sie zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen, die wir heute beschließen werden, auch noch Schulungsmaßnahmen anbieten, um diese Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung zu gewährleisten.

Die zweite wesentliche Verbesserung bei dieser Novelle ist, daß wir auch einem Erfordernis des Konsumentenschutzes Rechnung tragen, und zwar mit der Einführung der Haftpflichtversicherungspflicht, um Menschen vor Schaden zu bewahren, wenn es zu falschen Gutachten von Sachverständigen kommt. Ich halte das, wie gesagt, aus Konsumentschutzgründen für eine sehr wesentliche Verbesserung.

Herr Bundesminister! Ich möchte – wenn es auch nicht direkt im Zusammenhang mit dieser Novelle steht –, weil Sie es kurz angeschnitten haben, auch noch eine Anmerkung zum Gebührenanspruchsgesetz machen: Es ist ein Problem, das es in der Praxis immer wieder gibt, nämlich daß jemandem die Möglichkeit des Rechtszugangs verwehrt ist, weil dies mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Es gibt Rechtsmaterien, bei welchen ohne Hilfe von Sachverständigen die Entscheidungsfindung gar nicht mehr möglich ist. In Anbetracht dessen bitte ich Sie, sich die Honorarrichtlinien anzuschauen. Denn es ist, wie gesagt, für viele Menschen aufgrund des Prozeßrisikos und der hohen Sachverständigenkosten doch sehr schwer, zu ihrem Recht zu kommen.

Abschließend möchte ich festhalten, daß ich die Auffassung der meisten meiner Vorredner teile: Mit dieser Novelle kommt es zu wesentlichen Verbesserungen im Bereich der gerichtlich beeideten Sachverständigen, und daher können ich und meine Fraktion dieser freudig zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. –Bitte.

20.28

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Meine Vorredner haben die wesentlichen Bereiche der vorliegenden Gesetzesänderung bereits ausführlich angesprochen. Die Sicherung der Qualität der Gutachter und Dolmetscher soll in noch höherem Maße gewährleistet sein.

Ich möchte noch einmal unterstreichen, um welch sensiblen Bereich es sich hiebei handelt, und daher soll die gerichtliche Zertifizierung als klarer Auftrag an die Sachverständigen gesehen werden, ihre Tätigkeit noch besser und gewissenhafter auszuüben. Ein zertifizierter Sachverständiger braucht große berufliche Erfahrung, vor allem in jenem Bereich, in welchem er als Gutachter eingesetzt ist. Daher ist es sehr vorteilhaft für jeden Sachverständigen, wenn er weiterhin im jeweiligen Bereich aktiv ist. Denn in unserer schnellebigen Zeit ändern sich die Voraussetzungen sehr, sehr rasch. Der aktuelle Wissensstand ist unabdingbare Voraussetzung für den Wert eines Gutachtens. Außerdem muß der Gutachter unbelastet von äußeren Zwängen agieren können. Die Anforderungen in Sachen Moral und Ethik sind ebenfalls entsprechend hoch.

Persönlich habe ich wenig Erfahrung mit Gerichtsgutachtern, bin aber auf Gemeindeebene mit Sachverständigengutachten konfrontiert. Konkret liegt mir ein Fall vor, in welchem es zwei verschiedene Gutachten für ein und dasselbe Gebäude gab. Der eine Gutachter schätzte dessen Wert mit 1 Million Schilling, der andere mit 4 Millionen Schilling. So etwas kann natürlich zu großen Problemen führen, und es kann enormer Schaden entstehen. Deshalb ist es – wie das meine Vorrednerin bereits angesprochen hat – auch für mich sehr beruhigend, daß nunmehr jeder Gutachter eine Versicherung abzuschließen hat, um damit etwaige Folgeschäden abzudecken. Er muß jetzt vor der Eintragung bei einem österreichischen Versicherungsunternehmen eine Haftpflichtversicherung in Höhe von mindestens 5,6 Millionen Schilling abschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Gesetzesnovelle bringt mehr Qualität und mehr Sicherheit. Daher werde auch ich selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Herrn Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte daher die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1384 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1416 der Beilagen beigedruckten Abänderung.

Hiezu haben die Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die erwähnten Anträge und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer literae in Z. 4 § 2 lit. a bezieht, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffern 8, 9, 20 und 21 des Gesetzentwurfes bezieht.

Jene Damen und Herren Abgeordneten, die hiefür eintreten wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1416 der Beilagen beigedruckten Abänderung abstimmen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist stimmeneinhellig der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist stimmeneinhellig der Fall.

Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich darauf hinweisen, daß wir vermutlich jetzt Abstimmungen in relativ knapper Abfolge vor uns haben.

12. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich (1204 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Von einer Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Konrad vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.34

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Intention dieses Abkommens über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen, das heute zur Beschlußverfassung vorliegt, ist es, in erster Linie die nötigen Formalitäten im Zuge von Auslieferungsprozessen zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu beschleunigen. Durch die Unterzeichnung des Abkommens, das andere EU-Länder schon vor einiger Zeit unterzeichnet haben, wird sich nun auch Österreich am Austausch von Auslieferungsdokumenten und den dazugehörigen Begleitdokumenten per Fax, also quasi mit den modernsten beziehungsweise fast modernsten Mitteln beteiligen. Diese Beschleunigung wird primär im Interesse der Behörden vorgenommen, damit diese die Fälle rascher abschließen können. Dies geschieht darüber hinaus aber durchaus auch im Interesse aller Beteiligten, weil sich formale Verzögerungen selten positiv auf Verfahren auswirken. In Zeiten zunehmender internationaler Vernetzung sind Maßnahmen, mit denen die Übersichtlichkeit und Transparenz von Vorgangsweisen gefördert und unterstützt werden, dringend notwendig. Das immer wieder beklagte Problem, daß Verfahren, die über die Grenzen eines Landes reichen, besonders langwierig sind, kann so zumindest auf technischer Ebene reduziert werden.

Notwendig und unverzichtbar sind klar definierte Kontrollmechanismen, die einen Mißbrauch technischer Möglichkeiten soweit wie möglich verhindern. Im vorliegenden Fall heißt das konkret, daß im Abkommen die verpflichtende Installierung von Kodierungsgeräten vorgesehen ist, mit denen die Vertraulichkeit der Übermittlung gewährleistet wird. Das sind übrigens auch die einzigen Kosten, die in diesem Zusammenhang anfallen. Gleichzeitig muß eine Zentralbehörde namhaft gemacht werden, die für die Übermittlung und Entgegennahme von Auslieferungsersuchen zuständig ist. In Österreich wird das sinnvollerweise das Bundesministerium für Justiz sein.

Im Interesse aller Beteiligten ist jener Passus des Abkommens, in welchem eine Regelung für den Anfechtungsfall vorgesehen ist. Wird nämlich die Übereinstimmung der Unterlagen mit den Originalen vom ersuchten Staat angefochten, so kann dessen zuständige Zentralbehörde die Originalunterlagen oder beglaubigte Kopien auf diplomatischem oder auf einem anderen vereinbarten Weg verlangen.

Meine Damen und Herren! Es liegen heute insgesamt drei Vorlagen zur Beschlußfassung vor, die alle die Beschleunigung von Verfahren im Bereich der Justiz zum Inhalt haben. Aus Sicht meiner Fraktion gilt für alle drei, was ich für das Abkommen über die Vereinfachung und Modernisierung des Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsansuchen gesagt habe, nämlich daß eine kontrollierbare, geregelte Beschleunigung sinnvoll ist, weil sie auch dazu beiträgt, daß Verfahren sozusagen nicht in bürokratischen Geästen hängenbleiben und inhaltlich überflüssige Stockungen und formale Belastungen entstehen, die für eine korrekte und humane Abwicklung von Nachteil wären. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.38

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Justiz bringt in einen Bereich ihrer Arbeit eine privatwirtschaftliche Note: Sie macht sich die letzte Entwicklung beziehungsweise eigentlich gar nicht wirklich die letzte, aber eine relativ junge Entwicklung der Technik, nämlich die Verwendung des Faxgerätes, im Auslieferungsverfahren zunutze. – So kurz ist der Succus des Geschehens zu umreißen, und so erfreulich stellt er sich dar. Dieser Umstand, nämlich die Berücksichtigung des modernsten Standes der Technik und die Nähe zu Vorgängen, die in der Privatwirtschaft gang und gäbe sind, ist so erfreulich, daß eine kurze Wortmeldung, wie Sie sie von mir heute erleben, angezeigt erscheint. – Die Freiheitlichen werden diesem angenehmen Schritt zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung, und ich bitte zu diesem Zweck die Damen und Herren Abgeordneten, ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Gegenstand der Abstimmung ist die Genehmigung des Staatsvertrages samt Erklärungen der Republik Österreich in 1204 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit der Fall. Die Zustimmung ist daher erteilt.

Wir kommen daher noch zur Abstimmung darüber, daß die Fassungen des Abkommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz dadurch kundzumachen sind, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung ist stimmeneinhellig erteilt.

13. Punkt

Regierungsvorlage: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich (1205 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Von einer Ausschußvorberatung wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Zu Wort gemeldet ist als bisher einzige Rednerin Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.40

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der 52. Sitzung des Nationalrates, und zwar im Dezember 1996, wurde Österreichs Beitritt zum Schengener Durchführungsübereinkommen ausführlich hier im Hause diskutiert. Breiten Raum nahm dabei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein. Es wurde darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang nicht nur die Sicherung der EU-Außengrenzen eine zentrale Rolle einnimmt, sondern auch die sogenannte Schleierfahndung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität innerhalb der EU-Grenzen. Befürchtungen, daß Kriminelle der Verfolgung und Bestrafung durch geschicktes Ausweichen von einem in das andere Land entgehen könnten, wurden von den einen heraufbeschworen und von den anderen wieder zerstreut. In einem Punkt waren sich die ParlamentarierInnen hier im Hohen Haus jedoch einig, nämlich darin, daß ein Straftäter in der EU keine Möglichkeit haben darf, sich einer Strafe zu entziehen. Straftäter müssen überall in der EU verfolgt werden können, und sie müssen ihre Strafe nach der Verurteilung einmal angemessen verbüßen. – So weit, so gut.

Was bei der damaligen Debatte nicht zur Sprache kam beziehungsweise ein wenig unterging, sind die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens, in denen explizit festgehalten wird, daß niemand wegen ein und derselben Straftat beziehungsweise wegen ein und desselben Delikts zweimal bestraft werden darf. Was innerhalb eines Staatsgebietes als ganz selbstverständlich erscheint, ist zwischen den Staaten aufgrund der verschiedenen Rechts- und Gesetzeslagen gar nicht so selbstverständlich. Dieses Verbot der Doppelbestrafung, ursprünglich schon 1985 im Schengener Durchführungsübereinkommen festgeschrieben, wurde 1987 nochmals in einem eigenen Übereinkommen zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union mit fast identischen Regeln bekräftigt. Dieses Übereinkommen hat Österreich bis heute noch nicht ratifiziert, und daher glaube ich, daß es eine gute Geste ist, wenn wir dieses heute ratifizieren, da wir jetzt unter anderem auch die EU-Präsidentschaft innehaben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Liberalen Forums.)

Hohes Haus! Ich möchte noch kurz auf einen der wesentlichsten Rechtsgrundsätze des Übereinkommens überhaupt zu sprechen kommen. Diesem Abkommen, das uns jetzt als Regierungsvorlage vorliegt und dessen Ratifizierung wir heute beschließen sollen, liegt der Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" zugrunde. Das heißt, daß jemand nicht zweimal wegen desselben Tatbestandes verurteilt und bestraft werden darf. Das Verbot der Doppelbestrafung bringt meiner Ansicht nach etwas mehr Rechtssicherheit in die Staatengemeinschaft. Mit dieser Gesetzesvorlage wird die Tatsache berücksichtigt, daß es in den einzelnen Ländern für ein und dasselbe Delikt verschiedene Strafausmaße gibt, und auch auf die Frage, ob im Falle einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt wurde, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann, wird eingegangen.

In Artikel 2 dieses Übereinkommens erklärt Österreich, daß es sich in bestimmten Fällen, welche die Sicherheit oder andere wesentliche österreichische Interessen betreffen – wie zum Beispiel Hochverrat, Spionage oder die Durchführung von Kriegsführungsmaterial durch das Staatsgebiet – nicht an das Verbot der Doppelbestrafung gebunden fühlt.

Ganz wichtig, um den Grundsatz "ne bis in idem" gewährleisten zu können, ist es, daß jene Staaten, die dem Abkommen beitreten, zwischen den zuständigen Behörden einen Konsultationsmechanismus einrichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, dieser Vorlage zuzustimmen, zumal sich am österreichischen Rechtsverständnis nichts ändert. Dies ist ein, wenn auch nur kleiner, so doch wichtiger und wesentlicher Schritt zu einem einheitlicheren europäischen Rechtsraum. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Gegenstand der Abstimmung ist die Genehmigung des Staatsvertrages samt Erklärungen der Republik Österreich in 1205 der Beilagen.

So Sie hiezu Ihre Zustimmung erteilen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Die Zustimmung ist einstimmig erteilt.

Daher gelangen wir nun zur Abstimmung darüber, daß die Fassungen des Übereinkommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz insofern kundzumachen sind, als sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

So Sie auch dem zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung ist gleichfalls einstimmig erteilt. Angenommen.

14. Punkt

Regierungsvorlage: Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen

(1358 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Von einer Vorberatung in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Die erste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Parnigoni vor. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Diese Regierungsvorlage bildet die Rechtsgrundlage für den gesamten Auslandspostverkehr. Die Urkunden des Weltpostvereins, die als staatsvertragsähnliche Urkunden behandelt werden, regeln den Postdienst zwischen 189 Mitgliedstaaten und bilden, wie gesagt, die rechtliche Grundlage für die Arbeitsweise des Weltpostvereins, der eine Sonderorganisation der UNO darstellt.

Meine Damen und Herren! Die Änderungen, die durch diese Novelle vorgenommen werden, betreffen sowohl den Bereich des Weltpost-, des Postpaket-, des Postanweisungs-, des Postschecks- und des Postnachnahmeabkommens. Neben wesentlichen redaktionellen Änderungen wird die Arbeitsweise des Vereins vor allem grundsatz- und prioritätenorientierter gestaltet. So wird etwa der Grundsatz verankert, daß die Gebühren nur mehr entsprechend den Kosten der erbrachten Leistung festzusetzen sind und daß die bisherige Praxis, durch Ausnahmeregelungen Veränderungen herbeizuführen, nunmehr nicht mehr durch die Partnerstaaten geübt werden kann; denn diese Ausnahmeregelungen werden abgeschafft, und daher können Obergrenzen, die vereinbart sind, nicht mehr überschritten werden, um damit allfällige Deckungsgrößen, die durch Betriebsabgänge entstanden sind, wettzumachen.

Des weiteren ergibt sich eine Neudefinition der Kategorien im Bereich der Briefsendungen, der Flugpost, aber auch der Massensendungen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ziel dieser Novelle und der Änderungen, die in diesen Urkunden festgehalten sind, ist es, generell zu mehr Vereinheitlichung der Normen und Regeln im weltweiten Postverkehr im Sinne einer Verbesserung der weltweiten Kommunikation zu kommen. Die Sozialdemokraten werden dieser Regelung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Es ist dies die vorläufig letzte Wortmeldung. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.49

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vorliegenden Regierungsvorlage geht es um die Urkunden des Weltpostvereins, und es geht grundsätzlich um gesetzesändernde, aber auch gesetzesergänzende Regelungen, die der Genehmigung des Nationalrates bedürfen.

Diese Regelungen umfassen eine Reihe von Abkommen, so etwa das 5. Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins. In den Artikeln 2, 3 und 4 dieses Zusatzprotokolls wird dem geänderten Umfeld im Kommunikationswesen Rechnung getragen, und zu diesem Zweck werden zwei neue Vereinsorgane geschaffen, erstens der Verwaltungsrat, zweitens der Rat für Postbetrieb. Der Verwaltungsrat setzt sich aus den Präsidenten und weiteren 40 Mitgliedern zusammen. Es wird im besonderen auf die geographische Verteilung wert gelegt. Der Verwaltungsrat hat folgende Kompetenzen: Überwachung der Arbeiten des Vereines in der Zeit zwischen den Kongressen sowie der Postpolitik der Mitglieder, weiters die Angelegenheit der postalischen Entwicklungshilfe, die Prüfung des Rechnungs- und Finanzwesens des Vereins, die Überwachung der Tätigkeit des internationalen Büros, die Festlegung der Entscheidungsgrundsätze für den Rat für Postbetrieb in Gebühren- und Vergütungsangelegenheit.

Der Rat für Postbetrieb setzt sich ebenfalls aus 40 Mitgliedern zusammen. Ihm obliegen vor allem die Führung von Studien betrieblicher, kommerzieller, technischer und wirtschaftlicher Art, die Abstimmung der Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen Postdienste, die Festlegung von Normen für Technik und Betrieb und die Ausarbeitung des strategischen Fünfjahresplanes vor jedem Kongreß.

Im weiteren betrifft es die Abkommen, die allgemeine Verfahrensordnung samt Schlußprotokoll, weiters den Weltpostvertrag, das Postpaketabkommen, das Postanweisungsabkommen, das Postscheckabkommen und schließlich das Postnachnahmeabkommen. Diese Urkunden des Weltpostvereins bilden die Rechtsgrundlagen für den Auslandspostdienst. Sie regeln aber auch die Arbeitsweise des Weltpostvereins, dem derzeit 189 Mitglieder angehören.

Der 21. Weltkongreß tagte in der Zeit vom 22. August bis 14. September 1994 in Seoul. Bei dieser Tagung wurde das 5. Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins beschlossen. Österreich war bei diesem Kongreß mit einer Delegation bestehend aus Vertretern der vormaligen Post- und Telegraphenverwaltung, sowie des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten und der Österreichischen Postsparkasse vertreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitens unserer Fraktion werden wir dieser Gesetzesänderung gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte die Damen und Herren, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Gegenstand dieser Abstimmung ist die Genehmigung des Staatsvertrages: Urkunden des Weltpostvereines (Seoul 1994), nämlich a) Fünftes Zusatzprotokoll, b) Allgemeine Verfahrensordnung, c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, e) Postanweisungsabkommen, f) Postscheckabkommen, g) Postnachnahmeabkommen, in 1358 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt einhellig. Der gegenständliche Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, wonach der Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, das Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, das Postanweisungsabkommen, das Postscheckabkommen sowie das Postnachnahmeabkommen gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch diese Zustimmung erfolgt einhellig. Der Antrag ist damit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Vorschlag der Bundesregierung, daß dieses Vertragswerk gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz dadurch kundzumachen ist, daß es 1. im Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr, 2. in dem diesem nachgeordneten Postbüro, 3. in der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Generaldirektion, sowie 4. in der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion Graz, Direktion Innsbruck, Direktion Klagenfurt, Direktion Linz und Direktion Wien, zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden aufliegt.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt einhellig. Der Antrag ist damit angenommen.

15. Punkt

Erste Lesung des Antrages 826/A der Abgeordneten Karl Smolle, Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun den 15. Punkt der Tagesordnung auf.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.57

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki Dom! Gospod Minister! Spoštovane dame i gospodje! Herr Präsident! Hohes Haus! In dieser Woche konnten Sie österreichischen Zeitungen entnehmen – im speziellen beziehe ich mich da auf die "Presse" von Montag, 5. Oktober 1998, dort konnten Sie es auf Seite 6 lesen –, daß sich auch anderswo in Europa die Dinge zu drehen beginnen.

Es geht um Frankreich, es geht um jenes Land, das lange Zeit als der Bremser in Sachen Volksgruppensprachen, Regionalkulturen gegolten hat, es geht um das Land, das sich jetzt entschlossen hat, diesbezüglich Veränderungen zu bewirken zu beginnen.

Ich meine, das ist eine sehr, sehr erfreuliche Tatsache. Es bedeutet vor allem auch, daß für viele, die in den letzten Jahren Frankreich immer wieder als Ausrede dafür benutzt haben, daß man ja im europäischen Verein nichts tun könne, weil es einige sehr hartnäckig, zurückhaltende Staaten gibt, eben diese Begründung nicht mehr gelten wird, denn es ist Erfreuliches zu berichten: Man überlegt den Verfassungsartikel, der das Französische ungebührlich forciert hat, zu ändern, und zwar zugunsten der Regional- und Minderheitensprachen.

Das ist eine ganz wichtige Tatsache, die wir nicht genügend unterstreichen können, denn diese Entwicklung sehe ich als Anfang eines klaren und guten europäischen Volksgruppenschutzes. Daß die Länder beginnen, in ihren eigenen Bereichen Veränderungen zu postulieren und letztlich auch in Gesetzesform – in Verfassungsgesetzform, wie in Frankreich gedacht – zum Positiven zu verändern, im Sinne der Buntheit Europas, im Sinne der Kulturenvielfalt, kann man, glaube ich, nur begrüßen.

In diesem Sinne geht es aber auch darum, daß man nachfragen muß, ob wir in unserem Hause selbst – jetzt meine ich das Haus Österreich, ich meine aber auch dieses Haus, in dem wir uns gerade befinden – für einen kleinen Teil unserer Staatsbürger, eben die Angehörigen der Volksgruppen, genügend getan haben.

Ich glaube, daß wir es da mit einem Grundproblem zu tun haben, das ich schon einige Male unterstrichen habe: Es gibt einen sehr rudimentären, sehr eingeschränkten rechtlichen beziehungsweise verfassungsrechtlichen Volksgruppenschutz. Immer wieder haben die Volksgruppen versucht – sei es seinerzeit durch den großen Entwurf eines Volksgruppengrundgesetzes, sei es durch eine Reihe von Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Schulgesetz oder auch in anderen Bereichen –, eine Kontinuität des Volksgruppenschutzes zu schaffen, nämlich unabhängig davon, daß Volksgruppenprobleme immer wieder auch politische Probleme sind, wahlpolitische, wahltaktische Probleme. Die Volksgruppen haben kein großes Interesse daran, immer wieder bei Wahlen – sei es für die eine oder andere Seite – sozusagen als Watschenmann herzuhalten. In Kärnten kann ich davon wirklich ein Lied singen, wo die Slowenen-Frage immer wieder bei Wahlzeiten ins Gerede gebracht wird beziehungsweise die Wahlen als Grund dafür angegeben werden, daß man gewisse Dinge nicht tun könne.

Daher der Versuch, in einer Grundverfassungsnorm, in der diese Volksgruppenrechte definiert werden, eine Basis dafür zu schaffen, daß es, wenn schon einfachgesetzliche Lösungen nicht vorhanden sind, trotzdem möglich ist, und zwar durch verfassungsgerichtshöfliche oder andere Entscheidungen, langsam den guten Teppich eines soliden Volksgruppenschutzes zu weben. Es ist gewissermaßen auch ein Angebot seitens der Volksgruppen in Richtung dieses Hauses.

Dieser Entwurf, der Ihnen nun als Artikel 19 Staatsgrundgesetz vorliegt, ist nicht nur in meinem Klub gewachsen – es war zwar wichtig, daß das Liberale Forum das voll aufgegriffen hat, ich danke auch der grünen Fraktion dafür, daß wir uns so schnell auf ein gemeinsames Papier einigen konnten, das war ganz wichtig, das ist die erste Basis, das ist einmal der erste Grundgedanke für eine gute Lösung –, die Artikel 19-Vorlage ist aber auch mit den Volksgruppenorganisationen abgestimmt, nicht mit allen, aber es sind die wichtigsten Organisationen mit von der Partie und würden sich eigentlich freuen, wenn wir diese rechtliche Basis dafür schaffen.

Es geht jetzt nicht darum, sozusagen neue Komplikationen in die Verfassung hineinzutragen, sondern es geht darum, ein bestehendes, aus der Monarchie rezipiertes Gesetz heranzuziehen und einen Artikel darin speziell auszuformulieren.

Wenn also einerseits die europäische Dimension, die wir heute schon behandelt und hervorgestrichen haben, so wichtig ist, so ist es natürlich umso wichtiger, daß wir parallel dazu im Innern unseres Landes eine gute Basis schaffen. Wie Sie wissen, sind die Verfassungsnormen, die das regeln, im wesentlichen in zwei internationalen Verträgen festgehalten: im Staatsvertrag von Saint-Germain und im Staatsvertrag von Wien von 1955 – beides sind Verträge nach zwei schrecklichen Kriegen, beides sind natürlich Verträge, die in Zwangssituationen, Notsituationen Ausgleich schaffen mußten, Grundlagen für den Bestand Österreichs schaffen mußten. Es geht um Bestimmungen, die an sich nicht von vornherein den Minderheitenschutz zum Ziel hatten, es sind eher eine Art Ausgleichsverträge, durch die auch gewisse ausländische oder nachbarschaftliche Interessen irgendwie abgegolten werden sollten.

Das ist auch, wenn Sie so wollen, das Grundproblem dieser beiden Verfassungsnormen: daß auch die betreffenden Artikel des Staatsvertrages von Saint-Germain und Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien nicht a priori aus dem Bedürfnis der Österreicher entstanden sind, für ihre Volksgruppen etwas zu tun, sondern daß es politische Forderungen, Forderungen im Zusammenhang mit den Nachbarländern gab und man diesen Forderungen irgendwie gerecht werden mußte und versuchte, auch im Volksgruppenbereich etwas zu tun. Das ist das Problem!

Das heißt, daß es abgetrotzte Normen sind, entstanden durch ein Wirrwarr von Vorschlägen – ich möchte es Ihnen ersparen, zum Beispiel die Entstehung des Artikels 7 zu schildern –, aufgrund großer Interessen damaliger oder heute noch vorhandener Großmächte und aufgrund weltpolitischer Interessen. Sie wissen: Kärnten, kalter Krieg, Karawankengrenze, Tito, Kommunismus – das alles hat da hineingespielt. Es gab große neue Konfrontationen und den Wunsch, daß Jugoslawien vielleicht doch aus dem großen Block ausschert und eine eigene Linie geht. Es war also eine Konzessionspolitik. Daher ist der Artikel 7 im Zusammenhang mit den Nachbarbeziehungen und auch mit den globalen europäischen Lösungen als eine Art Konzessionsartikel zu betrachten. (Abg. Zweytick: Das ist Träumerei! Das ist Wunschdenken!)

Ich glaube, daß es dieses Haus doch irgendwie mit Sorge erfüllen sollte, daß wir nicht in der Lage sind, autonom und authentisch etwas Neues zu schaffen, das aus unserer eigenen Bereitschaft entsteht, eine gute Volksgruppen-Norm zu schaffen. Ich glaube, daß wir Abgeordnete etwas Derartiges doch zustande bringen müßten. Wir müssen uns doch Verträge nicht immer abtrotzen lassen! Wir können doch selbst einmal etwas Vernünftiges vorschlagen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, daß es auch dem republikanischen Österreich ziemen und es einfach zu uns passen würde, daß wir damit eine ganz große Lücke in unserer Verfassung schließen. Das können wir in Autonomie schaffen. Wir brauchen auf keine Schutzmächte, auf keine Großmächte, auf niemand mehr Rücksicht zu nehmen und können sagen: So wollen wir einen Teil unserer ganz speziellen, auch österreichischen, anderssprachigen Kultur schützen! So wollen wir den betroffenen Menschen die politische Partizipation ermöglichen!

Da geht es um eine ganz wichtige Bestimmung, auf die ich hinweisen möchte. Wie Sie wissen, gibt es im Zusammenhang mit dem Volksgruppenrecht immer die große Diskussion über die Grundsatzfrage: Genügt es, Menschenrechte einzuräumen? Genügt es, Individualrechte einzuräumen, oder braucht man auch etwas wie einen Gemeinschaftsschutz, einen Schutz der Gruppe?

Erlauben Sie mir, daß ich als jemand, der in diesem Bereich langjährige Erfahrung hat, folgendes ganz klar festhalte: Wir müssen grundsätzlich beide Arten von Schutz gewährleisten. Wir müssen natürlich selbstverständlich gewährleisten, daß die Menschenrechte in der Individualität und für das Individuum durchsetzbar, realisierbar, über Gerichte einklagbar sind, somit für den einzelnen erreichbar werden, wir müssen aber auch klar sehen, daß wir dann, wenn wir dieses Europa und auch unser Österreich als kulturelle Gemeinschaft, als multikulturelle Gemeinschaft erhalten wollen, auch die einzelnen Volksgruppen als Gemeinschaft schützen müssen.

Wir müssen es den Volksgruppen auch ermöglichen, sich als politische, kulturelle und sprachliche Einheit zu verstehen, denn man spricht eben nur mit anderen. Ich erlaube mir immer, das in eine etwas launige Form zu bringen. Da ich Kärntner bin, werden Sie vielleicht auch das Beispiel mit dem Gesang, dem Singen verstehen: Man muß es ermöglichen, daß jemand solo singen kann, daß er mit jemandem im Duett singen kann, man muß aber auch erlauben, daß Leute im Chor singen. Der Chor besteht aber nicht aus vielen Solisten, sondern den Chor macht eben aus, daß da ein Zusammenspiel der Stimmen stattfindet.

Meine Damen und Herren! Wir haben mit dieser Vorlage die Möglichkeit, einen ganz neuen Volksgruppenschutz zu schaffen, vor allem auch unter Berücksichtigung der Subsidiarität. Man muß grundsätzlich davon ausgehen, daß sich Menschen selbst verwalten sollen, selbst bestimmen sollen – das ist auch für das Liberale Forum ein ganz wichtiges Anliegen –, daß sie die Probleme, die sie selbst zu lösen in der Lage sind, auch selbst lösen sollen. Die Politik hat die Aufgabe, den Rahmen dafür zu bestimmen. Deshalb brauchen die österreichischen Volksgruppen eine Selbstverwaltung, auch für ihr Weiterbestehen. Aber dafür bedarf es eines klaren verfassungsmäßigen Schutzes, eines kollektiven genauso wie eines individuellen, und es bedarf vor allem auch der nötigen Förderung.

Ich verstehe unter Förderung bewußt nicht nur finanzielle Mittel, die natürlich auch notwendig sind, sondern ich verstehe darunter Förderung vor allem in der Hinsicht, daß wir die rechtlichen Rahmenbedingungen so schaffen, daß Volksgruppen zu ihren Rechten gelangen können. Das halte ich für wichtig.

Im Zusammenhang mit Volksgruppenauseinandersetzungen erleben wir es ja sehr häufig, daß die Frage der Legitimation von Volksgruppenvertretern gestellt wird. Da stelle ich mich auf den sehr einfachen und klaren Standpunkt, daß diese Frage voll berechtigt ist. Das heißt, ich bin nicht der Auffassung, daß man auch bei jedem, der sich als Volksgruppenvertreter geriert, die Legitimitätsfrage stellen darf.

Da vertrete ich zumindest mit einem großen Teil der Volksgruppen den Standpunkt, daß wir auch in dem Bereich über Wahlen zu Legitimationen kommen müssen. Das heißt, es sind die Voraussetzungen für eine Wahlbeteiligung zu schaffen. Wir müssen den Volksgruppen die Angst nehmen, sich an Wahlen zu beteiligen, damit sie ihre Vertreter wählen können, damit wir starke Partner haben. Damit sind wir wieder bei den Grundlagen unserer Demokratie angelangt: Wir brauchen die partnerschaftliche Demokratie bis in das letzte Dorf, bis in die weitab liegende Gemeinde. Wir müssen dem Bürger das Gefühl geben, daß er ein Teil der Demokratie ist. Auch die Volksgruppen in Österreich wollen ein Teil dieser österreichischen Demokratie sein! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Im Zusammenhang damit verstehen wir die Bestimmung, die vor allem im letzten Absatz unseres Antrages enthalten ist, als ganz wesentlich. Es geht, wenn man das mit einem Terminus technicus sagen darf, um die Frage des Verbandsklagsrechts, also darum, daß man nicht nur wegen seiner eigenen persönlichen Rechte, sondern auch für die Gruppe, auch für die anderen vorstellig werden darf. Es wird als erster Schritt den Volksgruppenorganisationen das Recht einzuräumen sein, sich auch mit verfassungsmäßigem Recht um Anliegen der Volksgruppen, aber auch um Anliegen der einzelnen Volksgruppenangehörigen zu kümmern.

Es geht genau um diese Schlüsselbefugnis, daß man rechtlich in der Lage ist, nicht nur dann, wenn man selbst unmittelbar betroffen ist, Rechte durchzusetzen, sondern auch die Möglichkeit besteht, daß eine Organisation, ein Verband auftritt und sagt: Ich werde für uns, für dich, diese Rechte durchsetzen! Das ist bei Individualrechten wichtig. Aber es ist bei allen jenen Rechten noch wesentlich wichtiger, die die Gruppe als solche zum Überleben braucht.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne wird es mich sehr freuen, die Diskussion im Ausschuß zu erleben. Ich gehe wohl davon aus, daß Sie diesen großen Schritt mit mir gehen wollen – von der Freiheitlichen Partei über die ÖVP bis hin zu den Sozialdemokraten. Die Grünen sind ja schon bei dem gemeinsamen Antrag mit dabei. Ich glaube, daß wir diesen Schritt gemeinsam gehen können.

Ich danke in diesem Zusammenhang ganz speziell Herrn Präsidenten Neisser dafür, daß er sich bereits bei der Erstvorstellung dieses Antrages mit uns gemeinsam vor die Presse gestellt hat und auch gesagt hat: Zumindest dieses eine Grundrecht könnten wir verwirklichen, wenn wir schon den großen Grundrechts-Katalog nicht zustande bringen!

Ich danke auch für einige sehr positive Äußerungen des Volksgruppensprechers Posch von der SPÖ, der ebenfalls Ermutigendes gesagt hat. Lassen wir uns bitte nicht von den Angstmachern und Angsthabenden immer wieder soufflieren, sondern machen wir einen mutigen Schritt!

Ich fühle mich in diesem Sinne verantwortlich. Ich bin ja jetzt im Mandat nachgerückt und möchte eigentlich versuchen, diese zehn Monate vernünftig abzuschließen. Es wäre ein Glanzpunkt meiner bescheidenen politischen Karriere, einen schönen, mutigen, inhaltsschweren Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger als Verfassungsgesetz durchzubringen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

In diesem Sinn bitte ich Sie: Helfen Sie mir, ein Geschenk zu machen – nicht mir, sondern den österreichischen Volksgruppen! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Sie müssen halt wiedergewählt werden! Das wird das Problem sein!)

21.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.13

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann meinem Vorredner inhaltlich in vielem zustimmen, in vielem recht geben. Trotzdem habe ich mit dem vorliegenden Antrag 826/A ein kleines Problem.

Karl Smolle, du hast gesagt, daß es dem republikanischen Österreich geziemen würde, Schritte zu setzen. Es wäre nach meinem Dafürhalten logischer, es im republikanischen Österreich zu verankern, und zwar in der Bundesverfassung 1920 beziehungsweise 1929 und nicht im Staatsgrundgesetz von 1867, also im Staatsgrundgesetz der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Ich habe, wie gesagt, mit vielen Punkten dieses Antrages kein Problem, obwohl es nach meinem Dafürhalten besser wäre, die darin enthaltenen Details – von den Regelungen betreffend die Kindergärten angefangen über jene bezüglich des Schulunterrichts in der Volksgruppensprache bis hin zu jenen über das Bekenntnis oder die Volksgruppensprache im öffentlichen Leben – nicht in der Verfassung zu verankern. Dort wären die Grundsätze zu verankern, während die Details – wie zum Beispiel betreffend die Kindergärten –, die noch nicht verankert sind, in den jeweiligen Bundes- beziehungsweise Landesgesetzen festzuhalten wären.

Wir schlagen vor, in die Verfassung, und zwar in den Artikel 8 Abs. 2 der Bundesverfassung, eine Staatszielbestimmung einzufügen mit dem Titel, daß sich die Republik Österreich zu ihren Volksgruppen und der sich aus deren Bestehen ergebenden sprachlichen und kulturellen Vielfalt bekennt. Ich glaube, daß das ein wichtiger Grundsatz wäre, weil das Bekenntnis ein notwendiges ist. Ich habe dies auch schon öfter von diesem Pult aus gesagt, ich wiederhole es: Ich würde mich auch freuen, wenn es sich noch in dieser Legislaturperiode verwirklichen ließe.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es in der abgelaufenen Legislaturperiode eine Reihe von Verbesserungen zum Schutz der Volksgruppen und für die Volksgruppen gegeben hat, angefangen vom Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, das in diesem Jahr ratifiziert wurde und mit 1. Februar 1998 in Kraft getreten ist, bis hin zu den Förderungen, die durch das Privatradiogesetz geschaffen wurden, nämlich die Möglichkeit, die Volksgruppen – ich denke da an "Radio Korotan" und auch an "Radio Mora" – zur Pflege ihrer Kultur, zur Pflege ihrer Sprache haben. Ich halte das für eine sehr gute Sache.

Ich möchte noch einmal – auch von dieser Stelle aus – bekräftigen, daß ich mir die Ratifikation der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen wünsche. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es gelänge – ich weiß wohl, daß das nicht der allgemeine Wunsch der österreichischen Volksgruppen ist, aber doch der des größten Teils –, daß es zu einer gesamtösterreichischen Konferenz der Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte kommt, so wie sie im vorigen Jahr getagt hat. Ich glaube, daß ein institutionalisiertes Gremium als Ansprechpartner für Volksgruppenfragen deshalb sehr wichtig wäre, weil es auch die Möglichkeit schaffen würde, Volksgruppenfragen differenziert vom unterschiedlichen Standpunkt der Volksgruppen aus zu betrachten, und auch deshalb, weil Volksgruppenfragen nicht frei von partei- und machtpolitischen Interessen und Kalkülen sind. Daher meine ich, daß diese Beiräte gestärkt werden müßten und daß dieses Gremium gestärkt gehörte.

Abschließend sei noch gesagt, daß auch die Förderungspolitik des Bundes in den letzten Jahren eine beachtliche war. Es ist in der letzten Dekade gelungen, die Volksgruppenförderung von 4,5 auf über 50 Millionen Schilling anzuheben – das zweisprachige Schulwesen noch nicht eingerechnet. Es ist also in diesem Zusammenhang schon einiges passiert.

Ich glaube, daß wir da auf einem guten Weg sind. Aber wie gesagt: Die Garantie der Grundrechte der Volksgruppen hätten wir lieber im Artikel 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920 in der Fassung von 1929 verankert und nicht im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.18

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Diskussion gibt es ja nicht zum erstenmal, sondern wir erlebten in diesem Hohen Haus ja schon sehr viele Debatten über Volksgruppenfragen beziehungsweise Fragen über ethnische Minderheiten.

Es gibt diesbezüglich verschiedene Forderungen. Ich nenne jetzt nur einmal die Forderung einer Staatszielbestimmung der Volksgruppenbeiräte, die in einem Memorandum an die österreichische Bundesregierung formuliert wurde. Damals haben alle Parlamentsparteien positive Signale gegeben. Ich nenne auch den Antrag der Grünen aus dem Jahre 1997 betreffend die Einführung einer Staatszielbestimmung. Bereits im April 1997 erfolgte darüber eine erste Lesung. Damals hat unser Klubobmann Khol in seinem Debattenbeitrag gesagt, die Gespräche im Ausschuß könnten beginnen.

Eine weitere Debatte in diesem Zusammenhang führten wir betreffend ein Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung im Februar 1998. Herr Kollege Smolle! Ich sehe daher diese Diskussion durchaus positiv, weil wir damit die Möglichkeit erhalten, die Leistungen der autochthonen Volksgruppen, die stets zu Österreich gehalten und auch wesentlich zur Kultur dieses Landes beigetragen haben, zu würdigen.

Ihr Antrag geht meiner Meinung nach noch weit über das angestrebte Ziel der Staatszielbestimmung hinaus. Das Staatsgrundgesetz ist ja keine Materie, die man täglich ändert, sondern eine, die man wirklich ganz genau "abklopfen" muß. Ich meine, daß eine derartige Gesetzesänderung aus formalrechtlicher Sicht auch sehr umstritten sein könnte – sie ist es auch juristisch gesehen –, weil eine Verfassungsgesetzesänderung bestehende Rechtsnormen konterkarieren könnte.

Stichwort Staatsvertrag: Ich meine, daß man daran auf keinen Fall rütteln sollte. Inhaltlich gibt es ja sehr viele gesetzliche Normen und Bestimmungen. Ich denke da nicht nur an den Staatsvertrag, sondern auch an die Schulgesetze. Bei uns im Burgenland ist es gang und gäbe, daß nicht nur beschlossen, sondern auch durchgeführt wird.

Ich sehe da auch einige Probleme. Sie haben, Herr Abgeordneter Smolle, das selbst betont, als Sie gemeint haben: Natürlich sagt nicht jede Volksgruppe ja zu diesem Vorschlag! Ich glaube, daß man eine derart wichtige Gesetzesänderung nicht über einen Kamm scheren sollte – das ist meiner Meinung nach ein Problem; das ist der kleine Unterschied zu Ihrer Auffassung –, daß man das wirklich behutsam diskutieren sollte.

Es helfen da keine gesetzlichen Normen – ich erlebe das sehr oft hier im Parlament –, wenn nicht im Denken und im Handeln der Menschen untereinander ein Reifungsprozeß in Richtung mehr Toleranz gelingt. Das sage ich bewußt als Burgenländer, wo verschiedene Sprachen gesprochen werden, wo sich Kulturen und Religionen sehr harmonisch einfügen und wir nicht nebeneinander sondern miteinander leben. – Darauf bin ich sehr stolz. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun auf einige Beispiele eingehen, die zu erwähnen mir in der Argumentation ganz wichtig ist.

Das Minderheitenschulgesetz für das Burgenland ist, so glaube ich, beispielgebend: Zweisprachiger Unterricht – entweder Kroatisch oder Ungarisch, je nach Siedlungsgebiet, zusätzlich zu Deutsch – ist in allen vier Schulstufen der Volksschulen abgesichert. Sogar in den übrigen Gebieten gibt es die Möglichkeit dieses zweisprachigen Unterrichts.

Erwähnenswert ist gerade im Fall Burgenland, daß erstmals auch die Roma im Gesetz Berück-sichtigung gefunden haben. Bemerkenswert ist auch – und das sage ich ganz stolz; und auch das ist meiner Meinung nach der ÖVP zuzuschreiben –, daß wir in Oberwart ein mehrsprachiges Gymnasium errichten konnten. Und es funktioniert bestens. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiteres Beispiel: Wir haben im Burgenland ein modernes Kindergartengesetz, welches die zweisprachige Betreuung regelt, nämlich die Betreuung durch ausgebildete zweisprachige Kindergärtnerinnen. Sie funktioniert – außer in einigen Gemeinden. Aber da kann man sich anschauen, wohin sie politisch gehören. Sie gehören auf keinen Fall zu den ÖVP-dominierten Gemeinden. Das möchte ich betonen.

Neu ist das Gesetz über die Anstellungserfordernisse von Kindergärtnerinnen. Das zeigt, daß wir im Burgenland nicht nur sehr viel geredet, sondern auch gehandelt haben.

Das letzte Beispiel betrifft das Lokalradio, das demnächst im Burgenland auf Sendung gehen wird. Im "Radio Mora" werden die Volksgruppen entsprechende Berücksichtigung finden. Ich hoffe, es wird mit 11. November, zu unserem Landesfeiertag, auf Sendung gehen.

Ich möchte noch einmal bewußt unterstreichen: Es geht unserer Meinung nach um eine Bewußtseinsänderung und nicht um eine Verordnung von oben durch Änderung eines Verfassungsgesetzes. Ich weiß schon, warum Sie das wollen. Sie wollen das wohl deshalb, weil das einklagbar ist und weil damit verschiedene rechtliche Konsequenzen verbunden sind. Aber so kann man meiner Meinung nach Volksgruppenpolitik nicht betreiben.

Der einzige Wermutstropfen, den es in bezug auf das Burgenland gibt – das möchte ich schon sagen –, betrifft die zweisprachigen Ortstafelaufschriften. Sie wurden immer wieder gefordert, zuletzt heute vom Kroatischen Akademikerklub Wien. Da gibt es anscheinend Probleme von seiten der SPÖ; das muß ich sagen. Wir haben immer ja zu zweisprachigen Ortstafeln gesagt. Hingegen gibt es vom Kollegen Prior von der SPÖ dazu eine ganz andere Meinung. Aber das ist der ganz feine Unterschied!

Daher sollten wir diesen Antrag in der ersten Lesung genau unter die Lupe nehmen, bevor wir voreilig etwas beschließen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keine Veranlassung zu Änderungen, weil die derzeit vorhandenen rechtlichen Grundlagen ausreichen. In diesem Zusammenhang darf ich eine unverdächtige Zeugin zitieren.

Zitat: "Der Staatsvertrag ist nach wie vor die zentrale Rechtsquelle der Volksgruppen. An seine Position als völkerrechtlich abgesichertes Verfassungsrecht kommt derzeit kein anderes Gesetz heran."

Diese Aussage stammt nicht von einer Abgeordneten der SPÖ oder der ÖVP, sondern von einer prominenten Abgeordneten der Grünen, nämlich von Terezija Stoisits. Wir sollten dabei bleiben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.25

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurden von den Vorrednern einige Motivationen genannt, warum man dieser Gesetzesvorlage in weiterer Folge zustimmen sollte. Eine Motivation hat Kollege Smolle selbst genannt, nämlich die, um ihm ein Geschenk zu machen. (Zwischenruf des Abg. Smolle.) Es gibt viele Motivationen, hier im Hohen Hause ein Gesetz zu beschließen, aber das wäre die allerschlechteste Motivation. Das sage ich nur der Vollständigkeit halber. Aber das nur am Rande; nun zum Ernst!

Sie sagen selbst, daß man die zersplitterte Verfassungsrechtslage durch eine einheitliche Regelung ersetzen sollte. Aber genau das ist es, was meines Erachtens mit dieser Vorlage nicht erreicht werden kann. Dadurch wird die zersplitterte Verfassungsrechtslage in der Volksgruppenproblematik überhaupt nicht beseitigt, weil Sie im Gegenzug keine Änderungen in den anderen Bestimmungen vornehmen oder etwas streichen, sondern lediglich etwas Zusätzliches schaffen wollen. In diesem Zusammenhang ist schon gesagt worden, daß das verfassungsrechtlich sogar mit dem Staatsgrundgesetz nicht möglich wäre.

Ich glaube auch, daß es der falsche Weg ist, das Ganze über das Staatsgrundgesetz zu regeln. Es freut mich, zu hören, daß die SPÖ, offensichtlich beseelt durch ihre eigene Programmdiskussion, das Programm der Freiheitlichen verinnerlicht hat und in bezug auf die Volksgruppen eine Staatszielbestimmung im B-VG selbst festschreiben will. Das ist an sich eine freiheitliche Idee, die gut ist. Ein Bekenntnis soll festgeschrieben werden, anstatt durch die Hintertüre über eine Änderung des Staatsgrundgesetzes die Verfassung noch mehr zu beladen.

Aber eines muß ich hier unumwunden sagen: Was mich an der Rede des Kollegen Smolle beeindruckt hat, ist der Umstand, daß er uns in Wirklichkeit – und jetzt knüpfe ich auch an die heutige Nachmittagsdebatte an – in bezug auf die Vorgangsweise recht gegeben hat. Da drängt sich mir allerdings die Frage auf, warum die Grünen und auch die Liberalen bei unserem Antrag am Nachmittag nicht mitgestimmt haben. Sie haben heute implizit zugestanden, daß Nachbarländer Forderungen – Sie haben es so genannt – abtrotzen können. Ich habe mir die paar Worte aufgeschrieben, die da lauteten: "Forderungen der Nachbarländer, die uns abgetrotzt wurden". Das würde umgelegt bedeuten, daß es durchaus Sinn macht, wenn ein Nachbarland entsprechend klar und hart vorgeht – auch in der Frage der Sudetendeutschen.

Damit komme ich wieder auf den Nachmittag zurück: Das ist ja genau unser Weg gewesen! Es ist also auch Ihrer Meinung nach ein zulässiges Mittel der Politik, aber heute haben Sie dem Ihre Zustimmung verwehrt.

Sie selbst haben gesagt, Verträge müsse man sich nicht immer abtrotzen lassen. In Ordnung! Wir in Österreich sind ja schon um Meilensteine weiter als viele unserer Nachbarländer. Diese befinden sich heute, am Ende des zweiten Jahrtausends, in einer Phase, in der man Ihnen noch etwas abtrotzen muß – gerade in diesen Fragen!

Wir sind schon so weit, daß wir sehr viele und gute Regelungen selbst gerne beschlossen haben, meist sogar mit Einstimmigkeit dieses Hauses – gerade in der Volksgruppenfrage ist das sehr oft der Fall gewesen –, aber unsere Nachbarländer sind offensichtlich noch nicht so weit.

Die heutigen Aussagen haben mich in meiner Meinung bestärkt, daß bei den Liberalen beziehungsweise beim Kollegen Smolle in dieser Frage doch ein Umdenken stattfindet. Man sieht, daß diese erste Lesung Sinn gemacht hat, und im Ausschuß werden wir uns darüber noch ein bisserl mehr unterhalten.

Wir halten in diesem Zusammenhang den Weg über das Staatsgrundgesetz nicht für den richtigen Weg, auch nicht für den formaljuristisch richtigen Weg, aber man kann und soll über alles reden, vielleicht kommen wir im Ausschuß auf eine gute, gescheite Idee.

Andererseits werden wir Ihre Argumente, die Sie in der Frage der Implantierung von Volksgruppenrechten in Österreich verwenden, vehementest auch in bezug auf unsere Nachbarländer einfordern, damit dort ebenfalls Volksgruppenrechte und Menschenrechte implantiert werden, auch wenn wir sie abtrotzen müssen. – Das war eigentlich mein Redebeitrag für den heutigen Tag. Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.29

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die erste Lesung hat zumindest erbracht, daß – was wir auch damit bezweckt haben – grundsätzlich das Problem auf dem Tisch ist, bevor in den Ausschußberatungen Einzelheiten besprochen werden. Ich kann namens meiner Fraktion sagen, daß für uns das inhaltliche Anliegen, das hier in der Gestalt einer Anpassung des Staatsgrundgesetzes vorgelegt wurde, im Vordergrund steht. Wenn manche meinen, daß diese Bestimmung besser im Rahmen des Artikels 8 B-VG aufgehoben wäre, dann kann ich sagen: Das wird nicht der springende Punkt sein, vielmehr geht es um die Philosophie und die inhaltlichen Fragen!

Weil manche Redner hier – auch Kollege Steindl – die aktuelle Situation, die teilweise auch Rechtslage ist, so positiv geschildert und sich um den Staatsvertrag Sorgen gemacht haben, möchte ich ausdrücklich festhalten: Im Initiativantrag des Liberalen Forums wird in einem Artikel 2 auf den Staatsvertrag ausdrücklich Bezug genommen. Es hat aber der Staatsvertrag, der für uns natürlich eine wesentliche Urkunde ist, sozusagen auch eine Schattenseite, denn ohne diesen Staatsvertrag gäbe es für die slowenische und kroatische Volksgruppe nicht einmal eine Schutznorm, weil völkerrechtlich abgesichert, im Verfassungsrang. Es ist genau genommen eine Schande, daß wir uns seit 1955 ausschließlich auf diese uns in Vertragsform aufgetragene Verpflichtung stützen müssen und keine adäquate Verfassungsnorm im innerstaatlichen Recht haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Insofern ist es mir auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß mir eine Staatszielbestimmung allein zuwenig wäre. Ich würde mich über eine Staatszielbestimmung freuen, dagegen hätte ich gar keinen Einwand, aber sie ist meiner Meinung nach für sich genommen zuwenig, weil es ihr an normativer Kraft mangelt. Ich meine aber, daß es einer Verfassungsbestimmung mit normativer Schutzwirkung bedarf, damit die dann darunter anzuordnenden einfachgesetzlichen Regelungen auf ihre Stimmigkeit im Hinblick auf die Verfassungsnorm geprüft werden können, damit manches, was heute zwar gesetzlich eingeräumt, aber verfassungsrechtlich nicht abgesichert ist, nicht mehr der beliebigen Dispositionsfreiheit irgendwelcher Mehrheiten in den Parlamenten ausgesetzt ist, weil es dann unter Verfassungsschutz stünde.

Dann könnten wir unter Umständen zum Beispiel auch zu Volksgruppenbeiräten finden, die nicht auf Gedeih und Verderb auf die Gnade des Bundeskanzlers angewiesen wären, weil nur er die Beiräte ernennt und keine demokratische Mitwirkung der Volksgruppen selbst vorgesehen ist. Wir hätten dann erstmals in dieser Republik, Herr Kollege Steindl, auch einen verfassungsmäßigen Schutz nicht nur – wenngleich es mich freut, daß es diesen gibt – für die Slowenen und für die Kroaten, sondern auch für die Tschechen, für die Slowaken, für die Ungarn und auch für die Roma und Sinti auf Verfassungsniveau. Ich meine, daß es sehr wohl der Mühe wert wäre, diese Materie im Verfassungsausschuß gründlich zu diskutieren!

Ich weise noch einmal darauf hin, daß der Zweite Präsident dieses Hauses, Dr. Neisser, in verfassungsrechtlichen Fragen nicht irgend jemand ist, sondern jemand, auf den man sowohl aufgrund seiner politischen Erfahrung als auch aufgrund seiner wissenschaftlichen Autorität hören sollte. Ich hoffe, daß die Beratungen im Ausschuß konstruktiv sein werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

21.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Restredezeit ihres Klubs: 14 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grόne): Poštovane dame i gospodo! Dobar večer! Herr Prδsident! Geschδtzte Damen und Herren! άber Volksgruppenpolitik zu reden, macht nicht nur spät am Abend Sinn, sondern macht immer Sinn. Ich bin Kollegen Smolle und auch meinem Kollegen Wabl, der Mitantragsteller ist, sehr dankbar, daß sie sich die große Mühe gemacht haben, dem Nationalrat einen so umfangreichen Initiativantrag vorzulegen, wenngleich ich nicht mit allen Aspekten, die darin enthalten sind, übereinstimme. Ich teile zwar die Intention, meine aber, daß das nicht die wirklich optimale Stoßrichtung für die verfassungsgesetzliche Absicherung von Rechten der Minderheiten ist. Wir – also Karel Smolle und ich – sind diesbezüglich schon lange Zeit in einem Dialog.

Bemerkenswert ist für mich der Umstand, daß für die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Antrag wahrscheinlich noch nicht so intensiv studiert haben wie Kollege Posch und Kollege Steindl, vermutlich der interessanteste Aspekt an diesem Antrag der ist, daß er die Möglichkeit einer Verbandsklage für repräsentative Vereine der österreichischen Volksgruppen vorsieht. Das ist doch eine Möglichkeit, die dem österreichischen Rechtssystem überhaupt nicht fremd ist. Wir kennen das etwa vom Konsumentenschutz her oder aus arbeitsrechtlichen Bereichen. Dadurch wird die Durchsetzung von Minderheitenrechten im engeren Sinn ermöglicht und vereinfacht und vor allem für den einzelnen vielfach überhaupt erst faßbar und durchsetzbar gemacht.

Diesen Ansatzpunkt halte auch ich zwar für wesentlich und wichtig, aber nach meinem Dafürhalten müssen Minderheitenpolitik und Minderheitenschutz darüber hinausgehen. Ein modernes Verständnis von Mehrsprachigkeit und von der Umsetzung kultureller Vielfalt darf nicht so eng gesehen werden. Man darf es nicht bei defensiven Schutzbestimmungen für Gruppen, die die Mehrheit als Außenseitergruppen betrachtet, bewenden lassen, denn sprachliche und kulturelle Vielfalt sind Anliegen, die die Mehrheit angehen und die die Mehrheit auch zum Ausdruck bringen muß.

Die Grünen haben – noch bevor Karel Smolle in dieser Legislaturperiode Abgeordneter wurde – in Form eines Antrages einen Vorstoß in dieser Richtung getan. Kollege Posch und auch Kollege Steindl haben ihn beide positiv erwähnt. Dieser Antrag wurde am 20. März 1997 im Nationalrat eingebracht und dem Verfassungsausschuß zugewiesen, und alle Redner haben in der ersten Lesung gesagt, daß all das, was darin steht, schwer in Ordnung sei und nur die eine oder andere Formulierung noch anders gestaltet werden könnte. Geschehen ist jedoch nichts! Und verantwortlich dafür, daß diesbezüglich nichts geschehen ist, sind – das ist leicht herauszufinden – die zwei "K"s des Parlaments, Khol und Kostelka, denn sie blockieren.

Herr Dr. Kostelka, Sie sind Vorsitzender des Verfassungsausschusses, und daher frage ich Sie – und seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich das gerade Sie frage, aber Sie sind doch derjenige, der immer darauf pocht, ein ausgeprägtes Demokratieverständnis zu haben –: Warum werden Oppositionsanträge, die inhaltlich von allen Kollegen, ausgenommen von jenen der Freiheitlichen, lobend erwähnt werden und auch den Intentionen der Politik entsprechen – ich meine jetzt insbesondere den Antrag der Grünen und den gemeinsamen Antrag von Smolle und Wabl, die sich zu einem Paket abrunden lassen – in dieser Weise ignoriert und nicht behandelt?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber es ist noch nicht aller Tage Abend, und es ist auch noch nicht "Abend" dieser Legislaturperiode, deshalb nehme ich den heutigen Abend zum Anlaß, Herrn Dr. Kostelka, assistiert durch Herrn Dr. Khol, zu bitten, das auch insofern ernst zu nehmen, als wir uns in einem ausgewählten und mit interessierten Abgeordneten besetzten Ausschuß – vielleicht auch Unterausschuß – mit diesen Fragen beschäftigen sollten, zumal es von seiten der österreichischen Volksgruppenorganisationen den übereinstimmenden Wunsch gibt, daß das geschehen sollte, ausgedrückt im Memorandum der österreichischen Volksgruppen, das vor inzwischen bereits fast eineinhalb Jahren der Regierung und dem Nationalrat überreicht wurde. Ich bitte Sie: Gehen Sie ein bißchen in sich und reden Sie nicht nur vom Minderheitenschutz, sondern tun Sie auch etwas dafür! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Den Antrag 826/A weise ich dem Verfassungsausschuß zu.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren.

Dieser Antrag wurde mittlerweile an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Barmüller und weiterer Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing sowie zur Überprüfung aller österreichischen Bergbehörden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in den letzten zehn Jahren wird ein Untersuchungsausschuß gemäß § 33 Abs. 1 GOG eingesetzt.

Die Zusammensetzung des Ausschusses lautet: SPÖ: 6, ÖVP: 5, FPÖ: 4, Liberales Forum: 1, Grüne: 1.

Gegenstand der Untersuchung:

1. Überprüfung des Niveaus der Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken sowie Vergleich mit dem Stand der Technik in anderen EU- und OECD-Ländern;

2. Klärung aller Umstände, die zum ersten Wasser- und Schlammeinbruch am 17. Juli 1998 um 11.45 Uhr und zur Verschüttung des Bergmannes Georg Hainzl geführt oder auch nur beigetragen haben;

3. Überprüfung aller Umstände, die zur Verschüttung von zehn weiteren Bergleuten am 17. Juli 1998 um zirka 22.00 Uhr geführt haben;

4. Überprüfung aller Maßnahmen im Zusammenhang mit den Rettungsversuchen ab dem Schlamm- und Wassereinbruch am 17. Juli 1998 um zirka 22.00 Uhr;

5. Überprüfung aller österreichischen Berghauptmannschaften und der Obersten Bergbehörde im Hinblick auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Kontrollpflichten in den letzten zehn Jahren;

6. Prüfung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten hinsichtlich der Festlegung der neuesten Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Durchführung einer Debatte wurde weder beschlossen noch verlangt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den soeben genannten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Wer sich dafür aussprechen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 890/A bis 908/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4950/J bis 4987/J eingelangt.

Schließlich ist die Anfrage 39/JPR der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, 8. September 1998, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.40 Uhr