Stenographisches Protokoll

180. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 14. Juli 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

180. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 14. Juli 1999

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 14. Juli 1999: 9.00 – 22.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird

2. Punkt: Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird

4. Punkt: Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz und

Bericht über die Petition (PET-42) "Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege", überreicht von den Abgeordneten Sophie Bauer, Josef Edler, Heinz Gradwohl, Franz Hums, Dr. Günther Kräuter, Ludmilla Parfuss und Heidrun Silhavy

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1132/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999),

über den Entschließungsantrag 1119/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs,

über den Entschließungsantrag 325/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Vorlage eines Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes,

über den Entschließungsantrag 932/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs,

über den Entschließungsantrag 248/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs,

über den Entschließungsantrag 276/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend finanzielle Absicherung des öffentlichen Personennahverkehrs durch ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz auch nach Streichung von Geldern aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und

über den Entschließungsantrag 1069/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1118/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftliniengesetz – KflG)

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 934/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Hebung der Verkehrssicherheit für FußgängerInnen,

über den Entschließungsantrag 949/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Verlängerung des Wochenendfahrverbotes für LKW,

über den Entschließungsantrag 1029/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Verbesserung der Sicherheit von Reisebussen und

über den Entschließungsantrag 1101/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend nationales Verkehrssicherheitsprogramm "Sicherheit 2000"

8. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 956/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Forschungsoffensive und Informationspflicht im Bereich der GSM-Basisstationen

9. Punkt: Änderung des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Dritten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Genf am 22. September 1995; Änderung und Annahme von Anlagen des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Vierten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Kuching, Malaysia, 23. bis 27. Februar 1998

10. Punkt: Fernabsatz-Gesetz

11. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Hemmung des Fristenablaufs durch den 31. Dezember 1999

12. Punkt: Signaturgesetz – SigG

13. Punkt: Aktienrückerwerbsgesetz (AReG)

14. Punkt: Übereinkommen auf Grund von Artikel K. 3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, samt Erklärungen der Republik Österreich

15. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 1070/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderung 13

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5669/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 29

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 102

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 102

Dr. Günther Kräuter 104

Hermann Kröll 106

Mag. Dr. Udo Grollitsch 107

Mag. Thomas Barmüller 108

Dr. Gabriela Moser 109

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 111

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5908/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 29

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 112

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 113

Helmut Dietachmayr 115

Dr. Günther Leiner 116

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 117

Theresia Haidlmayr 119

Karl Smolle 120

Bundesministerin Eleonora Hostasch 121

Antrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1123/A (E) betreffend Gesundheitsreform gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 15. Juli 1999 zu setzen 29

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 210

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung 29

Antrag der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen, die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 2083 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung an den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung rückzuverweisen – Ablehnung 32, 60

Antrag der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorgänge rund um die öffentlichen Aufträge und Förderungen für die "Euroteam-Gruppe" gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 201

Bekanntgabe 51

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 51

Redner:

Reinhart Gaugg 202

Otmar Brix 204

Paul Kiss 205

Mag. Herbert Haupt 207

Mag. Thomas Barmüller 208

Karl Öllinger 208

Ablehnung des Antrages 210

Unterbrechung der Sitzung 102

Fragestunde (39.)

Justiz 13

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (262/M); Mag. Terezija Stoisits, Dr. Elisabeth Hlavac, Maria Schaffenrath, Edith Haller

Dr. Harald Ofner (267/M); Walter Murauer, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Dr. Heide Schmidt, Otto Pendl

Mag. Dr. Heide Schmidt (280/M); Mag. Johann Maier, Dr. Brigitte Povysil, Rosemarie Bauer, Mag. Terezija Stoisits

Mag. Terezija Stoisits (264/M); Mag. Thomas Barmüller, Mag. Gisela Wurm, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

Dr. Johannes Jarolim (266/M); Dr. Liane Höbinger-Lehrer, Mag. Helmut Kukacka, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Dr. Heide Schmidt

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (263/M); Mag. Helmut Peter, Dr. Ilse Mertel, Dr. Martin Graf

Dr. Michael Krüger (279/M); Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Dr. Heide Schmidt

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1997 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (2083 d. B.) 30

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1914 d. B.): Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) (2084 d. B.) 30

Redner:

Dr. Martin Graf 30

DDr. Erwin Niederwieser 32

Dr. Martina Gredler 34

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 38

DDr. Erwin Niederwieser (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 39

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 39

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 41

Mag. Walter Posch 44

MMag. Dr. Willi Brauneder 45

Bundesminister Dr. Caspar Einem 47

Dr. Gertrude Brinek 49

Klara Motter 52

Dr. Robert Rada 53

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 54

Werner Amon 56

Mag. Dr. Udo Grollitsch 57

Sonja Ablinger 58

Dr. Michael Krüger 59

Annahme der Gesetzentwürfe in 2083 und 2084 d. B. 60

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Optionenbericht zur Neustrukturierung des postsekundären Ausbildungsbereichs – Ablehnung 36, 61

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1973 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird (2085 d. B.) 62

Redner:

Mag. Herbert Haupt 62

Dr. Elisabeth Pittermann 66

Klara Motter 67

Dr. Günther Leiner 68

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 69

Mag. Dr. Udo Grollitsch 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 2085 d. B. 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Erlassung von überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zum Tierversuchsgesetz 1988 – Ablehnung 72, 73

4. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1835 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957, das Bundesbahngesetz 1992 und das Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesetz geändert werden (Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz), und

über die Petition (PET-42) "Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege", überreicht von den Abgeordneten Sophie Bauer, Josef Edler, Heinz Gradwohl, Franz Hums, Dr. Günther Kräuter, Ludmilla Parfuss und Heidrun Silhavy (2045 d. B.) 74

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 74

Robert Sigl 76

Mag. Thomas Barmüller 77

Mag. Helmut Kukacka 79

Dr. Gabriela Moser 81

Bundesminister Dr. Caspar Einem 83

Kurt Wallner 83

Reinhart Gaugg 85

Rudolf Parnigoni 86

Franz Lafer 87

Hermann Mentil 88

Annahme des Gesetzentwurfes in 2045 d. B. 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Rettung der Bahn in Österreich – Ablehnung 76, 90

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1132/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999),

über den Entschließungsantrag 1119/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs,

über den Entschließungsantrag 325/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Vorlage eines Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes,

über den Entschließungsantrag 932/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs,

über den Entschließungsantrag 248/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs,

über den Entschließungsantrag 276/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend finanzielle Absicherung des öffentlichen Personennahverkehrs durch ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz auch nach Streichung von Geldern aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und

über den Entschließungsantrag 1069/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr (2046 d. B.) 90

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1118/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) (2047 d. B.) 90

Berichterstatter: Johann Kurzbauer 90

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 91

Rudolf Parnigoni 93

Mag. Thomas Barmüller 94

Mag. Helmut Kukacka 96

Dr. Gabriela Moser 98

Bundesminister Dr. Caspar Einem 101, 135

Winfried Seidinger 123

Anton Blünegger 125

Johann Kurzbauer 127

Theresia Haidlmayr 128

Josef Edler 131

Mag. Helmut Peter 132

Helmut Dietachmayr 134

Annahme der Gesetzentwürfe in 2046 und 2047 d. B. 136

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 2046 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einführung eines Schülerverbundtarifes mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 (E 205) 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Blünegger und Genossen betreffend ÖBB-Seniorenermäßigung – Ablehnung 126, 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs – Annahme (E 206) 128, 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr – Ablehnung 130, 137

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs – Ablehnung 130, 137

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 934/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Hebung der Verkehrssicherheit für FußgängerInnen,

über den Entschließungsantrag 949/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Verlängerung des Wochenendfahrverbotes für LKW,

über den Entschließungsantrag 1029/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Verbesserung der Sicherheit von Reisebussen und

über den Entschließungsantrag 1101/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend nationales Verkehrssicherheitsprogramm "Sicherheit 2000" (2048 d. B.) 138

8. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 956/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Forschungsoffensive und Informationspflicht im Bereich der GSM-Basisstationen (2049 d. B.) 138

Redner:

Franz Lafer 138

Gabriele Binder 140

Mag. Thomas Barmüller 141

Ing. Leopold Maderthaner 143

Dr. Gabriela Moser 144, 152

Brigitte Tegischer 146

Dr. Susanne Preisinger 148

Georg Schwarzenberger 149

Helmut Haigermoser 150

Karlheinz Kopf 151

Hans Sevignani 152

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 2048 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Weiterbehandlung der Anträge 934/A (E), 949/A (E), 1029/A (E) und 1101/A (E) in einer Expertenarbeitsgruppe des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr (E 207) 155

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 2049 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Messungen der tatsächlichen elektronischen Strahlenbelastungen im Frequenzbereich des GSM (E 208) 155

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Kennzeichnung von Mobiltelefonen hinsichtlich der Strahlungsintensität sowie Information der betroffenen Bevölkerung über geplante Netzausbaumaßnahmen – Ablehnung 139, 155

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Informationen über GSM-Basisstationen – Ablehnung 154, 155

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1751 d. B.): Änderung des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Dritten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Genf am 22. September 1995; Änderung und Annahme von Anlagen des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Vierten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Kuching, Malaysia, 23. bis 27. Februar 1998 (2082 d. B.) 155

Redner:

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 155

Johannes Zweytick 156

Mag. Karl Schweitzer 157

Mag. Thomas Barmüller 158

Ing. Monika Langthaler 159

Anton Heinzl 160

Ing. Wolfgang Nußbaumer 161

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 162

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 164

Genehmigung des Staatsvertrages in 2082 d. B. 166

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 166

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1998 d. B.): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Vertragsabschluß im Fernabsatz in das Konsumentenschutzgesetz eingefügt und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 sowie das Produkthaftungsgesetz geändert werden (Fernabsatz-Gesetz) (2062 d. B.) 166

11. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Hemmung des Fristenablaufs durch den 31. Dezember 1999 (2063 d. B.) 166

12. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1999 d. B.): Bundesgesetz über elektronische Signaturen (Signaturgesetz – SigG) (2065 d. B.) 166

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 166

Dr. Johannes Jarolim 168

Dkfm. Holger Bauer 169

Mag. Thomas Barmüller 170

Mag. Terezija Stoisits 171

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 172, 179

Josef Schrefel 174

Anna Huber 174

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 175

Dr. Michael Krüger 176

Mag. Dr. Josef Trinkl 178

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) 179

Otto Pendl 180

Annahme der Gesetzentwürfe in 2062, 2063 und 2065 d. B. 180

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1902 d. B.): Bundesgesetz über Änderungen des Aktiengesetzes, des Handelsgesetzbuchs und des Börsegesetzes zur Erleichterung des Rückerwerbs eigener Aktien – Aktienrückerwerbsgesetz (AReG) (2066 d. B.) 181

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1763 d. B.): Übereinkommen auf Grund von Artikel K. 3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, samt Erklärungen der Republik Österreich (2068 d. B.) 181

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 1070/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht (2069 d. B.) 181

Redner:

Dr. Harald Ofner 181, 200

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 183

Dr. Michael Krüger 183

Dr. Johannes Jarolim 184

Wolfgang Jung 186

Mag. Thomas Barmüller 187, 198

Mag. Terezija Stoisits 189

Werner Amon 189

Dr. Helga Konrad 190

Andreas Wabl 191

Herbert Scheibner 194

Mag. Helmut Kukacka 195

Anton Heinzl 197

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 199

Annahme des Gesetzentwurfes in 2066 d. B. 200

Genehmigung des Staatsvertrages in 2068 d. B. 200

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 200

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 200

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 2069 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht (E 209) 201

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Werner Amon, Dr. Volker Kier, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend internationale Kampagne zur Aussetzung der Todesstrafe – Annahme (E 210) 190, 201

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Stabilität des Euro (6598/J)

Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Kreditkartenbetrug (6599/J)

Dkfm. Dr. Günter Puttinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Liberalisierung des österreichischen Schienenverkehrs (6600/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Operation Spring" (6601/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Schwanzverletzungen beim österreichischen Bundesheer (6602/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Notdurftverrichtung im militärischen Sperrgebiet Allentsteig (6603/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Donaufische (6604/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Donaufische (6605/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Großrazzia am 27.5.1999 gegen Drogendealer (6606/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltsrecht für Angehörige der Schweizer Staatsbürger (6607/J)

Hans Sevignani und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend den Erwerb einer ÖBB-Vorteilscard für Personen mit einer mindestens siebzigprozentigen Behinderung, um Fahrpreisermäßigungen in Anspruch nehmen zu können (6608/J)

Hans Sevignani und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den Erwerb einer ÖBB-Vorteilscard für Personen mit einer mindestens siebzigprozentigen Behinderung, um Fahrpreisermäßigungen in Anspruch nehmen zu können (6609/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorträge des kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes (6610/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erlaß zum Gefahrengutbeförderungsgesetz (GGBG) (6611/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Erlaß zum Gefahrengutbeförderungsgesetz (GGBG) (6612/J)

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verkehrssicherheit (6613/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Verletzung der Rechtsvorschriften über militärische Sperrgebiete (6614/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Hubschrauber-Landeplatz auf dem TÜPL Allentsteig (6615/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend verkehrspolitische Isolierung der Stadt Allentsteig (6616/J)

Sonja Ablinger und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Finanzierung von Begleitpersonen für den SchülerInnentransport von behinderten Kindern im Gelegenheitsverkehr (6617/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Arbeitsinspektion und Bergwerksbetriebe (6618/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Weiterleitung eines inkompetenten und nicht gesetzeskonformen Berichts des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten an den Nationalrat gemäß § 13 Luftreinhaltegesetz (LRGK) (6619/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Insolvenzdatenbank des Justizministeriums (6620/J)

*****

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Tonbandaufnahmen des Euroteam-Managers Stuhlpfarrer (58/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5950/AB zu 6241/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen (5951/AB zu 6245/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen (5952/AB zu 6244/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (5953/AB zu 6283/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (5954/AB zu 6348/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ridi Steibl und Genossen (5955/AB zu 6335/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen (5956/AB zu 6217/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (5957/AB zu 6287/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Robert Rada und Genossen (5958/AB zu 6306/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (5959/AB zu 6350/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (5960/AB zu 6263/J)

 

 

 

 

 

 

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur 180. Sitzung des Nationalrates begrüßen, die ich hiermit für eröffnet erkläre.

Als verhindert gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne um 9.02 Uhr mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Frage wurde von Frau Abgeordneter Dr. Fekter eingereicht und wird nunmehr von ihr formuliert. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich frage Sie:

262/M

Was haben Sie aufgrund des an Sie gerichteten Entschließungsantrages im Zusammenhang mit der Behandlung des Frauen-Volksbegehrens zur Verbesserung der pensionsrechtlichen Absicherung geschiedener Ehegatten unternommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zur Vorbereitung des kürzlich vom Nationalrat beschlossenen Eherechtsänderungsgesetzes eingesetzte Arbeitsgruppe zur Analyse von Problemen des Scheidungs-, Scheidungsfolgen- und Scheidungsverfahrensrechts, in die alle gesellschaftlich relevanten Gruppierungen eingebunden waren, auch die Parlamentsparteien, hat sich unter anderem auch mit der Frage der pensionsrechtlichen Absicherung geschiedener Ehegatten befaßt.

Insbesondere wurde auch die Frage erörtert, ob ein Versorgungsausgleich etwa nach dem deutschen Modell für Österreich in Betracht komme. Es hat sich die Meinung durchgesetzt, daß die pensionsversicherungsrechtliche Absicherung Geschiedener sehr eng mit der allgemeinen Frage der sozialversicherungsrechtlichen Sicherung der nichtberufstätigen Ehepartner, im wesentlichen Ehefrauen, zusammenhängt. Das ist ein Thema, das zuallererst vom Sozialressort zu behandeln sein wird. Erst nach Festlegen der Richtung, in die diese Reformschritte gehen sollen, können von seiten des Justizressorts die entsprechenden Konsequenzen im Justizrecht gezogen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Können Sie sich vorstellen, Herr Minister, daß Pensionsanwartschaften genauso einen Vermögenswert darstellen wie beispielsweise Sparbücher und daß man das zivilrechtlich im Scheidungsverfahren genauso behandelt und aufteilt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das ist eine vielschichtige Problematik. Wir müssen sehen, daß das nur im Zusammenhang mit dem ehelichen Güterrecht und auch der grundsätzlichen Regelung des Scheidungsfolgenrechtes gesehen werden kann.

Im Zusammenhang mit dem ehelichen Güterrecht – da war der Vergleich mit Deutschland und anderen europäischen Ländern naheliegend – gab es die Annahme, daß dort von einer Errungenschaftsgemeinschaft ausgegangen wird: ein Modell, das von der Expertengruppe für Österreich nicht gefordert wurde. Es wäre auch eine gewisse Disparität, nur Anwartschaftszeiten aufzuteilen – das ist meine Meinung – und nicht generell die Frage des Gesamtvermögens mit zu betrachten, und zwar insofern, als doch in den gesellschaftlichen Schichten mit geringeren Einkommen die Altersversorgung im wesentlichen über die Sozialversicherung stattfindet, während sie bei Gesellschaftsschichten mit höheren Einkommen, insbesondere bei Unternehmern, im wesentlichen in anderen Bereichen gegeben ist, vor allem im Unternehmen selbst.

Ich hielte es nicht für richtig, das nicht insgesamt zu sehen, denn sonst würde der "kleine Mann" seine Altersvorsorge splitten müssen. Der Unternehmer zum Beispiel läßt das Unternehmen außerhalb der Aufteilung und trägt damit nicht zur Altersvorsorge des anderen bei. Das ist ein sehr vielschichtiges Problem, das von allen Seiten gesehen werden muß.

Ich kehre noch ganz kurz den zweiten Aspekt, der hier sehr wesentlich ist, hervor: Überall dort, wo es das Rentensplitting gibt, gibt es das verschuldensunabhängige Scheidungsfolgenrecht. Es wäre, wenn ich mich an die Diskussion hier im Hause erinnere, möglicherweise doch nicht ganz konsequent, einfach zu sagen: Grundsätzlich gilt hinsichtlich der Scheidungsfolgen das Verschuldensprinzip, aber die Rentenanwartschaft wird ohne Rücksicht auf Verschulden gesplittet. – Also es gibt eine Fülle von Problemen, die erst weiter beraten werden müssen und deren Lösung im wesentlichen davon abhängt, wie man die sozialversicherungsrechtliche Stellung der nichtberufstätigen Frau innerhalb der Ehe gestaltet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Es ist Bestand des österreichischen Rechts, daß Ehegatten eine Mitwirkungspflicht im Erwerb des anderen haben, also bei Selbständigen. Was halten Sie angesichts dieser pensionsrechtlichen Diskussion von diesem mir doch sklavenähnlich erscheinenden Relikt der österreichischen Rechtsordnung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Sie wissen, daß wir zunächst vorhatten, diese Mitwirkungspflicht unter Aufrechterhaltung der Beistandspflicht zu streichen, daß wir aber dann vor allem im Hinblick auf die gegebene Situation im Bereich der Landwirtschaft wieder davon abgekommen sind, weil ohne entsprechende Änderung in der vor allem sozialversicherungsrechtlichen und steuerabgabenrechtlichen Situation eine isolierte zivilrechtliche Lösung nicht möglich gewesen wäre.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Hlavac, bitte.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben im Zusammenhang mit dem Pensionssplitting, das ich auch für sehr problematisch halte, das Verschuldensprinzip angesprochen. Bei der letzten Reform haben wir auch einen Schritt mehr in Richtung Zerrüttungsprinzip gesetzt. Wie sehen Sie das, Herr Bundesminister? Planen Sie, wenn Sie der nächsten Bundesregierung angehören werden, weitere Schritte in diese Richtung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich meine, daß wir mit dem § 68a Ehegesetz einen Schritt gesetzt haben, der sich in der Praxis wird bewähren müssen. Es ist das ein verschuldensunabhängiger Unterhalt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.

Ich kann mir vorstellen, daß, wenn man Erfahrung mit diesem Institut hat, die Vorbehalte auf dem Weg zu einer noch weitergehenden verschuldensunabhängigen Scheidungsfolgenrechtsregelung abebben werden, insbesondere auch im Hinblick auf internationale Vergleiche. Zu Beginn dieser Woche war die Schweizer Kollegin bei mir; die Schweizer sind nunmehr auch weg vom Verschuldensprinzip hin zum Zerrüttungsprinzip und zum verschuldensunabhängigen Bedarfsanspruch nach der Scheidung gegangen. Auch diesbezüglich wird man Erfahrungen im Ausland beobachten können. Ich meine, daß das dazu beitragen wird, dieses Thema zu entkrampfen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Frau Abgeordnete Schaffenrath, bitte.

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Minister! Scheidung ist immer noch eine Armutsfalle für Frauen – und wird es nach dem neuen Scheidungsrecht leider auch bleiben. Das Eherechtsänderungsgesetz hat insbesondere auf Betreiben der ÖVP noch immer frauenfeindliche Regelungen und hält auch nach wie vor am Abhängigkeitsprinzip fest. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die pensionsversicherungsrechtlichen Folgen einer Ehescheidung waren auch der Hauptgrund, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, um die Frage!

Abgeordnete Maria Schaffenrath (fortsetzend): ... warum an der verschuldensunabhängigen Scheidung festgehalten wurde. – Ich komme schon zur Frage, Herr Präsident! – Es waren wohl politische, aber vor allem auch budgetäre und systematische Gründe ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Abgeordnete! Das widerspricht der Geschäftsordnung. Eine kurze Zusatzfrage, bitte!

Abgeordnete Maria Schaffenrath (fortsetzend): Herr Minister! Haben Sie sich persönlich und mit welchen Argumenten dafür eingesetzt, daß diesen Gründen nachhaltig entgegengearbeitet werden kann, und mit welchem Zeithorizont rechnen Sie, daß wir ein modernes Ehe- und Scheidungsrecht realisieren können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister. (Abg. Dr. Khol: Das sind zwei Fragen, Herr Präsident! – Abg. Dr. Kostelka: Drei! – Abg. Dr. Khol: Das waren vier Fragen, Herr Präsident!)

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Vor allem durch die Kappung der Vorerzählung weiß ich jetzt nicht, welche der Gründe Sie angesprochen haben. Ich meine, die Rechtsreform ist eine permanente Aufgabe der Justizpolitik. Auch da wird man entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung weiter fortschreiten müssen. Ich meine, daß das auch im Ehe- und Ehescheidungsbereich gilt, im besonderen Maße deshalb, weil das ein gesellschaftlich sehr sensibler Bereich ist, und daß daher derjenige, der die Justizpolitik bestimmt – wer auch immer das sein wird –, mit Fragen der Fortentwicklung konfrontiert sein wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Beim kürzlich beschlossenen Eherechtsänderungsgesetz wurde eine Chance vertan, und zwar diejenige, Frauen bei der Scheidung pensionsrechtlich besser abzusichern als bisher. Ich finde es sehr eigenartig, daß jetzt gerade die ÖVP dieses Thema wieder aufgreift.

Meine Frage dazu: Herr Bundesminister, wie sehen Sie aus Ihrer Sicht die Umsetzungsmöglichkeiten für den freiheitlichen Vorschlag einer besseren Pensionsabsicherung, der dahin gehend lautet, daß es ein Pensionssplitting oder auch die Wahlmöglichkeit von Beitragszahlungen geben soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Entweder – oder. Ich würde einem Modell den Vorzug geben, das schon während aufrechter Ehe die sozialversicherungsrechtliche Stellung absichert. Ob dann eine Kombination dieses Aufbaus einer eigenen pensionsrechtlichen Anwartschaft mit einem Anwartschaftssplitting bei Scheidung gefunden werden kann, ist auch eine Frage der güterrechtlichen Situation und der Aufteilung des sonstigen Vermögens.

Isoliert, wie ich schon vorhin gesagt habe, würde ich das nicht als unserem System entsprechend sehen. Es kommt darauf an, ob man bereit ist, alle Vermögenswerte in die Aufteilung hineinzunehmen; dann kann man sicher auch darüber reden. Zweitens muß man auch darüber reden, ob das unabhängig vom Verschulden sein soll oder ob das nach dem Verschuldensprinzip geht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. Damit haben wir das erste Thema erledigt.

Die zweite Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Ofner – Bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

267/M

Häftlinge wie vieler Sprachen werden derzeit in den österreichischen Justizanstalten angehalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Statistiken erfassen nicht die Anzahl der von Häftlingen gesprochenen Sprachen, wohl aber die Anzahl der Herkunftsländer der Häftlinge und die Anzahl jener Häftlinge, die keine beziehungsweise nur unzureichende Deutschkenntnisse haben.

Von den zum Stichtag 1. Feber 1999 eingesessenen 7 011 Insassen haben 1 810 – das sind 25,8 Prozent – nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen und kamen aus insgesamt 81 Staaten. Rund 850 Insassen der 7 011 – das sind etwa 12 Prozent der Gesamtinsassen – verfügen über keine beziehungsweise nur unzureichende Deutschkenntnisse.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Das deckt sich mit meinen Informationen. 81 Sprachen werden tatsächlich in den Justizanstalten gesprochen. Damit komme ich zu meiner Zusatzfrage: Wieviel kosten die Dolmetscher, die die Justiz im Jahr einsetzt? – Nach meiner Information handelt es sich um eine Summe in der Größenordnung von 200 Millionen Schilling oder ähnlich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich habe jetzt nur jene Zahlen, die ich zum letzten Mal vorbereitet hatte, als die Frage gestellt worden war, welche Dolmetschkosten an den österreichischen Gerichten im Jahr 1998 angelaufen sind. Im übrigen sind natürlich 81 Staaten nicht 81 Sprachen, weil in vielen (Abg. Dr. Ofner: Aber 81 Sprachen sagt die Justizverwaltung!) Staaten Spanisch und in einigen Deutsch gesprochen wird. Also es reduziert sich. Ich schätze: auf zwischen 40 und 50. Aber es sind genug. (Abg. Dr. Ofner: Es gibt generell andere Länder, wo mehrere Sprachen gesprochen werden!) – Ja, also gut, ich würde sagen: ungefähr die Hälfte. Aber 40 bis 50 Sprachen sind auch genug.

Mir liegen nur die Dolmetschkosten bei den Gerichten vor; das sind nicht jene, die im Vollzug sind. Dabei haben die gesamten Dolmetschkosten im Jahr 1998 nahezu 49 Millionen ausgemacht. (Abg. Dr. Ofner: Zivil- und Strafrecht zusammen?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, am Wort ist der Herr Minister!

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek (fortsetzend): Im Zivilrecht- und Strafrecht machte das knapp 40 Millionen aus, etwa 4,5 Millionen in Sozialsachen und 5 Millionen in anderen Rechtssachen. (Abg. Dr. Ofner: Danke, Herr Minister!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie funktioniert die Übernahme der Strafvollstreckung in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit? – Das Ziel ist die Reduktion der Belastung des Strafvollzuges durch Probleme mit ausländischen Strafgefangenen, natürlich die Reduktion der Kosten, aber auch die Möglichkeit der besseren Resozialisierung im Heimatstaat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Strafvollstreckung kommt im wesentlichen aus administrativen Gründen natürlich nur dann in Frage, wenn ein gewisses Ausmaß an Strafe gegeben ist. Im Jahr 1998 hat Österreich in 54 Fällen andere Staaten um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht; hingegen wurden nur 7 ausländische Ersuchen um Übernahme österreichischer Staatsbürger in den österreichischen Strafvollzug gestellt. Es ist also ein relativ kleines Kontingent, das die Strafe im Ausland oder umgekehrt – österreichische Straftäter im Ausland – im Inland verbringt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Immer wenn Wahlen sind, gibt es das Problem, daß zahlreiche Häftlinge in den Justizanstalten – in diesem Fall handelt es sich um U-Häftlinge – nicht die Möglichkeit haben, ihr demokratisches Recht, sich an Wahlen zu beteiligen, auszuüben. Werden Sie Vorsorge dafür treffen, daß das bei den diesjährigen Nationalratswahlen am 3. Oktober gewährleistet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister! Sie entscheiden, ob Sie antworten wollen, da ich keinen Zusammenhang zu der Sprachenfrage erkennen kann. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich haben wir diese Möglichkeit auch in der Vergangenheit eingeräumt. Ich werde mit meiner Strafvollzugssektion besprechen, ob das auch heuer gewährleistet ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Anschließend an die Antwort betreffend jene Menschen, die sich in Haft befinden, die Sie nach Herkunftsländern beziffert haben, habe ich folgende Frage: Haben Sie die Zahlen von jenen Ausländerinnen und Ausländern präsent, die sich einerseits in Untersuchungshaft und andererseits in Strafhaft befinden? – Mich würde aufgrund dieser Zahlen vor allem interessieren, wie Sie dieses Verhältnis Untersuchungshaft – Strafhaft beurteilen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das Verhältnis zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft beträgt zirka 25 : 75 Prozent, aber ich kann es Ihnen auch genau sagen, wenn ich es jetzt in meinen Unterlagen finde. Jedenfalls ist es gelungen, die früher sehr hohe Zahl an Untersuchungshäftlingen zu senken und auch zu konsolidieren. Richtig ist, daß natürlich im Rahmen der Untersuchungshaft der Ausländeranteil viel höher ist als ... (Abg. Dr. Schmidt: Dieses Verhältnis hat mich interessiert: Ausländer: Untersuchungshaft – Strafhaft!)

Der Ausländeranteil an allen Insassen in den österreichischen Justizanstalten liegt bei 25 Prozent, und der Ausländeranteil an den Untersuchungshäftlingen ist viel größer. Ich kann es Ihnen momentan nicht sagen, aber ich werde Ihnen die Zahlen, wenn Sie wollen, schriftlich nachreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Pendl, bitte.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister! Bei einem solch großen Anteil von ausländischen Sprachen oder nicht deutsch Sprechenden würde mich interessieren – daher frage ich Sie auch –, welche Maßnahmen getroffen wurden, damit es nicht zu Spannungsproblemen innerhalb dieser Insassen kommt. Welche organisatorischen Maßnahmen wurden getroffen, damit der ohnedies sehr schwere Dienst der Strafvollzugsbediensteten nicht noch zusätzlich erschwert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Frage des Zusammenlebens aufgrund der Ausländerprovenienz ist sicher schwierig, ebenso wie die sprachliche Verständigung unter ihnen. Man versucht – Sie wissen das besser als ich –, durch ein entsprechendes Zusammenlegen auch einen sprachlichen Kontakt unter den Häftlingen aufrechtzuerhalten. Das Problem ist sicherlich dann gegeben, wenn gar keine Sprachkenntnisse vorhanden sind. Auf der einen Seite werden Initiativen der Justizwachebeamten nach Sprachkursen durchaus gefördert, und auf der anderen Seite gibt es auch dort, wo Bedarf besteht, Unterstützungen für Sprachkurse der Häftlinge. All das ändert aber im großen und ganzen nichts daran, daß die Verständigung sicherlich in einigen Fällen auf Schwierigkeiten stoßen kann.

Ich weiß aber, daß die Justizwachebeamten diese Situation mit viel Geschick meistern und unter Zuhilfenahme aller möglichen Zwischenpersonen und sozusagen mit Händen und Füßen doch zu der erforderlichen Verständigung gelangen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Die dritte Frage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Sie haben zwar die andere Frage schon nicht wirklich beantwortet, aber ich hoffe, daß ich jetzt eine Antwort darauf bekomme.

280/M

Welche Vorkehrungen wurden in Ihrem Ministerium bezüglich des Jahr-2000-Computerproblems unternommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Zunächst darf ich auf die ausführlichen Antworten auf schriftliche Anfragen zu diesem Thema verweisen, die ich am 25. Juni und am 9. Juli gegeben habe. Zusammenfassend darf ich sagen, daß im Informationstechnikbereich alle zentralen und dezentralen Komponenten geprüft und entsprechenden Tests unterzogen werden. Wir haben für unseren Informationstechnikeinsatz kein eigenes Rechenzentrum, sondern wir sind Kunde der Bundesrechenzentrum GesmbH. Dort wird die eingesetzte Hardware und Software bereits seit längerem und laufend auf die Jahr-2000-Tauglichkeit überprüft, ebenso wie die Anwendungen im Rahmen der Justiz; das gilt auch für das Netzwerk Justiz als solches.

Die darüber hinaus eingesetzte Hard- und Software wird im Zusammenhang mit den Herstellerfirmen auf ihre Jahr-2000-Tauglichkeit getestet. Soweit in Einzelfällen Probleme auftraten, wurden Maßnahmen zur Behebung ergriffen. Unabhängig von dieser Jahr-2000-Problematik wird im Ressortbereich im Rahmen des sogenannten Redesign-Infrastruktur-Projektes der IT-Einsatz grundsätzlich überarbeitet, was Gelegenheit gegeben hat und auch weiter gibt, ältere Komponenten zu ersetzen und auch die eingesetzten Programme auf den letzten Stand zu bringen und dabei auch die Jahr-2000-Tauglichkeit sicherzustellen.

Die Infrastrukturanlagen, also Apparate, Geräte mit Computerchips, werden in Zusammenarbeit mit besonders geschulten Beamten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten überprüft. Da handelt es sich im wesentlichen um Sicherheitsanlagen, Heizungen, Lifte, Stromversorgung et cetera.

Besondere Aufmerksamkeit widmen wir hinsichtlich des Jahr-2000-Problems dem Bereich des Strafvollzuges, bei dem es insbesondere darum geht, sicherzustellen, daß die Sicherheitseinrichtungen und Versorgungseinrichtungen funktionieren. Da bestehen grundsätzlich Katastrophen-, Notfalls- und Alarmpläne, die jetzt auch im Hinblick auf diese Problematik ergänzt wurden, die sich ergeben kann, wenn, was wir eher nicht annehmen, am 1. Jänner 2000 Schwierigkeiten auftreten.

Die Vorbereitungsarbeiten für den Zustand, daß wir meinen, es sei alles überprüft, mehr könnten wir nicht tun, werden Anfang November abgeschlossen sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Haben Sie für den Fall, daß es bei Daten aus dem Firmenbuch, Grundbuch oder sonstigen EDV-Dateien, die als öffentliche Dokumente gelten, vielleicht doch zu Fehlern kommen könnte, spezielle haftungsrechtliche Vorkehrungen getroffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Grundbuchdatenbank ist nicht unsere Angelegenheit, sondern jene des Bautenministeriums, und das Firmenbuch wird von der Bundesrechenzentrum GesmbH betreut. Ich müßte mich haftungsmäßig von Bund zu Bund bewegen, denn das Bundesrechenzentrum ist zu 100 Prozent Bund und gehört zum Finanzministerium. Diese haben gegenüber ihren externen Partnern ihre vertraglichen Situationen und auch gesetzlichen Haftungssituationen. Unser Partner ist der Bund.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Wirtschaft hat bis vor kurzem immer noch Produkte verkauft, die nicht Jahr-2000-tauglich waren. Es ist damit zu rechnen, daß es zu Schadenersatz- und Haftungsprozessen kommt.

Meine Frage lautet: Wann mußte die Wirtschaft davon ausgehen, daß nur Produkte verkauft werden dürfen, die Jahr-2000-tauglich sind? Schließen Sie auf europäischer Ebene eine Haftungsbegrenzung für Schäden wie beispielsweise in Amerika für Europa und für den nationalen Bereich aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Jedenfalls muß man davon ausgehen, daß ein Produkt, dessen übliche Lebensdauer über den Jahreswechsel zum Jahr 2000 hinausgeht, tauglich sein sollte. Man wird im Einzelfall überprüfen müssen, welche Einsatzprognose ein Produkt hat. Generelle Schädensausschlüsse kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Povysil, bitte.

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Herr Bundesminister! In der Beantwortung meiner Y2K-Anfrage sagen Sie, daß ein Risikomanagementprogramm im Justizressort bisher noch nicht festgelegt wurde, weil die Tests noch nicht abgeschlossen waren, und daß bei den Sicherheits- und Kommunikationsanlagen der Gerichte "zur gegebenen Zeit" – Ihre Wortwahl – die notwendigen Updates durchgeführt werden.

Was, bitte, verstehen Sie, Herr Bundesminister, unter "gegebener Zeit", und wie wollen Sie dem Jahr-2000-Problem ohne Risikomanagement effektiv begegnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß das ein laufender Prozeß ist, den wir bis Anfang November 1999 abschließen wollen. Dann sind wir so weit, daß wir alles wissen, und auf dem aufbauend kann dann das Risikomanagement eingerichtet werden, dann steht es endgültig fest. (Abg. Mag. Peter: Kann man den Jahrtausendwechsel nicht absagen? – Heiterkeit.) Das haben wir ja in einem Teilbereich auf Wunsch der Wirtschaft gemacht. (Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Bis Anfang November 1999 sind die Updates beendet, und dann steht auch das Risikomanagement.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer, bitte.

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Es wurde schon die Frage der Haftung angesprochen. Meine Frage in diese Richtung ist: Wie stehen Sie grundsätzlich zur zivilen Haftung? Wird es aus Ihrer Sicht Sonderbestimmungen geben müssen, oder glauben Sie, daß wir mit der geltenden Rechtslage auskommen werden, um all diese Probleme und Fälle erfassen zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir werden sicherlich kein Sonderhaftpflichtrecht schaffen – und können es auch gar nicht mehr bis dahin. Ich halte es aber auch nicht wirklich für notwendig. Wir werden mit den normalen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere Gewährleistungsbestimmungen, und mit Schadenersatzregelungen das Auslangen finden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Das Jahr 2000 erweckt nicht nur Ängste, sondern auch Hoffnungen. Vor allem gibt es die Hoffnung auf ein Amnestiegesetz anläßlich des Jahrtausendwechsels. Was sind die Gründe dafür, Herr Bundesminister, daß Sie bisher keine Initiative ergriffen haben, ein Amnestiegesetz anläßlich der Jahrtausendwende zu erlassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Sie wissen, daß diese Frage nicht den geringsten Zusammenhang mit dem Computer-Problem des Jahres 2000 hat. (Abg. Mag. Stoisits: Kann ich etwas dafür, daß die so enge Fragen stellen? – Heiterkeit.) Das Thema Amnestie wird zum Gegenstand einer schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Stoisits werden.

Frau Abgeordnete Stoisits hat jetzt das Wort, um die 4. Frage an den Herrn Minister betreffend Umwelthaftungsrichtlinie zu formulieren. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

264/M

Wie beurteilen Sie die Vorarbeiten für eine Umwelthaftungsrichtlinie in der EU vor dem Hintergrund der österreichischen Ministerialentwürfe für ein Umwelthaftungsgesetz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Europäische Kommission hat nach Abschluß der Konsultationen über ihr Grünbuch zu Fragen der Umwelthaftung eine Studie zu den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer gemeinschaftsweiten Umwelthaftung in Auftrag gegeben. Zugleich hat die Kommission die der Europäischen Union offenstehenden Optionen – Beitritt zur Lugano-Konvention, Erlassung einer Empfehlung oder die Verabschiedung einer Umwelthaftungsrichtlinie – in einer Arbeitsgruppe mit Experten aus den Mitgliedsstaaten diskutiert.

Nun ist nach meinem Informationsstand geplant, diese Optionen und die mögliche Ausgestaltung einer europäischen Umwelthaftung in einem Weißbuch zusammenzufassen. Dieses Weißbuch soll dann neuerlich Gegenstand eines Konsultationsverfahrens werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, wie ich annehme? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Im Jahre 1989 sind die ersten Anträge im Parlament bezüglich eines Umwelthaftungsgesetzes eingebracht worden – von den Grünen, möchte ich dazusagen. Sie sind schon 1991 aktiv geworden. Sind Sie eigentlich mit diesem Tempo, das in dieser wichtigen Frage, die in jeder Regierungserklärung seit dem Jahr 1990 als ein Vorhaben des jeweiligen Bundeskanzlers enthalten war, an den Tag gelegt wird, zufrieden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben jetzt die internationale Ebene und die nationale Ebene, aber auch der Blick auf die internationale Ebene zeigt, wie schwierig es ist, zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen einen angemessenen Ausgleich herbeizuführen. Aber es ist uns ja doch gelungen, hier Schritte zu setzen.

Erstens gibt es in Österreich durch eine diesbezüglich sehr umsichtige Rechtsprechung eine verschuldensunabhängige Haftung für gefährliche Betriebe, und das ist ja schon etwas. Weiters ist es uns doch gelungen, Einzelschritte zu setzen. Sowohl im Bereich der Gentechnikhaftung als auch im Bereich der Atomhaftung haben wir Sonderhaftungsbestimmungen, die sich dem von uns seinerzeit vorgeschlagenen System annähern, und insgesamt eine Situation, die zur Prävention beiträgt und das Verursacherprinzip stärkt.

Ich meine, daß die europäische Entwicklung doch so ist, daß man an ihr intensiv mitarbeiten soll und es vielleicht noch nicht notwendig ist, einen nationalen Alleingang in diese Richtung vorweg zu unternehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ist in den Vorarbeiten geplant, die Richtlinie so konkret auszuführen, daß sie in einzelnen Teilbereichen unmittelbar anwendbar sein wird, oder werden in dieser quasi nur die großen Züge festgeschrieben und muß dann alles noch einmal im nationalen Recht festgelegt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Also wenn es überhaupt zu einer Richtlinie und nicht bloß zu einer Empfehlung kommt – aber ich glaube doch, daß es eher in Richtung Richtlinie geht –, wird sie so wie jede andere Richtlinie nicht unmittelbar anwendbares Recht, sondern umzusetzen sein, und sie wird wahrscheinlich auch einen gewissen Spielraum, wie ich als in solchen Dingen Erfahrener sagen kann, eröffnen, damit es überhaupt zu einer Kompromißlösung auf europäischer Ebene kommt.

Aber die Eckpunkte werden doch klar erkennbar sein und sich auch mit unseren Grundlinien decken: eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung, die nicht nur klassische Schäden erfaßt, sondern auch Umweltbeeinträchtigungen und eine gewisse Beweislastumkehr und eine Verbandsklagsbefugnis. Also die Eckpunkte, wie wir sie haben, werden sich dort wiederfinden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wurm, bitte.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben schon erwähnt, daß verschiedene Änderungen des Haftpflichtgesetzes in dieser Legislaturperiode schon verabschiedet wurden. Glauben Sie nicht auch, daß es auch im Hinblick auf die Entwicklung in verschiedenen anderen europäischen Ländern notwendig wäre, eine Gesamtreform des Haftpflichtgesetzes auf diesem Rechtsgebiet vorzubereiten, die besonders darauf abstellt, daß die Interessen der Geschädigten besser berücksichtigt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es haben sich auch im Haftpflichtrecht grundsätzliche Entwicklungen angebahnt, wobei nicht immer der Vergleich mit dem Ausland angebracht ist. Die Horrorzahlen, möchte ich fast sagen, die wir hin und wieder vor allem aus überseeischen Gebieten hören, sind sicherlich nicht nachahmenswert. Vor allem aber müssen wir bedenken, daß wir in Österreich eine Situation haben, wo vor allem Schäden an der Person in großem Maße von der öffentlichen Hand oder von den Sozialversicherungsträgern aufgefangen werden – ein Zustand, der für die Geschädigten den Vorteil hat, daß der Sozialversicherungsträger nicht nach einem Mitverschulden des Geschädigten an dem Schaden frägt.

Grundsätzlich aber haben Sie recht, daß in der Lehre und auch bei den Praktikern der bisherige Grundsatz, der das österreichische Schadenersatzrecht beherrscht, der da lautet: Grundsätzlich hat den Schaden der Geschädigte zu tragen, es sei denn, eine gesetzliche Bestimmung gewährt ihm einen Schadenersatz, heute nicht mehr eine Selbstverständlichkeit ist und daß hinsichtlich der Grundkonstruktion eine Bewußtseinsänderung stattgefunden hat. Das wäre der Ausgangspunkt, das im übrigen auch sehr zersplittert geregelte Schadenersatzrecht einer einheitlichen Regelung zuzuführen. Das ist natürlich ein Mammutprojekt, das erst wissenschaftlich aufgearbeitet werden muß und vor allem auch auf seine wirtschaftlichen Konsequenzen hin untersucht werden müßte.

Also ich würde meinen, das ist ein Projekt, das einen weiteren Horizont als ein oder zwei Legislaturperioden hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Grenzüberschreitende Umweltereignisse geben immer wieder Anlaß zur Sorge. Meine Frage ist: Wie werden diese grenzüberschreitenden Ereignisse innerhalb der EU-Staaten, aber insbesondere auch im Hinblick auf die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten von den allenfalls geplanten Regelungen erfaßt und im Sinne der Verbesserung der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung geregelt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Derzeit haben wir ein zersplittertes Haftungsrecht innerhalb der EU, weil es im wesentlichen an einheitlichen materiellen Vorschriften mangelt. Die Grundsätze allerdings sind durchaus vergleichbar, sodaß wir, wenn wir jetzt von der Frage des Gerichtsstands absehen, auch bei uns eintretende Schäden, die vom Ausland verursacht werden, verfolgen können.

Hinsichtlich der Beitrittskandidaten stellen grundsätzliche Haftungsfragen sicherlich auch einen Gegenstand der Beobachtung dar und werden in die Heranführungsstrategie mit einbezogen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Fekter, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Sie haben vorhin im Rahmen der Frage 3 Kollegin Bauer bezüglich der Haftung im Zusammenhang mit dem Jahr-2000-Problem zur Antwort gegeben: Wir haben ausreichende Haftungsbestimmungen, wir brauchen keine Sonderregelung.

Warum halten Sie es für gerechtfertigt, im Umweltbereich Sonderbestimmungen vorzusehen, aber das Allgemeine Schadenersatzrecht durch Sonderhaftungsbestimmungen auszuhöhlen, insbesondere bei der Prüfung von Verschulden, Kausalität und Beweislast?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben ja heute schon bei gefährlichen Betrieben die Grundsätze vorgesehen, die Sie angesprochen haben: Verursacherprinzip, Beweiserleichterungen oder Beweislastumkehr. Der Bereich Umwelthaftung ist ein etwas umfänglicherer als jene Bereiche, die wir jetzt in Einzelfällen geregelt haben, und würde dann eine Homogenisierung dieses Bereiches bringen, wobei, um es noch einmal zu sagen, die derzeitige Judikatur den Mangel einer Spezialumwelthaftung doch in weitem Maße ausgleicht. Also wir haben nicht nichts, sondern wir haben nur zuwenig Homogenes in einem größeren Umfang.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die 5. Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

266/M

Wie beurteilen Sie angesichts der heftigen Kritik im Begutachtungsverfahren die Inhalte der von Ihnen vorgelegten kleinen Novelle zum Strafvollzugsgesetz?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Seitens des Bundesministeriums für Justiz wurden die Kritik und die Anregungen im Begutachtungsverfahren und aus Anlaß desselben ernst genommen und der Entwurf grundlegend überarbeitet. Hiebei wurde insbesondere die kritisierte Idee der Vollzugsämter aufgegeben.

Die Grundanliegen, die wir hatten, wurden aber nicht wirklich in Kritik gezogen und finden sich daher auch in der Regierungsvorlage wieder: Ausgliederung des Beschwerdewesens aus dem Bundesministerium für Justiz, eine Vereinheitlichung der Aufsicht und des Beschwerdewesens zwischen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten, eine Verbesserung des Rechtsschutzes bei Rechtsbeschwerden der Gefangenen, indem darüber eine unabhängige Beschwerdeinstanz, MRK-konform, anstelle des Bundesministeriums für Justiz entscheiden soll, eine Ausweitung der Aufsichtskompetenz des Gerichtshofpräsidenten, der derzeit nur für die Gefangenenhäuser, nicht aber für die Vollzugsanstalten zuständig ist, und eine rechtliche Untermauerung für den EDV-Einsatz im Strafvollzug.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Höbinger-Lehrer, bitte.

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Mit der Strafvollzugsgesetznovelle 1999 soll also eine Art neuer Instanzenzug eingerichtet werden, wenn ich das richtig verstanden habe. Mich würde interessieren, ob vielleicht eine weitere Novelle geplant ist, in der die Überlegungen der Expertenkommission, die damals in den Wintermonaten 1993/94 zum Fall Haas eingesetzt wurde und die sich auch mit einer Änderung des Instanzenzugs bei Freigängen beschäftigt hat, Berücksichtigung finden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich ist die Entscheidungsbefugnis über Freiheitsmaßnahmen bei besonders gefährlichen Häftlingen auf eine breitere Basis gestellt worden, und wir werden auch überlegen, ob eine richterliche Einbeziehung da etwas bringen kann. Gerade dieses Projekt, das wir haben, nämlich diese gemischten Tribunale, die aus Richtern und Vollzugsfachleuten gemischt zusammengesetzt sind, soll mehr Verständnis bei den Richtern für den Vollzug als solchen, also mehr Sachwissen, bewirken. Es wird ja doch so sein, daß nicht der Präsident selbst alle diese Agenden erledigen wird, sondern einen Richter damit beauftragen wird, der dadurch ein Vollzugsspezialist werden soll. Das Zusammenführen von Know-how aus dem Vollzug mit den Richtern kann letzten Endes eine Wirkung haben, die sich dann auch in der Frage bedingte Entlassung oder Freiheitsmaßnahmen bei besonders gefährlichen Häftlingen dadurch zu Buche schlagen kann, daß dort mit mehr Verständnis, gegenseitigem Verständnis, Entscheidungen getroffen werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundesminister! Gibt es derzeit konkrete Menschenrechtsbeschwerden von österreichischen Häftlingen über den österreichischen Strafvollzug beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es hat immer wieder in Einzelfällen solche Beschwerden gegeben. Ob im Augenblick eine anhängig ist, kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, aber das werden wir erheben und Ihnen mitteilen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage?– Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! In den parlamentarischen Beratungen zur großen Strafvollzugsgesetznovelle ist bereits im Unterausschuß sehr viel von der Idee eines Anstaltsbeirates gesprochen worden. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag, sowohl Rechtsanwälte als auch Vertreter von Menschenrechtseinrichtungen, als auch die Vertreter der jeweiligen Gemeinden, in der sich eine Strafvollzugsanstalt befindet, in die Arbeit eines Anstaltsbeirates einzubinden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Grundsätzlich stehe ich allen Dingen, die mehr Verständnis und mehr Kenntnis über das Strafvollzugswesen vermitteln, positiv gegenüber, weil ich meine, daß man über die wirklichen Probleme viel zuwenig weiß, und das festigt gewisse Vorurteile, die abgebaut werden können, wenn mehr Transparenz des tatsächlichen Geschehens gegeben ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich glaube mich mit Ihnen einer Meinung darin, daß der psychologischen Betreuung von Strafgefangenen ein hoher Stellenwert zukommt, nicht nur, weil das einer aufgeklärten, zivilisierten Gesellschaft entspricht, sondern durchaus auch, weil es mit der Sicherheit der Gesellschaft zusammenhängt, wenn die Strafgefangenen entlassen werden.

Ich frage Sie daher, da wir beide wissen, daß diese psychologische Betreuung seit Jahren weit unter den Anforderungen liegt, die wir gerne erfüllt hätten: Was haben Sie vor, um endlich eine adäquate psychologische Betreuung der Strafgefangenen herbeizuführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: In den letzten Jahren sind beträchtliche Fortschritte erzielt worden, wir konnten auch personelle Kapazitäten aufstocken. Natürlich würde man sich wünschen, daß sowohl für die Häftlinge als auch für das Personal selbst mehr Kapazitäten zur Verfügung stehen. Wir konzentrieren uns im Augenblick vor allem auf die Bereiche des Maßnahmenvollzugs, der Maßnahmenabteilungen, aber auch der Nachbetreuung entlassener Häftlinge. Die Situation ist nicht schlecht, aber verbesserungsfähig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Damit kommen wir zur 6. Anfrage: Frau Abgeordnete Dr. Fekter, ich bitte um die Formulierung Ihrer Frage.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

263/M

Wie weit sind die Vorarbeiten zur Schaffung einer Insolvenzdatei gediehen?

Und: Ab wann ist der Zugriff möglich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die schriftliche Anfrage hat nur aus dem ersten Teil bestanden. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Im Rahmen des Projekts Redesign der Verfahrensautomation Justiz ist von der heute schon genannten Bundesrechenzentrum GmbH auch eine Insolvenzdatei entwickelt worden. Die Arbeiten sind praktisch abgeschlossen, die Datenbank wird im September in einem Testbetrieb erprobt werden und ab Oktober in einem Parallelbetrieb zum derzeitigen, noch bis Ende des Jahres laufenden Betrieb zur Verfügung stehen, sodaß sie ab 1. Jänner als Echtbetrieb laufen kann, schon mit einer Erfahrung von zwei, drei Monaten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Derzeit gibt es Anbieter auf dem Markt, die Insolvenzdaten unentgeltlich anbieten. Werden die Abfragen aus der Insolvenzdatei des Justizressorts entgeltlich oder unentgeltlich sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Da hat es eine Änderung der grundsätzlichen Einstellung gegeben. Die Abfrage aus der Datei wird kostenlos sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Helmut Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die Reihenuntersuchungen österreichischer GesmbHs zeigen einen großen Bedarf in der Unternehmensreorganisation. Wie viele Unternehmensreorganisationsverfahren nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz haben bis dato tatsächlich stattgefunden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Abgeschlossen wurden meines Wissens noch keine. (Abg. Mag. Peter: Und begonnen? Wenige?) Es waren einige wenige, die beantragt waren, die aber dann nicht wirklich zu Ende geführt wurden. (Abg. Mag. Peter: Also ein virtuelles Gesetz!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Mertel, bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Minister! Ist bei dieser Insolvenzdatei die "Rückerfassung" der Insolvenzverfahren geplant und, falls ja, in welchem Zeithorizont?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben vor, zu versuchen, bis zum Echtbetrieb alle gegen Jahresende anhängigen Insolvenzverfahren rückwärts zu erfassen.

Der große Vorteil der Insolvenzdatei gegenüber den klassischen Veröffentlichungsformen ist ja, daß man in einem Medium nachschauen kann und alles über das Verfahren weiß, man muß nicht 10, 20, 30 oder 40 verschiedene Zeitungsausgaben zur Hand nehmen, um einen vollständigen Überblick über die Geschehnisse im Verfahren zu gewinnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Herr Minister! Aufgrund der aktuellen Insolvenzrechtslage und der restriktiven Haltung insbesondere der Wiener Gebietskrankenkasse meine Frage: Ist in Ihrem Ressort geplant, irgendeine Vorkehrung oder vorbeugende Maßnahme im Insolvenzrecht vorzusehen, um der restriktiven Haltung, der permanenten Kontrastimmung der Wiener Gebietskrankenkasse und damit einer De-facto-In-Konkurs-Treiberei im Ausgleichsverfahren vorbeugend entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Im Augenblick gibt es im Hause keine diesbezüglichen Überlegungen. Die von Ihnen angesprochenen Fragen waren auch Diskussionsgegenstand bei den früheren Insolvenzrechtsänderungen. Diesbezüglich gibt es bei uns momentan keine Aktivität.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister.

Wir hätten noch ein paar Minuten Zeit. Ich schlage vor, daß wir auch noch die letzte Frage behandeln. Ich bitte um kurze Fragen und kurze Antworten.

Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

279/M

Warum sieht die Strafprozeßnovelle 1999 für so schwerwiegende Delikte wie die Entführung von Unmündigen, um sie zur Unzucht zu mißbrauchen, oder die pornographische Darstellung mit Kindern die grundsätzliche Möglichkeit der Straffreiheit durch Diversion vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Zunächst möchte ich folgendes feststellen: Wenn es zu Unzucht, Beischlaf oder Mißbrauch kommt, dann werden andere Delikte verwirklicht, und diese sind nicht diversionsfähig.

Wenn es bei der Entführung von Unmündigen zur wenigstens versuchten Realisierung der Unzucht kommt, ist eine Konkurrenz mit dem Unzuchtsdelikt gegeben, und dieses ist nicht diversionsfähig.

Ebenso ist es bei der Pornographie. Da muß es gar nicht zu einer realen Unzuchtshandlung kommen, sondern es genügt schon, wenn nur der Eindruck erweckt wird, daß eine solche Handlung gegeben ist. Kommt es zu einer realen Unzuchtshandlung, dann ist ein Tatbestand verwirklicht, der nicht diversionsfähig ist.

Zweitens – ganz grundsätzlich; das haben wir hier schon mehrmals erörtert – heißt das ja nicht, daß jene Delikte, für die Einzelrichter oder Bezirksgerichte zuständig sind, immer und in jedem Fall Gegenstand der Diversion sind, sondern es sind schuld-, präventions- und folgenbezogene Anwendungsvoraussetzungen gegeben. Nur dann, wenn die Schuld gering ist, wenn keine general- oder spezialpräventiven Bedenken gegeben sind, wenn es die Situation opferbezogen zuläßt, kommt es zu einer diversionellen Maßnahme. In aller Regel wird es bei keinem der von Ihnen heute oder in der Vergangenheit genannten Delikte zu einer diversionellen Erledigung kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Glauben Sie allen Ernstes, daß man in Zeiten einer zunehmenden Brutalisierung der Gesellschaft dem mit einer Änderung des Strafprozeßrechtes, mit einer grundsätzlichen Straffreiheit bei Delikten bis zu fünf Jahren, also Delikten der leicht- und mittelschweren Kriminalität, auch der kinderpornographischen Darstellung von Unmündigen, mit Straffreiheit durch Diversion begegnen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter! Es verwundert mich, das aus dem Mund eines Rechtsanwaltes zu hören! Es ist nicht so, daß das straffrei ist! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Fekter, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Im Zusammenhang mit der Diversion hat es ja Wünsche bezüglich des Durchführungserlasses gegeben. Gibt es schon einen Durchführungserlaß oder einen Entwurf dafür, der klarstellt, daß Delikte gegen die Staatsgewalt nicht ATA-fähig sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir haben in diesem Fall zwei Durchführungserlässe in Aussicht genommen. Den ersten haben wir den Gerichten und Staatsanwaltschaften sehr rasch zur Verfügung gestellt, weil ja diese Strafprozeßnovelle auch andere Bereiche als nur die Diversion im Auge hatte.

Der zweite Durchführungserlaß, der sich ganz speziell mit der Diversion befassen wird, war Gegenstand ausführlicher Beratungen, in die die betroffenen Kreise mit einbezogen waren, die Berufsstände und die Behördenleiter. Die diesbezüglichen Beratungen sind abgeschlossen, und es wird jetzt an einem Entwurf gearbeitet. Dieser wird den Betroffenen noch einmal zur Verfügung gestellt, sodaß zu erwarten ist, daß der Erlaß mit Beginn des Herbstes, im September, hinausgehen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ist ein Ende der "never ending story" der Neuregelung des strafprozessualen Vorverfahrens in Sicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es ist und bleibt das ein prioritäres Anliegen des Hauses. Ein Jahr gab es nun eine sehr intensive Diskussion über den von uns vorgelegten Diskussionsentwurf in den einzelnen betroffenen Bereichen: in der Anwaltschaft, Staatsanwaltschaft, den Gerichten, aber auch im Innenbereich. Es gab auch bilaterale Gespräche mit dem Innenressort. Ab Herbst wird vor dem Hintergrund dieser Einzelstellungnahmen und unter Berücksichtigung dessen, was in der von mir eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe dazu gesagt wurde, an einem Begutachtungsentwurf gearbeitet werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Frage des Kollegen Krüger hat gezeigt, daß heute hier ein Gesetz, das von allen Sachkundigen als außerordentlich großer Fortschritt im Strafrecht dargestellt wird, völlig verzerrt dargestellt wird. (Abg. Dr. Krüger: Das stimmt nicht!) Wir kennen diese Diskussion aus der kommunalen Wahlkampfpolitik der FPÖ in Oberösterreich. Das führt aber auch dazu, daß ein ganzer Stand, nämlich die Richter, und auch die Staatsanwälte hier diskreditiert werden.

Wie gedenken Sie angesichts dieser gezielten Desinformationspolitik vorzugehen? (Abg. Dr. Krüger: Unglaublich!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich glaube, es geht immer darum, alle Komponenten, die eine Voraussetzung für eine diversionelle Maßnahme sind, anzuführen. Das Argument der Strafdrohung ist nur ein Kriterium (Abg. Dr. Krüger: Die Tötungsdelikte hat man auch ausgenommen!), die viel wichtigeren Kriterien sind das Schuld-Kriterium, das Präventions-Kriterium und letztlich das Folgen-Kriterium – das sind die wichtigsten Voraussetzungen. (Abg. Dr. Krüger: Die Tötungsdelikte hat man auch ausgenommen!) Nur dann, wenn das alles stimmt, kann es zu einer derartigen Maßnahme kommen.

Daher wird es, wie ich Ihnen schon einmal gesagt habe, in diesen Fällen zu keiner Diversion kommen. Das könnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Heide Schmidt, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Unzuchtshandlungen, insbesondere wenn sie Kinder betreffen, insbesondere wenn sie durch Nötigung stattfinden, insbesondere wenn sie Gewalt mit sich bringen, sind durch das Strafrecht pönalisiert und daher aufgrund des Strafrechtes strafbar.

Wie steht es mit den Überlegungen in Ihrem Haus, das Pornographiegesetz als ein rein moralisierendes Gesetz endlich abzuschaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Unsere diesbezüglichen Bemühungen sind seinerzeit nicht von Erfolg beschieden gewesen. Wir haben die wichtigsten – ich glaube, sogar über Ihre Initiative – dann in das Strafgesetz übergenommen. Ich habe derzeit keine besondere Affinität, dieses Thema wieder aufzugreifen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Fragestunde ist damit beendet.

Ich danke dem Herrn Bundesminister. Wir haben alle Anfragen erledigt.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 5950/AB bis 5960/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuß:

Antrag 1178/A (E) der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Novellierung des Punzierungsgesetzes,

Antrag 1181/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird;

Justizausschuß:

Antrag 1179/A (E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Änderung des Mietrechtsgesetzes;

Umweltausschuß:

Antrag 1180/A (E) der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Umweltanlagengesetz.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die
Anfragebeantwortungen 5669/AB und 5908/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mitteilen, daß das gemäß § 92 GOG gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 5669/AB der Anfrage 6057/J der Abgeordneten Dr. Kräuter und Genossen betreffend Vollzug des neuen Mineralrohstoffgesetzes durch den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuhalten.

Diese Kurzdebatte findet nach § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung um 15 Uhr statt.

*****

Weiters teile ich mit, daß das Verlangen vorliegt, ebenfalls eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 5908AB zur Anfrage 6338/J der Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl und Genossen betreffend Standards für Betreuungs- und Pflegeheime durch die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales abzuhalten.

Diese Kurzdebatte findet im Anschluß an die vorher schon bekanntgegebene Kurzdebatte statt.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Außerdem hat Herr Abgeordneter Dr. Pumberger beantragt, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1123/A (E) der Abgeordneten Dr. Rasinger und Genossen betreffend Gesundheitsreform eine Frist bis 15. Juli zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, im Rahmen der heutigen Tagesordnung die Punkte 1 und 2, 5 und 6, 7 und 8, 10 bis 12 sowie 13 bis 15 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir diese Zusammenfassungen vornehmen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf mitteilen, daß in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer und Struktur der Debatten wie folgt erzielt wurde:

Es wurde eine Tagesblockredezeit von 10 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 150 Minuten, ÖVP 140 Minuten, FPÖ 130 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 90 Minuten.

Darüber hat das Haus zu befinden. Ich frage: Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist das einstimmig so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1997 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (2083 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1914 der Beilagen): Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) (2084 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zu den ersten beiden Punkten der Tagesordnung. Die Debatte über diese beiden Punkte wird unter einem durchgeführt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf. Als Redezeit werden 8 Minuten angegeben. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.09

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir verhandeln heute die neunte größere Novelle im universitären Bereich, die in den letzten beiden Jahren durchgeführt wurden. Es gibt eine Unzahl von kleineren Novellen in diesem Bereich, die ebenfalls in diesem Zeitraum beschlossen wurden.

Diese Novelle birgt jedoch etwas Eigenes in sich. 140 Stellungnahmen, wenn ich nicht irre, sind eingegangen, davon – wenn ich mich richtig erinnere – bloß eine positive von der Wirtschaftskammer; alle anderen sind im wesentlichen negativ ausgefallen.

Die Kritikpunkte umfassen folgendes: überhastetes Vorgehen, Hüftschuß, keine ausreichende Diskussion, die Universität als Bauchladen, die Universität als Jahrmarkt, ein Bauchladen, bei dem man sich selbst bedienen kann, eine Nivellierung nach unten, wobei im wesentlichen nicht der hehre Anspruch gilt, daß man Qualität und Leistung im Auge hat, sondern nur noch, wie verhindere ich Drop-out-Quoten und wie verhindere ich mangelnde Leistung. Außerdem geht es darum, wie jeder Student, der jemals eine Universität besucht oder nur von innen gesehen hat, trotz alledem einen akademischen Grad erhält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Neun Novellen in zwei Jahren hat es gegeben, wovon einige Novellen – ich denke nur an das UOG 1993 – in zehn von 18 Universitäten noch nicht umgesetzt sind. Ich erinnere an die letzte Novelle des Universitäts-Studiengesetzes aus dem Jahre 1997, das von manchen hier im Hohen Hause als "Jahrhundertgesetz" bezeichnet wurde, das aber bereits eineinhalb Jahre später wiederum eine Novellierung erfährt, die so, wie sie stattfindet, über das Knie gebrochen ist und so, wie sie stattfindet, an sich nicht stattfinden dürfte.

Hat man sich auf universitärem Boden immer ausreichend Zeit genommen, eine breite Diskussion zu führen, um auch Basisdaten zu erhalten, um Studien einzuholen, um Experten zu hören, so hat man das alles über Bord geworfen. Man muß schlußendlich zu dem Ergebnis kommen, daß ein ideologischer Ansatz der SPÖ verwirklicht wird: Es wird mit dieser Novelle nämlich die Gesamtschule auf universitärem Boden vollzogen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein sozialistisches Dogma, und die ÖVP hat sich in diesem Punkt über den Tisch ziehen lassen.

Es gibt keine Kostenberechnung tatsächlicher Natur, was die Einführung eines Bakkalaureatstudiums beziehungsweise eines dreigliedrigen Studiums in Österreich kosten wird. Es gibt keine Bedarfsanalyse, keine arbeitsmarktpolitischen Analysen. Diese werden erst im nachhinein eingeholt, wie uns versichert wurde, nämlich ob es überhaupt eine Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt gibt, ob wir nicht ab dem Jahre 2003 bereits die ersten arbeitslosen Bachelors produziert haben werden. Welche Berufe sind für ein Bakkalaureatstudium geeignet? Was kann für den Studenten getan werden? Es gibt keine Vergleichsstudien im Inland, ob wir das überhaupt benötigen. Die ausländischen Vergleichsstudien wurden nicht herangezogen; diese geben nämlich ein vernichtendes Urteil ab.

Die Erklärung von Bologna vom 19. Juni dieses Jahres hat die nachfolgende Argumentation oder Rechtfertigung nach sich gezogen. Diese normiert ausdrücklich, daß auf die nationalen Bildungsbedürfnisse und Traditionen Rücksicht zu nehmen ist; diese wurden jedoch in Österreich, wo wir uns wiederum als Musterknabe und Vorreiter bei der Einführung dieses Bachelor-Titels sehen, nicht beachtet.

Traditionen werden über Bord geworfen. Der nächste Anschlag ist bereits geplant. Wer gestern die Zeitung "Der Standard" zur Hand genommen hat, zwischen den Zeilen, aber auch die Zeilen selbst aufmerksam gelesen hat, weiß ja, wohin die Reise geht. Es wird schon angenommen, daß dieses Gesetz heute beschlossen wird, aber man bastelt bereits daran, daß man die Habilitation abschafft, und zwar nicht, wie es ursprünglich geplant war, um der Frauenquote Genüge zu tun, sondern der zuständige Sektionschef sagt es ganz offen: Derzeit ist das zu diskutieren. Es tue ihm leid, daß es nur in Angelegenheiten betreffend Frauen diskutiert wird, das sei irreführend. – Und damit hat er durchaus recht.

Aber folgendes sage ich heute von diesem Rednerpult aus: Wir sind vor nicht allzu vielen Jahren vor dem Trümmerhaufen des äußeren Erscheinungsbildes der Universität gestanden, als ein Unglück an der Universität Wien Todesopfer gefordert hat, weil die Bausubstanz zusammengestürzt ist. Das ist hoffentlich, so glaube ich, behoben worden. Nunmehr geht man inhaltlich ans Werk und zerstört die Universität inhaltlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man geht auch dahin gehend ans Werk, daß man ein Markenzeichen der Lehre, Wissenschaft und Forschung im mitteleuropäischen, deutschsprachigen Raum, nämlich die Habilitation, nunmehr bedingt abschaffen will. – Dem gilt es vorzubeugen. Wir werden uns dafür einsetzen, daß diesbezüglich etwas unternommen wird.

Das heutige Gesetz, das beschlossen wird, hat tatsächlich weder im Kreis der Betroffenen an den Universitäten noch in der Bevölkerung eine Mehrheit. Herr Minister, nehmen Sie das zur Kenntnis! Heute wird ein Gesetz aufgrund koalitionärer Eintracht beschlossen, wobei es wieder einmal keine Mehrheit dafür gibt: Es gibt weder im Kreis der Studierenden noch im Kreis der Lehrenden, noch bei sonstigen in dieser Richtung befaßten Menschen eine Mehrheit dafür.

Ich glaube, dieses Gesetz bekäme, wenn heute eine Freigabe des Klubzwanges stattfände, nicht einmal hier im Nationalrat eine Mehrheit. Dieses Gesetz ist überhastet, es ist jahrmarktmäßig zustande gekommen, öffnet in Wirklichkeit den Bauchladen und wird unter falschen Voraussetzungen beschlossen. Es steht in Wirklichkeit keine Mehrheit dahinter. Wenn eine Norm ohne Akzeptanz ist, dann wissen wir ja, was passiert.

Herr Minister! Die Universitäten beziehungsweise die Hochschulen haben nahezu jahrhundertelang dafür gekämpft, von einer Hochschule zu einer Universität aufgewertet zu werden. Das wurde bezüglich Kunsthochschulen voriges Jahr in Österreich verwirklicht. Nunmehr will man genau in diesen Hochschulen – ehemals Hochschulen – wiederum den Weg zurück gehen. Wir wissen aus vielen Studien, daß man gerade in den USA, woher der Bachelor-Degree kommt, genau den umgekehrten Weg geht, man dort bereits wieder an die Einführung des zweigliedrigen Studiums denkt. Wir hinken den Amerikanern in Tatsächlichkeiten nach, die Amerikaner laufen uns jedoch davon, indem sie unser Bildungssystem übernehmen.

Herr Minister! Wir stellen heute einen Rückverweisungsantrag und sehen dies als letzte Möglichkeit, ein derart überhastet zustande gekommenes Gesetz wieder an das Hohe Haus zurückzuverweisen, um hier letztendlich eine Diskussion auf breiter Basis zu führen, um nur dort den Bachelor, ein dreigliedriges Studium, einzuführen, wo es tatsächlich Sinn macht. (Abg. Dr. Lukesch: Genau das ist vorgesehen!)

Man muß auch folgendes in dieser Richtung sagen: Unser System ist mit jenem in den Vereinigten Staaten und in England nicht vergleichbar, Herr Kollege Lukesch. Amerika kennt kein Akademiewesengesetz, kennt keine Fachhochschulen, hat ganz andere Rahmenbedingungen. Wir führen jedoch das amerikanische System in Österreich ein, obwohl wir bereits andere Mehrgleisigkeiten in unserem Land haben. Das ist überhastet geschehen – ohne Akzeptanz der Betroffenen, ohne Akzeptanz der Bevölkerung. Das werden Sie wohl zugeben müssen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Rückverweisungsantrag Dr. Graf, Dr. Brauneder liegt vor, nämlich die Regierungsvorlage betreffend das Universitäts-Studiengesetz zur weiteren Behandlung an den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung rückzuverweisen. Er wird am Ende der Diskussion abgestimmt. Für den Fall, daß er eine Mehrheit hätte, entfallen sodann die anderen Abstimmungen. Wenn nicht, wird im Anschluß daran die Sache selbst abgestimmt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

10.18

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieses heute zu beschließende Gesetz und unsere Bundeshymne haben einen Satz gemeinsam: Heiß umfehdet, wild umstritten. Das trifft wohl am besten die Diskussion der letzten Monate, aber so, wie sich Österreich behauptet hat und zu einem Juwel Europas geworden ist, wird auch die Zukunft dieses Reformwerkes von heute sein. Auch das wird sich behaupten. Lassen Sie mich begründen, weshalb wir davon überzeugt sind.

Beginnen wir mit der Analyse des Ist-Zustandes. Wir verfügen über ausgezeichnete WissenschafterInnen, ausgezeichnete Universitäten und Institute mit Weltruf. Es gibt aber auch einige Besonderheiten an unseren Universitäten.

Erstens: Unsere Absolventen brauchen rund zwei Jahre länger als jene in den meisten vergleichbaren Ländern.

Zweitens: Wir haben eine hohe Drop-out-Quote; zu viele beenden ihr Studium nicht.

Drittens: Wir haben eine steigende Zahl berufstätiger Studierender.

Viertens: Die internationale und vor allem die europäische Entwicklung geht hin zu dreigliedrigen Studien mit Bachelor-, Master- und Doktorstudium.

Das wurde durch das neue deutsche Rahmenhochschulgesetz, durch die Sorbonne-Erklärung und zuletzt durch die Bologna-Erklärung, die immerhin 29 Bildungs- und Wissenschaftsminister Europas unterzeichnet haben, ganz deutlich festgelegt. Dahin geht die Richtung.

Das Studiengesetz 1997 war zweifellos ein Meilenstein. Die Entwicklung ist aber seither sehr, sehr rasch weitergegangen. Hunderte Studienkommissionen warten auf die Entscheidung dieses Parlaments. Wir sind daher verpflichtet, diese Entscheidung zu treffen, und wir können uns diesem Rückverweisungsantrag keinesfalls anschließen. Das wäre unverantwortlich.

Der Diskussionsprozeß war kurz – das gebe ich zu –, aber sehr intensiv. In meiner Sommerpressekonferenz 1998 habe ich angekündigt, daß wir gut beraten wären, in Österreich noch in dieser Gesetzgebungsperiode das dreigliedrige Studium einzuführen. Bundesminister Caspar Einem und sein Stab haben ausgezeichnete Vorarbeiten geleistet. Wir haben viele Punkte des Begutachtungsverfahrens eingearbeitet und zuletzt noch im Ausschuß einen substantiellen Abänderungsantrag eingebracht.

Lassen Sie mich hinsichtlich dieses Begutachtungsverfahrens mit wenigen Sätzen auf das heutige Inserat – denn mehr verdient das nicht – des Rektors der Montanuniversität Leoben eingehen. Wissen Sie, daß die Montanuniversität Leoben im Begutachtungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben hat? Während des ganzen rund zweimonatigen Begutachtungsverfahrens hat sie sich nicht gerührt – mit keinem Satz! Erst gegen Ende haben wir eine kurze Stellungnahme zur Regierungsvorlage bekommen. (Abg. Dr. Graf: Sie nehmen sowieso keine Rücksicht auf die Begutachtung!) Jetzt, da es zu spät ist, haben wir eine Fülle von Serienbriefen, von Kettenbriefen bekommen – und nun dieses Inserat. Das nehme ich nicht ernst. Wenn sich jemand in solch einen Diskussionsprozeß nicht rechtzeitig einzubringen weiß, nicht weiß, wie in Österreich ein Begutachtungsverfahren läuft, dann hat er auch nicht das Recht, mit solchen Aussagen am Schluß der Diskussion noch wirklich ernst genommen zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Ergebnis dieses Gesetzes ist im Sinne des bisherigen Prozesses, nämlich die Entscheidung dorthin zu verlagern, wo sie mit viel Verantwortung und Sachverstand getroffen werden kann, und zwar zu den Studienkommissionen. Die Studienkommissionen, Kollege Graf, tun genau das, was Sie verlangt haben – nichts anderes. Die Studienkommissionen entscheiden, ob sie beim zweigliedrigen System mit Magister- oder Diplom-Ingenieur-Titel und dem anschließenden Doktoratstudium bleiben wollen, oder ob sie auf das neue dreigliedrige Studium mit Bachelor-, Magister- oder Diplom-Ingenieur-Titel und Doktortitel umstellen wollen. Die Entscheidung liegt bei den Studienkommissionen. Und weil es auch wichtig ist, diesen neuen Abschluß wirklich verantwortungsbewußt zu positionieren, haben wir für die Frage der Akzeptanz dieses Abschlusses auf dem Arbeitsmarkt ein sehr qualifiziertes Gremium vorgesehen, um ein Gutachten abzugeben, nämlich den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen. (Abg. Dr. Graf: Herr Kollege Niederwieser! Ein Zwischenruf!)

Was spricht nun für dieses Studium? Ich komme gleich auf ... (Abg. Dr. Graf: Um eine Akzeptanz zu erzeugen, muß man eine breite Diskussion abführen!) – Ja, die breite Diskussion hat über ein Jahr lang stattgefunden, Kollege Graf. (Abg. Dr. Graf: Nein!) O ja, sie war sehr breit. Es sind sogar Briefe aus Südamerika, Norwegen und dergleichen gekommen. (Abg. Dr. Graf: Beim UStG 1997 hat es fünf Jahre gebraucht!) Da kann mir niemand sagen, daß keine breite Diskussion gegeben war. Ob man das neue System einführt oder nicht, diese Diskussion muß jetzt noch in den Studienkommissionen erfolgen. Das haben ja nicht wir entschieden, sondern wir räumen nur die Möglichkeit ein, sich für das zwei- oder dreigliedrige Studium zu entscheiden.

Was spricht nun für dieses dreigliedrige Studium? – Es kommt zuerst einmal der Entwicklung entgegen, nicht alles und jeden über einen Kamm zu scheren, sondern viel differenzierter und damit auch viel effizienter auf die individuellen Studienwünsche und auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt einzugehen. Das geht mit einem dreigliedrigen Studium besser als mit einem zweigliedrigen Studium. Diese Differenzierung ist ein Kennzeichen der europäischen Entwicklung.

Zweitens: Es gibt den Absolventen früher die Chance, mit einem akademischen Abschluß, der voll der europäischen Anerkennungsrichtlinie für Hochschulstudien entspricht, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Wenn das jemand aber nicht will, sondern weiterstudieren möchte, dann kann er auch das uneingeschränkt tun. Er kann – das möchte ich deutlich festhalten – dieses Studium als Magister- und Doktoratstudium weiterführen. Dabei gibt es keine Absicht von unserer Seite, die Familienbeihilfe oder die Studienförderung in irgendeiner Form einzuschränken.

Drittens: Auf der Basis dieser wissenschaftlichen Grundausbildung kann wesentlich differenzierter als bisher auf die stark ausdifferenzierten Ansprüche auf dem Arbeitsmarkt – sei es in Privatunternehmen oder im öffentlichen Dienst – eingegangen werden, wesentlich besser, als das bisher mit dem zweigliedrigen Studium möglich war.

Letztlich kommt dieses dreigliedrige System auch noch einem Trend entgegen, nämlich jenem zum lebensbegleitenden Lernen. Das heißt, man kann nach dem Bachelor-Abschluß, nach einigen Jahren der Berufstätigkeit durchaus an die Universität zurückkehren, in einem Jahr oder zwei Jahren das Magisterstudium und später auch das Doktoratstudium abschließen.

Apropos Berufstätigkeit: Wir verpflichten die Universitäten auch, besser als bisher darauf Rücksicht zu nehmen, daß rund 50 Prozent der Studierenden berufstätig sind, in irgendeiner Form Berufstätigkeit ausüben – aus welchen Gründen auch immer. Die Studierenden können diesen Umstand melden, und die Universität ist dazu verpflichtet, bei der Festlegung der Lehr- und Prüfungsangebote darauf Rücksicht zu nehmen.

Lassen Sie mich noch auf drei weitere Details dieses Gesetzentwurfes eingehen. Wir verankern erstmals, daß berufsbildende höhere Schulen – ein ganz wichtiger Pfeiler unseres Bildungssystems – insoweit anerkannt sind, daß der Vorsitzende der Studienkommission Prüfungen aus diesem Bereich anrechnen kann und soll.

Wir tragen weiters dem Bedürfnis nach Internationalisierung durch die Einführung der ECTS-Punkte Rechnung, und wir haben auch die Möglichkeit geschaffen, daß unsere Universitätslehrgänge an internationalen Studiengängen teilnehmen und dort die entsprechenden Titel vergeben können.

Die vergangene Gesetzgebungsperiode – Kollege Graf hat das ja sehr lobend erwähnt – war sehr arbeitsreich. Wir haben eine Reihe von wichtigen Gesetzen bis hin zur Reform der Kunstuniversitäten, die Fortführung der Entwicklung in den Fachhochschulen und die nahezu Fertigimplementierung des UOG beschlossen. Eine Reihe wichtiger bildungspolitischer und hochschulpolitischer Maßnahmen wurde gesetzt.

Daher lassen Sie mich auch dem Herrn Bundesminister und all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sei es in den Sektionen oder im Büro – für die gute Zusammenarbeit danken, die wir Parlamentarier in diesen Jahren erleben durften. In diesen Dank möchte ich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klubs und der Parlamentsdirektion einschließen, die uns durch diese Sitzungen, Enqueten und dergleichen begleitet haben. (Abg. Dr. Gredler: Mich nicht?) – Sie, Kollegin Gredler, selbstverständlich auch. (Abg. Dr. Gredler: Danke! – Abg. Dr. Kostelka: Das ist schon leicht übertrieben!) Alle Mitglieder des Wissenschaftsausschusses haben ja sehr intensiv daran teilgenommen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Das neue dreigliedrige Studium verbessert die Chancen für unsere Jugend. Wenn Sie von den Freiheitlichen das Gesetz zurückverweisen wollen, ist das das Denken von gestern, so nach dem Motto: Alles muß so bleiben, wie es gewesen ist; ändern wir lieber nichts. – Wir müssen unsere Universitäten aber für die Zukunft vorbereiten. Daher brauchen wir dieses dreigliedrige Studium, brauchen wir diese Möglichkeit. (Abg. Dr. Graf: Das haben Sie beim passiven Wahlrecht auch gemacht! Rückverweisen! Das "Denken von gestern!")

Lassen Sie mich aber mit einem persönlichen Wort schließen. Her Kollege Professor Lukesch wird nach der Oktoberwahl diesem Haus nicht mehr angehören. Sie, Kollege Lukesch, waren trotz der gestrigen Auseinandersetzung immer ein nicht gerade leichter, aber fairer Partner. Ich denke dabei an Ihr Festhalten an Latein als Zugangsvoraussetzung zu gewissen Studien. (Abg. Dr. Gredler: Danke! – Abg. Kiss: Danke, Dieter!) Daran denke ich heute noch. Aber Sie sind auch oft über Ihren Schatten gesprungen, wenn es darum gegangen ist, das Ganze gegenüber Gruppeninteressen abzuwägen, die hier oft zutage getreten sind.

Vor allen Dingen ist mir aus diesen Jahren der Zusammenarbeit, Kollege Lukesch, eines in Erinnerung geblieben: Ich habe mich immer auf Ihr Wort verlassen können. Das ist ein Wert in der Politik und im Leben überhaupt, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Dafür möchte ich Ihnen danken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Platter.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. 12 Minuten Redezeit werden gewünscht. – Bitte.

10.29

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist ein schwieriger Weg, den der Herr Bundesminister gegangen ist. Einerseits ist es natürlich notwendig, daß wir in Österreich an den Hochschulen ein dreigliedriges System einführen. Natürlich geht der internationale Trend in die Richtung, daß wir den Studenten auch jene Mobilität bieten könnten, den zweiten Studienabschnitt in einem anderen Land zu absolvieren beziehungsweise daß ihre Studien, die sie in der Heimat betrieben haben, dort anerkannt werden. Ich meine aber andererseits, daß es sehr schwierig ist, wenn man ein Gesetz entwickelt und dabei zuwenig Rücksicht auf andere Meinungen nimmt.

Zeit war genug, das ist kein Schnellschuß. In meinen Augen ist ein Gesetz, das nur ein paar Seiten umfaßt, bei dem es aber ein Jahr lang gedauert hat, bis es gekommen ist, kein Schnellschuß. (Abg. Dr. Graf: Es hat nicht ein Jahr gedauert!) Es war Zeit genug, es vorzubereiten. Ich glaube daher nicht, daß man den Vorwurf erheben kann, der Herr Minister hätte zu schnell gearbeitet, sondern ich meine, daß gravierende Bedenken nicht berücksichtigt wurden.

Das erste ist: Welche Leitlinien gibt es in der Wissenschaftspolitik? Welche Ziele stecken wir uns? Was wollen wir im tertiären Bildungssektor erreichen? – All diese Fragen wurden nicht beantwortet. Es kommt zur Bildung eines Fleckerlteppichs in jenen Gesetzesmaterien, die die Hochschule betreffen – und das halte ich für extrem gefährlich!

Man kann doch bitte nicht ununterbrochen irgendwelche Puzzle-Teile einfügen und dann behaupten, man hätte eine "Vision". – Man hat sie nicht! Ich glaube, in der nächsten Legislaturperiode – Sie, Herr Professor Lukesch, werden dann nicht mehr hier sein, werden mir diesbezüglich aber sicherlich beipflichten – wird es notwendig sein, daß sich die nächste Bundesregierung am Anfang damit befaßt, was sie am Ende erreichen will, damit nicht ununterbrochen irgendwelche Bruchstücke verändert werden müssen. Das verwirrt doch bitte die Studienkommissionen!

Man darf nicht vergessen, daß die Studienkommissionen in letzter Zeit ihre Arbeit eingestellt haben, weil sie verunsichert sind, weil sie nicht gewußt haben, welches Gesetz kommen wird, welche Möglichkeiten sie haben und wie sie das unter Umständen in ihren eigenen Bereich adaptieren können oder nicht. Das halte ich für sehr, sehr schade.

Jene Studienkommissionen, die ihre Arbeit beendet haben, können ihre Arbeit jetzt in den Papierkorb schmeißen, weil sie unter Umständen völlig neu beginnen müssen. Das halte ich für eine Mißachtung der Arbeitskapazität auf den Hochschulen. Man hätte das in einem Guß machen müssen. Bakkalaureat ist ein Thema, das schon längst – nicht nur erst seit letztem Sommer – auf dem Tapet ist, und daher hätte man das viel früher erkennen und den Studienkommissionen in einem Paket den Auftrag geben müssen, nicht nur zu schauen, wie sie ihre Studien jetzt selbst gestalten können, sondern auch, wie sie die Drei – beziehungsweise Zweigliedrigkeit in ihrem eigenen Bereich adaptieren können.

Ich finde es schade, daß man so viel Zeit verstreichen ließ, daß Leute dafür gearbeitet haben, jetzt aber zur Kenntnis nehmen müssen, daß sie neu anzufangen haben.

Und es geht noch weiter: Bei diesem Gesetz sind einige Dinge unklar. Wie ist es eigentlich im technischen Bereich? Wo fügen sich in diesem System die Fachhochschulen ein? Wo gibt es dann die Kurzstudien? Wo gibt es die Studien, die Bakkalaureat anbieten? Wo gibt es die Studien, die Diplomingenieure ausbilden und so weiter? Es herrscht in manchen Bereichen totale Verwirrung; und das hat sich natürlich auch bemerkbar gemacht.

Die Briefe, die wir bekommen haben, sind doch nicht ohne Grund geschrieben worden. Das waren besorgte Bürgerinnen und Bürger, und es gab Hunderte von Briefen, die ich bekommen habe. (Abg. Dr. Niederwieser: Serienbriefe waren das – und sonst gar nichts!) Glauben Sie mir, dadurch wurde mein Sekretariat wahrlich blockiert. Aber ich nehme diese Anliegen und Sorgen sehr ernst. Vielleicht haben sie die Frist in bezug auf eine Stellungnahme verpaßt, aber einzelne Bürger sind wohl kaum in der Lage, Fristen für Gesetzesmaterien einzuhalten. Also haben sie nur mehr die Möglichkeit, wenn das Gesetz vorliegt, zu reagieren. Jede einzelne dieser Personen hat das Recht, ernst genommen zu werden, hier darf nicht pauschal diffamiert werden.

Weiters: In puncto Finanzen ist nichts geklärt. Es wurde uns in Vorbereitung zu diesem Gesetz erzählt, daß durch Umschichtungen und Umwandlungen Kapazitäten auf der Universität freiwürden, die für ein dreigliedriges System zur Verfügung gestellt werden könnten. – Ja natürlich, aber alles nicht. Ich bin sicher, daß nicht alles durch Umwandlungen finanzierbar ist, und es ist einfach unehrlich, das zu behaupten.

Ich meine, man hätte viel früher mit den Betroffenen darüber sprechen sollen, was jetzt an neuem Finanzierungsbedarf auf uns zukommt. Auch als Gesetzgeber haben wir das Recht, zu erfahren, wieviel an zusätzlichen Kosten das für den Staat bedeutet. – Es ist ein großes Manko, daß das überhaupt nicht eingehalten wurde.

Natürlich wird sich in bezug auf die Drop-out-Rate einiges ändern, weil über die Möglichkeit, ein etwas kürzeres Studium zu absolvieren, ohne daß es ein Kurzstudium ist, sicherlich einige Personen die Möglichkeit haben werden, einen Hochschulabschluß zu erreichen. (Abg. Dr. Niederwieser: Sie brauchen nur noch dafür zu stimmen!)

Aber ich sage Ihnen folgendes: Das ist auch eine Falle für die Frauen. Das hat die Hochschülerschaft, das haben die Studenten richtig erkannt. Das wird dann oftmals wahrscheinlich dazu verwendet werden, Frauen den weiteren Bildungsweg zu versperren, indem gesagt wird: Wenn wir schon ein Kurzstudium finanzieren, so reicht das doch für die Frauen! Oder: Das Studium, das etwas kürzer ist, nämlich das Bakkalaureat-Studium, wird wohl reichen! Du bist ein Mädchen, du bist eine Frau, und daher brauchst du ja nicht weiterzustudieren! (Abg. Tichy-Schreder: Über diese Zeiten sind wir Gott sei Dank schon hinweg, Frau Dr. Gredler!) Das ist leider Gottes nicht vorbei, und wir können das statistisch nachweisen! Ich würde mir wünschen, daß dem nicht so wäre, aber ich sehe durchaus diese Problematik. (Abg. Dr. Niederwieser: Das stimmt doch auch für das Doktoratstudium überhaupt nicht!)

Und wenn es da weiters heißt, daß Personen, die nicht Vollzeit studieren können, ihren Bedarf anmelden können, muß ich sagen: Darin erblicke ich einerseits eine gute Intention des Gesetzgebers, andererseits aber ist die Frage zu stellen, wie Sie das wirklich machen wollen. Die einen haben die Verpflichtung, tagsüber Kinder zu versorgen, weil sie erst am Abend die Möglichkeit haben, daß eine andere Person diese Kinder versorgt, und sie werden daher einen Uni-Betreuungs- und Prüfungsbedarf für den Abend entwickeln. Andere hingegen haben einen Halbtagsjob und wollen eher in der Früh studieren, und sie gehen dann am Nachmittag arbeiten, und daher entwickeln diese den Bedarf, am Vormittag Prüfungen, Vorlesungen und entsprechende Kurse besuchen zu können.

Das heißt also, das wird dazu führen, daß Nicht-Vollzeit-Studierende gegeneinander ausgespielt werden. Und das halte ich insofern für problematisch, als man – trotz einer an sich guten Intention seitens des Wissenschaftsministeriums – jetzt eigentlich der Willkür Tür und Tor geöffnet hat. Es gibt keine Rechte, die man einfordern kann, wenn man Teilzeitstudierender ist, und das finde ich eigentlich sehr schade.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Maria Schaffenrath und weiterer Abgeordneter betreffend Optionenbericht zur Neustrukturierung des postsekundären Ausbildungsbereiches

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr und die Bundesministerin für Unterricht und Kultur werden ersucht, die Optionen zur kompletten Neustrukturierung des postsekundären Ausbildungsbereiches unter besonderer Berücksichtigung

a) der inneren, logischen Kohärenz und Durchlässigkeit,

b) einer notwendigen Harmonisierung mit der europäischen Bildungslandschaft,

c) einer grundlegenden Organisations-, Dienstrechts- und Studienreform,

und unter Angabe mittel- und langfristiger Ziele ihrer Finanzierung in einem Bericht darzulegen.

Über die Optionen bezüglich einer Neustrukturierung des postsekundären Ausbildungsbereiches soll der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr dem Parlament ehemöglichst berichten."

*****

Bewußt haben wir das mit "ehemöglichst" formuliert, damit auch da Fairneß gegenüber dem Herrn Bundesminister besteht.

Ich glaube, daß es diesbezüglich eine sehr gute Intention gab, nur: So, wie sie gestaltet wurde, ist das leider Gottes nicht befriedigend. Visionen fehlen, eine Leitlinie fehlt, eine transparente Gestaltung des tertiären Bildungssystems fehlt, und daher sollten wir uns wirklich länger mit dieser Materie beschäftigen. Deshalb werden wir auch den Antrag der Freiheitlichen auf Rückverweisung unterstützen.

In bezug auf das Universitäts-Akkreditierungsgesetz ist es jetzt natürlich dringlich, aktiv zu werden. Das Universitäts-Akkreditierungsgesetz ermöglicht Privatuniversitäten, in Österreich Fuß zu fassen, nur gibt es dabei gravierende Probleme.

Was den Akkreditierungsrat betrifft – meine Kollegin Motter wird die entsprechenden Abänderungsanträge einbringen –, wollen wir, daß die Mitglieder dieses Akkreditierungsrates keine vollzeitbeschäftigten Professoren der Universität in Österreich sind. Aus zwei Gründen halten wir das für eine unkluge Variante, denn das kann sich sowohl positiv als auch negativ auswirken. Natürlich kennen diese Personen die österreichische Bildungslandschaft, nur: Diese bewerten unmittelbar ihre eigene Konkurrenz. Das heißt, daß unter Umständen, wenn Personen eine Aussicht auf einen Dienstvertrag in einer privaten Universität haben, sie natürlich eher geneigt sein werden, da eine Befürwortung auszusprechen. Das alles ist menschlich. Wenn Personen hingegen die Befürchtung haben, daß sehr viele Studenten und Studentinnen abgezogen werden, sodaß sie weniger Hörerinnen und Hörer haben, was natürlich finanzielle Konsequenzen auf das Budget des jeweiligen Institutes hat, dann werden sie eben nicht ganz objektiv und selbstlos sein können. – Deswegen meinen wir, daß es in bezug auf Vollzeitbeschäftigte eine klare Grenze geben sollte. Zusätzlich sollte sich dieser Rat den Vorsitzenden beziehungsweise die Vorsitzende selbst aussuchen.

Und jetzt kommt ein interessanter Punkt, den ich allerdings nicht ganz verstanden habe. Wir wollen doch alle, daß auch dort Frauen, adäquat dem Frauenförderungsplan, zumindest vertreten sind. Warum schreiben Sie das nur in die Erläuterungen, warum nicht von vornherein ins Gesetz?

Ein Gesetz ist doch das, was von interessierten Leuten durchgelesen und beachtet wird. – Anhand der Erläuterung kann man aber erkennen, daß den Frauen nicht jener Platz gegeben wird, der ihnen selbstverständlich zustünde, nämlich nicht nur in den Erläuterungen erwähnt zu werden, sondern auch im Gesetzestext selbst vorzukommen. Eigentlich sehr verwunderlich, daß Sie das nicht zusammengebracht haben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

In bezug auf die Forschung möchte ich auch einen Abänderungsantrag einbringen, um damit klar zu dokumentieren, daß die forschende Community in Österreich in den Regierungsparteien keinen Partner findet. Sie haben sich geweigert, in ein Gesetz hineinzubringen, daß es zu einer klaren und unmißverständlichen Verpflichtung kommen sollte, für Privatuniversitäten zumindest einen kleinen Forschungsbetrieb in Österreich aufrechtzuerhalten. Ich halte es für enorm wichtig, daß sich dadurch Forscherinnen und Forscher von österreichischem Boden aus, über diese Privatuniversitäten eben, wunderbarer internationaler Vernetzungen bedienen und sich daher auch viel schneller etablieren können. Das ist eine Chance, die Sie versäumt haben, weil Sie einfach zu feige sind, das hineinzuschreiben.

Nachzulesen ist da nur etwas von "Verbindung von Forschung und Lehre". – Verbindung von Forschung und Lehre ist meiner Ansicht nach so interpretierbar: Die Lehre muß auch an Privatuniversitäten die neuesten Erkenntnisse der Forschung beinhalten. Das hat aber nichts damit zu tun, daß Forschungsleistungen zu erbringen sind. Man müßte ganz klar und deutlich sagen, daß das eine Notwendigkeit ist und deshalb eingefügt werden sollte.

Zu guter Letzt noch folgendes – die entsprechenden Abänderungsanträge wird meine Kollegin Klara Motter einbringen –, weil ich jetzt sehr stark damit konfrontiert bin: Auf der Universität sehen wir mehr und mehr, daß sehr erfolgreiche Forscherinnen ihrer Möglichkeiten entledigt werden, sich entsprechend weiterzuentwickeln. Sie dürfen an manchen Geräten nicht forschen, weil das sonst eine Konkurrenz für einen etablieren Kollegen bedeuten würde, und sie werden ausgeschlossen von sämtlichen Verfahren, um Professuren zu erreichen, und zwar unter den fadenscheinigsten Argumenten, obwohl sie von der Forschungsleistung her – und so etwas ist ja objektiv nachweisbar – wesentlich besser dastehen. Das halte ich wirklich für ein Mobbing gegen Frauen, das sich da jetzt auf der Hochschule entwickelt. Da droht große Gefahr. Die paar Forscherinnen, die wir haben, die an der Spitze der Forschungsleistung stehen, werden verschreckt – und es wird ihnen noch dazu von maßgeblichen Persönlichkeiten "empfohlen", ins Ausland zu gehen, weil sie in Österreich keinen Boden haben und weil sie eine "Gefahr" für männliche Kollegen bedeuteten. (Abg. Dr. Niederwieser: An wen denken Sie da zum Beispiel?)

Ich bitte Sie, und zwar alle, die Sie da sind: Reichen Sie diesen Frauen die Hand und sagen Sie ihnen, daß Sie das nicht zulassen werden! Herr Kollege Lukesch, Sie sind in adäquaten Kreisen: Ich warne Sie, denn ich sammle jetzt Fälle, und da gibt es einiges, was ich der Professorenschaft vorwerfen muß. Daß die Professorenschaft Frauen aufgrund nicht nachvollziehbarer Kriterien, daß die Professorenschaft Frauen, die besser qualifiziert sind, nicht in die Verfahren hineinläßt, halte ich für eine Unmöglichkeit! Dagegen sollten uns alle verbünden! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf gemeldet. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt. – Bitte.

10.44

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte die Behauptung des Kollegen Niederwieser, daß die Universität Leoben im Begutachtungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben habe, tatsächlich berichtigen.

Herr Kollege Niederwieser, das ist tatsächlich unrichtig. Nach Einlangen der Regierungsvorlage zur Begutachtung, die an die Studienkommission an der Universität Leoben weitergeleitet wurde, wurde diese mit einem Kommentar an das Kollegium weitergeleitet, und dazu hat die Universität selbst, und zwar am 7. Juni 1999, eine Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abgegeben.

Herr Kollege Niederwieser! Daraus folgt für mich, daß es dringend not tut, eine Rückverweisung zu veranlassen, weil ... (Abg. Dr. Kostelka: Was hat das mit einer tatsächlichen Berichtigung zu tun? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Rückverweisung hat bitte nichts mit einer tatsächlichen Berichtigung zu tun!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Tatsächlich ist es so, daß Sie offensichtlich diese Begutachtung nicht gelesen haben, sodaß es not tut, eine Rückverweisung vorzunehmen. (Abg. Dr. Niederwieser: Das darf doch nicht wahr sein! Sie müssen doch den Unterschied kennen zwischen einer Regierungsvorlage und einer Stellungnahme in einem Begutachtungsverfahren! Das ist eine Ignoranz sondergleichen!)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Gredler vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. (Abg. Dr. Niederwieser: Persönliche Erwiderung, Herr Präsident!)

Es ist richtig, daß Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser in einer tatsächlichen Berichtigung persönlich apostrophiert wurde. Sie haben das Recht zu einer persönlichen Erwiderung, aber es geht nur um Ihre persönliche Involvierung, Herr Abgeordneter. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

10.45

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Graf hat behauptet, ich hätte diese Stellungnahmen nicht gelesen. – Das ist völlig unrichtig!

Ich habe all diese Stellungnahmen gelesen, auch jene der Montanuniversität Graz (Rufe: Leoben!), die im Juni, also nach Abschluß des offiziellen Begutachtungsverfahrens, eingelangt ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. – Bitte.

10.46

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einleitend eine rhetorische Frage: Was ist heute für ein Tag? (Abg. Kiss: Unser Klubobmann hat Geburtstag! – Abg. Dr. Petrovic: Zehn Jahre Kurden-Morde! – Abg. Dr. Gredler: Sagen Sie das dem Außenminister ...!) Und was ist noch für ein Tag? (Rufe: Französische Revolution!) Sturm auf die Bastille! Danke für diesen historischen Beitrag. Heute ist der 210. Jahrestag des Sturmes auf die Bastille, ein Jahrestag, der im allgemeinen im Sinne dieser Revolution als die Gewinnung der Freiheit begangen und gefeiert wird.

Die Geschichte von der Erstürmung der Bastille geht aber noch weiter. (Abg. Dr. Kostelka: Marquis de Sade! – Weitere Zwischenrufe.) Als nämlich die Kommunarden die Bastille geöffnet hatten, fanden sie darin vier gefangene Vagabunden, kleine Kriminelle. Diese wurden befreit und nach ein paar Tagen wieder eingesperrt.

Ich bringe dieses Beispiel jetzt deswegen, weil das Gesetz mit dem Bakkalaureat, das Uni StG, sicherlich nicht jener revolutionäre Schritt ist, der keinen Stein auf dem anderen beläßt, wie es manchmal behauptet wurde, ist, sondern: Es handelt sich dabei lediglich um eine sinnvolle Weiterentwicklung des Uni StG 1997, das ich einmal – das kann Herr Kollege Brauneder in den Protokollen nachlesen – als "Habeas-Corpus-Akte" der Universitäten bezeichnet habe.

Seit ungefähr einem Jahr läuft die Diskussion um das Bakkalaureat, und das – das ist bereits richtig gesagt worden – verunsichert insbesondere die Studienkommissionen. Es ist wirklich so, daß eine Reihe von Studienkommissionen die Arbeit eingestellt, unterbrochen hat, um herauszubekommen, wie denn eigentlich der Gesetzgeber auf eine europäische Herausforderung reagieren wird, nämlich eine gemeinsame europäische Hochschularchitektur anzustreben beziehungsweise zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP.)

In Anlehnung an einen "offenen Brief", der in der heutigen Ausgabe der "Presse" enthalten ist, möchte ich jetzt einiges klarstellen.

Erstens: Was wir heute mit der Novelle zum Uni-StG beschließen, ist kein Einreißen des Gebäudes Universität, sondern damit wird den Universitäten die Möglichkeit gegeben, sich unter wohldefinierten Bedingungen anstelle des zweistufigen Studiums für ein dreistufig gegliedertes Studium zu entscheiden. Und was sind die Bedingungen? – Volle Wahrung der Autonomie und Flexibilität der Studienkommissionen und der Fakultäten. – Frau Kollegin Gredler! Das bedeutet sogar die wortwörtliche Übernahme einer Formulierung aus einem Entschließungsantrag von Ihnen. Wenn Sie heute dem nicht zustimmen, dann bringen Sie sich selbst voll in einen Widerspruch! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Gredler: Lesen Sie doch unseren Antrag!)

Meine Damen und Herren! 70 bis 90 Prozent des Stundenkontingents einer Studienrichtung können im Rahmen des Bakkalaureats untergebracht werden; der Rest auf der Magisterstufe. Das gewährleistet wohl eine gründliche, breit angelegte wissenschaftliche Ausbildung in diesem Bereich. Es handelt sich also nicht um einen "billigen Jakob", es geht nicht um die Universität als Jahrmarkt, und es geht nicht um eine Vernachlässigung der Forschungsaufgaben der Universität, die weiterhin auch im Rahmen der Ausbildung ihren Platz finden müssen.

Es gibt sogar die Möglichkeit, auf dieser Masterstufe, wenn dies international geboten erscheint, die Studienzeiten um ein bis zwei Semester zu verlängern. Wir können also mit einer Reprofilierung der wissenschaftlichen Ausbildung in diesem Bereich rechnen, falls es die internationale Vergleichbarkeit gebietet.

Ich meine, wir tun damit einen guten Schritt. Es wäre ein Fehler, weiterhin so zu denken wie in jener Zeit, als ich groß geworden bin und nur 5 Prozent eines Jahrganges an die Universität gekommen sind. Heute hingegen sind 30 Prozent eines Geburtsjahrganges Erstinskribienten. Darauf muß die Struktur der Universität reagieren können!

Es gibt immer mehr Studierende, die sehr wohl an einer Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Berufen interessiert sind. Und es gibt immer noch – Gott sei Dank! – einen gewissen Anteil, der auch an der Weiterentwicklung der Wissenschaft interessiert und dazu auch befähigt ist. – Wir sollten also dieser differenzierten Nachfrage seitens unserer Studierenden durch die Schaffung von entsprechenden Studienmöglichkeiten durch unsere Studiengesetze Rechnung tragen.

Gerade durch dieses Gesetz wird eine internationale Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse gesichert. Über die Bologna-Erklärung wurde ja bereits gesprochen, und die nationalen Eigenarten oder Besonderheiten, Herr Kollege Graf, sind eben dadurch gesichert, daß eine solche Dreistufigkeit nur im Rahmen der Universitätsautonomie entwickelt werden kann. Sie wird den Universitäten nicht von einem übergeordneten Ministerium sozusagen aufs Auge gedrückt! Letzteres ist – ich weiß momentan nicht, wie ich das korrekt bezeichnen soll – sagen wir eine Legende, die Sie hier verbreiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Desgleichen ist eine Legende, daß das der Einstieg in die Abschaffung der Habilitation wäre. – Ich sage Ihnen, Herr Graf: Solange die ÖVP in dieser Republik in Wissenschaftsfragen etwas zu sagen hat, wird es die Habilitation geben, wird diese beibehalten werden! Daran führt kein Weg vorbei! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das haben sich seinerzeit die Mitarbeiter der CA auch gedacht!)

Soziale Verantwortung den Studierenden gegenüber wird dadurch gewahrt, indem wir festhalten: Ein Bakkalaureat muß auch arbeitsmarktrelevant sein. Wir führen dazu ein eigenständiges Ermittlungsverfahren durch. Es ist eben nicht so, daß wir einen Titel ohne Mittel verleihen wollen. Es wird einen solchen Studienabschluß ausschließlich in jenen Bereichen geben, in denen auch eine Beschäftigungschance für die jungen Menschen gegeben ist. Ob eine solche gegeben ist, das kann man, Herr Kollege Graf, nicht für sämtliche Studienrichtungen in einem Verfahren feststellen, sondern das muß von Fall zu Fall entschieden werden. Nur dann, wenn Arbeitsmarktrelevanz gegeben ist, darf das Bakkalaureat eingeführt werden. – Das nenne ich soziale Verantwortung den Studierenden gegenüber! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben – nächster Punkt – auch eine Verfassungsbestimmung vorgesehen, nach der es den Studienkommissionen ermöglicht wird, einer Verordnung des Ministers zur Einführung des Bakkalaureats dann zu widersprechen, wenn die ressourcenmäßigen, die personellen und die finanziellen Möglichkeiten nicht gegeben sind, den Anforderungen infolge intensiverer Betreuung im Rahmen des Bakkalaureat-Studiums zu entsprechen.

Es ist also auch dafür gesorgt, daß entsprechende Abwehrrechte der Fakultäten gegeben sind, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Man kann den Universitäten nicht auftragen, die Studierenden intensiver zu betreuen, um sie dann mit ihren Personal- und Ressourcennöten einfach im Regen stehen zu lassen.

Der "offene Brief" der Montanuniversität Leoben, der heute in einer Tageszeitung abgedruckt wurde, steht in einem eigenartigen Gegensatz zu einem Brief, den ich von der Montanuniversität, und zwar von Rektor Paschen selbst, bekommen habe; dieser Brief ist datiert mit 6. Juli 1999. In diesem Brief heißt es – ich zitiere –:

Ich möchte keinesfalls die allgemeine Aufregung verstärken. In aller Ruhe halte ich als Rektor der Montanuniversität fest: Der Einbau der Worte "wissenschaftliche Vertiefung und Ergänzung" ist ausreichend für die Differenzierung zwischen Bakkalaureat und der Erhaltung des Wertes des Diplomingenieurs. Die Umsetzung eines dreigeteilten Studiums wird von der Montanuniversität nicht grundsätzlich abgelehnt, sie wird aber entsprechende finanzielle und ressourcenmäßige Voraussetzungen haben müssen. Und drittens: § 11 Abs. 3, so Paschen – die erwähnte Verfassungsbestimmung also –, wahrt die Autonomie der Universität, da der Minister dieser Bestimmung gemäß gegen einen Beschluß der Studienkommission keine Umwandlungsverordnung erlassen kann. Und weiters heißt es in diesem Brief: Wir hoffen, daß morgen in der Sitzung alles so entschieden wird. – Zitatende. (Die Abgeordneten Kiss und Dr. Brinek: Das schaut aber anders aus! Das hört sich ganz anders an!)

Am folgenden Tag, das war der 9. Juli, hat eine Sitzung des Wissenschaftsausschusses stattgefunden. – Es erreichen uns viele Briefe, und darin finden sich selbstverständlich unterschiedliche Stellungnahmen.

Das Gesetz betreffend Privatuniversitäten, das wir heute auch beschließen, hat viel eher den Charakter einer kleinen Revolution, denn wir verabschieden uns damit vom Staatsmonopol der universitären Ausbildung. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) Aber auch hiebei wurde mit großem Verantwortungsbewußtsein sichergestellt, daß nur qualitativ hochwertige Universitäten in Österreich als Privatuniversitäten auftreten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit kommen nunmehr auch die Freiheitlichen in die Ziehung. Sie haben einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht, Kollege Krüger und Kollege Brauneder. Ich glaube, Sie sollten sich davon nicht verabschieden, nur weil das Wort "Privatuniversität" nicht mit Bindestrich geschrieben ist. (Abg. Dr. Khol: Da schlägt wieder einmal Brauneder zu: korrekt bis ins Detail! – Abg. Dr. Brauneder: Danke!)

Abschließend: Ich bedanke mich bei Herrn Kollegen Niederwieser für die freundlichen Worte; auch ich empfinde unsere Zusammenarbeit der letzten Jahre als angenehm. Natürlich hat es Konflikte gegeben, aber ich meine, ich habe immer versucht, ein fairer Partner zu sein, und ich glaube, das "Tiroler Duo" in der österreichischen Wissenschaftspolitik wird noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.

Ich halte hier keine Abschiedsrede, meine sehr verehrten Damen und Herren (Abg. Leikam: Jeder weiß, daß nur das geschieht, was Khol sagt! Und Sie verschweigen das!) – ich weiß, mein Klubobmann hat möglicherweise in den restlichen Tagen dieser Woche noch etwas vor –, sondern möchte nur nochmals festhalten: Wir setzen mit diesen Gesetzesinitiativen einen verantwortungsbewußten Schritt, und ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister dafür, daß er die Handschrift der ÖVP in diesem Bereich in kooperativer Form zugelassen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.58

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Lukesch hat zuvor den denkwürdigen Jahrestag des Sturmes auf die Bastille angesprochen. Gestern gab es auch einen Jahrestag: zehn Jahre ungeklärte Kurden-Morde. (Abg. Kiss: Heute! Heute!) Zehn Jahre ist es her, daß in Österreich drei kurdische Oppositionelle – mehr oder minder vor den Augen unserer Behörden – getötet wurden und die Mörder entkommen konnten. (Rufe: Zur Sache!)

Das ist sehr wohl zur Sache, Herr Abgeordneter! Schauen Sie sich doch beispielsweise an, was sich jetzt im Iran im Zusammenhang mit Studierenden abspielt! Das Thema Universitäten, die Situation der Studierenden, ist notwendigerweise international, und das sollte auch unsere internationale Solidarität auslösen.

Die Studierenden im Iran sind bedroht; sie können sich nicht artikulieren. Es ist müßig, jetzt darüber zu philosophieren, was anders gewesen wäre, wenn damals auch die europäischen Staaten, auch Österreich, mit Entschlossenheit den demokratischen Widerstand unterstützt hätten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Posch: Das ist Mißbrauch der Redezeit!) Vielleicht würde es heute anders aussehen.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Posch, das als "Mißbrauch der Redezeit" betrachten, so haben Sie sehr wenig vom Wesen von Universitäten, vom Wesen des Studierens und vom Geist, der in diesem Bereich herrschen sollte, verstanden! (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Wenn man Universitäten, so wie das die Koalition seit geraumer Zeit tut, mit Scheuklappen und aus einem verengten Blickwinkel betrachtet, dann mag das so sein. Das ist aber nicht mein Blickwinkel, und genau hier setzt auch meine Kritik an diesem Universitäts-Studiengesetz an. Ich bin nicht kategorisch gegen Bakkalaureat-Studien, ich könnte diesen, wenn sie entsprechend vorbereitet sind, durchaus einiges abgewinnen. Allerdings ist es mir angesichts dessen, daß es bei anderen Materien im Hochschulbereich Jahrzehnte dauert, bis die Koalitionsparteien zu einer Meinungsbildung kommen, unbegreiflich, wieso gerade in diesem Punkt jetzt derart die Torschlußpanik eingesetzt hat.

Ich höre etwa im Zusammenhang mit dem passiven Wahlrecht für ausländische Studierende aus Nicht-EWR-Ländern, daß man das immer wieder noch einmal prüfen muß. (Abg. Dr. Graf: Da hat Kollege Niederwieser einen Rückverweisungsantrag gestellt!) Es gibt einen Rückverweisungsantrag, denn da könnten irgendwelche Konsequenzen, an die wir vielleicht noch nicht denken – vielleicht ein bißchen mehr Demokratie –, die Folge sein, und ob man das in Österreich wollen soll, weiß man ja nicht. Also lieber nicht. Seit 25 Jahren wird dieses Anliegen der ÖH nun schon geprüft!

In diesem Fall hingegen sind wir etwas schneller. Das muß dann noch – zack! – in den Ausschuß hinein, und die Kritikpunkte, die auch im Ausschuß angesprochen worden sind und bezüglich derer wir zumindest auch eine Auswertung ausländischer Ergebnisse für nützlich gehalten hätten, braucht man nicht. In einigen Bereichen zeigt sich aber bereits, daß unsere Befürchtungen zu Recht bestehen.

Ich denke, zum ersten hätte man eine Durchforstung, eine Novellierung der Studien so durchführen sollen, daß sie die gesamten Studienpläne erfaßt und nicht in der Abkoppelung eines Bakkalaureat-Teiles besteht, denn auch der Rest des Studiums sollte in vielen Bereichen überprüft werden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zum zweiten ist die Frage der berufsrechtlichen Situation offenbar mit Absicht nicht geklärt worden. Ich höre jetzt aus etlichen Ressorts, daß man ja gar nicht daran denke, die Bakkalaureat-AbsolventInnen in die A-Wertigkeit einzubeziehen. Das wissen Sie ganz genau. Sie wollen sehr bewußt damit eine Schmalspurausbildung schaffen, in die, drittens, offenbar insbesondere Frauen abgedrängt werden sollen. Denn um etwa auch ausländischen Erfahrungen entgegenzuwirken – das Kurzstudium für die Frauen und die hehre Wissenschaft als Domäne der Männer für die nächsten 200 bis 300 Jahre –, hätte es wohl einer entschlossenen politischen Gegensteuerung bedurft. Eine solche vermisse ich in diesem Gesetz.

Der Bedarf, der bestimmt nicht von unten gekommen ist, denn die Universitäten haben ganz andere Anliegen gehabt – ich habe vorhin ein wichtiges angesprochen –, ist offenbar eher ein Bedarf mancher Angehöriger von Universitäten. Es ist, wie gesagt, ein Bedarf, den ich nicht generell für illegitim oder für nicht gegeben halte, aber Sie haben uns durch Ihre Vorgangsweise die Möglichkeit genommen, zu einer überlegten, durchdachten und insbesondere auch für Frauen verträglichen Einführung von Bakkalaureat-Studien zu kommen. Ich bedauere das. Sie erwähnen zwar lobend den Konsens mit Abgeordnetem Niederwieser, aber der Konsens mit der Opposition ist Ihnen offenbar kein Anliegen mehr. Ich nehme das so zur Kenntnis.

Ein weiterer Punkt – Abgeordneter Lukesch hat das explizit angesprochen – ist die arbeitsmarktpolitische Relevanz der neuen Kurz- und Schmalspurstudien. Wer beurteilt denn diese? Die jungen Leute? Die Studierenden? Die ÖH? – Nein, der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen! Das etablierteste sozialpartnerschaftliche rot-schwarze Gremium beurteilt also die Zukunftsorientierung unseres Hochschulwesens! Das ist typisch österreichisch, und das setzt diesem Gesetz natürlich die großkoalitionäre Krone auf! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler.)

Wenigstens in diesem Punkt hätte ich mir ein klein wenig von einer Vision, einer Zukunftsorientierung, einer Gewichtung durch die jungen Menschen selber, die wohl ganz gut wissen, wo ihre Zukunftschancen liegen können, gewünscht.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic und FreundInnen zur Regierungsvorlage (1997 der Beilagen) in der Fassung des Berichtes des Wissenschaftsausschusses (2083 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Nach Ziffer 16 der RV wird folgende Ziffer 16a eingefügt:

"16a. Der Abs. 2 Satz 1 des § 12 lautet folgendermaßen:

Die Studienkommission hat die Absicht der Erlassung oder Änderung des Studienplanes oder der Umwandlung gemäß § 11a den Bundesministerien und den Ämtern der Landesregierungen jeweils in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, den gesetzlichen Interessenvertretungen, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Vereinigung der Österreichischen Industrie, den betroffenen Kammern der freien Berufe, anderen facheinschlägigen Einrichtungen des Beschäftigungssystems und bei den theologischen Studienrichtungen den zuständigen kirchlichen Stellen anzuzeigen."

*****

Das wäre zumindest ein etwas weiterer Kreis.

Ein Wort noch zum Akkreditierungsgesetz: Auch da kein kategorisches Nein zur Zulassung von Privatuniversitäten. Es scheint uns aber auch bei diesem Gesetz zum einen die Vorgangsweise der Bedeutung der Materie nicht angemessen. Der nicht begründete Ruf "mehr privat, weniger Staat!" hat uns in anderen Bereichen schon sehr viel Ärger gebracht und sehr viel Geld gekostet. Ich erinnere an diverse mißglückte Ausgliederungen. Insofern wäre es notwendig gewesen, vor allem die Werthaltungen von Universitäten – auch ethische Fragen – darin stärker zu gewichten. Schließlich wäre es, wie gesagt – und das ist ein in dieser Legislaturperiode nur für die Protokolle gesprochener Satz –, auch schön gewesen, wenn man ein bißchen mit der Opposition geredet hätte. Vielleicht in der nächsten Gesetzgebungsperiode! (Beifall bei den Grünen.)

11.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Petrovic vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.07

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Petrovic, ich hoffe, daß Ihr letzter Satz nicht darauf hinweist, daß Sie sich schon mit der Oppositionsrolle auch in der nächsten Gesetzgebungsperiode abgefunden haben, sondern daß Sie sich vielleicht auch etwas anderes vorstellen können. (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. – Abg. Dr. Gredler: ... große Koalition sicher nicht!)

Ich möchte in der gebotenen Kürze zum Universitäts-Akkreditierungsgesetz Stellung nehmen, das die staatliche Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten regelt. Ob es sich hierbei um eine Bereicherung des Hochschulsektors handelt, wird sich erst zeigen. Voraussetzungen dafür sind, daß die Privatuniversitäten Studien anbieten, die zu akademischen Graden führen, daß es sich hierbei um mindestens dreijährige Vollzeitstudien handelt, daß die Personal-, Raum- und Sachausstattung gewährleistet und der Grundsatz der Freiheit von Wissenschaft und Lehre beachtet werden muß. Die Titel, die an diese Bildungseinrichtungen geführt werden, erhalten den Zusatz "der Privatuniversität".

Dafür wurde eigens ein Akkreditierungsrat eingerichtet, der die Akkreditierung durchführt. Diesem gehören acht Mitglieder an, die von der Bundesregierung bestellt werden, vier auf Vorschlag der Rektorenkonferenz. Dieser Akkreditierungsrat agiert völlig unabhängig und weisungsfrei. (Abg. Dr. Gredler: Na, völlig! Völlig!) Das heißt, man hat damit eine ähnliche Lösung wie beim Fachhochschulrat gefunden, und das war eine gute Lösung.

Die Aufsicht des Bundesministers bleibt dennoch gewahrt, wenn nationale bildungspolitische Interessen berührt werden. Außerdem besteht für Privatuniversitäten ein Förderungs- und Subventionsverbot des Bundes, damit keine Konkurrenz zu den eigenen staatlichen Bildungseinrichtungen entsteht.

Es ist in den letzten Jahren an den Universitäten sicher einiges in Bewegung geraten. Einige neue tertiäre Einrichtungen sind entstanden, etwa durch das Fachhochschul-Studiengesetz 1993. Derzeit besteht eben das Interesse einiger ausländischer Universitäten, auch in Österreich Studienprogramme anzubieten. Das kann sicher eine positive Ergänzung zum Bildungsangebot der österreichischen Universitäten sein, es können neue Zugänge zur Aus- und Weiterbildung für Studierende entstehen.

Kritisch vermerkt werden sollte allerdings, daß der freie Universitätszugang auf Umwegen durch Studiengebühren an Privatuniversitäten unter Umständen ausgehöhlt werden könnte, sodaß in Zukunft jemand auf die Idee kommen könnte, auch an staatlichen Universitäten Studiengebühren einzuführen, was wir ganz strikt ablehnen.

Es darf außerdem befürchtet werden, daß zwei Klassen von, in diesem Fall, sozial privilegierten Studierenden entstehen und daß eine Konkurrenz für staatliche Universitäten durch die bessere finanzielle Dotierung der Privatuniversitäten aufkommen könnte.

Es handelt sich in Summe also um ein kleines Gesetz. An sich bestand nur ein geringer Regelungsbedarf, da derzeit erst wenige Anbieter auf dem Markt sind. Aufgrund der hohen Studiengebühren stellen diese Universitäten nur ein schmales Angebot für ein paar privilegierte Studentinnen und Studenten dar, die sich diese hohen Gebühren leisten werden können. Das heißt, das Gesetz wird geringe Breitenwirkung haben.

Ob die institutionelle Verankerung von Privatuniversitäten in Österreich daher notwendig oder wünschenswert war oder ist, darf zumindest kritisch kommentiert werden. Die Zukunft wird zeigen, ob die Angebote eine Bereicherung der österreichischen Bildungslandschaft darstellen oder ob sie bloß dem Geltungsbedürfnis einer Möchtegern-Elite dienen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.11

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Um eine gemeinsame Erfahrung sind wir, glaube ich, jetzt reicher: Wir diskutieren zwar heute einmal Wissenschaft bei Tageslicht, aber das Interesse ist nicht wesentlich größer als dann, wenn wir es um Mitternacht herum tun. (Abg. Amon: Es geht um die Qualität, nicht um ...!)

Lassen Sie mich mit einem Zitat anfangen. Vor ganz kurzer Zeit hat der Salzburger Professor Werndl im "Journal für Rechtspolitik" folgendes festgestellt:

"Das Gesetz, einst Element der Rechtssicherheit und gleichzeitig Abgrenzung gegenüber dem rechtsfreien Raum, verkommt zum Faktor der Verunsicherung." – Das Gesetz verkommt zum Faktor der Verunsicherung!

Herr Bundesminister! Das, was uns aus Ihrem Hause hier vorgelegt wird, bekräftigt diese Einschätzung völlig – ich muß allerdings einräumen, daß auch andere Bundesministerien dazu das Ihre beitragen.

Allerdings, ein Hoffnungsschimmer ist folgender: Man hat bereits erkannt, das dies so ist, denn erstmals gibt es eine Bestimmung, die etwa dahin gehend lautet, daß man das Gesetz nicht mehr zur Gänze kennen muß, wie das ansonsten bei Gesetzen verlangt wird. Just im Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage findet sich nämlich eine Bestimmung, wonach der Studiendekan beziehungsweise die Studiendekanin und so weiter bei Zulassung zum Bakkalaureat-Studium – ich frage mich, warum gerade bei der Zulassung; aber lassen wir das einmal weg – diverse Vorschriften zur Kenntnis zu bringen hat, von diesen Vorschriften jedoch nur mehr "die wesentlichen Bestimmungen". – Das heißt, daß nun zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestimmungen in Gesetzen differenziert wird! In Ordnung, gut, aber: Was ist wesentlich? Was ist unwesentlich? Für wen ist was wesentlich? Für wen ist was unwesentlich? – Aber den Punkt will ich doch festhalten: Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, daß der Studierende nicht mehr, wie das früher der Fall war, das Bundesgesetzblatt gelesen hat, das ihn betrifft; vielleicht deswegen, weil er sich nicht mehr auskennt und weil es – ein Argument, für das ich sehr viel Verständnis hätte – an der Lesbarkeit doch sehr mangelt.

Herr Kollege Lukesch! Ich darf wieder einmal auf Ihr "Jahrhundertgesetz" zu sprechen kommen, obwohl es schon ein bißchen fad ist. Dieses "Jahrhundertgesetz" war, das will ich hier im Plenum festhalten, meines Erachtens der völlig falsche Weg für Studienreformen. Daß Sie in diesem Jahrhundert, das ohnedies sehr kurz war und ist, dieses "Jahrhundertgesetz" schon so oft novellieren mußten, ist eigentlich eine reine Blamage. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.)

Sie haben im Ausschuß gesagt, Sie hätten sich gewünscht, daß man schon viel früher über das dreigliedrige Studium nachgedacht hätte: Unter "viel früher" verstehe ich zwei Jahre, und damit sind wir ziemlich genau beim Uni StG. Ja, warum haben Sie damals nicht darüber nachgedacht? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) Ich meine jetzt nicht Sie persönlich, Herr Kollege Lukesch, sondern: Warum hat man damals nicht darüber nachgedacht?

Wir haben vor zwei Jahren ein zweigliedriges Studium eingeführt, es entsteht ein Papierberg an Studienvorschriften; und jetzt führen wir ein dreigliedriges Studium ein. Nach nur zwei Jahren brauchen wir also schon wieder etwas anderes! (Abg. Dr. Lukesch: Das deutsche Hochschulrahmengesetz besteht seit 1998!)

Ich sage Ihnen noch eines, Herr Kollege Lukesch: Dieses eine Argument, daß ein Studiengesetz 230 Studienpläne ersetzt hätte, ist ja unrichtig! Es gibt natürlich für jedes Studium Studienpläne, nur eben nicht mehr vom Parlament – aber Sie meinen vielleicht, ich verstünde das nicht.

Was in Studienangelegenheiten an die Stelle der Gesetzgebung hier im Parlament getreten ist, ist etwas, was ich "Gesetzgebung im Umlaufweg" nennen möchte. Da ist einmal die Studienkommission damit befaßt – darin gibt es wieder verschiedene Gruppen, also geschieht schon einmal intern etwas im Umlaufweg –, dann geht es an die Kammern – das sind in der Regel mehrere –, und dann setzt sich dieser Umlaufweg fort beziehungsweise endet dieser Umlaufweg beim Bundesminister, der das Ganze noch einmal so ein bißchen beobachten soll. Durch diese Gesetzgebung im Umlaufweg sollen offenbar nach Möglichkeit jene eingebunden werden, die bei irgendwelchen Studienplänen mitreden sollen. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Lukesch: Hier im Parlament wäre der Ort, um Studienpläne – nicht im Detail –, um Studienordnungen zu erarbeiten! Hier im Parlament sind alle Gruppen der Bevölkerung vertreten, hier könnte man durch Enqueten, ich sage jetzt einmal, alle Rechtsberufe einbinden. Hier wären die grundlegenden Studienvorschriften zu machen, nicht in diesem Umlaufweg!

Um zu sehen, daß es nicht funktioniert, braucht der Herr Minister nur seinen Ministerkollegen Michalek zu fragen, der ja schon gesagt hat, es ist ein Horror, daß es fünf verschiedene juristische Studienordnungen gibt, nicht wahr? Auch die Kammern jammern – gut, das ist wiederum ein Problem für sich: Warum jammern die Kammern, wenn sie doch eigentlich in diesen Umlaufprozeß eingebunden sind? (Abg. Dr. Lukesch: Das ist eine josephinische Einstellung, dieses Jammern! Typischer Josephinismus!) – All das zeigt Ihnen jedenfalls, daß dieser Umlaufprozeß nicht funktioniert. In einem Aspekt will ich dann noch darauf zurückkommen.

Was an dieser Gesetzgebung auch Unbehagen auslöst, ist die Flucht aus dem Parlament durch das, was ich schon skizziert habe, und mit jenen Bestimmungen, durch die die Bundesminister – wie auch in diesem Fall eben der Bundesminister – ermächtigt werden, entweder Bakkalaureat-Studien einzuführen oder Bakkalaureat-Studien einzustellen. Ich frage mich: Wo bleibt da die Universitätsautonomie?

Aber offenbar ist der sachkundige Rat ja gar nicht gewollt, denn die Einschätzung des sachkundigen Rates wird sehr deutlich einerseits durch den Umstand, daß Kollege Niederwieser davon ausgeht, die Montanuniversität hätte keine Stellungnahme abgegeben – das hat sie sehr wohl! –, und andererseits durch die Einschätzung von Herrn Kollegen Lukesch. Es gab hiezu zwei APA-Meldungen fast zur gleichen Stunde: Sie, Herr Kollege Lukesch, haben gesagt, Leoben sei zufrieden, während Rektor Paschen zum selben Zeitpunkt meinte: Nein, er ist nicht zufrieden! (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.)

Weiters gibt es eine ganze Reihe inhaltlicher Unzulänglichkeiten. Ich will auf diese nicht im Detail eingehen, aber einen Punkt möchte ich doch herausnehmen. Was dieses dreigliedrige Studium betrifft, frage ich mich noch immer: Wer verlangt es denn eigentlich? – Nun wird darauf geantwortet, die Bologna-Erklärung würde es verlangen, es ist das, glaube ich, von Herrn Kollegen Niederwieser heute auch schon gesagt worden. Das ist eine Joint Declaration der European Ministers of Education, eine gemeinsame Erklärung der Minister. Seit wann bitte sind wir im Parlament an Ministererklärungen gebunden? – Ich weiß schon, in der Realverfassung bei großer Koalition sehr wohl, aber an sich doch nicht! Wir sind doch überhaupt nicht an Ministererklärungen gebunden!

Außerdem sind auch die Minister nicht an Deklarationen gebunden. Selbst wenn sie es wären, bitte, hätten die Minister nur folgendes zu machen – ich darf Ihnen diesen Passus noch einmal vorlesen –: "Taking full respect of the diversity of cultures, languages," – no na!, muß man sagen; aber: – "national education systems and of university autonomy." – Ein Zwang, entgegen unserem "national education system" – einem zweigliedrigen Studium – ein dreigliedriges einzuführen, besteht daher überhaupt nicht! Das ist eine Alibi-Ausrede. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluß möchte ich bei dieser inhaltlichen Kritik noch auf einen Punkt hinweisen. Es ist vom "Bindestrich" bei der Universität gesprochen worden – ich habe dieses Bild im Ausschuß nur gebraucht, um folgendes klarzutun: Es kann sich nun eine Einrichtung, die selbst nur Teile von Studien anbietet – also weniger als eine Fakultät –, Universität nennen, und das ist ein Etikettenschwindel. Das erinnert mich an meine Professur in den Vereinigten Staaten, an der Staatlichen Universität von Kansas – einer Universität mit allen Fakultäten. Damals war meine Neugierde groß, als ich sah, daß es knapp davor, in einem Ort namens "Baldwin City" – wir würden sagen, in einem Dorf –, auch eine "university" gab! Ich habe mir einmal gedacht: Was machen denn die dort bloß? – Das war eigentlich nichts anderes als eine Mittelschule für "undergraduates", für das, was ein Bakkalaureat ist. – Diese Etikettenfälschung und Verwässerung wird jetzt auch bei uns mit diesen Privatuniversitäten betrieben.

Herr Kollege Lukesch! Natürlich sind wir Freiheitlichen für Privatuniversitäten, aber für echte Universitäten, die parallele Einrichtungen zu den staatlichen Universitäten darstellen, und nicht für irgendwelche Filialen – mir will hiezu ja nicht unbedingt gerade der Name "Webster University" einfallen. Aber genau das ist in diesem Gesetz klar spürbar: daß es ein Maßnahmengesetz für amerikanische Filialen ist. (Abg. Schwarzenberger: Der Haider hält so viel von den amerikanischen Universitäten!)

Denn wie – um den letzten Punkt zu erwähnen – erklären Sie sich sonst, daß an einer österreichischen Privatuniversität mit Sitz in Österreich, mit österreichischem Personal, mit österreichischen Studierenden – zumindest überwiegend! – Prüfungen abgelegt und akademische Grade erworben werden können, die ausländischen Prüfungen und akademischen Graden gleichzusetzen sind? – Ja, was soll denn das?! (Abg. Dr. Lukesch: Zum Schutz der Gleichwertigkeit, ganz einfach!) Ja, eben! Genau! Danke, Herr Kollege Lukesch, denn damit geben Sie zu, daß diese Universitäten keine Universitäten sind, weil Sie sie sozusagen vor den echten offenkundig schützen müssen. Anders ist das nicht zu verstehen, außer es ist etwas stehengeblieben.

Herr Minister! Ich möchte mit etwas Konstruktivem enden; das habe ich auch im Ausschuß schon so formuliert. Herr Bundesminister, tragen Sie mit Ihrer Aufsichtspflicht hinsichtlich der Studienpläne dafür Sorge, daß die Studienpläne so gestaltet sind, daß Magister-Studien wirklich in vier Jahren absolviert werden können, etwa, indem Sie den Fakultäten sagen: Streicht dieses oder jenes heraus, macht weniger Prüfungen!

Wenn Sie das machen, Herr Bundesminister, brauchen wir kein dreijähriges Bakkalaureat, das vielleicht in der Praxis ohnedies vier Jahre dauert. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Dann macht es nicht, ganz einfach!)

11.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Bundesminister Dr. Einem. – Bitte, Herr Minister.

11.21

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Vielleicht darf ich Herrn Präsidenten Dr. Brauneder gleich antworten. Herr Präsident, wenn Ihnen so sehr an der Autonomie der Universitäten gelegen ist, wie aus Ihren Worten hervorleuchtet, ist es nur mäßig konstruktiv, wenn Sie mir ansinnen, daß ich die Universitäten hinkünftig dazu bewegen soll, was sie in die Studienpläne hineinschreiben und was nicht. Ich habe eine andere Vorstellung von der Autonomie der Universitäten.

Aber ich bin gerne – um ebenfalls konstruktiv zu bleiben – dazu bereit, mich mit Ihnen über diese Frage weiter zu unterhalten. Doch so, wie Sie es mir jetzt anempfohlen haben, denke ich, würde mit Recht die Kritik geübt werden, daß der Minister versucht, in den ureigensten Bereich der Universitäten, in die Universitätsautonomie, hineinzuregieren. Das lehne ich ab!

Hohes Haus! Lassen Sie mich ganz kurz rekapitulieren, weil es heute vermutlich das letzte Mal ist, daß wir uns in dieser Legislaturperiode mit Fragen der Wissenschaftspolitik beschäftigen.

Wir haben in dieser Legislaturperiode einen, wie ich glaube, nicht unbedeutenden Schritt in Richtung Modernisierung unserer Universitäten und in Richtung Verbesserung der Qualität in Lehre und Forschung getan, und ich meine, daß sich weder das Hohe Haus noch das Wissenschaftsministerium dafür zu genieren brauchen.

Wir haben das Organisationsrecht für alle Universitäten auf ein einheitliches Niveau gebracht. Wir haben die Kunstuniversitäten im Interesse der dort Studierenden endlich auf das gleiche Niveau wie alle übrigen Universitäten gehoben, indem wir ein einheitliches Organisationsrecht für alle Universitäten geschaffen haben.

Wir haben ein einheitliches Studienrecht für alle Universitäten geschaffen, indem wir zunächst im Jahre 1997 das Universitäts-Studiengesetz vorgeschlagen und hier beschlossen haben. Es zeigt sich bereits an den ersten auf dieser Basis eingebrachten neuen Studienplänen, daß damit ein Qualitätssprung erreicht werden konnte.

Wir haben nunmehr diese Basis auf die Kunstuniversitäten erweitert und auch diesen Universitäten nach demselben System die Möglichkeit gegeben, ihre Studienpläne neu zu gestalten, dabei im wesentlichen auch zur Verkürzung der Studien beizutragen und im übrigen die Studienpläne näher an den Bedürfnissen der Gesellschaft zu orientieren. Das ist der Grund, warum wir im Rahmen des Universitäts-Studiengesetzes ein Begutachtungsrecht derjenigen vorgesehen haben, die entweder künftig Arbeitgeber der Absolventen dieser Studien sind oder die selbst als Arbeitnehmerorganisationen derartige Absolventen zu vertreten haben.

Was bisher im Wissenschaftsministerium an Studienplänen zur Nichtuntersagung eingelangt ist, zeigt, daß die Universitäten diese Herausforderung nicht nur verstanden haben, sondern auch in der Lage sind, sich dieser Herausforderung in vollem Umfang zu stellen. Die neuen Studienordnungen sprechen für den Erfolg dieser gesetzgeberischen Maßnahmen.

Wir haben aber auch eine neue Studienförderungsregelung getroffen. Ich denke, es war wichtig, auf Basis der Untersuchung zur sozialen Lage der Studierenden auch darin einen klaren Schritt zugunsten der Studierenden zu setzen. Jene Studierenden, die darauf angewiesen sind, staatliche Unterstützung für das Studium zu bekommen, sind jetzt in diese Lage versetzt. Auch das war ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Wir haben überdies eine Diskussionsgrundlage für einen weiteren Organisationsentwicklungsschritt der Universitäten im März ausgesendet und genügend Zeit eingeräumt, darüber eine breite und offene Diskussion zu führen. Ich denke, auch das ist sinnvoll.

Heute steht eine Novelle zum Universitäts-Studiengesetz zur Debatte, die den Universitäten neue Freiheiten einräumt. Es geht darum, den Universitäten und im engeren Sinn den Studienkommissionen die Möglichkeit einzuräumen – falls sie dies für sinnvoll halten! –, statt eines zweigliedrigen ein dreigliedriges Studium anzubieten.

Genauso wie bei allen anderen Studienplänen ist auch in diesem Fall vorgesehen, daß ein Begutachtungsverfahren durchzuführen ist, bevor die Universität definitiv entscheidet und bevor letztlich auch der Minister zu entscheiden hat. Ich denke, das allein ist schon eine breite Sicherung dafür, daß nicht aus Jux und Tollerei plötzlich ganz andere Studien angeboten werden als diejenigen, die man braucht.

Ich denke, daß das Angebot, gegebenenfalls neue Möglichkeiten zu nützen, genau die Methode ist, die auch dem entspricht, was in der Erklärung von Bologna festgehalten ist, nämlich daß die jeweilige nationale Kultur der Studienentwicklung berücksichtigt werden und daß es nicht zu einer Vereinheitlichung der Inhalte kommen soll, sondern daß bestimmte Elemente in der Struktur vergleichbar gemacht werden sollen, und das durchaus auf einem behutsamen Weg.

Hohes Haus! Schließlich steht heute auch das Akkreditierungsgesetz hier zur Diskussion. Und auch dieses Gesetz ist nicht das schlimme Ereignis, das manche in ihm befürchten, sondern es ist ein Schritt, der Qualitätskontrolle für etwas bringt, was es heute schon gibt. Wir sollten die Augen nicht davor verschließen, daß es schon heute Einrichtungen, die sich "Privatuniversität" nennen, gibt. Nur leben sie derzeit vollkommen ungeniert und frei. Das, worum es in diesem Akkreditierungsgesetz geht, ist, ein Mindestmaß an Qualitätskontrolle für diesen Sektor einzubauen. Denn wir wollen nicht, daß Studierende unter dem Titel "Universität" in ein teures Studium gelockt werden, von dem sie nachher außer Kosten nichts haben. Deswegen wollen wir hier eine Qualitätskontrolle einführen.

Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte heute auch von meiner Seite zu diesem Thema meinen Dank aussprechen, insbesondere an jene beiden Abgeordneten des Wissenschaftsausschusses, die dem nächsten Nationalrat nicht mehr angehören werden.

Es ist dies einerseits Herr Abgeordneter Lukesch, der in vielen Fällen ein durchaus hartnäckiger Kontrahent für den Wissenschaftsminister gewesen ist, aber einer, mit dem man sich letztendlich hat einigen können, wenn man zu vernünftigen Kompromissen gekommen ist. Ich denke, Kompromisse sind genau das, wovon Politik in einer Demokratie leben muß. Ich möchte Ihnen sehr herzlich danken für die Art, wie wir uns in Diskussionen – gelegentlich durchaus hitzig – bewegt haben, aber letztendlich zu Lösungen gekommen sind. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gleiches gilt für Frau Abgeordnete Gredler, von der ich auch fürchte, daß sie dem nächsten Nationalrat nicht mehr angehören wird. (Abg. Dr. Gredler: Kann ich Ihnen nicht versprechen! – Heiterkeit.) – Ich verbinde es mit keiner Hoffnung, Frau Abgeordnete, sondern auch in Ihrem Fall mit einem gewissen Bedauern, falls es so sein sollte. Auch unsere Diskussionen waren – nicht nur, weil Sie mir im allgemeinen im Ausschuß gegenüber gesessen sind – von einer Qualität, die ich geschätzt habe und für die ich danken möchte. Auch wir beide haben gelegentlich durchaus unterschiedliche Auffassungen gehabt, aber im Gegensatz zu der Sorge, die Sie und auch Frau Abgeordnete Petrovic heute bekundet haben, denke ich, daß Ihre Beiträge durchaus auch mich bereichert haben. Dafür möchte ich Ihnen danken.

Lassen Sie mich abschließend auch den Beamten meines Hauses danken, denn sie in dieser Legislaturperiode ganz schön drangekommen sind. Ich denke, wir haben gemeinsam gute Arbeit geleistet. Dafür herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Dr. Petrovic.)

11.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.28

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man den Vorrednern zugehört hat ... (Abg. Dr. Graf – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Dr. Einem –: Mit keinem Wort die Freiheitlichen erwähnt!) – Oje, die gekränkten Freiheitlichen! (Abg. Dr. Graf: Wir nehmen es gelassen! Aber Kollegin Petrovic scheidet auch nicht aus, oder?)

Wenn man also den Vorrednern zugehört hat – nicht so sehr Ihnen, Herr Minister, wohl aber den Debattenrednern –, dann kann man der Ansicht sein, daß sich die Stellungnahmen zur Dreigliedrigkeit des Studiums so verstehen lassen, daß die einen darin den Untergang der akademischen Welt und die anderen die Zukunft der Jugend sehen. Wahrscheinlich verhalten sich die Kräfte gegenwärtig etwa zwei zu eins oder drei zu zwei, was aber noch nicht heißt, daß sich das Verhältnis nicht ändern kann.

Den Skeptikern kann ich durchaus sagen: Ja, so, wie der erste Entwurf aussah, verstehe ich manche Aufregung, etwa jene über das verpflichtende Praxisjahr vor dem Magisterabschluß, das mit der wissenschaftlichen Vertiefungsabsicht wirklich nicht unmittelbar im Zusammenhang steht. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat sich dafür stark gemacht, jedoch einsehen müssen, daß das nicht sinnvoll ist.

Ich freue mich, daß es im Rahmen der Diskussion, nicht zuletzt durch den Einsatz von ÖVP-Wissenschaftssprecher Lukesch, gelungen ist, eine sehr brauchbare Vorlage zu erarbeiten. Bis zuletzt haben wir im Ausschuß daran gearbeitet. In dieser Vorlage sind nun die wichtigsten Elemente gesichert, nämlich zunächst die Autonomie der Universitäten, da damit sichergestellt wird, daß nichts gegen den Willen einer Fakultät eingerichtet werden kann. Wir haben sogar die Sprach- und Kulturskeptiker mit ihrem Hinweis berücksichtigt, daß es in Zukunft nicht "Masterin" heißen soll, sondern die lateinische Bezeichnung "Bakkalaureat" gibt.

Wir haben die Internationalität durch die verpflichtende ECTS-Normierung gesichert. Und schließlich soll die Studienplangestaltung an der "Employability" der Abgänger und der methodischen Ausrichtung am Zielparagraphen der Universität, nämlich wissenschaftliche Berufsvorbildung, orientiert sein.

Frau Kollegin Petrovic! Ich halte es nicht für problematisch, daß der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen in dieser Hinsicht ein gewichtiges Wort mitreden können soll. Ich bitte Sie zu überlegen, daß wir am Ende der Prognostizierbarkeit und Vorhersagbarkeit überhaupt prüfen müssen, ob wir die Auffassung "Wir richten jemanden für die Praxis zu" nicht über Bord zu werfen haben und anders denken müssen.

Ich bin beruhigt, daß es Dieter Lukesch gelungen ist, aufzuklären, wie die Haltung der Rektorenkonferenz, besonders des Rektors aus Leoben, aussieht. Es hat offenbar ein kommunikatives Mißverständnis bestanden, und so ist eine Mitteilung über eine offenbar längst überholte Haltung an die Presse gegangen.

Wichtig ist mir, daß die Universitäten sehr genau prüfen, ob sie nun den neuen Weg gehen – und sich auch damit auseinandersetzen, mit welchen Konsequenzen bezüglich der Ressourcengestaltung dieser neue Weg verbunden ist.

Wenn es stimmt – und so zeigen es die neuen Studien –, daß der Anteil der "Traditional students", also derjenigen, die sofort nach der Matura an die Universität gehen, um dort möglichst rasch zu studieren, jetzt und noch mehr in Zukunft nur 25 Prozent betragen wird, so ist das Bakkalaureat-Studium für diese Gruppe wahrscheinlich ein kompaktes, sinnvolles, passendes Angebot. Das heißt, Fakultäten und Universitäten, die auf dieses Publikum abstellen, werden sich damit wahrscheinlich beschäftigen können oder besser müssen. Es wird ihnen angeraten sein.

Studienrichtungen und Universitäten – und da wird es auch der innerösterreichischen Kommunikation bedürfen –, die sich eher damit beschäftigen, Studierende stärker in ihren individualisierten Studienverläufen zu unterstützen und dafür unterschiedliche Zeiten anbieten – Klammer auf, Teilzeitstudent, Klammer zu –, werden wahrscheinlich eher beim zweigliedrigen System bleiben – außer, die Praxis und die Erfahrung lehren uns etwas anderes –, weil dies mehr dem universitären Studium und der Universität, nicht aber der "University", wie das Professor Brauneder genannt hat, entspricht. Das heißt: parallele Studienangebote, Wahlmöglichkeit, keine verpflichtende Anwesenheit und so weiter.

Vor folgendem warne ich aber: Daß in dieser Vorlage die Möglichkeit der Berücksichtigung der Teilzeitstudierenden verankert ist, kann nicht heißen, daß die Universitäten – ob zwei- oder dreigliedrig – sich verpflichtet fühlen müssen, parallele Lehrveranstaltungen von 8 Uhr früh bis 24 Uhr abends in derselben Zugängigkeit anzubieten, mit denselben Ressourcen, wie sie es bisher getan haben. Es kann daher nicht bedeuten, daß man Angebote mindestens verdoppelt, aber die Ressourcen nicht wirklich verbessert werden.

Eine Herausforderung sind sicherlich individuelle Studiennachfrager. In der Praxis wird man ja sehen, wie die Entwicklung verläuft.

Zu ein paar Aspekten, die von Vorrednern anderer Fraktionen angesprochen wurden, möchte ich festhalten:

Frau Kollegin Gredler etwa hat gesagt: Ich hätte ja gerne zugestimmt, und fachliche Einwendungen gibt es eigentlich auch keine, außer, daß ich gerne gewußt hätte, auf Basis welcher europäischen Leitlinien diese Dreigliedrigkeit eingeführt wird. – Diese sind jedoch zitiert worden. (Abg. Dr. Gredler: Das habe ich nie gesagt!) Nein, das haben Sie nicht gesagt?

Sie haben gesagt: Sie würden gerne die europäischen und die österreichischen Leitlinien kennenlernen. – Diese sind genannt worden. Ich habe den Eindruck, daß es darum geht: Ich möchte gerne dafür sein, aber ich suche Gründe, aus denen ich doch noch dagegen sein kann. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.) – Ob das die Form ist, in der man künftig mit einer Idee umgeht, weiß ich nicht.

Wichtig ist mir auch, daß der Herr Bundesminister im Ausschuß klargestellt hat – und so hält es sicherlich jede Fraktion, die sich künftig mit Wissenschaftspolitik beschäftigen wird –, daß selbstverständlich der gesamte postsekundäre und tertiäre Bildungsbereich einer ehestmöglichen Evaluierung zu unterziehen ist. Wir haben "M.A.S."-Studien, wir beobachten die Fachhochschulentwicklung, wir werden sehen, wie sich die Nachfrage nach dem dreigliedrigen System entwickelt. Das heißt, es wird ohnehin geboten sein, diese Überprüfung vorzunehmen, einschließlich der Beobachtung der Nachfrage nach Privatuniversitäten.

Ein Problem möchte ich noch ansprechen, weil dem meiner Ansicht nach ein Mißverständnis zugrunde liegt, nämlich daß Frauen durch die Einführung eines dreigliedrigen Studienganges benachteiligt sein würden. – Ich sehe kein Problem darin, daß Frauen Bakkalaureat-Studien wählen, sofern diese eben angeboten werden. Denn wo werden sie voraussichtlich angeboten? – Im Bereich der technischen oder kaufmännischen Studienrichtungen! Das sind traditionell die karriere- und erfolgsorientierten Studien.

Wenn sich Frauen auf diese Weise mehr ihrer Lebens- und Karriereplanung widmen und sich trotzdem die akademische Vertiefung offenhalten, dann soll es mir recht sein, "rechter", wenn ich das so sagen darf, als daß sie einen Studiengang wählen, mit dem sie sich durch die Wahl an und für sich schon in ein arbeitsmarktpolitisches "Out" begeben, sodaß es dann schwierig ist, sie danach von einer Wiedereingliederung in die andere zu führen.

"University" und Universität sind schon angesprochen worden. Ich glaube, wir werden uns in Zukunft – wenn wir kultursensibel argumentieren – nicht fürchten müssen, daß etwa die Amerikaner schon früher zu einer Einrichtung "University" sagen, als wir das tun.

Der Akkreditierungsrat ist, denke ich, eine vernünftige Einrichtung. Die Frauenquote ist gesichert, sie orientiert sich an den Frauenförderplänen der Bundesregierung. Das ist mir auch sehr recht. Die Akkreditierungsrat-Mitglieder soll man nicht stärker in die Mangel nehmen, als es etwa auf die Fachhochschulratsmitglieder bezüglich ihrer Lehrtätigkeit und Verpflichtung zutrifft.

Ich meine auch, daß die Wiederakkreditierungsfrage das Moment der geleisteten Forschungsarbeit sehr genau berücksichtigt und damit auch ausreichend gesichert ist, daß Lehre und Forschung zusammengehören.

Zwar ließe sich noch einiges für und wider sagen, aber ich möchte mit jener Überlegung schließen, die unter dem Stichwort "Freiheit" soeben auch vom Minister angesprochen wurde: 14. Juli – Revolution, und welches Denken kam danach?

Immanuel Kant fragte: Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange? – Nach diesem Motto werden wir noch viel Politik machen müssen. Ich sehe positiv in die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

11.36

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Gaugg und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der Vorgänge rund um die öffentlichen Aufträge und Förderungen für die "Euroteam"-Gruppe sowie die politischen Verantwortlichkeiten einzusetzen.

Es liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung unterstützte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Sowohl die Debatte als auch die Abstimmung werden im Sinne der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden.

*****

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. Ich erteile Ihnen hiemit das Wort. – Bitte.

11.38

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Brinek, wir sind nicht Ihrer Meinung. Gestatten Sie mir daher, zwei Abänderungsanträge einzubringen.

Der erste befaßt sich mit der wissenschaftlichen Forschung, und er lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler betreffend das Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) in der Fassung des Ausschußberichtes 2084 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 1914 der Beilagen betreffend das Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) wird wie folgt geändert:

§ 2 Z. 4: Die für das Studium und die Forschung erforderliche Personal-, Raum- und Sachausstattung muß ab dem Beginn des geplanten Studienbetriebes vorhanden sein. Entsprechende Nachweise sind bei der erstmaligen Antragstellung vorzulegen.

§ 2 Z. 5: Die Privatuniversität muß ihre Tätigkeit an folgenden Grundsätzen orientieren: Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art. 17 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867), Freiheit des künstlerischen Schaffens, die Vermittlung von Kunst und ihrer Lehre (Art. 17a des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger), Förderung der Forschung, Verbindung von Forschung und Lehre sowie Vielfalt wissenschaftlicher und künstlerischer Theorien, Methoden und Lehrmeinungen.

*****

Mit dem zweiten Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Martina Gredler betreffend die Zwangsmitgliedschaft beziehungsweise die Rektorenkonferenz wollen wir erreichen, daß die Studenten und Studentinnen ihre Vertretung selbst wählen können.

Der Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler betreffend das Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) in der Fassung des Ausschußberichtes 2084 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 1914 der Beilagen betreffend das Bundesgesetz über die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen als Privatuniversitäten (Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG) wird wie folgt geändert:

1. § 3 Abs. 5 entfällt ersatzlos.

2. § 4 Abs. 5 lautet:

(5) Der Akkreditierungsrat besteht aus acht Mitgliedern mit Kenntnissen des internationalen, insbesondere des privaten Universitäts- und Bildungswesens, die von der Bundesregierung bestellt werden. Bestellt werden dürfen ausschließlich Personen, die nicht vollbeschäftigt an einer österreichischen Universität lehren. Bei der Bestellung der Mitglieder sind Frauen im Sinne der Frauenförderungspläne zu bestellen.

3. § 4 Abs. 7

(7) Die Mitglieder des Akkreditierungsrates wählen aus ihrem Kreis eine Präsidentin oder einen Präsidenten und eine Vizepräsidentin oder einen Vizepräsidenten. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Bundesministerin oder der Bundesminister. Ihre Funktionsperiode beträgt drei Jahre mit der Möglichkeit einer einmaligen unmittelbaren Wiederwahl für weitere drei Jahre. Bei Ausscheiden aus dem Beirat endet die Funktionsperiode der Präsidentin oder des Präsidenten und der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten.

*****

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Beide Abänderungsanträge, die Frau Abgeordnete Motter jetzt vorgetragen hat, sind geschäftsordnungsgemäß überreicht, ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Rada das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.41

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die bereits mehrmals geäußerten Bedenken gegen die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen zu Privatuniversitäten sind teilweise gerechtfertigt, entspringen aber vielleicht weniger einer gesicherten Notwendigkeit, daß diese unser staatliches System gefährden würden, sondern vielmehr daraus, daß es einfach unvorstellbar – noch unvorstellbar! – ist, daß es in einem gewachsenen Gefüge staatlicher Institutionen – wie eben in Österreich – auch Privatuniversitäten geben soll.

Obwohl ich persönlich sicher ein Verfechter staatlicher Universitäten bin – einfach deswegen, weil ich weiß, daß es dort einen sehr hohen Standard gerade im Bereich der Forschung gibt –, bin ich der Meinung, daß es sich Österreich nicht leisten wird können, sich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend nicht auch mit anderen Formen hochrangiger, hochqualifizierter Bildungseinrichtungen zu befassen. Daher bin ich persönlich mit der vorliegenden Regierungsvorlage betreffend Akkreditierung von Privatuniversitäten grundsätzlich einverstanden.

Die Regelungen bezüglich der Aufgaben des Akkreditierungsrates wurden heute schon ausgeführt, sie sind über die Art und Weise der Lehrinhalte, des Lehrpersonals und auch der dort zu vergebenen akademischen Titel klar und deutlich definiert. Nur und gerade an diesem Akkreditierungsrat wird es liegen, was aus diesen Privatuniversitäten wird: ob sie hochqualifizierte ergänzende Bildungsangebote für unsere staatlichen Universitäten werden oder das, was manche befürchten, nämlich sogenannte Pseudouniversitäten.

Ich möchte hier auf das Beispiel, das Präsident Brauneder – vermutlich ironisch – im Ausschuß vorgebracht hat, nicht noch einmal näher eingehen, er hat gemeint, daß es damit jeder juristischen Person in Österreich möglich sein wird, eine Privatuniversität zu gründen und am Beispiel des Bischofs von St. Pölten erläutert, welche universitären Einrichtungen vielleicht dort entstehen können. – Ich bin überzeugt davon, daß es weiterhin vornehmlich ausländische Universitäten sein werden, die in Österreich Angebote machen werden. Es war auch bisher schon so, daß bei gewissen Spezialkursen die Österreicher ausländische Angebote, nur eben im Ausland, angenommen haben. Ich erinnere etwa nur daran – es ging das durch alle Medien –, daß sich sogar Politiker mit sehr viel Geld im Ausland den letzten Schliff über die "flat tax" geholt haben.

Ich möchte auch das Konkurrenz-Argument entkräften. Es wird ja sicherlich nicht so sein, daß die Privatuniversitäten plötzlich derart boomen, daß sie den staatlichen Universitäten alle Studenten und Professoren entziehen. Sollte das aber der Fall sein, dann war diese Konkurrenz – umgekehrt – offenbar notwendig! – Ich finde vielmehr, daß diese Angebote ergänzende Angebote für Österreich sind, um unser Land als Wissenschaftsstandort mit einer vernetzten Gesellschaft noch mehr hervorzustreichen.

Besonders gut ist meiner Meinung nach, daß sich der Bund mit Ausnahme der notwendigen Akkreditierungskosten diesbezüglich ein Finanzierungsverbot auferlegt hat und sehe es als Vorteil, solche Bildungseinrichtungen nützen zu können, da Österreich durch Zukauf von Lehrangeboten mitunter das eine oder andere Angebot billiger stellen kann, als das sonst über eine staatliche Universität gehen könnte.

Ich bin – wie Herr Abgeordneter Posch – überzeugt davon, daß uns erst die Zukunft zeigen wird, wie sehr diese Privatuniversitäten ergänzende Angebote liefern werden – zum Wohle nicht nur der Wissenschaft in Österreich, sondern auch zum Wohle des lebensbegleitenden und lebenslangen Lernens. (Beifall bei der SPÖ.)

11.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Es wurde in der heutigen Debatte gesagt, daß die Studienkommissionen ihre Arbeit eingestellt hätten, weil sie auf dieses Gesetz warten. – Herr Minister, ich denke, daß die Studienkommissionen überhaupt geneigt sind, zu warten, weil sie sich bei dieser Fülle an Änderungen in der letzten Zeit meiner Ansicht nach sagen: Warten wir doch gleich auf das nächste Gesetz! Und ich bin überzeugt davon, daß einige darauf warten werden, was Sie, wenn Sie wieder Minister werden, als nächstes aufs Tapet bringen werden, denn dann warten auch wir gleich auf die nächste Reform.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ziel dieses Gesetzes und des Ministeriums ist die Einführung eines dreistufigen Studiensystems. Es wird immer wieder behauptet, daß es sich hiebei um eine europäische Struktur handelt, die durch die Vergleichbarkeit der Studien Mobilität und Karrieren fördern werde. – In Wirklichkeit ist das nicht so! In Wirklichkeit sind nicht einmal die im anglikanischen Raum eingeführten dreigliedrigen Studiensysteme miteinander vergleichbar: weder was Karriereplanung und Karriereaussichten noch was die Wertigkeit der dort verliehenen akademischen Titel betrifft.

Herr Minister! Unser System ist historisch gewachsen, es ist ein zweistufiges und sehr erfolgreiches System. Wenn man nun eine Veränderung in Richtung eines dreistufigen Systems will, dann muß man den Leuten die Wahrheit sagen! Dann muß man sagen, daß wir unser historisch gewachsenes System nicht mehr für ideal halten und ein dem anglikanischen Raum angepaßtes System einführen wollen. Diesen Weg hat man aber auch konsequent zu gehen, anstatt permanent an einer bereits häufig diskutierten Materie "herumzudoktern". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Ziel muß, wie auch Professor Brauneder gesagt hat, sein, Bedingungen zu schaffen, damit die Studien in der Regelstudienzeit absolviert werden können. Dann können unsere Leute in vier bis fünf Jahren ein Regelstudium absolvieren, und dann brauchen wir diese Ausbildung, die vielfach auch als "Schmalspurausbildung" apostrophiert wird, nicht.

Wir sind der Meinung, daß auch die Kosten, vor allem was die systemimmanente permanente Prüfungssituation betrifft, noch nicht entsprechend ermittelt sind.

Auch die Fachhochschule muß sich ungehindert entwickeln können. Wir wissen jetzt schon von Tendenzen, daß in den Fachhochschulen gesagt wird: Wenn alle andere das Bakkalaureat vergeben, dann wollen wir das auch, denn sonst haben wir einen gewissen Wettbewerbsnachteil.

Herr Minister, Sie haben von klaren Strukturen gesprochen, Sie haben gesagt, Sie wollen klare Strukturen in unserem Bildungssystem schaffen. – Gerade diesen Weg beschreiten wir damit sicher nicht, ganz im Gegenteil: Es werden neue Titel geschaffen!

Wir sind ja Weltmeister im Erfinden neuer Titel, erst vor kurzem haben wir den "Master of Advanced Studies" erfunden, den es im amerikanischen Sprachraum gar nicht gibt, der dort überhaupt nicht eingeführt ist! Und jetzt erfinden wir wieder einen neuen Titel, der weder mit dem europäischen System kompatibel ist noch den Absolventen in ihren Karrierebestrebungen im eigenen Land faktisch nützen wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür haben wir den "Oberlandesgerichtsrat" abgeschafft!) 

Herr Minister! Sektionschef Höllinger hat gesagt – ich zitiere aus der Zeitung "Der Standard" von gestern –: Wenn wir dieses Bakkalaureat einführen, dann gehen wir mit der Lebenszeit der jungen Menschen sorgfältiger um. – Zitatende.

Ich denke, es ist umgekehrt: Was Sie vorhaben, ist kontraproduktiv. Denn es werden zwar vielleicht jüngere Absolventen produziert, aber dadurch, daß ihnen die Breite und Tiefe der Ausbildung fehlt, werden sie den Anforderungen, die die Zukunft an sie stellt, wahrscheinlich nicht in dem Maße gewachsen sein, wie es gefordert wird.

Einige Worte noch zum Akkreditierungsgesetz. Der Titel ist etwas großspurig gewählt. Es wird im Titel von der Akkreditierung von Privatuniversitäten gesprochen. Volluniversität wird sich keine akkreditieren lassen. Wir bekennen uns zum Wettbewerb – und daher auch unser vorliegender Antrag –, stellen uns aber einen anderen Weg vor.

In Amerika und im anglikanischen Sprachraum ist es so, daß nicht der akademische Grad über die Berufslaufbahn und über den Erfolg entscheidet, sondern die Universität, an der man diesen Grad erworben hat. Genau das ist die Aufgabe, und zwar die ausschließliche Aufgabe des Akkreditierungsrates, nämlich die Sicherung des Qualitätsstandards.

Gerade diese Sicherung des Qualitätsstandards kommt unserer Meinung nach in der Besetzung des Akkreditierungsrates, wie sie jetzt geplant ist, nicht in ausreichendem Maße zu tragen, erstens, weil die Konkurrenten, nämlich die Vertreter der Professorenschaft, darin übergewichtig vertreten sind und quasi über die Akkreditierung ihrer Konkurrenz entscheiden können, und zweitens, weil wir glauben, daß die Unabhängigkeit des Vorsitzenden vom Ministerium in dieser Tätigkeit nicht ausreichend gewährleistet ist.

Wir sehen noch ein weiteres Problem bei dieser Vorlage. Wenn sich zum Beispiel einige erstklassige österreichische Professoren, die mit dem staatlichen Universitätsbetrieb nichts mehr zu tun haben und ihre eigene Fakultät gründen wollen, zusammenschließen und eine typisch österreichische Privatuniversität aufbauen, so sind sie nach diesem Gesetz angehalten, ausländische Titel zu vergeben. Wir halten das schlichtweg für eine Diskriminierung der Inländer gegenüber den Ausländern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Auch mit dem Nachweis der Ausstattung hinsichtlich Raum, Personal und Sachanlagen bei der Erstakkreditierung wird es Schwierigkeiten geben. Denn was wird ein Akkreditierungswerber, der ein Gebäude, seinen Raum, alles Nötige gemietet hat, Leute engagiert hat, machen, wenn ihm die Akkreditierung möglicherweise versagt wird? An wem kann sich dieser Akkreditierungswerber schadlos halten? – Dies ist eine Frage, die offen im Raum steht.

Auch das Förderungs- und Subventionsverbot ist einerseits löchrig wie ein Schweizer Käse, andererseits stellt sich die Frage, warum eine erstklassige österreichische Privatuniversität nicht auch am sonst so reichlich fließenden Förderfüllhorn partizipieren kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zusammenfassend: Die ausschließliche Aufgabe des einzusetzenden Akkreditierungsrates ist es, den Qualitätsstandard der zu akkreditierenden Institutionen zu sichern. Wir sind überzeugt davon, daß mit der nun gewählten Vorgangsweise diese Aufgabe nicht in ausreichendem Umfang gewährleistet ist und müssen daher diesen Entwurf ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Amon. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe an sich zumindest zeitweise geglaubt, die Freiheitliche Partei wäre eine moderne Partei. (Abg. Dr. Brinek: Nein!) Aber, Herr Abgeordneter Schöggl, das war ja soeben Strukturkonservativismus, wie er im Buche steht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl.)

Sie richten sich ja nach dem Grundsatz: Das war schon immer so, das wird immer so sein, und daran kann man nichts ändern! – Das kann es sicherlich nicht sein. Ich meine, daß wir mit dem neuen Universitäts-Studiengesetz und dem Privatuniversitätsgesetz einen Schritt in Richtung modernere Universitäten machen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oberg’scheiter!) Denn, Herr Abgeordneter Schöggl, der Sie da vom anglo-amerikanischen System geredet haben, es gibt überall in diesem anglo-amerikanischen System nach sechs oder acht Semestern selbstverständlich einen ersten Universitätsabschluß! Und endlich wird das auch in Österreich möglich sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, daß wir mit der Dreigliedrigkeit, die darüber hinaus ohnehin von den Studienkommissionen und den Fakultäten auf freiwilliger Basis eingeführt werden kann, einen absolut richtigen Schritt in die richtige Richtung setzen. Es kommt der heutigen Zeit auch weit eher entgegen, daß man nach einem ersten Grundstudium ein vertiefendes Master- oder Magister-Studium anschließt. Das entspricht der heutigen Zeit viel eher, zumal sich ja die einzelnen Studierenden nach dem ersten Abschnitt, wenn Sie ein vertiefendes Studium, also eben ein Master- oder Magister-Studium anhängen, oftmals dann auch für unterschiedliche Bereiche interessieren.

Auch die Argumentation, daß man damit billige Absolventen für den Arbeitsmarkt schafft, geht ins Leere. Denn wie schaut die Realität heute aus? – Faktum ist, daß sehr viele Studierende nach dem ersten Studienabschnitt von der Wirtschaft abgeworben werden und auf diese Art und Weise billige Arbeitskräfte sind, dann aber, wenn sie einen Universitätsabschluß nach sechs oder acht Semestern haben, sind sie das nicht.

Kurz noch zu den Anträgen der Opposition. Es ist wirklich interessant, daß Herr Präsident Brauneder im Ausschuß gesagt hat, er könne dem deshalb nicht zustimmen, weil er in die Verhandlungen nicht eingebunden war, obwohl er eigentlich inhaltlich der Vorlage zustimmt. – Herr Präsident Brauneder! Ich kann Sie nur bitten und dazu einladen, über Ihren Schatten zu springen und ohne Eitelkeiten diesen Gesetzesvorlagen zuzustimmen, wenn Sie inhaltlich unserer Meinung sind!

Dasselbe gilt im übrigen für das Liberale Forum und den Antrag der Frau Abgeordneten Gredler. Ich habe nicht mehr genügend Redezeit, um ihn zu zitieren, aber wenn Sie sich den Antrag durchlesen, werden Sie erkennen, daß genau das, was Sie in Ihrem Entschließungsantrag fordern, in der Vorlage erfüllt wird.

Es ist uns auch gelungen, auf den Wunsch der Österreichischen Hochschülerschaft – der Vorsitzende der Hochschülerschaft, Martin Faißt, ist ja hier – einzugehen, das vorgeschriebene Praktikum zu streichen. Ich halte das für richtig!

Eine Aufforderung noch an Sie, Herr Bundesminister: Wir müssen es meiner Überzeugung nach schaffen, daß die Vergleichbarkeit der einzelnen Abschlüsse sichergestellt wird, und wir müssen auch danach trachten, in der nächsten Legislaturperiode das Universitätsbudget aufzustocken. Das halte ich für wirklich wichtig, denn Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung sind Investitionen in die Zukunft und daher wichtig und richtig für unser Land! (Beifall bei der ÖVP.)

11.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 6 Minuten. – Bitte.

11.58

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Universität war heute schon mehrmals im Munde der Redner. Es gilt, ein Mißverständnis aufzuklären.

Herr Kollege Niederwieser! Die Begutachtungsfrist für diese Vorlage war sehr knapp. Am 1. April dieses Jahres kam die Vorlage zur Aussendung; am 26. April war die erste Begutachtung vorüber. Da dieser Zeitraum in Leoben völlig mit den Praxisferien im April zusammenfällt, konnte erst am 24. April, mit Eingang bei Ihnen am 28. April, die Stellungnahme der Montanuniversität von Professor Wegscheider an Sie ergehen, und auch die Beschlußfassung im Kollegium konnte erst zwei Wochen später beim entsprechenden Sitzungstermin erfolgen.

Daß sich also Leoben nicht ausreichend dazu zu Wort gemeldet hätte, dürfen Sie unserer Universität nicht vorwerfen. Es gab auch einen regen Briefwechsel mit Ihrer Person und mit Professor Lukesch, und daher kann man, Herr Kollege Niederwieser und Herr Bundesminister, den "offenen Brief" des Rektors, der heute in der "Presse" stand, nicht als "Jux und Tollerei" auffassen. Wenn man den Inhalt liest, spürt man doch das Angebot zu einer konstruktiven Mitarbeit an diesem Gesetz, vor allem zum Schluß, wo ersucht wird, doch noch eine Möglichkeit zu eröffnen, und Herr Präsident Fischer gebeten wird, die Abstimmung noch ein Weilchen auszusetzen, weil wir konstruktive Vorschläge einzubringen haben. Diese Bitte ist nicht "Jux und Tollerei" in einer bezahlten Anzeige, sondern entspringt der echten Sorge um unsere Universitäten, die uns auch wir von den Freiheitlichen machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Ausschuß habe ich Österreich etwas sarkastisch als "Vorzugsschüler" in der EU auch in dieser Frage bezeichnet und wurde von Herrn Niederwieser gescholten. Heute jedoch schreibt "Die Presse" beziehungsweise Herr Witzmann: "Österreich will sich jetzt prompt als erster, als Musterschüler präsentieren." Und wenn er das übertitelt mit "Die Uni als Jahrmarkt", dann kann man auch seine Einschätzung zu diesem Gesetz ablesen.

Herr Bundesminister! Wir hätten uns gewünscht, daß diese Reform von unten kommt, daß diese Reform nicht in kürzester Zeit aufoktroyiert wird. Alle Stellungnahmen, auch jene der Landesregierungen, gehen in die Richtung, daß man ihnen etwas Atem lassen möge, um über diese umfassende Reform nachzudenken. Das haben Sie nicht ermöglicht. Es ist keine Reform von unten, es ist keine Reform, die die Wirtschaft fordert, sondern es ist eine Art Zwangsbeglückung Ihrerseits.

Herr Bundesminister! Wir haben einen Minderheitsbericht seitens der Abgeordneten der Freiheitlichen vorbereitet und werden ihn auch entsprechend veröffentlichen. Es fehlen uns die entscheidenden Unterlagen bezüglich der Kostenberechnung – das wurde bereits von den Kollegen angesprochen –, es fehlt uns die Bedarfsanalyse über die zu erwartende berufliche Akzeptanz von Bakkalaureaten auf dem österreichischen Arbeitsmarkt, eine Bedingung, ohne die man diese Novelle doch nicht machen darf, und auch die internationalen und insbesondere europäischen Vergleichsstudien zur Einführung eines dreistufigen Systems fehlen.

Herr Bundesminister! Hätten Sie nur einen einzigen Blick auf die Arbeitsmarktsituation der Absolventen der Fachhochschulen und Bakkalaureate im europäischen Raum getan – und da gibt es keine Arbeitslosenzahlen unter 50 Prozent –, hätten Sie sich langsamer an dieses Thema herangetastet. Auch die Evaluierung der dreistufigen Studien dort, wo sie eingeführt sind, muß doch eine Grundbedingung für dieses Gesetz sein.

Abschließend vielleicht noch ein Wort zur gestrigen Aufregung, als ich mit einem Satz Herrn "Jan Hase", wie ihn Frau Petrovic dann bezeichnet hat, erwähnt habe – und dafür gescholten wurde.

Meine Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen, daß Vater Klima seinem Sohn aus einer früheren Ehe (Abg. Dr. Mertel: Na, wunderbar!) gute Einstiegschancen in das Berufsleben geben will. Welchem Vater könnte man das verdenken! Die Karriereleiter für Jan ist aufgestellt. Er ist derzeit bei McKinsey in Wien und nicht im Ausland "zwischengelagert", um einen lukrativen staatsnahen Abteilungsleiterjob zu übernehmen. (Abg. Dr. Mertel: Wunderbar! Gratuliere!) Das sind die Fakten. Hier ist nichts zurückzunehmen. Er ist am Tag nach Absolvierung seines Studiums auf den Arbeitsmarkt gekommen.

Zum Glück kommen Leobner Absolventen auch ohne die Dreigliedrigkeit relativ rasch ins Berufsleben hinein. Sechs Monate ist, wie ich gesagt habe, die durchschnittliche Wartezeit. Die Wartezeit für "Jan Hase", wie ihn Frau Petrovic genannt hat, war null.

Das ist ein Faktum, das soll man so nehmen, wie die Fakten eben sind. Leben Sie damit oder machen Sie daraus, was Sie wollen! Erzählen Sie es ruhig der Presse! Wir halten diesbezüglich jede Recherche aus. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ablinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.04

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Verlieren wir doch bei dieser Gesetzesvorlage nicht den Blick aufs Wesentliche. Es wird ja so getan, als ob – Kollege Grollitsch hat gerade davon gesprochen – den Universitäten etwas "aufoktroyiert" würde. Also ich weiß nicht, wie man bei ernsthaftem, seriösem Studium dieser Vorlage überhaupt zu dieser Ansicht kommen kann.

Was tun wir damit? – Es geht nicht um ein Jahrhundertgesetz bei dieser Vorlage, sondern um eine Erweiterung der Möglichkeiten für die Universitäten. Es wird den Universitäten ermöglicht, zwei- oder dreigliedrige Studien anzubieten – wenn sie das wollen. Wenn sie das für sinnvoll erachten, können sie das anbieten. Wie man da auf "oktroyieren" kommen kann, ist mir ein absolutes Rätsel.

Viele Dinge sind von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon gesagt worden, aber mir ist es wichtig, bei dieser Diskussion um die Arbeitsmarktchancen folgendes festzuhalten: Natürlich gibt es Studien, die sich sehr viel mehr mit der Frage des Arbeitsmarktes beschäftigen müssen als andere. Mir geht es aber darum, festzuhalten – und das hängt auch mit dieser Vorlage zusammen –, daß die Universitäten nicht nur Zubringer für den Arbeitsmarkt sind, daß sie nicht bloß für die Arbeitsmarktchancen "zurichten" sollen, sondern daß es bei den Universitäten schon auch um mehr geht.

Es geht darum, daß wir in einer Gesellschaft, in der Wissen immer mehr zu einem wichtigen Faktor wird, da wir immer mehr zu einer wissensbasierten Gesellschaft werden, junge Leute in die Lage versetzen, Wissen zu analysieren, Wissen zu synthetisieren, Wissen zu bewerten. Gerade in einer solchen Gesellschaft kommt der Frage der Persönlichkeitsbildung, der Emanzipation, der kritischen Intellektualität immer mehr Bedeutung zu, und genau das ist im Umgang mit Wissenschaft notwendig. Das heißt, die Universitäten dürfen nicht in diesen Druck kommen, nur "Zurichter" für den Arbeitsmarkt zu sein, sondern es geht um die Persönlichkeitsbildung. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den man beachten muß, wenn man über Studiendauer und Arbeitsmarktfragen redet.

Eine letzte Bemerkung noch zur Diskussion um die "Frauen-Falle". (Zwischenruf der Abg. Motter.) Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben: Ist das Bakkalaureat eine Frauen-Falle oder nicht? Der entscheidende Punkt dabei ist meiner Ansicht nach, daß nicht der Titel, daß nicht sozusagen der Abschluß an sich die Frauen-Falle ist, wodurch Frauen in der Wissenschaft an der Universität benachteiligt sind, sondern das Problem ist die Orientierung an den männlichen Lebensentwürfen und am männlichen – wir kennen das! – Old-Boy-Networking an den Universitäten. Das ist das Problem! Und wir sind diesbezüglich in vielen Fragen einer Meinung und wissen, daß wir da noch einen weiten Weg vor uns haben. Also nicht das Bakkalaureat an sich benachteiligt die Frauen, sondern die Art, wie der Wissenschaftsbetrieb konstruiert ist, stellt für Frauen ein Problem dar.

Zum Schluß: Wir haben dieses Thema heute zwar am Vormittag diskutiert, aber manche Fragen finden wenig Interesse. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.07

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich als Linzer darauf hinweisen möchte, daß die Linzer Kunstuniversität jetzt aufgrund der Novelle des Universitäts-Studiengesetzes mit der Möglichkeit des Titels eines "Magister des Design" ausgestattet wird. Das war eine wichtige Forderung, und ich freue mich, daß es mir als Oppositionspolitiker der FPÖ gelungen ist, diese Bestimmung hineinzureklamieren. Zunächst war ja aus dem Ministerium nur Widerstand zu konstatieren, dann konnte, insbesondere mit Kollegen Koppler, eine kleine "Koalition", sozusagen eine Linzer Allianz gebildet werden, sodaß auch dies Eingang in diese Novelle gefunden hat, und wir freuen uns darüber.

Ich darf bei dieser Gelegenheit nur noch nebenbei bemerken: Die Kunststudenten in Linz haben einmal eine Demonstration, eine nicht angemeldete Gegendemonstration bei einer Jörg-Haider-Kundgebung am Hauptplatz durchgeführt, sodaß man von dieser Jörg-Haider-Kundgebung überhaupt nichts hören konnte. Unser Vorgehen nun ist der Beweis: Wir setzen uns trotzdem für sie ein. Uns geht es um die Sache! – Das war so in der Vergangenheit, und das wird auch in Zukunft so sein. Wir sind bereit, jedem die Hand zu reichen, und so mancher ehemaliger Gegner ist heute ein glühender Befürworter der FPÖ. – Das sei einmal kurz gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit einiger Besorgnis muß ich allerdings verschiedene Mitteilungen in der Tagespresse lesen, daß sich um das Rektorat an der Wiener Universität für angewandte Kunst keine Geringere als Frau Ursula Pasterk bewirbt.

So schaut es also aus in diesem Land! Bewerben kann sie sich – gar keine Frage –, es gibt auch eine unabhängige Studienkommission, aber wenn Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, glauben, daß Sie durch eine Aktion des Bundes Sozialistischer Akademiker und Künstlerinnen und Künstler erreichen können, daß die ehemalige Kulturstadträtin der Stadt Wien, Ursula Pasterk, die das Kulturressort ausdrücklich zu einem Ideologieressort erhoben hat und jetzt vielleicht die Universität für angewandte Kunst auch zu einer Ideologieuniversität umgestalten will, der sogar das Mißtrauen – nicht durch den Herrn Bundesminister, der war dafür nicht zuständig – durch den eigenen Bürgermeister Häupl ausgesprochen wurde, die keinerlei Fähigkeit zur Menschenführung hat, weder was den Mitarbeiterbereich noch andere Bereiche anlangt, und die jetzt auch sonst für keine Position in der Sozialdemokratie gut genug ist, sondern herumgeht und um einen Posten ansucht, weil sie ihre Abwahl nicht verkraften kann, weil sie nicht verkraften kann, daß sie mit der Gießkanne herumgegangen ist und nicht der Person wegen, sondern des Amtes und des Füllhornes wegen von der Sozialdemokratie geschätzt wurde, wenn es also so weit geht, daß durch eine Aktion des Bundes Sozialistischer Akademiker Frau Pasterk, die keinerlei wissenschaftliche Qualifikation besitzt, als Rektor dieser Universität eingesetzt werden sollte, dann werden Sie mit unserem massiven Widerstand zu rechnen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reitsamer: Für Sie gibt es keine unabhängige Kommission – oder?)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstatter ist nicht gewünscht worden.

Ich bitte jetzt, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung, wobei wir über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen. – Herr Abgeordneter Schöggl, könnten Sie die Beratung bitte nachher fortsetzen! Wir haben eine Verfassungsabstimmung, und ich muß feststellen, ob das Quorum gegeben ist.

Es liegt ein Rückverweisungsantrag vor, über den zunächst abzustimmen ist, und zwar ist das jener Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird, gestellt haben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, daß dieser Gegenstand nochmals dem Ausschuß für Wissenschaft und Forschung zuzuweisen ist, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über die einzelnen Ausschußanträge ab, und zwar zunächst über den Gesetzentwurf in 2083 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen vor.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Zusatzantrag beziehungsweise vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält Verfassungsbestimmungen, sodaß ich zunächst einmal das Vorhandensein des verfassungsmäßig gebotenen Präsenzquorums feststelle.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Ziffer 16a eingebracht.

Wer für diesen Zusatzantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur getrennten Abstimmung über die Ziffer  66 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen.

Wir kommen weiters zur getrennten Abstimmung über die Ziffer  68 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen, wobei ich ausdrücklich das Vorhandensein der erforderlichen Zweidrittelmehrheit festhalte.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entwurf in dritter Lesung stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen, wobei auch hier das Vorhandensein der Zweidrittelmehrheit festzustellen ist.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen betreffend Optionenbericht zur Neustrukturierung des postsekundären Ausbildungsbereiches.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf in 1914 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen Abänderungsanträge eingebracht, sodaß ich zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lasse.

Der vorliegende Entwurf betreffend Universitäts-Akkreditierungsgesetz enthält Verfassungsbestimmungen, sodaß ich abermals die Anwesenheit des verfassungsmäßig vorgesehenen Präsenzquorums feststelle.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 2 Ziffern 4 und 5 eingebracht.

Wer diesem Abänderungsantrag zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 3 Abs. 5 sowie 4 Abs. 5 und 7 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Wer dafür ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Mehrheitlich angenommen, wobei ich auch hier das Vorhandensein der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit feststelle.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen, wobei auch hier das verfassungsmäßig gebotene Quorum vorhanden ist.

Damit sind die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (1973 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird (2085 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Da auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wurde, kann ich als erstem Redner in dieser Debatte sofort Herrn Abgeordneten Mag. Haupt das Wort erteilen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.18

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir behandeln heute die Novellierung des Tierversuchsgesetzes beziehungsweise die EU-Anpassung zum Tierversuchsgesetz.

Ich möchte deutlich und klar feststellen, daß wir Freiheitlichen im Rahmen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung zur vorliegenden Gesetzesmaterie eine Reihe von Abänderungsanträgen und eine Entschließung eingebracht haben, die von den beiden Regierungsparteien durchwegs abgelehnt wurden. Wir werden diese daher auch heute im Plenum wieder einbringen – in der Hoffnung, vielleicht doch noch das eine oder andere an diesem Tierversuchsgesetz verbessern zu können. Nach nunmehr bald 13jähriger Erfahrung hier im Hohen Hause befürchte ich aber, daß das Beharrungsvermögen der rot-schwarzen Koalitionsregierung und die Koalitionstreue, die ein Kollege von der ÖVP gestern zitiert hat, auch in diesem Bereich wieder so groß sein wird, daß die Mehrheit dieses Hauses einer vernünftigen Regelung wieder nicht zustimmen wird.

Wir Freiheitlichen üben heftige Kritik an vielen Punkten dieses Gesetzes. Zum ersten ist festzuhalten, daß bereits im Jahre 1986 die EU-Richtlinie respektive EWG-Richtlinie 86/609 erlassen wurde, sodaß beim Beitritt Österreichs zur EU eigentlich allen bekannt war, daß da dringender Handlungs- und Adaptierungsbedarf besteht.

Für uns Freiheitlichen ist auch immer klar gewesen, daß dieses Tierversuchsgesetz kein isoliertes Gesetz sein sollte, sondern wir hätten uns vorgestellt, das es im Rahmen eines umfassenden Tierschutzgesetz das Kernstück eines solchen bilden sollte. Diese Ansicht wird im übrigen von vier Fraktionen des Hohen Hauses geteilt und nicht nur von uns Freiheitlichen vertreten. Es ist aber auch deutlich und klar zu sagen, daß die Österreichische Volkspartei diese Legislaturperiode dazu benutzt hat, ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz mit einem Kernstück Tierversuche betreffend zu verhindern und zu verschieben. – Das sollte hier auch einmal aufs Tapet kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in der nächsten Legislaturperiode wird Ihnen das nicht mehr gelingen – noch dazu, da bei der vorliegenden Gesetzesmaterie, also beim Tierversuchsgesetz, deutlich und klar ist, daß die zwei anderen deutschsprachigen oder mehrheitlich deutschsprachigen föderalistischen Länder, und zwar das EU-Land Deutschland und die Schweiz, in dieser Hinsicht bedeutend andere Regelungen und einen anderen Regelungsrahmen gefunden haben. Sie haben nämlich ein Tierschutzgesetz, und im Rahmen dieses Tierschutzgesetzes haben sie als Kernstück dieses Tierversuchsgesetz umgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man den Tierschutzgedanken tatsächlich im Herzen trägt, dann wäre das unserer Meinung nach der vernünftigere und legistisch bessere Weg als der österreichische mit dem Tiertransportgesetz Straße-Schiene/Bahn-Luft, dem Tierversuchsgesetz und all den anderen Gesetzen. Wir haben dem Regelungsbedarf, den uns die EU und in diesem Fall auch schon die EWG mit auf den Weg gegeben haben, Rechnung zu tragen.

Ich glaube auch, daß das, was sich diese Bundesregierung unter dem Aspekt der Sparsamkeit auf die Fahnen geschrieben hat, nämlich die Zusammenführung der Verwaltung, der Gesetzesmaterien und einen einheitlichen Regelungsbedarf, als Beispiel am Ende dieser Legislaturperiode zitiert werden muß, wobei man das, was man in die Regierungserklärung betreffend die Reform der Verwaltung, die Vereinfachung der Legistik geschrieben hat, nicht umgesetzt hat. Diesen Mangel trifft voll und ausschließlich die Volkspartei.

Ich glaube darüber hinaus, daß die Regelungen für die Zucht- und Liefereinrichtungen, für die Kennzeichnungspflicht, die jetzt vorgesehen sind, durchaus im Rahmen der EU-Richtlinie liegen und somit dieser EU-Richtlinie tatsächlich angepaßt sind. Wir glauben aber, daß das, was sonst in den Ausschußbericht von den Regierungsparteien geschrieben worden ist – Kollegin Petrovic hat das in ihrer abweichenden Stellungnahme zitiert und hier bekanntgegeben –, nicht vollinhaltlich dem entspricht, was uns die EU-Richtlinie vorschreibt.

Wenn dann wieder von ÖVP-Seite wirtschaftliche Belange in Diskussion gestellt werden, möchte ich klar und deutlich sagen, daß gerade im Bereich der Tierversuche die Schweizer medizinischen und chemischen Fabriken wie Sandoz und andere, aber auch die deutschen Werke wie Bayer und Hoechst nicht diejenigen sind, die in Europa einen größeren wissenschaftlichen Nachteil aufgrund der strengeren und expliziteren Regelungen im Tierversuchsrecht haben als die Republik Österreich mit ihrem doch eher noch schmalbrüstigen Bereich der Pharmaindustrie. Ich glaube daher, daß sich sehr viele Argumente, die hier ins Treffen geführt werden, gegen eine solche einheitliche Regelung im Interesse des Tierschutzgedankens einfach mit der Zeit überleben werden. Die Beispiele aus den beiden Nachbarländern, die in diesen Bereichen der medizinischen Forschung in der Europäischen Union und im EWR eindeutig und klar federführend sind, geben ein beredtes Beispiel für die Öffentlichkeit, daß es auch anders geht, daß es aus tierschützerischer Sicht auch besser geht.

Ich glaube, Kollege Leiner, daß Ihr Abänderungsantrag, den Sie zum Schluß mit Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion eingebracht haben, die Gesamtsubstanz nicht mehr verbessert hat, sondern im Gegenteil: Es bleiben jene Punkte, die wir Freiheitlichen in unseren Abänderungsanträgen releviert haben, schlußendlich bestehen.

Ich darf nun über unseren Entschließungsantrag und über die Abänderungsanträge hier noch einmal referieren.

Den Entschließungsantrag als solchen wird dann Kollege Grollitsch verlesen. Die Abänderungsanträge, die nunmehr zusammengefaßt sind, darf ich erläutern. Er wird dann, wie mir vom Präsidium versprochen wurde, in entsprechender Form an alle einzelnen ausgeteilt werden.

Ein Teil des Abänderungsantrages betrifft besonders die Erhaltung der Primatenarten. Die wissenschaftliche Forschung wird ausschließlich auf die Erhaltung der Primaten und auf die für sie zutreffenden Erkrankungen eingeschränkt.

Das Zweite betrifft das Verbot des Transportes von Muttertieren im letzten Fünftel der Trächtigkeit und zum Zeitpunkt der Laktation. Damit soll einerseits der Kennzeichnungsverpflichtung und andererseits dem Tierschutzgedanken voll inhaltlich Rechnung getragen werden.

Das Dritte betrifft das generelle Verbot von Tierversuchen für Kosmetika. Damit wird die im Gesetzestext im Gegensatz zur EU-Richtlinie vorgesehene relativ liberale Ausnahmebestimmung vom Verbot von Tierversuchen im kosmetischen Bereich wieder ausgeschaltet und somit ein gravierender Mangel behoben.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß all unsere Abänderungsanträge und Entschließungen überlegenswert wären. Jene Tierschützer hier im Hohen Hause, die auch am wissenschaftlichen Fortschritt in Österreich interessiert sind, sollten unsere Abänderungsanträge annehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Haupt hat inhaltlich einen Abänderungsantrag vorgetragen, der überreicht wurde und ausreichend unterstützt ist. Da er einen gewissen Umfang hat, veranlasse ich die Verteilung dieses Abänderungsantrages im Sinne des § 53 der Geschäftsordnung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Mag. Dr. Grollitsch und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage 1973 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 2085 der Beilagen

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 1973 der Beilagen wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 2 lautet:

"2. § 3 lautet:

Zulässigkeit von Tierversuchen

§ 3. (1) Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, soweit sie zu einem der folgenden Zwecke nachweislich unerläßlich und unersetzlich sind und den Bestimmungen des II. und III. Abschnittes dieses Bundesgesetzes entsprochen wird:

a) für Forschung und Entwicklung,

b) für medizinische Diagnose und Therapie,

c) für Gewinnung, Erprobung und Prüfung natürlicher oder künstlich hergestellter Stoffe, Zubereitungen oder Produkte, mit Ausnahme von Suchtmitteln, Genußmitteln und kosmetischen Mitteln,

d) für die Erkennung von Umweltgefährdungen.

(2) Ein Tierversuch im Sinne des Abs. 1 darf nur durchgeführt werden, wenn

1. ein nachweisbares Interesse an dem Tierversuch

a) zur Vorbeugung, Erkennung oder Heilung von Krankheiten bei Mensch oder Tier,

b) zum Erkennen oder Beeinflussen physiologischer Merkmale bei Mensch oder Tier,

c) zur Erreichung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Nutzen von Mensch oder Tier,

d) zur Vermeidung von Umweltgefährdungen besteht und

2. die angestrebten Versuchsziele nicht durch andere Methoden und Verfahren gemäß § 17 erreicht werden können.

(3) Ein Tierversuch ist keinesfalls zulässig, wenn

a) die Ergebnisse eines gleichgelagerten Versuches publiziert und dokumentiert sind

und an deren Richtigkeit und Aussagekraft keine berechtigten Zweifel bestehen,

b) von diesem Versuch keine zusätzlichen oder neuen Erkenntnisse zu erwarten sind,

oder

c) dieser Versuch auch zu Kontrollzwecken nicht erforderlich ist.

(4) Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung hat durch Verordnung (§ 13) festzustellen, welche Methoden und Verfahren von Tierversuchen beziehungsweise welche Tierversuche nach dem anerkannten Stand der Wissenschaften und Technik als überholt und daher unzulässig anzusehen sind."

Erläuterungen:

Der vorliegende Antrag bezweckt eine Entrümpelung und Anpassung des Tierversuchsgesetzes 1988 an den inzwischen eingetretenen wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit dem im Gesetz selbst definierten Ziel, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern.

Daher wird zum Beispiel das Tierversuchsverbot für Kosmetika in § 3 Abs. 1 nahtlos eingearbeitet, wodurch sich ein eigener Abs. 5 mit weitreichenden Ausnahmebestimmungen – wie in der Regierungsvorlage vorgesehen – erübrigt.

Weiters entfallen Versuche am lebenden Tier durch in Ausbildung befindliche Personen, da es seit 1988 zahlreiche audiovisuelle, elektronische und biotechnische Ersatzmethoden gibt. Der Versuch am toten Tier sowie an Föten ist ohnehin noch immer möglich, da es vom TVG nicht erfaßt und daher auch statistisch nicht registriert wird.

Einige sprachliche Klarstellungen wurden vorgenommen.

2.) In Ziffer 4 § 11 Abs. 2 Z 3 lautet die Ergänzung nach dem Wort "steht":

"und wenn der jeweilige Versuch der Erhaltung der betreffenden Art dient oder wesentliche biomedizinische Zwecke erfüllt, die für die betreffende Art ausnahmsweise alleine in Frage kommen."

Erläuterungen:

Tierversuche an Tieren gefährdeter Arten beschleunigen den Schwund der Population, insbesondere in Zusammenhang mit der Definition der Liefereinrichtungen in § 15a der Regierungsvorlage.

3.) § 15a Abs. 3 lautet:

"(3) In jeder Zucht-, Liefer- oder Tierversuchseinrichtung sind alle Versuchstiere außer Ratten und Mäusen auf dauerhafte Weise nach der am wenigsten schmerzhaften Methode mit einer individuellen Kennzeichnung zu versehen, bevor sie von dem Muttertier abgesetzt werden. Werden nicht gekennzeichnete Versuchstiere nach dem Absetzen zum ersten Mal in eine der vorgenannten Einrichtungen aufgenommen, so sind sie unmittelbar nach der Aufnahme derart zu kennzeichnen.

Tiere im letzten Fünftel der Trächtigkeit und laktierende Muttertiere mit ihren Jungen sind in diesem Zeitabschnitt nicht lieferbar.

Von der Empfängereinrichtung sind alle zur Kennzeichnung erforderlichen Daten, vor allem über das Muttertier, schriftlich bis zur erfolgten Kennzeichnung des Muttertiers und seiner Jungtiere festzuhalten. Aus den Aufzeichnungen jeder der vorgenannten Einrichtungen müssen Einzelheiten über die Identität und Herkunft jedes Versuchstieres hervorgehen."

Erläuterungen:

Transporte von hochträchtigen oder laktierenden Muttertieren sind äußerst problematisch und daher abzulehnen. Die Kennzeichnung sollte sich auf alle Versuchstiere (laut Gesetzesdefinition sind das nur Wirbeltiere) außer Kleinnagern erstrecken.

Um Verwechslungen oder Schwarzhandel mit Jungtieren zu unterbinden, sind die schriftlichen Aufzeichnungen über das Muttertier bis zur Kennzeichnung auch der Jungtiere aufzubewahren.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

12.25

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das österreichische Tierversuchsgesetz 1989 zählt international gesehen zu den modernsten und fortschrittlichsten. Im Rahmen der EU werden Angelegenheiten der Tierversuche durch die Richtlinie aus dem Jahre 1986 geregelt. Auch wenn die Umsetzung dieser Richtlinie 1989 noch nicht geboten war, bemühte sich der österreichische Gesetzgeber bereits damals, den Bestimmungen dieser EU-Richtlinie bei der Tierversuchsgesetzgebung Rechnung zu tragen.

Darüber hinaus sind in diesem Gesetz die sachlichen und personellen Voraussetzungen für die Durchführung von Tierversuchen im Vergleich zur EU-Richtlinie in vielen Punkten strenger gefaßt. Tierversuche sind nach österreichischem Recht nur sehr eingeschränkt zulässig, wenn keine alternativen Methoden zur Verfügung stehen. Mit dieser Novelle zum Tierversuchsgesetz werden ergänzende Bestimmungen zur vollständigen und zweifelsfreien Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie und die Voraussetzungen für eine EU-einheitliche Statistik zur Vergleichbarkeit statistischer Daten geschaffen.

Ebenso müssen Angst, Schmerz und Leiden der Tiere minimiert werden. Die Tiere müssen aus Zuchteinrichtungen stammen und gekennzeichnet werden. Mit der vorliegenden Novelle zum Tierversuchsgesetz werden Tierversuche für Kosmetika grundsätzlich verboten, und dieses Verbot wird gegenüber dem EU-weiten Verbot in Österreich vorzeitig in Kraft gesetzt. Tierversuche sind nur bei bestimmten Indikationen statthaft und müssen genehmigt werden. Die EU-Statistik beinhaltet Anzahl und Arten der Versuchstiere und die Herkunft aus EU- oder Mitgliedsländern des Europarates.

Es ist wichtig, Tiere als Lebewesen und nicht als Sache zu betrachten. Ich persönlich kann mir schwer vorstellen, daß Tierversuche total vermeidbar sind. Auf allen medizinischen Kongressen wird über Forschungsergebnisse und dabei immer über Tierversuche berichtet. Tierversuche sind Ausfluß einer Güterabwägung für Mensch und Tier in der medizinischen und pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zur Abwehr von Gefährdungen für Gesundheit und Umwelt und nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft noch unentbehrlich.

Österreich ist mit seiner Tierversuchsregelung vorbildlich. Laut österreichischer Tierversuchsstatistik hat sich in Österreich im letzten Jahrzehnt die Zahl der verwendeten Tiere von 1991 bis 1998 auf weniger als ein Drittel reduziert. Die Ursachen dafür sind die strengen Regelungen, eine zunehmend bewußte und verantwortungsvolle Haltung von Wissenschaftern, Forschern und Tierversuchseinrichtungen, eine restriktive Haltung aller zuständigen Behörden bei der Genehmigung von Tierversuchen sowie eine Förderung von Ersatzmethoden, wobei das Wissenschaftsministerium hohe Geldmittel dafür aufgewendet hat und die nachhaltige Verfolgung der drei "R", Reducement, Refinement und Replacement, dem Tierversuchsgesetz entsprechen.

Auch wir Sozialdemokraten sind absolut für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. In dieser Legislaturperiode war es allerdings trotz unseres Wunsches nicht durchführbar.

Es stimmt: Wenn der Tierschutz nicht beachtet wird – das haben wir gerade am Beispiel Großbritannien gesehen –, wenn Tiere nicht artgerecht gehalten werden, dann kann das nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen schwere Folgen haben, und daher werden wir weiterhin einem bundeseinheitlichen Tierschutz zustimmen und dafür sein.

Daß derzeit eine gesetzliche Änderung nicht möglich war, ist bedauerlich, aber es ist Tatsache. Ich stimme damit überein, daß die Zahl der Tierversuche so gering wie möglich zu halten ist, Qualen verhindert werden müssen. Die Priorität hat für uns Sozialdemokraten immer der Mensch. Daher stimmen wir dieser Regierungsvorlage gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

12.30

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Mittagszeit, also eine ruhige Zeit, wenigstens sind jene, die anwesend sind, ruhig, sodaß ich reden kann und es mir nicht so ergeht wie meiner Vorgängerin im Wissenschaftsausschuß. (Abg. Scheibner: Wir hören alle zu!) – Danke.

Ich möchte auch gleich an Ihre Adresse, Herr Kollege Scheibner, sagen, daß wir all Ihren Anträgen, also sowohl Entschließungsanträgen als auch Abänderungsanträgen, wie bereits im Ausschuß zustimmen werden, weil sie unseren Intentionen entsprechen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Richtlinie 93/35/EWG, meine Damen und Herren, auf die in dieser Gesetzesvorlage Bezug genommen wird, sieht ein absolutes Verbot von Tierversuchen für Kosmetika vor, sobald dies wissenschaftlich möglich ist. Allerdings, Herr Minister, sehe ich bereits wieder einen Widerspruch oder zumindest eine Unklarheit, da die Änderung im vorliegenden Tierversuchsgesetz in § 3 Abs. 5 die Möglichkeit einer Ausnahmeverordnung vorsieht, wenn dies zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen oder für den Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit erforderlich ist.

Laut Richtlinie 93/35/EWG ist dies jedoch nicht erforderlich. Warum ist also diese Regelung im Gesetz? – Ich würde es noch verstehen, wenn es sich um Medikamente handeln würde, aber für Kosmetika ist, so glaube ich, dem Kunden eine Eigenverantwortlichkeit und auch ein Risiko durchaus zuzumuten.

Ein weiterer Kritikpunkt ist meiner Ansicht nach folgender: Schon im Tierversuchsgesetz 1988 fehlt eine Verordnung über die Haftungserfordernisse von Versuchstieren. Das heißt, seit über zehn Jahren ist man da säumig. Herr Minister! Ich weiß schon, daß Sie mir auch heute wieder keine Antwort auf meine Fragen geben werden, frage Sie aber trotzdem: Warum wurde dies wieder nicht im neuen Gesetz berücksichtigt, zumal auch in der EU-Richtlinie Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren vorgesehen sind?

In Österreich, meine Damen und Herren, können bis dato und auch in Zukunft die Tiere willkürlich gehalten werden, und dies widerspricht klar einer halbwegs artgerechten Tierhaltung. Auch Versuchstiere, meine Damen und Herren, haben einen Anspruch auf artgerechte Haltung.

In einem weiteren Punkt fehlt die Anpassung an die EU-Richtlinie, denn diese verpflichtet die Staaten zur wechselseitigen und vorbehaltlosen Anerkennung von Versuchsergebnissen. Das ist durchaus zu begrüßen, denn dadurch können zweifelsohne eine beträchtliche Vielzahl von Tierversuchen hintangehalten werden. Diese Änderungen werden wohl Verbesserungen in der statistischen Erhebung bringen, allerdings sieht aber auch Österreich im neuen Gesetz de facto gemäß § 3 Abs. 3 lit. a und d immer noch einen Anerkennungsvorbehalt vor, in dem auf die rechtliche und faktische Zugänglichkeit dieser Ergebnisse abgestellt wird. Ich bin der Auffassung, Herr Bundesminister, das dies richtlinienwidrig ist. Ich weiß, ich bekomme auch darauf keine Antwort von Ihnen, aber trotzdem möchte ich es noch einmal in den Raum stellen.

Weiters bin ich der Auffassung, daß die ethische Beurteilung von Tierversuchen nicht dem durchführenden Experimentator überlassen, sondern eher von einer Sachverständigen-Kommission überprüft werden sollte. Auch sieht die EU-Richtlinie, die ausschlaggebend für dieses neue Gesetz ist, vor, daß bei der Auswahl der Tierart für bestimmte Versuchsvorhaben auf den Grad der sinnespsychologischen Entwicklung abgestellt wird. Das heißt, Tiere, die am wenigsten entwickelt sind oder bei denen die geringsten Schmerzen, Leiden, Ängste oder dauerhafte Schäden auftreten, sind für den Versuch zu nehmen. Auch dies ist im vorliegenden Gesetz nicht berücksichtigt.

Ebenso sollten Tierversuche zum Zweck der beruflichen Ausbildung längst der Vergangenheit angehören. Wir sind bitte im Zeitalter der modernen Technik, und viele Versuche, die früher am Tier durchgeführt werden mußten, können heute zum Beispiel durch Computer-Simulationen ersetzt werden.

Meine Damen und Herren! Heute werden Änderungen im Tierversuchsgesetz 1988 beschlossen; Änderungen – das gebe ich zu –, die sicher kleine Verbesserungen beinhalten, zum Beispiel das Verbot von Tierversuchen in bezug auf Kosmetika. Allerdings sind wir von modernen, zukunftsweisenden Änderungen, die auch einem echten Tierschutz das Wort reden, noch immer weit entfernt.

Herr Minister! Auch wenn Sie im Ausschuß feststellten, daß es sicher noch Bestimmungen gibt, die verbesserungswürdig wären, so frage ich Sie: Warum wurden diese nicht bereits beim heutigen Beschluß berücksichtigt?

Abschließend möchte ich noch festhalten, daß Tierversuchsregelungen nicht aus der gesamten Tierschutzproblematik herausgerissen werden dürfen. Meiner Überzeugung nach ist das ein weiteres Argument für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. Ich hoffe und wünsche, daß dieses in der nächsten Legislaturperiode gelingt beziehungsweise daß es Ihnen, meine Damen und Herren, gelingt, endlich ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. 8 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

12.36

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Gesetzesnovelle birgt doch eine sehr weitreichende Schonung der Tierwelt in sich, und ich glaube, daß es höchst an der Zeit war, daß man die Tiere vor kosmetischen Versuchszwecken schützt.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nützen, einige ethisch kritische Betrachtungen der Tierversuche im Rahmen der medizinischen Forschung vorzunehmen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt in der Medizin überhaupt der Grundsatz "nihil nocere": vor allem nicht schaden. Es hat aber immer Außenseiter gegeben, welche versuchten, der Natur ihre Geheimnisse mittels Experimente mit Tieren, Sträflingen, Kriegsverbrechern beziehungsweise Gefangenen zu entreißen.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat Claude Bernard in seinem Buch "Einführung in die Experimentalmedizin" im Jahre 1856 das Tierexperiment zum Prüfstein jeglicher medizinischen Forschung gestellt. Es wurden damals unvorstellbare Dinge gefordert – und auch von ihm durchgeführt. Es wurden Hunde und Katzen ohne Anästhesie festgenagelt und festgebunden und physiologische Experimente und Operationen durchgeführt. – Heute sind die Methoden moderner und vielleicht geringer schmerzhaft geworden, aber trotzdem noch schmerzhaft. Nach heutiger Sicht ist es fast unmöglich, nachzuweisen, ob Tierexperimente für das Wissen in der Medizin oder klinische Forschung wesentlich sind.

Zweifellos versuchen seit Claude Bernard die Experimentatoren und ihre Anhänger immer wieder, jede wissenschaftliche Erkenntnis auf die Experimente mit Tieren zurückzuführen. Mit den Tierversuchen trat die naturwissenschaftliche Medizin in den Mittelpunkt und der Mensch in seiner Ganzheit, Leib und Seele, in den Hintergrund. Wir müssen uns wirklich die Frage stellen, ob das ein Fluch oder ein Segen für uns ist. Die naturwissenschaftlichen Ansätze verlagerten eigentlich den Schwerpunkt der Medizin weg von der Idee des Heilens hin zur Reparatur eines Organs. Das wird dadurch dokumentiert, daß man sagt, "der Magen" auf Zimmer 7, "die Galle" auf Zimmer 6. Damit charakterisiert man eigentlich den Menschen anhand seines Organs – und nicht anhand seiner ganzen Persönlichkeit.

In der damaligen Zeit hat man mit der Mißachtung des Geschöpfes Tier auch die Seele des Menschen weggeworfen. Um des vermeintlichen Fortschrittes willen hat man die Ehrfurcht vor dem Schöpfer und dem Geschöpf Tier und Mensch verloren. Eine kritische ethische Beurteilung muß sich da die Wissenschaft gefallen lassen. Heute weiß man, daß Tierexperimente nicht immer oder sogar sehr selten auf den Menschen übertragbar sind. Laut UNO-Bericht vom Jahre 1995 mußten 8 500 tierversuchserprobte Medikamente vom Markt zurückgezogen werden. Die Nebenwirkungen wurden erst beim Menschen erkannt. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf die Verabreichung von Contergan verweisen.

Weltweit müssen jährlich geschätzte 210 Millionen Tiere aufgrund von Tierversuchen sterben. Das Tierversuchsgesetz hat die ausschließliche Zielsetzung, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern. Tatsächlich konnte seit 1988 die Zahl der Tierversuche in Österreich deutlich reduziert werden. Waren es im Jahre 1991 noch 482 000, so reduzierte sich diese Zahl auf 168 000 im Jahre 1997. Aber das ist immer noch zuviel!

Das Ergebnis eines Tierversuchs gilt generell nur für das Tier, nur für dieses Versuchstier und das getestete Präparat am Tier! Alle daraus für den Menschen abgeleiteten Rückschlüsse sind nur Interpretationen, Hypothesen und Vermutungen. In diesem Licht ist ernstlich die Frage zu stellen, ob diese Versuche zulässig und ethisch verträglich sind.

Täuschen Sie nicht eine falsche Sicherheit für den Menschen vor? Hat der Mensch das Recht, zur Erforschung seiner Krankheiten und zur Entwicklung von Heilmitteln einen ungeheuer großen Berg von gequälten, mißhandelten und getöteten Tieren anzuhäufen? – Das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen.

Zunehmend werden in fast allen Bereichen der medizinischen Studien In-Vitro-Methoden angewendet, Versuche im Reagenzglas durchgeführt. Es geht um Untersuchungen mit schmerzfreien Materien: Mikroorganismen, Gewebsproben, Zellmaterial in Nährlösungen. So wird etwa mit isolierten, aber lebensfähigen Herzzellen nach kardiologischen Medikamenten gesucht. Leberzellen von Menschen und Tieren erlauben präzise Aussagen über den Abbau von Medikamenten, Chemikalien und so weiter. Geeignete In-Vitro-Verfahren sind aussagekräftiger, repräsentativer, reproduzierbarer, billiger und rascher durchzuführen, vor allem aber ethisch vertretbar.

Wie es bei chirurgischen Eingriffen ist, weiß ich eigentlich nicht genau, ich weiß nicht, ob in diesem Bereich nicht doch noch Tierversuche notwendig sind. Ich könnte mir aber vorstellen, daß man durch Computersimulationen einiges an Versuchen ersetzen kann. Aber gerade bei kosmetischen Mitteln sind Tierversuche sicherlich nicht angezeigt, und das wird heute mit dieser Gesetzesnovelle geregelt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.43

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich war jetzt sehr angenehm und positiv überrascht über den Debattenbeitrag des Abgeordneten Leiner, und ich hoffe, daß es in der nächsten Gesetzgebungsperiode eine Möglichkeit gibt, auf derartigen Überlegungen aufbauend doch einen größeren Schritt zur Verbesserung des Status quo in Richtung Abschaffung von Tierversuchen zu machen. Und ich erlaube mir auch, anzumerken, daß diese Wortmeldung ungleich kritischer als diejenige von Frau Dr. Pittermann war.

Frau Dr. Pittermann hat ebenso wie Herr Dr. Leiner die Grundsatzfrage angesprochen, und zwar die Frage der Notwendigkeit von Tierversuchen. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, hervorzuheben, daß ich für die stufenweise Abschaffung aller Tierversuche bin. Ich sehe das sehr wohl als einen Prozeß, der Zeit und auch Geld brauchen wird. Aber ich bin auch deswegen für diese Abschaffung, weil es mir um den Schutz von Menschen geht.

In dieser Frage geht es mir gar nicht einmal primär um den Tierschutz, von dem Sie wissen, daß er mir sonst ein sehr wichtiges Anliegen ist. In dieser Frage bin ich davon überzeugt, daß es in erster Linie und vor allem um den besseren Schutz von Menschen geht, vielleicht auch um eine andere Einstellung in bezug auf die Zulassung von Chemikalien, Arzneimitteln und neuen Verfahren. Ich denke dabei zum Beispiel auch an die Gentechnik und an Freisetzungsexperimente in der Landwirtschaft.

In diesem Bereich hat sich durch eine sehr schrankenlos praktizierte Wirtschaftsfreiheit doch ein sehr hohes Maß an Leichtfertigkeit eingestellt. Der kurzfristige Profit hat Vorrang vor Überlegungen zur Nachhaltigkeit und hat vor allem Vorrang gegenüber der Frage: Brauchen wir das überhaupt: das ich weiß nicht wie vielte Kopfwehmittel, das soundsovielte Produkt einer anderen Firma, das im wesentlichen eigentlich dasselbe leisten soll wie ein Produkt, mit dem PatientInnen und Ärztinnen und Ärzte bereits seit geraumer Zeit umgehen und von dem sie wissen, wie es wirkt?

Heute sagen wir, ja, es ist die Freiheit der Wirtschaft, immer neue Produkte auf die Märkte zu werfen, und das Mittel, das dazu verwendet wird, ist der Tierversuch. Aber die eigentliche Frage, die zu stellen wäre, lautet: Wie zuverlässig ist das Produkt? Wie weit sind die Ergebnisse übertragbar?

Daß dazu dann noch die Punkte kommen, die in dieser Novelle angesprochen sind – der Bereich der Kosmetik, wo die Versuche ganz besonders unverständlich sind –, das ist eher, so würde ich sagen, sehr vordergründig. In Wirklichkeit geht die Frage ja weiter. Herr Abgeordneter Leiner hat es auch angesprochen: Es gibt zahlreiche Arzneimittelflops. Das betrifft Arzneimittel, die bereits für den Menschen zugelassen waren, aber zurückgenommen werden mußten, weil sie völlig unerwartete, im Tierversuch nicht erkennbare schwerste Nebenwirkungen gezeigt haben.

Es gibt noch ein Problem im Bereich der medizinischen Forschung, nämlich die Leichtfertigkeit. Ich bin immer wieder entsetzt darüber, wenn ich höre, daß es sogenannte Lifestyle- und Modepillen gibt, wie etwa zurzeit das durch alle Medien geisternde Viagra, das auch mittlerweile wohl mehr als nur im Verdacht steht, Todesfälle bei Menschen ausgelöst zu haben. Trotzdem ist es quasi schick, fast eine Partydroge. Ich denke, diese Haltung wird auch durch die Art des Forschens begünstigt, und diese Leichtfertigkeit gilt es eigentlich zu bekämpfen. Es geht darum, statt dessen einen sorgfältigeren Umgang mit Arzneimitteln, mit Chemikalien zu propagieren.

Meine Damen und Herren! Ich hatte Gelegenheit, an einem wissenschaftlichen Kongreß zum Thema Tierversuche im heurigen Frühjahr in London teilzunehmen. Dort haben die teilnehmenden Ärzte vor allem danach getrachtet, Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten anzuregen. Es wurde im Rahmen dieses Kongresses ein Dokument verabschiedet, das die bessere Information von Patientinnen und Patienten vorsieht, nämlich den "informed consent".

Die Ärzte schlagen vor und regen dringend an, daß man die Menschen darauf aufmerksam machen soll, daß der Tierversuch kein sicheres Indiz dafür ist, daß in der menschlichen Anwendung Gefahren vermieden werden können. Das heißt, daß mittlerweile – das geht aus Studien der "Food and Drug Administration" hervor – davon auszugehen ist, daß wohl bei mehr als der Hälfte der Präparate schwerwiegendste, nicht im Tierversuch erkannte Nebenwirkungen auftreten. Das wissen die Menschen aber nicht!

Ich bin wirklich aus allen Wolken gefallen, als ich vor zwei Tagen durch das Wiener AKH gegangen bin und gesehen habe, daß mittlerweile per Aushang menschliche Versuchskaninchen gesucht werden! (Die Rednerin hält ein Schriftstück mit der Überschrift "Gesunde Rhesus-negative Männer gesucht" in die Höhe.)

Darin steht kein Wort von Gefahren, kein Wort von Risiko! Es heißt nur: "Sie werden für den entstandenen Zeitaufwand finanziell sehr gut entlohnt." – Wissen Sie, was das heißt in Zeiten, in denen es vielen Menschen ökonomisch nicht sehr gut geht, in denen diese Menschen vielleicht arbeitslos sind oder nicht mehr wissen, wie sie ihr Studium weiter finanzieren sollen? Glauben Sie nicht, daß durch solche Aushänge Menschen in Gefahr gebracht werden können? – Da steht kein Wort von irgendeinem Risiko, kein Wort darüber, daß es hier um Arzneimitteltests geht und kein Wort davon, daß, wie gesagt, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Richtung gehen, daß bei 51 Prozent der zugelassenen Präparate schwerste Schäden am Menschen aufgetreten sind! Kein Wort gibt es darüber!

Auf Zigarettenpackungen muß richtigerweise mittlerweile ein Warnhinweis stehen. Aber da geht es um Arzneimittel, um Präparate, die Menschen – gesunde Menschen; ich betone, es werden gesunde Menschen gesucht – einnehmen sollen!

Das oberste Prinzip sollte wirklich sein, keinen Schaden zuzufügen und in höchstem Maße sorgfältig zu sein. Ich glaube, von diesem Prinzip haben uns auch die Tierversuche weggeführt, aber dieses Prinzip gilt es zu korrigieren.

Meine Damen und Herren! Soviel zum Grundsätzlichen. – Ich würde mir jedenfalls wünschen, daß wir vielleicht einmal von Österreich aus – und das kann etwas sein, was sich in weiterer Folge auch ökonomisch bezahlt macht – diese Validität der Tierversuche im Rahmen einer großen Studie prüfen. Wir sollten wirklich einmal die Ergebnisse von Arzneimitteltests, von Chemikalientests und so weiter zusammentragen. Ich denke, wer nur mit einem auf die Mauern des Labors eingeengten Blick forscht, dem entgehen globale Gefahren wie Ozonloch und ähnliches.

Es wäre wirklich notwendig, in größeren Dimensionen zu denken und mit Computersimulationen, mit alternativen Tests zu arbeiten – und nicht nur zu versuchen, die isolierte Giftigkeit einzelner Substanzen einzufangen. Das geht nicht, das führt in eine Sackgasse.

Meine Damen und Herren! Warum sollte Österreich in diesem neuen Bereich einer nicht grausamen, einer auf den Menschen zentrierten Forschung nicht Bahnbrechendes leisten? Österreichische Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben bereits bewiesen, daß sie das können, und ich glaube, das wäre ein Bereich, der Österreich auch international enormes Ansehen brächte.

Die Bereitschaft an den österreichischen Universitäten ist allemal gegeben. Ich denke, man sollte diese Validitätsforschung auch wirklich einmal ermutigen und unterstützen.

Ein Allerletztes zu diesem Gesetz. Wie gesagt, es greift aus meiner Sicht viel zu kurz. Ein weiterer Grund, warum ich nicht zustimmen kann, ist die Tatsache, daß es mittlerweile sogar hinter dem EU-Recht zurückbleibt. Ich sage, ohne die Grundsatzfrage noch einmal aufzugreifen: Solange Tierversuche für eine breite Schicht im Bereich der Forschung noch als unverzichtbar gelten, solange sollten wir zumindest den Konsens bilden, daß mit den Tieren so schonend wie möglich umzugehen ist. In diesem Zusammenhang ist es mir unverständlich, warum über zehn Jahre lang keine Verordnungen über die Haltung von Versuchstieren erlassen wurden und keine Einbindung von Erkenntnissen aus der Zoologie, der Verhaltensforschung stattgefunden hat. Wie gesagt, das ist völlig jenseits der Grundsatzfrage.

Des weiteren bedauere ich, daß Österreich im Vergleich zu seiner früheren Position – Österreich hatte einmal eine Art Vorreiterfunktion; ich denke dabei an die Heraushebung der Tiere aus dem Sachbegriff – gewaltig zurückgefallen ist.

Das Wissenschaftsministerium ist säumig bei der Abschaffung obsoleter Testmethoden; ich denke dabei etwa an den LD-50-Test in allen seinen Varianten und den Draize-Test. Diese Tests sind mittlerweile als wissenschaftliche Sackgassen identifiziert und gehören per sofort abgeschafft. Sie schaden den Menschen, und die Versuchstiere hätten, wie gesagt, zumindest solange sie noch für einen fragwürdigen Zweck – unter Anführungszeichen – "verbraucht" werden dürfen, wohl den Anspruch, daß sie wie Lebewesen, wie Tiere, wie fühlende Geschöpfe behandelt werden.

All dem wird leider nicht Rechnung getragen. Aber ich hoffe, daß wir in der nächsten Legislaturperiode in diesem Zusammenhang mehr bewegen können als in dieser, die ich als eine verpaßte Chance für den Schutz der Menschen und Tiere betrachten muß. (Beifall bei den Grünen.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

12.54

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Chance wurde verpaßt, hat Frau Kollegin Petrovic am Schluß ihrer Ausführungen gesagt. Dem kann man sich anschließen, und wir Freiheitlichen schließen mit einem Entschließungsantrag an, einem Antrag betreffend die Erlassung von überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen für Tierversuche.

Herr Bundesminister! Das Tierversuchsgesetz 1988 hätte Ihnen ausreichende Möglichkeit gegeben, Durchführungsbestimmungen und Verordnungen in Richtung einer Reduktion der Zahl der Tierversuche zu erlassen. Und dies ist wohl der gemeinsame Nenner, der bei allen Fraktionen übergreifend durchkommt: Die Zahl der Tierversuche muß reduziert werden.

Das Gesetz hätte auch durchaus, wie meine Vorrednerin gesagt hat, die Chance dazu gegeben. Wir meinen aber, daß dieser Entschließungsantrag Ihnen unabhängig vom Gesetz eine entsprechende Möglichkeit bieten sollte.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Grollitsch, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Erlassung von überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zum Tierversuchsgesetz 1988

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung wird ersucht, bis 1. Oktober 1999 die seit langem überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zum Tierversuchsgesetz 1988 zu erlassen, insbesondere betreffend

die Unzulässigkeit überholter Methoden von Tierversuchen,

die Haltung, Unterbringung und Betreuung der Versuchstiere in artgerechter Form und durch sachkundige Betreuer(innen)."

*****

Auf diese beiden Punkte nimmt dieses Gesetz nicht oder nicht ausreichend Rücksicht. Im Detail sieht man das etwa im § 15a betreffend Zucht- und Liefereinrichtungen. Genau diese Bestimmung des § 15a ermöglicht es, ja lädt Drittländer geradezu dazu ein, Tiere nach Österreich zu exportieren und lädt umgekehrt Österreich ein, sie zu importieren, denn in Drittländern kommt die EU-Haltungsrichtlinie nicht zum Tragen. Es gibt dort also unter Umständen schlechte, für uns jedenfalls unkontrollierbare Haltungsbedingungen.

Es würde schon reichen, wenn wir beim Import den Nachweis fordern würden, daß die Tiere einer Zuchteinrichtung entstammen, die die EU-Haltungsbedingungen erfüllt. Das ist ein "Detailchen" einer ausführlichen Abänderung, denn wir wollten uns auch konstruktiv in dieses Gesetz einbringen; daher der Abänderungsantrag, den Herr Kollege Haupt begründet hat.

Es gibt einen wesentlichen Punkt in dieser Abänderung. Kollege Haupt hat Sie schon gebeten, sich diese Abänderung zu Gemüte zu führen, etwa Punkt 3, in dem erklärt wird, daß die Ergebnisse von gleichgelagerten Versuchen publiziert und dokumentiert werden müssen und daß das Zusammenführen, das Vernetzen der Ergebnisse der durchgeführten Tierversuche das Ziel sein muß.

Frau Kollegin Petrovic hat schon recht: In diesem Bereich wird europaweit vor allem einzeln geforscht, und zwar mit gleichen oder vergleichbaren Ergebnissen. Wir fordern die Koordinierung der getätigten Tierversuche und die Vernetzung ihrer Ergebnisse.

Daß man jetzt quasi im Schnellschußverfahren versucht, die Tierversuche für Kosmetika auszuschließen, ist in einer allgemeinen Bestimmung zwar formuliert, aber die Ermächtigung, das zu umgehen, ist leider sehr spürbar, Herr Bundesminister. Gehen Sie verantwortungsvoll mit dieser Ermächtigung um und berücksichtigen Sie insbesondere den Entschließungsantrag der Freiheitlichen, denn auf der Basis des bestehenden Gesetzes können Sie ausreichend aktiv werden! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Herrn Abgeordneten Dr. Grollitsch vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor; ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Gesetzentwurf in 2085 der Beilagen, zu dem die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht haben.

Ich werde bei der Abstimmung so vorgehen, daß ich zunächst über jene Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lasse, die vom Abänderungsantrag betroffen sind, und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag hinsichtlich der Ziffern 2, 4 sowie 7 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt über die restlichen, bisher noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Auch dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt noch ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grollitsch und Genossen betreffend Erlassung von überfälligen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zum Tierversuchsgesetz 1988.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1835 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957, das Bundesbahngesetz 1992 und das Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesetz geändert werden (Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz), und

über die Petition (PET-42) "Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege", überreicht von den Abgeordneten Sophie Bauer, Josef Edler, Heinz Gradwohl, Franz Hums, Dr. Günther Kräuter, Ludmilla Parfuss und Heidrun Silhavy (2045 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger als erstem zu Wort gemeldeten Redner das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.01

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben im Verkehrsausschuß eine Reihe von Gesetzesvorlagen verhandelt. Ich möchte zunächst auf die Rolle des zukünftigen Schienenregulators von der Regulierungsbehörde eingehen. Aus freiheitlicher Sicht besteht gegen die Einrichtung einer Regulierungsbehörde grundsätzlich kein Einwand, dennoch haben wir gravierende Vorbehalte, denn so, wie der Herr Bundesminister das inszenieren möchte, wird es nicht funktionieren. Damit werden wir dem Wettbewerb im Schienensektor einen schlechten Dienst erweisen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es gibt fünf maßgebliche Gründe – ich möchte diese hier kurz anschneiden –, warum es aus unserer Sicht Vorbehalte gibt, warum wir dieser Vorlage im Endeffekt keine Zustimmung erteilen können.

Erstens – das ist ein ganz gravierender Grund –: Es fehlt die Grundlage für die Tätigkeit des Schienenregulators. Sie wissen ganz genau, Herr Bundesminister, daß die Wegekostenrichtlinie der Europäische Union, auf die sich ja die Tätigkeit des Schienenregulators stützen sollte, schon seit längerer Zeit im Werden ist, aber einfach noch nicht fertig ist. Es gibt Grünbücher, Weißbücher, alles mögliche, aber es gibt noch keine fertige Grundlage für die Tätigkeit eines Schienenregulators, keine fertige Richtlinie, geschweige denn ein nationales Gesetz, das diese Richtlinie umsetzt.

Zweiter Punkt: Im Bereich der Bahn gibt es auch auf mittlere Sicht keine echte Liberalisierung. Das kann es in Österreich gar nicht geben, denn es gibt bei uns ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung und eine Reihe von kleineren Privatbahnen. Ich vermisse im Gesetz auch einen asymmetrischen Zugang zur Regelung dieser Materie, so wie man das beispielsweise im Telekombereich gemacht hat.

Dritter Punkt: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, Herr Bundesminister, daß Sie die Schienenregulierungsbehörde so vorsehen, wie es der Weg des Telekomregulators aufzeigt. Das heißt, Sie möchten das zum Vorbild nehmen und dieses Bild kopieren. Dazu muß ich ganz klar sagen: Es hat es mit diesem Telekomregulator besonders negative Erfahrungen gegeben, und wir wollen einfach nicht, daß sich jene Fehler, die es da gegeben hat, wiederholen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Es gibt keine!) Da gibt es genug Fehler, Herr Kollege Kukacka. Sind Sie blind und taub, sehen Sie nichts mehr? Ich weiß es nicht. (Abg. Mag. Kukacka: Sagen Sie es, welche! Sie können keine aufzählen!) Ich habe nicht so viel Zeit, aber wir können dann beim Telekombereich darüber sprechen.

Ich möchte nun zum vierten Punkt kommen, meine Damen und Herren: Die oberste Eisenbahnbehörde wird einige Aktivitäten an die Regulierungsbehörde abgeben. Man kann jetzt darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist, Tatsache ist jedenfalls, daß es einen vernichtenden Bericht des Rechnungshofes über die Tätigkeit der obersten Eisenbahnbehörde gegeben hat. Tenor des Berichtes ist: Die haben nichts gemacht – aber das hat viel Geld gekostet! Das steht sinngemäß im Rechnungshofbericht. Es wird zwar, was die Konzessionserteilung und so weiter betrifft, einen Übergang von einer Behörde in die andere geben, aber beide Einrichtungen werden irgendwo doppelt geführt.

Fünfter Punkt, Herr Bundesminister: Man hört, daß die Europäische Union, was die Transeuropäischen Netze betrifft, plant, eine europäische Regulierungsbehörde ins Leben zu rufen. Das heißt, daß überall dort, wo unser Schienennetz im TEN-Bereich betroffen ist, eigentlich die Europäische Union selbst regulierend eingreifen möchte. Ich halte das grundsätzlich für vernünftig, und daher glaube ich, daß es insgesamt viel zu früh ist, jetzt diese Schienenregulierungsbehörde, die viel Geld kostet, einzurichten.

Ich möchte diesen fünf Punkten, die ich genannt habe, noch einen weiteren Punkt hinzufügen, und dieser ist symptomatisch und zieht sich wie ein roter Faden durch das Ganze durch: In Wirklichkeit, Herr Bundesminister, haben Sie jetzt bei der Einrichtung der Behörde nur deshalb so große Eile, weil Sie schon wieder jemanden in Ihrem Bereich versorgen möchten. Man hört, daß einer Ihrer engsten Mitarbeiterinnen, und zwar Frau Dr. Lugger, als Leiterin der Schienenregulierungsbehörde vorgesehen ist, und deshalb haben Sie jetzt Eile, deshalb wollen Sie das fünf Minuten vor Ende der Legislaturperiode noch durchdrücken. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aha! Der Herr Minister ist durchschaut! – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ja, sie ist eine attraktive Frau, aber da frage ich mich heute wieder: Wird da die Unabhängigkeit des Schienenregulators wirklich zum Ausdruck gebracht, oder ist es nicht wieder ein Geschenk? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ein Geschenk, das viel kostet!) Herr Bundesminister! Ich glaube, es ist letzteres. Es ist genauso ein Geschenk und genauso eine Sache der Parteibuchwirtschaft, wie wir das in vielen anderen Verkehrsbereichen erleben können.

Ich habe registriert, daß auch Kollege Kaufmann bei dieser Debatte nicht anwesend ist. Es wundert mich nicht, daß er nicht hier ist, denn er hat Besseres zu tun. Anscheinend muß er die Aufsichtsratssitzung auf dem Flughafen abwarten, denn er, der Herr Arbeiterkammerchef, ist, wie man hört, im Gespräch, einer der Direktoren zu werden. (Abg. Parnigoni: Ist das etwas Schlechtes?) Nein, es ist nicht schlecht, wenn man sich bewirbt, aber die Frage ist, ob er die Voraussetzungen dafür mitbringt. Doch da habe ich meine Zweifel! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Wie wollen Sie das feststellen?)

Meine Damen und Herren! Sie haben eben die Unverschämtheit, das alles mit brutaler Gewalt, mit Brachialgewalt nach parteipolitischen Gesichtspunkten durchzudrücken! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Darum geht es Ihnen! Ihnen geht es nicht mehr um Verkehrspolitik, sondern Sie wollen Personalpolitik machen, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Hören Sie sich das doch an, um Gottes willen! Sie wollen es nicht hören, denn es ist Ihnen peinlich. Aber ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, diese Peinlichkeit nicht ersparen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Okay!

Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß Sie das trifft, Sie wollen das nicht hören. (Abg. Scheibner begibt sich zum Rednerpult und überreicht Abg. Mag. Firlinger ein Schriftstück.) Hier kommt gerade eine Meldung, und sie lautet: Neuer Flughafenvorstand bestellt: Kaufmann, Schmid und Waniek. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Bravo! Endlich ein guter Mann bestellt! – Ruf bei den Freiheitlichen: Pfui!) Na "hervorragend", da haben wir es ja wieder! Das ist eure Personalpolitik! Die stinkt zum Himmel, meine Damen und Herren! Bravo! Nur so weitermachen, der Wähler wird es danken! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich – ich kann es leider nicht mehr ganz ausreferieren – noch auf einen Antrag zu sprechen kommen. Kollege Parnigoni macht ja mittlerweile schon ein Begräbnis vierter oder fünfter Ordnung, denn er kommt drauf, daß man während eines Abstimmungsvorganges Anträge der Freiheitlichen vertagen kann. Ich betone: während, nicht vor der Abstimmung! Ich wiederhole: während eines Abstimmungsvorganges.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben einen Antrag eingebracht betreffend Rettung der Bahn. Nur ein Satz dazu: Wir möchten, daß die Bahn ihrer Aufgabe gerecht wird, daß sie nicht nur für Direktorenposten sorgt, sondern einem volkswirtschaftlichen Auftrag nachkommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wollen nicht, daß ein LKW-Unternehmen einen Frächter nach dem anderen aufkauft und der Minister dann eine Kampagne nach der anderen macht mit dem Slogan "Schiene statt Verkehrslawine". Wir wollen, daß Güter und Personen umweltfreundlich auf der Schiene transportiert werden. Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger und Kollegen betreffend Rettung der Bahn in Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß die ÖBB ihre Leistungen flächendeckend und auf der Schiene erbringen beziehungsweise diese Leistungen durch andere Bahnbetreiber auf der Schiene erbracht werden."

*****

Sorgen wir da für klare Verhältnisse, für fairen Wettbewerb, und versuchen wir, die Bahn auch tatsächlich zu retten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sigl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.10

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Beitritt zur Europäischen Union gab es und gibt es wesentliche strukturelle Änderungen im Bereich des österreichischen Schienenverkehrs. Die durch die Europäische Union vorgegebene Richtung im Schienenverkehr, also die Liberalisierung beziehungsweise die Marktöffnung, bringen aber auch Probleme mit sich, die sicherlich nicht ohne flankierende Maßnahmen gelöst werden können.

Freier Bahnverkehr muß auch sozialverträglich sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb sind auch die sozialen Rahmenbedingungen und das Tempo der Marktöffnung zu berücksichtigen, um nicht, wie von Experten befürchtet wird, 300 000 Jobs im Bereich der Europäischen Eisenbahngesellschaften zu verlieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund dieser Tatsache sehe ich die Einführung eines Rail-Regulators in der durch unseren Bundesminister Dr. Caspar Einem vorgeschlagenen Form als zielführend an. Der Regulator soll für den Schienenverkehrsmarkt alle fachspezifisch, betrieblich und ökonomisch verflochtenen Kriterien des Zuganges im Schienenverkehr behandeln. Er würde sowohl präventiv als auch als Beschwerdeinstanz wirken. Die gewählte Konstruktion orientiert sich am Vorbild der für den Telekombereich getroffenen Regelung und sieht die Einrichtung einer Schienenverkehrskontroll-Ges.m.b.H. zur Wahrnehmung der behördlichen Regulierungsaufgaben vor.

Hohes Haus! Meiner Ansicht nach ist aber auch in Zukunft eine starke österreichische Bundesbahn notwendig, um im Zuge der Liberalisierung der Schiene einen leistungsfähigen Schienenverkehr in Österreich zu gewährleisten. Negative Beispiele einer zu progressiven Marktöffnung ohne flankierende Maßnahmen im Bereich der Schiene gibt es genügend. In Großbritannien gehören abnehmende Pünktlichkeit und wachsende Überfüllung von Zügen zu den täglichen Erscheinungen im Schienenverkehr, und auch in unserem Nachbarland Deutschland scheinen da zunehmend Schwierigkeiten aufzutreten. (Abg. Mag. Kukacka: Wir haben noch keine Höchstgeschwindigkeitsträger!) Bei der Privatisierung war offensichtlich auf die Parameter Qualitätsverbesserung und Wachstum kein Wert gelegt worden, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Gaugg.)

Wie ich schon vorhin erwähnt habe, bin ich der Ansicht, daß der österreichische Weg betreffend Schiene ein guter und richtiger Weg ist. Das Bekenntnis der Bundesregierung für den Verkehrsweg Schiene wird uns in Zukunft behilflich sein, die Erfordernisse und Wünsche unserer immer mobiler werdenden Gesellschaft zu befriedigen. (Abg. Mag. Firlinger: Ihr werdet einen Haufen Probleme bei der Bahn kriegen!) Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Kostenwahrheit sollen die Hauptkriterien für zukünftige Entscheidungen im Verkehrsbereich sein. Gewinnmaximierung auf Kosten der Sicherheit und Umwelt sollte endlich der Vergangenheit angehören. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Als ich vor 42 Jahren als Lehrling zu den Österreichischen Bundesbahnen gekommen bin, war es für uns alle, glaube ich, noch nicht vorstellbar, daß 50 weibliche Lehrlinge (Beifall bei der SPÖ und Bravo!-Ruf des Abg. Parnigoni), durch die Lehrlingsstiftung und durch die Initiative des Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima ermöglicht, eine zukunftsorientierte Lehrlingsausbildung bekommen. Mich freut es besonders, daß diese Lehrlinge aus ganz Österreich heute zu uns gekommen sind. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Slogan "Schiene statt Verkehrslawine" soll künftigen Generationen ein neues Bewußtsein hinsichtlich des Verkehrs vermittelt werden. Ich hoffe, daß auch mein Enkel mich eines Tages fragen wird: Du, Opa, was war eigentlich ein Stau? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Es gibt auch einen Gesetzesstau!) Ich gebe der vorliegenden Regierungsvorlage gerne meine Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich abschließend, da ich am Ende dieser Legislaturperiode aus dem Hohen Hause ausscheiden werde, bei allen Mitgliedern des Hohen Hauses für ihre Zusammenarbeit bedanken.

Mein politisches Credo ist, nicht zu polemisieren, sondern sachlich zu argumentieren und zu arbeiten – zum Wohle der Republik Österreich. (Beifall bei der SPÖ.) Ich wünsche der parlamentarischen Demokratie weiterhin viel Erfolg, Glückauf und Bahn frei für eine schöne Zukunft! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Sigl, das war natürlich nett, es war auch sehr familiär, das ist etwas, was die Bahn innerhalb der SPÖ kennzeichnet. (Abg. Dr. Krüger: Da machen sie sich alle Posten aus! So familiär!) Es geht sehr familiär zu, allerdings nur innerhalb der SPÖ, und das ist auch mit einer der wesentlichen Gründe, warum die ÖBB so ausschauen. (Abg. Dr. Krüger: Da verstehe ich, daß die Frau Karlsson einen Kriminalroman schreibt!)

Wenn Sie sich da herstellen und sagen, es dürfe jetzt keine Gewinnmaximierung Platz greifen, dann sage ich Ihnen: Schön wäre es, wenn es bei der ÖBB überhaupt einmal Gewinne gäbe. Wir beklagen ja hier immer, daß man aus dem Bundesbudget den ÖBB immer Gelder zuschießen muß. Ich erinnere Sie daran, daß, als es im Ausschuß um die gemeinwirtschaftlichen Leistungen gegangen ist, die vom Bund abgegolten werden, auch Herr Bundesminister Einem keine besondere Freude mit dem Angebot der ÖBB im Personenverkehr gehabt hat. – Das ist ein entscheidendes Problem.

Aber es liegt nicht an den Front-End-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese sind, was Schaffner und Schaffnerinnen betrifft, freundlich und gut ausgebildet. Da kann man überhaupt nichts Negatives sagen. Es liegt vielmehr an den strukturellen Problemen. Aber die strukturellen Probleme, die in den ÖBB existieren, werden zu einem gut Teil auch deshalb nicht behoben, weil der parteipolitische Einfluß im Bereich der Eisenbahner ein sehr hoher ist. Das ist nun einmal so. Aber das geht auf Kosten des Staatsbudgets. Doch das ist nicht notwendig. Würden Sie als SPÖ sich da ein bißchen zurücknehmen, dann würde die Sache schon viel einfacher zu lösen sein. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Kopf und Dr. Gabriela Moser.)

Es ist erfreulich, meine Damen und Herren, daß es heute 50 weibliche Lehrlinge bei den ÖBB gibt. Bei einem Beschäftigtenstand von ungefähr 50 000 Personen, sofern ich mich recht erinnere, Herr Bundesminister, gibt es jetzt immerhin schon 50 weibliche Lehrlinge. Dazu sage ich: "Weit" ist man gekommen!

Es ist auch interessant, daß dann, wenn es heißt, daß eine neue Behörde geschaffen werden soll und als Leiterin eine Frau vorgesehen ist, der erste Zwischenruf aus den SPÖ-Reihen lautet: Aber fesch ist sie! Und was sagte dazu der Herr Abgeordnete Firlinger? Er meinte: Ja, das mag schon sein, aber die SPÖ ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Es ist interessant, daß bei den Diskussionen, bei denen es um eine Frau geht, die erste Assoziation ... (Abg. Parnigoni: Das ist letztklassig!) Genauso ist es aber, Herr Abgeordneter Parnigoni. Die erste Assoziation ist: Fesch ist sie! Daß sie vielleicht kompetent auch sein könnte, fällt keinem ein. Es hätte ja auch einen Zwischenruf geben können: Sie ist nämlich die kompetenteste! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich kann auch mit der Petition, die heute mit diesem Tagesordnungspunkt unter einem verhandelt wird, belegen, daß es um etwas ganz anderes geht: In der Petition gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege – interessanterweise nicht von der FPÖ, sondern von der SPÖ eingebracht, die da schreibt "Ausverkauf von österreichischen Infrastrukturen" – ist der Satz enthalten: Ein Verkauf einer oder beider Verkehrsunternehmen an einen potentiellen privaten Interessenten würde zu einem Monopol führen, auf das die Politik keinen Einfluß mehr hätte. – Diese Petition ist von den Abgeordneten Edler, Gradwohl, Hums, Kräuter, Parfuss und Silhavy eingebracht worden.

Klar ist: Es geht Ihnen nicht darum, daß in diesem Bereich Wettbewerb herrschen soll, nein, ein Monopol stört nicht, solange es ein Monopol ist, auf das die Politik einen Einfluß hat. Sie fürchten sich nur davon, daß Strukturen entstehen, auf die sie politisch keinen Einfluß mehr haben. Doch solange das die Maxime ist, so lange kann das Bundesbahngesetz 1992, wie der Rechnungshof festgestellt hat, an den Strukturen nichts ändern. Auch das Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz, das heute hier beschlossen werden soll, wird keinen Wettbewerb im Bereich der Bahn bringen.

Sie dürfen nicht vergessen, meine Damen und Herren, daß dieses Gesetz, das heute hier beschlossen werden soll, der Umsetzung einer EU-Richtlinie dient, und zwar zum Zwecke der Schienenmarktliberalisierung. Doch was haben Sie in Österreich daraus gemacht? – Sie haben eine Regulierung daraus gemacht. Das ist Ihr Zugang: Es geht nicht um Liberalisierung, sondern um Regulierung.

Es kann sich, meine Damen und Herren, im Bereich der ÖBB niemals Wettbewerb festsetzen, solange die Zuweisungsstellen nicht wirklich von den Fahrwegbetreibern getrennt werden. Das ist aber dezidiert nicht das politische Ziel. Das hat Herr Bundesminister Einem auch klargelegt. (Abg. Edler: Man will die Zerschlagung der ÖBB!)

Herr Abgeordneter Edler! Es kann bei integrierten Eisenbahnunternehmen – und die ÖBB ist ein solches – die verrechnungstechnische Trennung niemals ausreichen, sondern es muß gesellschaftsrechtlich und personell eine Trennung erfolgen. Erst dann wird der Zutritt für Dritte wirklich möglich, erst dann kann es Wettbewerb geben, und erst dann wird auch die Qualität der Leistungen wirklich steigen. (Abg. Edler: Man will die Zerschlagung der ÖBB!)

Die Folge dieses Gesetzes – das heute jedenfalls nicht mit den Stimmen der Liberalen beschlossen werden wird –, ist, daß die ÖBB ihr Monopol aufrechterhalten und verteidigen können. Die Diskriminierungspotentiale für Private, die in diesen Markt eintreten wollen, sind hoch.

Beschweren können Sie sich beim "Salzamt" – und sonst nirgends, denn was man an Strukturen geschaffen hat, damit man sich über Diskriminierungen beschweren kann, Herr Abgeordneter Edler, reicht nicht aus. Es geht darum, daß solche Diskriminierungen verhindert werden, und nicht darum, daß man sich, wenn sie bereits stattgefunden haben, beschweren kann.

Man muß sie verhindern können, da die Investitionssummen in diesem Bereich so extrem hoch sind, daß sich kein Privater in diesen Bereich hineinwagen und so viel Kapital binden kann, wenn er dann quasi immer nur im nachhinein recht bekommt, daß er diskriminiert worden ist. Davon hat er nichts, davon hat er überhaupt nichts, und daher sage ich Ihnen: Auch in diesem Bereich wird es zu keiner Liberalisierung kommen. (Abg. Edler: Vielleicht kauft der Kollege Haselsteiner eine Trasse? Eine Lifttrasse hat er ja auch gekauft!)

Meine Damen und Herren! Mit mir ist die gesamte liberale Fraktion davon überzeugt – und deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen –, daß es, solange Sie keinen operativen Regulator einsetzen und zulassen wollen, in Österreich niemals einen Wettbewerb im Schienenmarkt und im Schienenbereich geben kann. Solange Sie, Herr Abgeordneter Edler, lieber planwirtschaftlich regulieren als marktwirtschaftlich liberalisieren, wird der Bund weiter zuzahlen und werden die ÖBB weiter das Sorgenkind in dieser Republik sein, das sie unter Ihrer Ägide heute noch sind. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.21

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das heutige Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz, das neue Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb auf Österreichs Schienennetz festschreibt, ist für uns – ich sage das ganz klar – ein wichtiger, ein entscheidender erster Schritt zur Liberalisierung des Bahnverkehrs.

Zweifellos erfüllt das Gesetz nicht alle Voraussetzungen, nicht alle Wünsche der Österreichischen Volkspartei (Abg. Gaugg: Was fehlt denn? Fehlt der geschriebene Proporz?), aber sehr viele, und das erfüllt uns auch mit einer gewissen Genugtuung, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP.)

Wesentliche Punkte gegenüber der Regierungsvorlage von Verkehrsminister Einem wurden von uns geändert. Wir haben vieles durchgesetzt, was die Stärkung der rechtlichen Position und die Kompetenzen des unabhängigen Rail-Regulators anlangt, und ich würde Herrn Kollegen Barmüller ersuchen, sich dieses Gesetz vielleicht noch einmal durchzulesen und zu vergleichen, wie der Entwurf der Regierungsvorlage ausgesehen hat und was wir heute beschließen. Dann wird er feststellen müssen: Das ist ein wirklich erheblicher Schritt, das ist ein Meilenstein, würde ich sagen, auch zur Bahnliberalisierung in Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Smolle: Eine Meile ist kurz!)

Und daß das so ist, Herr Kollege Barmüller, darin bestärkt mich das Abstimmungsverhalten von zwei Kollegen der SPÖ hier im Hause. Kollege Hums und Kollege Edler, beide wortgewaltige Vertreter des ÖBB-Monopols, haben sich nämlich im Verkehrsausschuß einer Abstimmung entzogen. (Hört!-Hört!-Rufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe des Abg. Edler.) Sie sind nicht dabeigewesen, weil sie gesagt haben: Da büßt die ÖBB zu viel Macht ein, dem wollen wir nicht zustimmen.

Das ist die Realität, Herr Kollege, und deshalb können wir zufrieden sein, daß dieses Gesetz heute so beschlossen wird, wie es ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Jetzt kann der Regulator seine Kontrollfunktion gegenüber den ÖBB tatsächlich ausüben, Herr Kollege Barmüller. Sowohl von Amts wegen als auch aufgrund einer Beschwerde gegen Verletzung der Zutrittsfreiheit zum Schienennetz kann er aktiv werden. Damit wird auch der Einfluß des Monopolisten ÖBB zurückgedrängt und die Position der Schienen-Kontrollkommission gegenüber dem Verkehrsminister gestärkt.

Ich will die einzelnen Punkte jetzt überhaupt nicht anführen, aber eines ist klar: Mit diesem Gesetz wird auch in Österreich ein neues Zeitalter der Bahnliberalisierung, wird auch in Österreich mehr Wettbewerb auf dem Schienennetz Einzug halten, und das, meine Damen und Herren, ist auch notwendig, denn dieses Gesetz wird auch die ÖBB veranlassen, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Marktkonformität zu erhöhen.

Das ist notwendig, und deshalb haben wir ursprünglich auch begrüßt, daß Herr Bundesminister Einem in einer Presseaussendung etwas gesagt hat, was wir auch schon 1991 bei der Verabschiedung des Bundesbahngesetzes gesagt haben, nämlich daß es eine Perspektive für die Österreichische Bundesbahn sein muß, daß der Herr Verkehrsminister, um den Wettbewerb auf der Schiene zu steigern, neue Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen will. So heißt es etwa am 14. Jänner 1998 in einer Presseaussendung: Hauptziel ist die Trennung der geschäftlichen Bereiche Infrastruktur und Bahnverkehr. Die Infrastruktur sollte ein eigenständiges und nicht nur dienendes Element der ÖBB werden. Eine klare und funktionelle Abgrenzung beider Felder soll im Bereich der Infrastruktur die eigenständigen Interessen und die Maximierung von Verkehrsaufkommen fördern.

Herr Bundesminister! Ich möchte von Ihnen gerne wissen, ob Sie heute noch zu Ihrer Aussage von damals stehen, denn ich habe den Eindruck, daß Sie das bereits wieder zurückgenommen haben. Ich würde Ihnen gerne die Unterstützung der Österreichischen Volkspartei auf diesem Wege anbieten. Ich weiß, daß das alles nicht von heute auf morgen geht, aber ich weiß auch, daß das eine Perspektive für die Österreichischen Bundesbahnen sein muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb bedauern wir, daß Sie einen Rückzieher gemacht haben. Erst kürzlich haben Sie sich bei der letzten europäischen Verkehrsministertagung gemeinsam mit Frankreich gegen eine weitere Liberalisierung der Schiene, gegen eine entsprechende Richtlinie für mehr Wettbewerb stark gemacht, sich gegen eine Trennung von Infrastruktur- und Bahnbetrieb ausgesprochen und entsprechende Initiativen anderer Länder, wie etwa Deutschlands, zu diesem Thema vorläufig gestoppt.

Herr Bundesminister! Das, glaube ich, ist nicht ganz der richtige Weg. Aber auf der anderen Seite haben wir Verständnis dafür, denn der Wahlkampf steht vor der Tür, und da kann man sich als SPÖ-Minister auch nicht der starken SPÖ-Eisenbahnergewerkschaft entziehen. (Abg. Gaugg: Wird sich die ÖVP am Wahlkampf nicht beteiligen?)

Herr Bundesminister, auch das ist eine Realität der österreichischen Verkehrspolitik. Wir nehmen das zur Kenntnis, aber wir wissen auch, daß am 3. Oktober der Wahlkampf vorbei sein wird und daß dann auch, so hoffen wir, in der Verkehrspolitik, in der Eisenbahnpolitik wieder mehr weitergehen wird als im letzten halben Jahr. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein paar sachliche und leidenschaftslose Anmerkungen zum Thema Bundesbahn:

Herr Minister! Grundsätzlich positiv bewerten wir die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der zum Beispiel kürzlich vorgelegten ÖBB-Bilanz 1998 im Absatzbereich. Das ist zweifellos ein Erfolg des Managements. Die Rahmenbedingungen, glaube ich, sind vernünftig. Aber auch im Absatzbereich ist nicht alles so rosig, wie es uns der Herr Generaldirektor bei seinen Pressekonferenzen immer darstellen will. (Abg. Mag. Firlinger: Der haut mächtig auf den Putz!) Die Bundesbahnen haben 1998 zum Beispiel im Personenverkehr um 2,4 Prozent weniger befördert als ein Jahr zuvor (Abg. Gaugg: Weil die ÖVPler nicht mit dem Zug fahren!), und auch im Güterverkehr sind die Umsatzerlöse nur um 1,4 Prozent gestiegen. Also mit der Verlagerung auf die Schiene ist es nicht so weit her, meine Damen und Herren.

Folgendes muß man dazu auch noch unbedingt sagen: Der Steuerzahler ist noch immer derjenige, der den Hauptteil der Lasten für die Österreichischen Bundesbahnen zahlt. Jährlich zahlen wir aus dem Budget 36 Milliarden Schilling, um dieses System ÖBB-Schienenverkehr überhaupt zu ermöglichen. Und was ich besonders bedauere in diesem Zusammenhang, ist die Tatsache, daß sich dieser Budgetbetrag seit dem Jahre 1991, also seit das neue Bundesbahngesetz eingeführt wurde, nicht verringert, sondern leider erhöht hat, und zwar von 28,7 Milliarden auf 35,9 Milliarden Schilling.

Meine Damen und Herren! Auch die Schuldensituation der Bahn ist nicht erfreulich. Insgesamt haben die Bundesbahnen derzeit rund 75 Milliarden Schilling Schulden – und das, obwohl wir jedes Jahr 36 Milliarden Schilling aus dem Budget zahlen. Und da rechne ich gar nicht die 12 Milliarden Schilling mit ein, die die Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft jährlich für den Ausbau der Schienenwege ausgibt.

Das sind die nackten Zahlen für das System Schiene (Abg. Parnigoni: Aber die 16 Milliarden für die Pensionen rechnest du schon?), und es wird Zeit, daß man wieder realistisch und ehrlich über die Kosten-Nutzen-Relation spricht, anstatt den Bürger mit dem Slogan "Schiene statt Verkehrslawine" über die tatsächlichen Möglichkeiten der Bahn hinters Licht zu führen. (Abg. Gaugg: Der ist bewilligt worden von den ÖVP-Ministern, damit sie ihre eigenen Werbekampagnen führen können!)

Meine Damen und Herren! Die tatsächlichen Möglichkeiten der Bahn sind beschränkt – das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen –, denn der Transportanteil der Bahn beim Güterverkehr macht in Österreich insgesamt nur 7 Prozent aus, und die Bundesbahnen transportieren rund 180 Millionen Personen im Jahr. Der öffentliche Kraftwagenverkehr, also der Bus, transportiert 550 Millionen Leute, dreimal soviel wie die Österreichischen Bundesbahnen – und das mit einem im Vergleich ganz minimalen Kostenaufwand des Bundes. Dort beträgt das Defizit, das der Bund abzudecken hat, wirklich eine marginale Größe im Vergleich zum Schienenverkehr.

Meine Damen und Herren! So also sieht die verkehrspolitische Realität wirklich aus, und daran kann man auch durch Werbung und Schönreden nichts ändern. (Demonstrativer Beifall des Abg. Kampichler.)

Wir sollten uns mit diesen Fragen in der nächsten Legislaturperiode intensiv befassen, denn wir alle sind der Meinung, daß wir selbstverständlich die Schiene in unserem Land brauchen, daß die Schiene selbstverständlich zu fördern und zu unterstützen ist. Und wir wissen auch, daß die Bahn auch in Zukunft nicht mit Erträgen geführt werden kann, sondern auch in Zukunft die Förderung durch den Bund braucht. Es muß aber eine sinnvolle und vernünftige Kosten-Nutzen-Relation hergestellt werden, und es muß auch klar sein, welche Aufgabe die Straße und welche Aufgabe die Schiene hat – und welche Aufgaben die Schiene auch tatsächlich bewältigen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.33

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Meine Damen und Herren! Das Stichwort heißt "ehrlich" – ich greife es auf und nehme Sie beim Wort –, ehrlich in dreifacher Hinsicht. Erstens: Sie wissen genau, Herr Kollege Kukacka, daß der Straßenverkehr subventioniert ist, und zwar mit 49 Groschen pro Tonnenkilometer, und Sie wissen genau, daß die ÖBB subventioniert ist, nämlich mit 7 Groschen pro Tonnenkilometer. (Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt doch nicht! Das sind doch Traumziffern!) Schauen Sie die externen Kosten an, schauen Sie in die EU-Papiere! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) Ich wiederhole mich, weil Sie sich wiederholen. – Das ist der eine Aspekt der Ehrlichkeit.

Der andere Aspekt der Ehrlichkeit zum Thema selbst. Dieses Gesetz verdient an sich seinen Namen nicht. Es sollte meines Erachtens nach heißen: Schienenverkehrsmarkt-Semi-Liberalisierungsgesetz. Denn das, was da geboten wird, ist nicht Liberalisierung, sondern – gestatten Sie mir das Wortspiel – "ÖBB-iberalisierung". Es wird hier schaumgebremst, es wird hier halbherzig, es wird hier mit Abstrichen liberalisiert, und ich finde, das Wort "Liberalisierung" ist in diesem Zusammenhang daher völlig fehl am Platz. (Abg. Parnigoni: Die Grünen sind für eine gnadenlose Liberalisierung!)

Glücklicherweise haben Sie, Herr Kollege Kukacka, das bereits sehr früh erkannt. Ich habe auch Ihre Aussagen – ich hebe mir ja Ihre Aussagen auf – vom 18. Mai in der "Presse" hier, wo Sie sehr, sehr treffend die Mängel dieses Gesetzes charakterisieren und umschreiben, aber heute sagen Sie diesbezüglich, Sie hätten das in der Zwischenzeit alles beseitigt.

Ich frage Sie jetzt ganz konkret – Sie haben es nämlich nicht genannt –: Was ist besser geworden durch die Verhandlungen, die noch geführt wurden? Wo ist es besser geworden, und inwiefern ist es liberaler geworden in Ihrem Sinn? Sie haben sich nämlich weder im Ausschuß noch im Plenum genau festgelegt, wo Ihre Verhandlungsergebnisse und Verhandlungsgewinne lagen. Darum greife ich zurück auf Ihre Äußerung vom Mai, denn Sie haben ja durchaus recht. Wir haben da einen Regulator, der an sich diesen Titel nicht verdient: Schwache Kompetenzen hat er, im nachhinein darf er erst ahnden, diskriminierendes Verhalten kann nicht von vornherein ausgeschaltet werden, und insgesamt ist er bei weitem nicht so unabhängig – das ist der Hauptpunkt – wie der Regulator im Telekommunikationsbereich.

Ich habe den Gesetzestext vor mir, und Sie können selbst auch nachschlagen. Im § 82 wird die Zusammensetzung dieser Schienen-Kontrollkommission umschrieben. Da gibt es unter der Ziffer 2 wirklich sehr, sehr eigenartige Formulierungen: Es dürfen dort nicht vertreten sein: Mitglieder der Bundesregierung, weiters Personen, die aus dem ÖBB-Bereich kommen, und drittens – sehr, sehr eigenartig! – Personen, die zum Nationalrat nicht wählbar sind. Ich frage mich: Alle, die das passive Wahlrecht haben, dürfen nicht in dieser Regulierungsbehörde sitzen? Ich meine, das ist doch ein sehr erklecklicher Teil der Bevölkerung – und das steht hier drinnen.

Kommen Ausländer zum Zug? – Vielleicht ist das der neue Trend in der Liberalisierung. Dagegen haben wir im Prinzip ja gar nichts, nur die Formulierung scheint uns schon sehr eigenartig zu sein. Sie ist wirklich ein Zeichen, ein Symbol, sie ist sehr bezeichnend dafür, daß da bei weitem nicht das erreicht wird, was der Titel des Gesetzes vorgibt und was insgesamt immer – auch in den Medien – unter dem Schlagwort "liberalisieren" zu finden ist.

Deshalb schließe ich mich auch der Kritik meines Vorredners aus den Reihen der Liberalen an. Wir müssen hier weiterarbeiten, und Sie haben ja recht: Sie haben ja von einem ersten Schritt gesprochen, Herr Kollege Kukacka. Dieser erste Schritt ist wirklich ein Halbschritt gewesen und beileibe nicht das, was Sie dann als "Meilenstein" bezeichnet haben, sondern – auf oberösterreichisch ausgedrückt – es handelt sich hiebei höchstens um einen "Moarstein", um einen Grenzstein am Übergang von einem völligen monopolisierten Bereich zu einem etwas offeneren, regulierten Bereich.

So gesehen werden wir dieses Gesetz nicht mittragen können, obwohl wir hundertprozentig hinter dem Aufgabenbereich und hinter den verkehrspolitischen Notwendigkeiten der ÖBB stehen und der Ansicht sind, daß die ÖBB insgesamt besser ausgestattet werden müssen, auch von seiten der öffentlichen Hand, damit sie im internationalen – und jetzt betone ich es absichtlich – Wettbewerb bestehen und ihre Vorteile zum Tragen bringen können, damit das, was sie an günstigeren externen Kosten haben, wirklich der Allgemeinheit zugute kommt. Das ist sicherlich ein positives Element, obwohl wir dem Gesetzentwurf insgesamt nicht zustimmen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Einem. – Bitte.

13.38

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte gleich an die Ausführungen von Frau Dr. Moser anschließen. Frau Abgeordnete! Ziel dieses Gesetzes war nicht die Liberalisierung des österreichischen Schienenverkehrsmarktes, deswegen heißt es auch nicht Liberalisierungsgesetz, sondern es heißt Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz.

Die Öffnung des österreichischen Schienenverkehrsnetzes für den Wettbewerb ist vor eineinhalb Jahren hier im Hohen Hause beschlossen worden, nämlich anläßlich der Beschlußfassung über das Eisenbahnrechtsanpassungsgesetz Ende 1997. Seither sind die rechtlichen Voraussetzungen dafür, daß auch andere Bahnen unter den Bedingungen der Gegenseitigkeit auf Österreichs Schienen fahren, gegeben. – Sie werden nicht wahrgenommen, das ist wahr.

Das zweite ist die Frage: Welche Wege stehen offen, um einen vernünftigen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Wettbewerb unter einigermaßen fairen Bedingungen stattfinden kann? Im Prinzip – da hat auch die freiheitliche Seite recht – gibt es zwei Ansatzpunkte dafür. Der eine Ansatzpunkt ist der, der innerhalb der Europäischen Union diskutiert wird und nicht unsere Zustimmung hat, nämlich die Zerschlagung der Eisenbahnverkehrsunternehmen in eine Infrastrukturseite und in einen Absatzbereich. Wir halten das für keinen sinnvollen Weg. Wir halten es aber für notwendig, daß Bedingungen geschaffen werden, die bei Wettbewerb dafür sorgen, daß dieser Wettbewerb fair stattfindet. Daher gehen wir den Weg eines Regulators.

Wir sind nicht den Weg gegangen, der im Bereich der Telekommunikation beschritten wurde, nämlich den Weg einer asymmetrischen Öffnung des Marktes (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger), weil es sich im Gegensatz zur Telekommunikationsindustrie, Herr Abgeordneter Firlinger, beim Eisenbahnverkehrsmarkt eben nicht um einen hochattraktiven, hochprofitablen Markt handelt, wo sich alle darum reißen, daß sie endlich hineinkommen. Dort ist eher zu befürchten, daß es um ein paar wenige hochattraktive Strecken relativ viel "Griß" geben wird, während wir hingegen auf den anderen Strecken, die wir im Interesse der Versorgung der Bevölkerung mit entsprechen Nah- und Regionalverkehrsmitteln und im Interesse des Transports der Güter, für die das auf der Schiene statt auf der Straße angemessen ist, die Infrastruktur aufrechterhalten wollen, dafür sorgen müssen, daß Eisenbahnen fahren.

Das erfordert unter anderem auch ein anderes Konzept der Regulierung, ein anderes Konzept der Liberalisierung.

Daher ein klares Bekenntnis von unserer Seite zu diesem Weg, zu einer Regulierungsbehörde, die darauf achten kann, daß der Zugang zum österreichischen Schienenverkehrssystem diskriminierungsfrei und fair erfolgt, aber gegen eine Form der Hurra-Liberalisierung und –Marktöffnung, die nur dazu dient, daß andere sich die attraktiven Strecken holen und die ÖBB auf den weniger attraktiven, aber im Interesse der Bevölkerung notwendigen Strecken sozusagen sitzenbleiben.

Ich meine, daß wir mit dem Schritt, den wir heute setzen, einen guten Weg beschreiten, einen österreichischen Weg gehen, der auch die Interessen der Steuerzahler – denn sie sind es ja, denen das Unternehmen ÖBB gehört – und die Interessen der Beschäftigten in diesem Unternehmen berücksichtigt, die die Dienstleistungen im Interesse der Kunden der Bahn zu erbringen haben. In diesem Sinne bitte ich um möglichst breite Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wallner. Freiwillige Redezeitbeschränkung 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.41

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit der Petition Nr. 42 "Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege" beschäftigen und möchte gleich im vorhinein dem Kollegen Barmüller, der jetzt schon sehnsüchtig auf eine kurze Replik wartet, folgendes sagen (Abg. Mag. Barmüller: "Sehnsüchtig" mußt du streichen!) – vielleicht nicht sehnsüchtig, aber zumindest voller Erwartung –: Es geht darum, daß sich die Politik insofern Einfluß sichert, als diese Bahnlinien erhalten bleiben, und zwar zum Vorteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dort pendeln müssen, aber auch deswegen, damit die Kohle transportiert werden kann und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Politik soll Einfluß nehmen, daß es weiterhin so bleibt. Das ist unser Anliegen. Sie verwechseln hier Parteieinfluß mit Einfluß für das Gemeinwohl. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Wer hat da so schelmisch gelacht? (Abg. Dr. Krüger: Ich!) Na gut! Sei nicht so laut, Herr Rechtsanwalt Dr. Krüger.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen kurz folgendes sagen: Es gibt diese Bahnlinie seit mehr als 100 Jahren. Sie hat logischerweise den Sinn gehabt, die Kohle aus den weststeirischen Braunkohlerevieren nach Graz zu liefern und dann weiter zu verteilen. Heute ist dieser Schienenweg, der insgesamt zirka 100 Kilometer umfaßt, eigentlich der Anschluß für die Bevölkerung der Weststeiermark an den Zentralraum Graz. Es gibt hohe Auspendleranteile in Deutschlandsberg – das ist etwas weit weg von St. Veit am Vogau, wo du wohnst, Kollege Barmüller – und auch in Voitsberg in der Größenordnung von zirka 70 Prozent, und ich meine, daß immer mehr Weststeirer gezwungen sein werden, immer weitere Wege in Kauf zu nehmen, um zu ihrer Arbeitsstätte zu kommen.

Meine Damen und Herren! Das Konzessionsende hat bewirkt, daß sich unter anderem ein französischer Konzern beworben hat, die Konzession zu übernehmen. Die Arbeiterkammer Steiermark, die Belegschaftsvertreter, Kollegin Bauer und viele andere Kolleginnen und Kollegen der SPÖ Steiermark haben daraufhin erstens eine Unterschriftenkampagne gestartet und zweitens eine Petition eingebracht, um auf diese Sorge aufmerksam zu machen. Es bestand ernsthaft die Gefahr, daß die Franzosen übernehmen, die wertvollen Grundstücke verkaufen und nach einer gewissen Zeit die Bahnlinie stillegen. Das wollen wir nicht. Daher wollen wir öffentlichen Einfluß, wenn Ihnen dieser Terminus besser gefällt als "politischer Einfluß". (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Gaugg.)

Ich kann dich aber beruhigen, Kollege Gaugg. Das ist natürlich weit weg von Klagenfurt, aber da gibt es einige Entwicklungen, die dir wahrscheinlich nicht bekannt sind, und diese möchte ich dir jetzt bekanntgeben.

Der Herr Verkehrsminister, der nicht nur generell für die Schiene eintritt, sondern auch für regionale Anliegen ein offenes Ohr hat und weiß, was vernünftig ist, hat bereits zugesichert, daß, da die GKE um eine Europa- und Österreichkonzession angesucht haben, dieses Konzessionsansuchen voraussichtlich positiv erledigt werden wird. Das Problem der Betriebspensionen wird gelöst, und das Rechnungswesen wird ebenfalls in "Absatz" und "Infrastruktur" getrennt. Die Petition ist erfüllt, die GKE saniert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Blumenpflücken während der Fahrt verboten!)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Es ist dies mein letzter Auftritt hier vor dem Plenum des Nationalrates. Ich war neun Jahre lang gerne hier und bin stolz darauf. Ich habe einen Wählerauftrag gehabt, nämlich für die obersteirische Industrieregion einzutreten. Das habe ich mit Herz und Überzeugung gemacht. Heute ist der Standort Donawitz gesichert. Es wird ein neues Kompaktstahlwerk errichtet. In Hinterberg gibt es die größte Betriebsansiedlung in der Obersteiermark überhaupt.

Ich gebe keine Empfehlungen wie vielleicht andere, ich habe aber einen Wunsch, nämlich daß wir ein Land an unsere Kinder übergeben, das von sozialer Gerechtigkeit geprägt ist, in dem Ausbildung, Beschäftigung und Sicherheit garantiert sind.

Danken möchte ich abschließend meiner sozialdemokratischen Fraktion, die mir eine politische Heimat gegeben und mich unterstützt hat. Ich danke allen für die Kollegialität, für die Freundschaft. Ich wünsche Ihnen über alle Parteigrenzen hinweg alles Gute und vor allen Dingen Gesundheit. Glück auf! (Allgemeiner Beifall.)

13.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Koppler: Bis jetzt ist alles so friedlich gewesen! – Abg. Gaugg – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung des Abg. Koppler –: Weil du gestern deinen Rücktritt erklärt hast, ist alles so friedlich!)

13.46

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hätten Herr Bundesminister Einem, seine Vorgänger und alle Verantwortlichen im Rahmen der ÖBB auf dieses Unternehmen besser geschaut, so hätten jene Jugendlichen, die heute dort beschäftigt sind, eine bessere Zukunft in diesem Unternehmen. Jahrelang, ja jahrzehntelang war sozusagen die Zutrittsberechtigung zu diesem Unternehmen das rote Parteibuch. Das war für Sie wichtig und wesentlich. Sie alle haben es in jenen Jahren, als man die Autobahnen in Österreich auszubauen begonnen hat, verabsäumt, dafür zu sorgen, daß auch die Bahn modernisiert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für Sie war immer nur wichtig, daß das Parteibuch stimmt. Sie – egal, ob jetzt die Generaldirektion, der Verkehrsminister oder die Personalvertreter – sind mitverantwortlich und hauptverantwortlich dafür, daß das Unternehmen eine ungewisse Zukunft hat. Ihnen liegen nach wie vor Postenschacher und Packelei am Herzen.

Wenn Herr Kollege Kaufmann heute zum Flughafenvorstand bestellt wird, dann verstehe ich meinen Freund Firlinger nicht ganz, wenn er sagt, dieser hätte keine Ahnung. Kaufmann hat doch die höchste Auszeichnung, die man haben kann, um Vorstandsdirektor in einem öffentlichen Unternehmen zu werden: Er hat ein rotes Parteibuch. Das ist Ihre Form der Politik! Herr Streicher wird innerhalb von wenigen Tagen vom Herrn Stronach demontiert und findet sich dann wenige Wochen danach wieder in der ÖIAG als Vorstandsdirektor. So unverschämt wie jetzt waren Sie noch nie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich heute Ihr Leibblatt, den "Standard", lese, so muß ich sagen, daß auch die schon genug von dieser "Habererpartie", wie sie sie wörtlich bezeichnen, haben. Das ist eine Habererpartie miesester Ordnung. Daher verstehe ich es auch nicht, daß man das jetzt unbedingt vor der Wahl durchpressen muß, außer der Herr Einem sorgt für sich selbst vor, falls er nicht mehr Verkehrsminister ist, daß er Geschäftsführer wird, mit dem Kollegen Kukacka, das wäre ja noch denkbar. Da stimmen allerdings die Gagen nicht ganz. Aber die werden ja dann ausgenommen sein. Das ist Ihre Art der Politik und Ihre Art der Arbeit! (Abg. Edler: KELAG! – Abg. Dr. Krüger – in Richtung des Abg. Edler –: Wann hast du zuletzt Zeitung gelesen? – Zwischenrufe des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Da steht: Die höchste Voraussetzung, um eine Position innerhalb der ÖBB zu erlangen, ist nach wie vor das rote Parteibuch. – Das ist Ihr Wirken in allen Bereichen! Ihnen geht es ja nicht darum, ob ein Unternehmen Gewinne schreibt oder nicht. Dort, wo Konkurrenz ist, ist auch das Parteibuch der SPÖ im Rückmarsch. Das ist die Realität, und das müssen wir möglichst lange hintanhalten. (Abg. Edler: Ihr habt einen Bundesrat von der FPÖ, der Eisenbahner ist! Hat der ein rotes Parteibuch?) – Den habt ihr bei der Aufnahme übersehen. Auch ihr seid nicht fehlerfrei! Der ist halt bei der Aufnahme "passiert". (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Edler, es gibt im Rahmen der Eisenbahn viele, die in der Zwischenzeit genug haben von dieser Form. Dieses Unternehmen würde heute anders dastehen, wäre es nicht unter diesem Parteidiktat der SPÖ gestanden! Ich verweise auf all das, was dort passiert. Dann tritt noch ein Redner der SPÖ hier zum Rednerpult und sagt, die Deutsche Bahn hat echte Probleme. – Ja, die hat echte Probleme mit den Unternehmen, die eine Bahnlinie von Berlin nach Hamburg bauen. Die fahren heute mit dem ICE Durchschnittsgeschwindigkeiten, die noch über den Höchstgeschwindigkeiten unserer Züge liegen. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, der Zug von Wien nach Klagenfurt ist ein Nostalgiezug mit der Tafel "Blumenpflücken während der Fahrt verboten". Das ist Ihre Eisenbahn! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und dann kommen Sie mit Gesetzen, wodurch wieder 20 Leute Beschäftigung finden. Aber wo ist die Modernisierung der Bahn? Wo sind die Investitionen in die Zukunft? Sie erklären angesichts von ehemals 70 000 Beschäftigten, daß Sie stolz darauf sind, 50 Lehrlinge aufzunehmen. 50 Lehrlinge! Grandios! Ich kenne Unternehmen in Kärnten, die dank der neuen Politik Jörg Haiders bei 1 200 Beschäftigen 60 Lehrlinge beschäftigen! (Abg. Edler: Hotline!) Das ist eine Relation! Das ist etwas, was Sie sich hinter die Ohren schreiben sollten, Edler! Denken Sie einmal in Ihrem Leben nicht an das Parteibuch, sondern an die Eisenbahner! (Abg. Edler: Warum sind die freiheitlichen Eisenbahner aus der FPÖ ausgetreten?) Das ist aber nur Ihre Interpretation und eine falsche Information – wie immer und überall. Ich darf Ihnen nur eines sagen ... (Abg. Edler: Sie haben sich geirrt!)

Lieber Freund Edler! Beruhige dich! Ich will dir ganz etwas anderes sagen, ich möchte dir ganz etwas anderes mit auf den Weg geben: Vergiß einmal das rote Parteibuch und handle im Interesse der Beschäftigten der ÖBB! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

13.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Edler: Hast du ein rotes Parteibüchel?)

13.51

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Bemerkungen des Kollegen Gaugg vorerst festhalten, daß die Österreichischen Bundesbahnen pro Jahr 358 Lehrlinge aufnehmen, das heißt, wenn man es auf vier Jahre rechnet, haben die ÖBB in etwa 1 400 Lehrlinge. Wir können noch immer darüber streiten, ob das zuwenig oder zuviel ist, aber es ist auf alle Fälle eine erkleckliche Zahl. Wenn sich alle Unternehmen in unserem Land an diese Richtlinie halten würden, hätten wir in keinster Weise ein Problem in diesem Bereich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Trotz alledem möchte ich sagen, daß wir mit diesem Gesetz, dem Schienenverkehrsmarkt-Regulierungsgesetz, und mit dem danach zu diskutierenden Nahverkehrsfinanzierungsgesetz zwei wirklich epochale Gesetze beschließen. Das sollten wir bei aller Emotion und bei aller politischen Diskussion und Auseinandersetzung auch sehen.

Beim derzeit in Diskussion stehenden Gesetz ist es doch so, daß wir damit – das ist eine unterschiedliche Bewertung – nach den Erfolgen bei der Telekomliberalisierung auch im Schienenverkehrsmarkt klare Rahmenbedingungen schaffen wollen.

Meine Damen und Herren! Es ist das Ziel, daß der Schienenverkehrsmarkt mit diesem Gesetz ganz einfach wiederum Marktanteile im Vergleich zur Straße gewinnen soll. (Abg. Dr. Lukesch: Daß ein Markt entsteht!) Kollege Lukesch! Im Vergleich zum Telekommunikationsmarkt geht es jetzt hier ganz einfach darum, auch mentale Barrieren zu durchbrechen. Denn irgendwo ist es in unseren Köpfen, daß wir die Annahme haben, Schiene, das ist Staat, das funktioniert nicht – und Straße, das ist gleich privat, das ist etwas Besseres. Ich glaube, daß mit diesem Gesetz diese Überlegung, diese mentale Einstellung ganz einfach der Vergangenheit angehört. Dieses Gesetz stellt ganz klar eine Einladung an die Transporteure, an die Spediteure dar, in Zukunft verstärkt unternehmerisch tätig zu sein, nämlich auf der Schiene unternehmerisch tätig zu sein (Abg. Gaugg: Auf den rostigen Schienen!) und auf dieser die Transporte eigenverantwortlich oder auch im Auftrag durchzuführen.

Hohes Haus! Dieses Gesetz für den Zukunftsmarkt Schienentransport ist für ein System ausgelegt, das integriert und umweltfreundlich ist, das staufrei ist und das Just-in-time-Transporte garantieren kann. Dieses Gesetz gibt vor allem auch den Österreichischen Bundesbahnen neue unternehmerische Möglichkeiten. Die ÖBB ... (Abg. Gaugg: Wie ist es mit Lienz – Spittal auf der Schiene? Wie soll dort der Transporteur die Schiene in Anspruch nehmen?) Die ÖBB, die mit 30 Prozent des Güterverkehrs eine Spitzenstellung unter den europäischen Bahnen einnehmen, werden mit ihren Railwaycargo-Strategien weiter die nationalen und internationalen europäischen Transporte durcheinanderwirbeln.

Meine Damen und Herren! Niemand wird den ÖBB mehr eine Monopolstellung auf der Schiene vorwerfen können. Das erreichen wir mit diesem Gesetz. (Abg. Gaugg: Warum stellt ihr dann die Linien ein?) Daher bekenne ich mich auch dazu, daß die ÖBB, daß dieses Unternehmen aggressiv, strategisch auf diesem Markt vorgeht, daß es weitere Unternehmen aufkauft – mit dem Ziel, dieses Transportsubstrat auf die Schiene zu verlagern.

Meine Damen und Herren! Im Gesetz wurde auch – und das ist schon erwähnt worden – die gesamthafte Haltung des ÖBB-Unternehmens sichergestellt. Ein Teil wird die Schieneninfrastruktur, Eigentümer Staat, vermarkten und die Schienenbenützungsentgelte maximieren, und ein anderer Teil wird unabhängig davon selbst auf dem Markt seine Aufträge akquirieren müssen.

Und dieser Bereich ist in der Gewinnzone, Kollege Kukacka, das können Sie nicht bestreiten, dieser Bereich ist auch voll der Konkurrenz ausgesetzt, bei einer klaren buchhalterischen Trennung. Damit befinden sich die ÖBB in guter Gesellschaft. Dasselbe haben wir auch auf dem Strommarkt, wo ebenfalls nach einer jahrelangen Diskussion in der Europäischen Union die Tendenz in Richtung integrierte Unternehmungen mit klarer buchhalterischer Trennung geht und sich die Feststellung durchgesetzt hat, daß ganz einfach nur in dieser Form die entsprechenden kostenreduzierenden Synergieeffekte tatsächlich zum Tragen kommen.

Es geht uns auch darum, daß wir die Verlagerung auf die Schiene erfolgreich durchführen. Daher muß, Hohes Haus, genauso wie beim Schienenverkehrsentgelt auch ein Straßenverkehrsentgelt in Form des Road-Pricing für den LKW eingeführt werden. Hier sage ich mit großem Bedauern, daß es trotz unserer Unterstützung Herr Minister Farnleitner nicht geschafft hat, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz entsprechend einzuhalten und durchzusetzen. Wir werden es aber nicht zulassen, daß dieses Projekt noch weiter verzögert wird. Wir werden Minister Farnleitner wirklich bei seiner Absicht unterstützen, noch vor dem Jahre 2002 so rasch wie möglich LKW-Road-Pricing einzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist das ein Gesetz für die Zukunft der Verkehrsmärkte, für die Bewältigung des Verkehrs in einem vernetzten, integrierten, umweltfreundlichen Verkehrssystem. Es ist das ein Gesetz, das Chancengleichheit für alle, auch für die Österreichischen Bundesbahnen schafft, und ein Gesetz, das letztlich Wettbewerb, wie er sich in der Europäischen Union abzeichnet, vorwegnimmt.

Kollege Firlinger, das ist es schlußendlich! Es ist schlußendlich ein österreichischer Weg, wie es der Herr Minister gesagt hat, den wir hier gehen, der große Herausforderungen an die ÖBB und auch an andere Unternehmen stellen wird. (Abg. Mag. Firlinger: Eine österreichische Lösung also!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Kollegen Firlinger auch noch fragen, was er ganz generell gegen Frauen hat. Ich kann ihn nicht verstehen, aber anscheinend ist das so! (Rufe bei den Freiheitlichen: Hagenhofer! – Beifall bei der SPÖ. – Weitere lebhafte Zwischenrufe. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Firlinger, Sie befinden sich ja trotzdem in guter Gesellschaft mit dem Kollegen Grollitsch, denn eines ist schon klar: Eine derart miese Vorgangsweise, wie sie Kollege Grollitsch im Schutze seiner Immunität hier gezeigt hat, als er einen jungen Menschen, nur weil er der Sohn des Bundeskanzlers ist, mit Unwahrheiten überschüttet hat, zeigt Ihre Einstellung: unfair bis zuletzt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Der Grollitsch – oder die Hagenhofer?)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Lafer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.59

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Kollege Parnigoni, gerade du müßtest dich an der Nase nehmen und dürftest solche Dinge nicht behaupten. Faktum ist: Aus dem, was wir gestern während des Plenums und heute während des Plenums gehört haben, geht hervor: Jan Klima hat absolut seine Richtigkeit und darf auch hier genannt werden. Wieso nicht?

Das zweite: Kollege Krüger hat heute schon erwähnt, daß Ursula Pasterk die neue Rektorin der vormaligen Hochschule für angewandte Kunst, jetzt Universität werden soll. Rote Besetzung! ÖBB: rote Besetzung! Flughafen Wien: rote Besetzung. – Das zieht sich ja durch. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da schaut die SPÖ ja nur darauf, daß sie Parteipolitik machen kann, aber nicht darauf, was die Bevölkerung wirklich braucht, und auch nicht darauf, ob vor allem die Voraussetzungen, die man für solche Jobs braucht, überhaupt gegeben sind. Das ist Faktum, Kollege Parnigoni!

Wenn man wieder zur Tagesordnung zurückgeht und sich die Petition "Gegen den Ausverkauf steirischer Schienenwege" anschaut, dann, muß ich sagen, ist das ja gut und richtig, nachzudenken beginnt man allerdings, wenn man sieht, daß diese nur von SPÖ-Abgeordneten eingebracht worden ist und was damit auch verfolgt wurde. Das kann man leicht beantworten, wenn man sich anschaut, welche Schienenwege in der Petition angeführt werden. In der Steiermark zumindest gibt es eine strenge Trennung: in die GKB, in die Graz-Köflach-Bahn, die nur durch rote Bezirke fährt, und die Steirischen Landesbahnen, die nur durch schwarze Bezirke fahren. Daran sieht man den Unterschied.

Hiezu, lieber Kollege Parnigoni, erkläre ich dir noch folgendes: Wenn laut Privatbahnunterstützungsgesetz die Graz-Köflach-Bahn mit mehr als 300 Millionen Schilling gefördert und subventioniert wird, im Gegensatz dazu die Steirischen Landesbahnen, die in schwarzer Hand sind, aber nur mit einem knappen Zehntel davon, dann sieht man schon daran, wie Sie ganz genau darauf achten, daß Ihre Bereiche entsprechend finanziell abgedeckt werden. Die Politik spielt sich nicht nur bei den Personen ab, sondern auch bei allen Unternehmungen, über die Sie Ihre Hand halten. Dort hat man ohne rotes Parteibuch keine Möglichkeit, zum Zug zu kommen und seine Qualität oder sein Wissen unter Beweis zu stellen. Das ist die Politik, die Sie hier betreiben – und nichts anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

All das, was heute hier erwähnt und erzählt wurde, hat ja bereits Kollege Firlinger gesagt; er hat Ihnen fünf Punkte vorgelegt.

Mein Schlußstatement dazu ist: Bei dieser Politik, lieber Kollege Parnigoni, die ihr von der SPÖ immer wieder betreibt, kann es keine Zustimmung von unserer Seite geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mentil. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Niederwieser: Was ist das für eine Fraktion?)

14.02

Abgeordneter Hermann Mentil (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Bekenntnis zur Schiene ist ja offenkundig, also kein Geheimnis. Daher teile ich die Art und Weise, wie Kollege Kukacka die Kostenstellenanalyse macht, natürlich nicht. Man kann ja den Umweltaspekt oder die ökologischen Überlegungen nicht völlig hintanstellen und völlig unberücksichtigt lassen, wenn man diese Dinge kalkuliert oder ausführt.

Herr Kollege Sigl, der ja heute mit sehr viel Einsatz die Weiterentwicklung der ÖBB, also der Bahn, der Schiene reklamiert hat, wird mir vielleicht heute noch teilweise recht geben bei den folgenden Tagesordnungspunkten, wenn sich ein Zusammenhang mit der Mariazeller Bahn abzeichnet.

Die Gesetzesänderung trägt ja der eingebrachten Petition weitestgehend Rechnung. Ich meine sogar, die Petition war die Grundlage für die Gesetzesänderung in der Form. Diese Gesetzesänderung garantiert aber sicherlich keine Weiterentwicklung. Für eine Weiterentwicklung wären meines Erachtens schon Visionen notwendig.

Visionen hatten ÖBB-Verantwortliche schon 1920. Wenn Sie eine alte Karte von 1920 nehmen, sehen Sie dort die Mariazeller Bahn mit der Thörler Bahn strichliert verbunden, zirka 20 Kilometer Luftlinie. Was man 1920 schon gewußt hat und ich als "Vision" bezeichne, wurde leider bis heute nicht realisiert, obwohl doch die Realisierung einer herrlichen Schmalspurstrecke von St. Pölten bis Kapfenberg nicht nur für tourismuswirtschaftliche Überlegungen von Bedeutung wäre, sondern es könnten meines Erachtens auch sehr viele Transporte über diese Bahn gehen und somit die Straße entlastet werden.

Ich bin da wieder bei der Vision Mariazeller Bahn, denn dies wird wahrscheinlich eine Vision bleiben. Die Bevölkerung ist völlig verunsichert: Eine Woche kommt die Meldung, sie wird eingestellt, eine Woche wiederum, daß sie weiterfährt. Die interne Zerrissenheit der ÖBB wird aktenkundig. Da gibt es die sogenannten Hardliner, die sie einstellen wollen, Hardliner im Sinne von Mag. Kukacka, für die nur der Rechenstift entscheidet, ob eine Bahn erhalten bleibt oder nicht. Dann gibt es die etwas Engagierten, zu denen Kollege Sigl gehört, der meint, es könne doch nicht sein, daß man diese Mariazeller Bahn nicht weiter auf den Schienen hält.

Die Zerrissenheit innerhalb der ÖBB beziehungsweise die Rechtsgrundlage führt aber zu keiner Entscheidung. Das ist die Tragödie. Eine Betreibergesellschaft in dem Sinne kann sich aufgrund der herrschenden Rechtslage nicht etablieren und hat keine Chance.

Es gibt ja auch weitere Probleme seitens des ÖBB-Managements. Es ist dies die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung, die Schiene zu integrieren. Ein Beispiel: Herr Minister! Sie müssen ja ein Dutzend Beschwerden im Haus haben bezüglich Betrieb der Mariazeller Bahn. Was meine ich damit? – Um die Mariazeller Bahn haben sich Siedlungen entwickelt, gibt es Ansiedlungen in großer Zahl. Der Lokführer macht Dienst nach Vorschrift. Straßenübergang: Trotz Stopptafeln gibt er dreimal Signal, und das um 4.30 Uhr in der Früh. Alles, was im Bett liegt, hebt ab und ist somit wach. Bemühungen von Bürgerinitiativen, bei den Verantwortlichen in den Ministerien vorstellig zu werden, führen zu keinem Erfolg, daher wächst der Frust in Richtung Mariazeller Bahn. Die Zahl jener, die sagen, der Lärmverursacher um halb fünf Uhr in der Früh soll eingestellt werden, wird natürlich immer größer.

Ich bin mir nicht sicher, ob nicht von Teilen des Managements der Schiene auch eine gewisse Strategie dahintersteckt, so nach dem Motto: Lassen wir den Lokführer nur signalisieren, umso schneller steht die Bahn aufgrund der Beschwerden, die eingebracht werden.

Herr Minister! Sie haben es ja selbst im Rahmen Ihrer Ausführungen gesagt: Die Gesetzesänderung vor eineinhalb Jahren hat nicht das bewirkt, was Sie sich erwartet haben. Es ist nicht das daraus entstanden, womit Sie gerechnet haben – oder vielleicht teilweise auch nicht. Ich weiß nicht, wie Sie zu dem Schluß kommen, daß Ihr Regulator jetzt wirken soll. Der baut ja auf einem untauglichen Gesetz auf, welches nicht das gebracht hat, was Sie sich vorgestellt haben.

Herr Minister! In dieser Legislaturperiode ist es Ihnen nicht gelungen, das Schienengeschehen so weiterzuentwickeln, daß es zukunftsträchtig ist, daß es positiv ins nächste Jahrtausend führt. Vielleicht gelingt Ihnen das in der neuen Gesetzgebungsperiode. – Ich wünsche Ihnen viel Glück dazu.

14.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Da es kein Schlußwort seitens des Herrn Berichterstatters gibt, kommen wir zum Abstimmungsverfahren, und ich bitte Sie, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2045 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf beitreten wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir noch zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Firlinger und Genossen betreffend Rettung der Bahn in Österreich.

Für den Fall ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

5. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1132/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999),

über den Entschließungsantrag 1119/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs,

über den Entschließungsantrag 325/A (E) der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Vorlage eines Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes,

über den Entschließungsantrag 932/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs,

über den Entschließungsantrag 248/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs,

über den Entschließungsantrag 276/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend finanzielle Absicherung des öffentlichen Personennahverkehrs durch ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz auch nach Streichung von Geldern aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und

über den Entschließungsantrag 1069/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr (2046 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1118/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) (2047 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Abgeordneter Kurzbauer.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung zum schriftlich verteilten Ausschußbericht 2047 der Beilagen erteile ich ihm das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Berichterstatter Johann Kurzbauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zum schriftlich vorliegenden Ausschußbericht 2047 der Beilagen bringe ich folgende Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis.

In § 16 Abs. 2 Ziffer 5 hat es statt "Endprodukte" "Endpunkte" zu lauten.

Weiters: In § 38 Abs. 3 tritt an die Stelle der Bezeichnung "lit c" die Bezeichnung "Z 2".

Namens des Verkehrsausschusses stelle ich somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem Gesetzentwurf in 2047 der Beilagen unter Berücksichtigung der von mir soeben vorgebrachten Druckfehlerberichtigung die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Berichterstatter, für Ihre Ausführungen.

Wir treten nun in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.12

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Um gleich in die Sache einzugehen: Wir Freiheitlichen werden der Vorlage betreffend Personennah- und Regionalverkehrsgesetz die Zustimmung erteilen, weil wir der Meinung sind, daß nach langwierigen und umfangreichen Verhandlungen ein erster Schritt, ein erster richtiger Schritt gesetzt wurde. Es war sicher keine einfache Sache, neun Bundesländer, die immer etwas anderes wollen, unter einen Hut zu bringen. Ich kann mich erinnern, es wurden immer wieder sehr viele Krücken eingesetzt, um Teillösungen zustande zu bringen.

Letztlich ist es auch ein Erfolg freiheitlicher Politik, meine Damen und Herren, denn wir haben über viele Jahre hindurch dieses Personennahverkehrsgesetz eingemahnt (Abg. Mag. Kukacka: Das ist ein Scherz!), Herr Kollege Kukacka, nachdem hier jahrelang nur gestritten wurde, sich in der Sache nichts bewegt und nur ein Kompromiß den anderen abgelöst hat. Meine Damen und Herren! Darauf bin ich für meine Fraktion stolz. Wir haben uns letzten Endes auch mit dieser Forderung durchgesetzt, und das erfüllt mich mit Freude, und das werde ich, Herr Kollege Kukacka, an dieser Stelle wohl noch sagen dürfen.

Wir werden dem zustimmen, wobei mir klar ist, daß dieses Gesetz im Laufe der Zeit natürlich einige Verbesserungen braucht, aber diese wollen wir an uns herankommen lassen, meine Damen und Herren!

Nicht einverstanden sind wir mit der zweiten Materie. Das heißt, es gibt zwei wesentliche Vorbehalte, für die wir auch Abänderungsanträge einbringen werden. Ich glaube, im großen und ganzen ist auch das Kraftfahrliniengesetz eine Neufassung mit wesentlicher Verbesserung – ich möchte nicht anstehen, auch das zu sagen –, denn es geht darum, einerseits einmal diesen Wildwuchs der Verkehrsverbünde neu zu regeln. Es war tatsächlich notwendig, das neu zu regeln, denn wenn Sie sich die Ausuferungen, was Verkehrsverbünde so alles wollen und welche Forderungen sie stellen, ansehen, merken Sie, daß es an der Zeit war, da einen Schlußstrich zu setzen. Ich bin froh, daß sich alle Parteien darüber geeinigt haben.

Ich bin auch froh darüber, daß es zu einer Neudefinition kommt, was eine Kraftfahrlinie ist und was nicht, denn bisher war es beispielsweise möglich, daß jemand ein Fahrzeug, einen Kleinbus hatte und damit gelegentlich gefahren ist. Aber wenn er nachweisen konnte, daß er eine Linie hatte, fiel er unter eine Kraftfahrlinie, und das ist natürlich Humbug, und das wurde ausgeschaltet. Dann gibt es natürlich viele Details, auch wenn es um das Geld geht. Ich meine, daß das einigermaßen gut gelöst wurde.

Aber, meine Damen und Herren, es bleiben zwei Punkte offen: Die Österreichische Volkspartei hat in einem Entschließungsantrag, der schon recht alt ist, zu Recht moniert, daß es bei einer Neuvergabe einer Linienkonzession zunächst einmal einen Erstvergabezeitraum von fünf Jahren und nicht von zehn Jahren geben sollte, und sie hat in diesem Entschließungsantrag ganz schön dagegen gewettert, was sich jetzt mit zehn Jahren abzeichnet. Dieser Entschließungsantrag wurde dann mit erledigt und wurde im Ausschuß von ÖVP-Seite nicht weiter behandelt. Aber mir scheint es schon wesentlich zu sein, meine Damen und Herren, daß man bei einer neuen Linie zunächst einmal darauf schaut, wie der Betreiber ist. Wenn es dann gut funktioniert und er öffentliches Interesse nachweisen kann und nicht nur seine eigenen finanziellen Bedürfnisse befriedigt, dann sollte man ihm das verlängern – aber man gibt ihm nicht von vornherein zehn Jahre. Das ist ein Einwand.

Zweiter Punkt: Im Kraftfahrliniengesetz wurden unnötigerweise zu großzügige Liberalisierungen, was den ausländischen Kraftfahrliniendienst betrifft, eingeräumt. Ich sehe zum Beispiel nicht ein, daß ein Autobusunternehmer, der täglich von Budapest oder von Györ nach Wien fährt, in jedem Ort stehenbleiben kann, wenn er eine grundsätzliche Bewilligung bekommen hat, weil er mit einem schlechten technischen Standard operiert und dann inländische Unternehmen konkurrenziert. Das wäre nicht notwendig gewesen, daher in Kürze zwei Abänderungsanträge:

Der erste Abänderungsantrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger und Kollegen zum Kraftfahrliniengesetz 1999 betreffend Konzessionen für Nicht-EWR-Angehörige

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Antrag 1118/A in der Fassung des Ausschußberichtes 2047 d. B., Kraftfahrliniengesetz, wird wie folgt geändert:

In Abschnitt II entfällt § 12."

*****

Der zweite Abänderungsantrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger und Kollegen zum Kraftfahrliniengesetz betreffend Konzessionsdauer

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Antrag 1118/A in der Fassung des Ausschußberichtes 2047 d. B., Kraftfahrliniengesetz, wird wie folgt geändert:

In Abschnitt II § 15 Absatz 1 lautet der erste Satz:

‚(1) Die Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie wird auf fünf Jahre erteilt.‘"

*****

Das ist das, was ich soeben referiert habe.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie diese Schwachstellen im Kraftfahrliniengesetz ausmerzen wollen, dann ersuche ich um Ihre Zustimmung. Sollte das möglich sein – was ich zwar nicht glaube –, dann würden auch wir diesem Gesetz in dritter Lesung zustimmen; wenn nicht, werden wir eben diesen Gesetzentwurf ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Abänderungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Beim Rednerpult ist bereits – völlig zu Recht – Herr Abgeordneter Parnigoni. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.19

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der hier vorliegende Gesetzentwurf stellt eine Grundlage für die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs in der Zukunft dar. Dieses Gesetz liefert die Basis für die Optimierung, die Finanzierung, die Attraktivierung des öffentlichen Regional- und Nahverkehrs; ich glaube, das ist unbestritten. Damit werden Markt und Wettbewerb eingeführt, ebenso Qualitätssicherung und Kundenorientierung. Es ist also ein Gesetz für alle Mitbürger, im besonderen für Pendler, für Schüler, für all jene, die auf den Zug und auf das öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, und es soll ein attraktives Angebot im öffentlichen Nahverkehr und Regionalverkehr eröffnen.

Der öffentliche Verkehr der Zukunft wird im besonderen vor allem durch neue Qualitätsstandards bestimmt. Für mich persönlich war es immer ein Ziel, von einem Punkt zu einem anderen mit einer einzigen Fahrkarte zu gelangen – egal, ob ich dabei den Bus, den Zug oder vielleicht ein Ruf- oder Sammeltaxi benutzen muß. Und das ist eben eine Zielsetzung dieses Gesetzes.

Es war mir immer ein Anliegen, daß es zu einem Informationssystem kommt, damit man genau weiß, wann der nächste Zug oder der nächste Bus kommt, wie es mit den Fahrzeiten ausschaut, wo es Verspätungen gibt. Es ist wichtig, daß die Verkehrsträger ineinander vernetzt sind, daß es kurze Umsteigzeiten und Wartezeiten gibt. Ich habe mir immer gewünscht, daß es eine Fahrkarte gibt, mit der ich von A nach B komme, und daß ich diese Fahrkarte überall, auch via Internet, erwerben kann. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger.) Alles ist nachjustierbar, das Gesetz beschließen wir erst heute. Es ist die Zukunft, von der ich spreche.

Meine Damen und Herren! Die Reise soll perfekt durchgeführt werden, wobei die Beförderer gemäß § 31 dieses Gesetzes alle Qualitätskriterien hinsichtlich des Fahrkomforts erfüllen müssen. Kurzum, es wird sich um ein Angebot handeln, das den Reisewilligen Freude machen wird, das aber auch zusätzliche Fahrgäste in dieses öffentliche Verkehrssystem bringen wird.

Hohes Haus! Zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs werden aber auch die Verkehrsunternehmen in der nächsten Zeit einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. So haben die Österreichischen Bundesbahnen etwa im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2003 die Absicht, 3,8 Milliarden Schilling in neue Wendezüge, Doppelstockwaggons, Triebwagen und Busse sowie in neue Bahnhofseinrichtungen zu investieren.

Der Bereich der Post möchte weitere 1,3 Milliarden Schilling in neue Autobusse und in den busaffinen Bereich einsetzen. Es ist aber auch so, daß die kommunalen Unternehmungen, etwa die Wiener Linien, für ihre Autobusse jährlich zirka 230 Millionen und weitere 900 Millionen Schilling jährlich in den Straßenbahnbereich investieren werden. Damit wird in den nächsten Jahren die Qualität dieses Fahrmittels gewaltig steigen.

Darüber hinaus werden wir in einem Entschließungsantrag festhalten, daß gerade für den Betrieb des Stadt- und Vororteverkehrs zusätzliche Investitionsmittel im Bereich des Finanzausgleiches bereitgestellt werden sollen. Wir wissen auch von privaten Busbetreibern oder Zugbetreibern, daß sie wie alle anderen Unternehmungen für den kommenden Wettbewerb entsprechend aufrüsten.

Hohes Haus! Sie sehen also, der Kampf um den Kunden und die damit einhergehende Qualitätsverbesserung ist im Interesse von uns allen, und der Kampf hat ganz einfach begonnen. Wenn dieses Gesetz mit 1. Jänner 2000 in Kraft tritt, beginnt in jedem Fall ein neues Zeitalter für den öffentlichen Verkehr. Mit diesem Gesetz wird dafür gesorgt, daß überfüllte und auch leere Busse und Züge mit unbequemen Sitzen und ungünstigen Intervallen im Regionalverkehr in 15 Jahren, wie es mein Kollege Sigl heute schon gesagt hat, nur mehr "Opa" kennen wird. (Abg. Mag. Kukacka: Du hast Visionen! Und das ist gefährlich!) – Die sollte man haben, Kollege Kukacka, und auch die Freiheitlichen schließen sich meinen Visionen an.

Hohes Haus! Dieses attraktive Angebot im öffentlichen Regional- und Nahverkehr wird dadurch zustande kommen, daß der Bund das Grundangebot bei der Bahn und degressiv auch über fünf Jahre beim Bus – nämlich verkehrsdienstliche Leistungen – finanzieren wird.

Ein essentieller Bestandteil des Gesetzes ist aber auch die Einführung von Ausschreibungen und Wettbewerb bei der Linienvergabe. Diese Linien besitzen nicht mehr den "Anstrich" der Erbpacht. Sie werden an denjenigen vergeben, der die geringsten Subventionen benötigt, und werden in Hinkunft auf zehn Jahre befristet sein.

Meine Damen und Herren! Kollege Firlinger hat einen Zeitraum von fünf Jahren moniert. Kollege Kukacka ist mit mir gemeinsam bei den österreichischen Busunternehmern in Wels gesessen und hat dort mutig diese fünf Jahre eingefordert. Es war aber nicht gerade eine angenehme Veranstaltung für ihn, da die Busbetreiber der Wirtschaftskammer natürlich viel mehr gewollt haben. Schlußendlich, so denke ich, sind zehn Jahre ein guter Kompromiß, weil die Abschreibedauer eines Busses in etwa acht bis zehn Jahre beträgt. Daher ist das sinnvoll. Das ist vor allem deshalb kein Problem, weil die Qualitätskriterien auf alle Fälle einzuhalten sind. Wenn einer eine zugesprochene Linie so gestaltet, daß er die Qualitätskriterien nicht einhält, dann kann ihm die Linie sogar schon nach einem Jahr entzogen werden. – Kundenorientierung und Qualität haben im neuen System absoluten Vorrang.

Meine Damen und Herren! Es geht uns darum, daß wir zum bestehenden Angebot weitere Verbesserungen – vor allem in der Fläche, am Stadtrand und im Land – erreichen. Daher wird der Bund Kosten bis zu einem Ausmaß von 680 Millionen Schilling jährlich im Rahmen einer 50 : 50-Finanzierung mittragen. Das heißt, wenn zu dieser Bundesförderung auch das Land, die Gemeinde oder ein Privater die Hälfte dazuzahlen, können neue Dienste bestellt und finanziert werden. Aber es können damit ebenfalls auch neue Formen, wie etwa der Rufbus, das Sammeltaxi oder Taxilinien, mitgeordert werden.

Hohes Haus! Die Gemeinden bekommen mit der Verkehrsanschlußabgabe die Möglichkeit, verstärkt Leistungen zu bestellen, denn es ist nicht einzusehen, daß die Gemeinden die Last allein tragen. Jene Unternehmen, die Verkehr in hohem Maße erzeugen, sollen ihren Beitrag leisten.

Uns Sozialdemokraten geht es darum, eine effiziente Verkehrsanbindung gerade der Menschen in den abgelegenen Regionen sicherzustellen. Uns geht es darum, daß wir die Lebensfähigkeit dieser Regionen erhalten, daß wir die Erreichbarkeit der Arbeitsstätten und der Schulen sicherstellen und schlußendlich für Prosperität und Lebensqualität sorgen.

Ich möchte zum Schluß im besonderen jenen danken, die sich über Jahre hinweg bemüht haben, diese Gesetzesüberlegungen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Kollege Firlinger hat die neun Bundesländer angesprochen. Ich darf erweitern: Es waren nicht nur neun Bundesländer, es waren auch die Vertreter der Gemeinden, die Vertreter der Städte und schlußendlich auch die Vertreter der Verkehrsunternehmungen, die ihre Wünsche, ihre Forderungen und Überlegungen miteingebracht haben. Dafür, daß es schließlich gelungen ist, dieses moderne Gesetz, das für mehr Effizienz, für mehr Kundenorientiertheit und für mehr Menschenfreundlichkeit sorgen wird, umzusetzen, ist dem Herrn Bundesminister und seinem Team zu danken. Hier möchte ich Herrn Ministerialrat Dr. Kühschelm erwähnen. Ich möchte auch den Beamten der Länder, die mitgewirkt haben, aber auch dem Städte- und Gemeindebund danken.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie alle ein, dieser zukunftsorientierten Gesetzesmaterie Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kukacka.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Parnigoni, das klingt sehr gut; man hat den Eindruck, es ist wirklich etwas Großartiges gelungen, wenn man Ihnen so zuhört. Blättert man allerdings in den Erläuternden Bemerkungen, so steht im Allgemeinen Teil zu lesen, daß das Ziel des Bundesgesetzes zwar die Schaffung klarer Strukturen für die Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs ist, darüber hinaus aber auch ein Übergang zum Bestellerprinzip, die Regelung der Finanzierungsmechanismen und damit natürlich ein verbessertes Angebot im Bereich des Personennah- und Regionalverkehrs. – Das ist quasi die Vision der Bundesregierung gewesen, mit der sie die Verhandlungen über dieses Gesetz begonnen hat.

Der nächste Satz in den Erläuternden Bemerkungen zeigt uns dann die Realität der Koalition, denn dann heißt es: Die Umstellung der Organisation wird nicht sofort mit Wirksamkeit dieses Bundesgesetzes möglich sein. Es werden aber zumindest innerhalb der nächsten fünf Jahre die entsprechenden ergänzenden Rahmenbedingungen zu setzen sein.

Herr Abgeordneter Parnigoni! Das heißt, Sie von seiten der Koalition haben es keineswegs geschafft, etwas grundlegend Neues zu machen, sondern Sie haben einfach einen Abschluß der Verhandlungen gemacht, weil bekanntermaßen auch eine gewisse Erfolgsbilanz da sein muß, sagen aber selbst, daß alle weiteren Bestimmungen innerhalb der nächsten fünf Jahre gesetzlicherweise noch zu setzen und auszuverhandeln sein werden. Wenn das der Fall ist, dann wird wohl niemand ernstlich behaupten können, daß da ein großer Wurf gelungen ist. (Abg. Parnigoni: Da haben Sie irgend etwas mißverstanden!)

Das ist kein Mißverständnis, Herr Abgeordneter, denn was Bund, Länder und Gemeinden noch an Gemeinsamem erreichen müssen, damit es tatsächlich zu einem kundenorientierten Personennah- und Regionalverkehr kommt, ist – so sage ich jetzt einmal – Legion. Das sagen Sie selbst auch, und daher möchte ich von liberaler Seite festhalten, daß wir die öffentlichen Anliegen im Bereich des Personennah- und Regionalverkehrs endlich mit anderen öffentlichen Anliegen gleichbehandelt wissen wollen.

Wir sehen nicht ein, daß der öffentliche Personenverkehr nicht genauso wichtig sein soll wie eine gute Versorgung mit Trinkwasser, wie eine gute Versorgung im Bereich des Wohnens, wie eine gute Versorgung im Bereich des Gesundheitssystems. Wir halten das für ein zentrales Anliegen. Daher muß von seiten der Politik und gerade auch der Bundesregierung ein stärkeres politisches Bewußtsein dafür entwickelt werden, daß der Verkehr an sich und gerade natürlich auch der öffentliche Verkehr kein Selbstzweck ist, sondern eine sehr wichtige Funktion hat.

Meine Damen und Herren! Daher sind auch alle Staus, die es jetzt so mannigfach auf Österreichs Straßen gibt, nicht nur ein Ärgernis für die Betroffenen, sondern das zeigt vor allem, wie ineffizient unser Verkehrssystem ist und wie stark der Drang in den privaten Verkehr ist, weil nämlich das öffentliche Angebot nach wie vor schlecht ist. Wir meinen, daß ein öffentlicher Personennahverkehr nur dann sinnvoll und nur dann gut organisierbar sein wird, wenn endlich Kostenwahrheit und Verursacherprinzip eingehalten werden. Frau Abgeordnete Moser hat zur vorigen Materie schon ausgeführt, welche Schattensubventionen im Bereich der einzelnen Verkehrsträger existieren und wie stark die Verzerrung des Wettbewerbs ist.

Wir meinen, es muß darüber hinaus nicht nur offengelegt werden, welche Schattensubventionen es gibt, sondern es muß auch klargelegt werden, daß die Schäden, die die einzelnen Verkehrsträger verursachen, sowohl im Bereich der Umwelt als auch im Bereich der Gesundheit – denken wir nur an unmittelbare Unfälle – in die Betrachtung miteinbezogen werden müssen. Aber auch alles, was an Folgekosten etwa für die Beseitigung von Umweltschäden auftritt, sollte einberechnet werden. Es bedeutet nicht nur einen Verlust an Lebensqualität, wenn es zu Umweltbeeinträchtigungen kommt, sondern in der Folge muß das auch noch ausgeglichen werden. Daher sind das zwei verschiedene Kostenpositionen, die berücksichtigt werden müssen.

Wir halten den öffentlichen Verkehr auch deshalb für wichtig, weil er in Wirklichkeit für große Teile der Bevölkerung gesicherte Mobilität bedeutet. Es gibt viele Haushalte, in denen es keine Autos gibt, daher kann mit dem Auto nicht nur im Bereich derer, die eines haben, sondern generell nur ein kleiner Teil der Mobilität befriedigt werden. Alles andere muß zu Fuß, per Rad und mit dem öffentlichen Verkehr bewerkstelligt werden. Daher muß diese Infrastruktur besser ausgebaut werden.

Wir brauchen aber auch, meine Damen und Herren, endlich das Eingeständnis – auch von seiten der Politik –, daß der öffentliche Verkehr eine bezahlbare Mobilität sein muß. Haushalte, in denen es Autos gibt, verwenden rund 21 Prozent ihres Einkommens für die Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen. Dort, wo ein gut funktionierender öffentlicher Verkehr zur Verfügung gestellt wird, werden nur 5 Prozent des Einkommens für die Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse verwendet. Also ist es auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, wie gut der öffentliche Verkehr ausgebaut wird.

Meine Damen und Herren! Öffentlicher Verkehr bedeutet insbesondere eine effiziente Mobilität. Gerade in Ballungszentren bedeutet das, wenn Sie ein Jahr lang mit dem Auto fahren, externe Kosten in der Höhe von rund 14 000 S; das sind meist Staukosten. Das ist deshalb der Fall, weil einfach kein gutes Angebot an öffentlichem Verkehr zu Verfügung steht. Aber auch mit diesem Gesetz, meine Damen und Herren, löst die Bundesregierung, lösen die Koalitionsparteien dieses Problem nicht, sondern sie sagen selbst, daß sie es innerhalb der nächsten fünf Jahre tun wollen.

Daher noch zur zweiten Materie, zum Kraftfahrliniengesetz, meine Damen und Herren, dem wir genauso skeptisch gegenüberstehen, weil Sie auch hier sehr viele solcher alten Prinzipien fortschreiben. Ich sage das auch in bezug auf die fachliche Eignung, weil hier immer so schön zum Ausdruck kommt, wie das in Wirklichkeit in Österreich gehandhabt wird: Es gibt Voraussetzungen für eine fachliche Eignung, und mit einer Prüfung vor einer Prüfungskommission muß man belegen, daß man diese Eignung hat. Dann aber, meine Damen und Herren, kann von Prüfungen abgesehen werden, wenn man diese Kenntnisse mittels eines Universitätsstudiums oder im Rahmen einer Reifeprüfung an einer berufsbildenden höheren Schule bereits erlangt hat.

Man hat natürlich noch eine Chance, nämlich dann, wenn man ein "fortbetriebsberechtigter" Ehegatte ist. Dieser muß über drei Jahre praktische Erfahrungen in der Führung des Betriebes gesammelt haben, weil er dort mitgewirkt hat.

All das ersetzt die zuvor genannten fachlichen Eignungen, und ich glaube, auch daran sieht man, daß in Wahrheit einfach überbordende Regelungen in bezug auf die fachlichen Voraussetzungen gemacht werden. Das ist offenbar bei den Kraftfahrlinien so, das ist bei den Fahrschulen so, das ist bei den Gewerben in Österreich so. Überall werden solche Hürden errichtet, die in Wirklichkeit die freie Berufsausübung behindern. Wir meinen, daß das in einem modernen Gesetz nicht fortgeschrieben werden soll. – Danke schön.

14.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.35

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein Wort zur einleitenden Bemerkung des Herrn Firlinger, auch wenn er gerade nicht da ist. Ich meine, es ist positiv, daß die Freiheitliche Partei diesem Gesetz zustimmen will. Das wäre positiv, so würde ich sagen, und würde von einer konstruktiven Haltung zeugen, wenn Sie unseren Gesetzen öfter zustimmen würden. Das würde auch dem parlamentarischen Ansehen der Freiheitlichen dienen. (Abg. Aumayr: Da müssen Sie bessere Gesetze machen! Bessere Gesetze sind gefragt!) Trotzdem sollten Sie bescheiden bleiben, meine Damen und Herren, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Daß dieses Gesetz heute so beschlossen wird, wie es beschlossen wird, dazu hat die Freiheitliche Partei wirklich wenig bis gar nichts beigetragen. Das möchte ich nur einleitend dazu sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Da hast du recht! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß dieses Gesetz zustande gekommen ist. Es war ein schwieriges Gesetz. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ihr braucht euch nicht gleich so aufzuregen! Frau Kollegin! Sie sind nicht nur unbescheiden, Sie sind auch humorlos, das ist eigentlich das schlechteste, was man in der Politik sein kann. (Abg. Aumayr: Nein, nein, Herr Kollege! – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) – Nein, ich habe nicht Sie gemeint, Herr Kollege Ofner, sondern Frau Kollegin Aumayr. Sie ist manchmal so bissig und verkrampft, und das ist eigentlich schade für sie. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich bin gerne bereit, Frau Kollegin, mein Urteil zu revidieren. Geben Sie mir bitte einen Anlaß dazu! (Beifall bei der ÖVP. – Dipl.-Ing. Schöggl: Frauenfeindliche Aussage!) – Herr Kollege Schöggl! Zu Ihnen fällt mir auch etwas ähnliches ein, damit Sie nicht sagen können, das sei frauenfeindlich. Das möchte ich auch gleich dazusagen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt dem eigentlichen Thema zuwenden. (Abg. Böhacker: Haben Sie zur Sache auch etwas zu sagen?) – Ich werde mich bemühen, wenn Sie mich nicht unterbrechen, Herr Kollege!

Ich glaube, es ist ein gelungenes Gesetz, das wir heute beschließen. Es war eine schwierige Materie. Auch ich möchte mich einleitend bedanken bei den Beamten sowohl des Verkehrsministeriums als auch des Finanzministeriums sowie bei den Experten der Verkehrsunternehmen, die mitgewirkt haben, und auch der Länder, die es durch ihre konstruktive und innovative Haltung letztlich doch geschafft haben, daß es zu einem Einvernehmen gekommen ist. Sie alle wissen, daß, wenn zu einem Gesetz Übereinstimmung von sowohl Bund, Ländern, Gemeinden, privater Wirtschaft als auch Staat gefunden wird, dies einer sehr umfassenden, sehr komplexen Problemlösung bedurfte. Noch einmal herzlichen Dank von meiner Seite dafür, daß es dazu gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Die Neugestaltung des öffentlichen Verkehrs ist auch immer deshalb ein dringendes Anliegen, weil durch das derzeitige Finanzierungssystem sehr viel Geld für den Nahverkehr ausgegeben wird. Der öffentliche Verkehr kostet rund 27 Milliarden Schilling. Nur 7,5 Milliarden davon zahlen die Fahrgäste. Das heißt, wir haben da einen Kostendeckungsgrad von rund 27 Prozent. 11 Milliarden kommen vom Bund, der Rest von den Ländern, Gemeinden und vom Familienlastenausgleichsfonds.

Der Bund zahlt seinen Beitrag zum öffentlichen Personenverkehr in der Höhe von bisher 11 Milliarden Schilling jährlich in den kommenden zehn Jahren inflationsgesichert weiter, und er wird damit das Grundangebot dieses öffentlichen Verkehrs sichern. Das ist ein ganz wichtiges Ergebnis dieser Verhandlungen. Daß dies in diesem Gesetz festgeschrieben werden konnte und dadurch auch schon bei der Grundversorgung Kostenüberwälzungen auf die Länder und Gemeinden vermieden werden konnten, war letztlich ein entscheidender Grund dafür, daß Bund, Länder und Gemeinden dieser Gesetzesmaterie zustimmen konnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Neue zusätzliche, über die Grundversorgung hinausgehende Nahverkehrsleistungen werden vom Bund mit bis zu 50 Prozent bis zu einer jährlichen Höchstsumme von 680 Millionen Schilling gefördert, wenn Länder und Gemeinden weitere 50 Prozent der Kosten decken.

Das heißt, es wird auch ein zusätzliches Angebot geschaffen, und Bund und Länder müssen gemeinsam zu je 50 Prozent dieses Angebot finanzieren.

Für die nächsten fünf Jahre werden die Länder vom Bund auch eine entsprechende degressive Abgeltung in der Höhe der bisherigen Verluste des Busverkehrs erhalten. Dafür stehen am Anfang 115 Millionen Schilling zur Verfügung, und diese Bundesmittel können von den Ländern in Eigenverantwortung für den Nahverkehr verwendet werden.

Da die Ansiedlung neuer Betriebe oft auch mit einem merkbaren Anstieg des Verkehrsaufkommens verbunden ist, werden Städte und Gemeinden das Recht erhalten, von neuen Verkehrserregern, also von Betrieben mit über 10 000 Quadratmetern Fläche, in denen erhöhter Kundenstrom zu erwarten ist, zum Beispiel eben Freizeitzentren oder Einkaufszentren, wo es also sehr viel Verkehrserregung gibt, eine entsprechende Nahverkehrsabgabe, eine Verkehrsanschlußabgabe einzuheben, die die Kosten für die Errichtung des öffentlichen Verkehrs zu diesen Betrieben abdecken soll.

Inwieweit das wirksam wird, meine Damen und Herren, müssen wir sicherlich abwarten. Hiebei handelt es sich um eine Ermächtigung der Gemeinden. Sie können es tun, müssen es aber nicht tun. Damit stellen wir auch auf die individuelle Situation der Gemeinden ab und auch auf den Umstand, inwieweit sie selbst in der Lage und bereit sind, dieses Verkehrsproblem zu lösen, das da auf sie zukommt.

Letztlich liegt es auch an der Gemeinde, den entsprechenden klaren politischen Willen zum Ausdruck zu bringen, ob sie eine solche Maßnahme setzen will. Wir wissen natürlich, daß die Wirksamkeit eingeschränkt sein kann, vor allem wegen der Konkurrenzverhältnisse bei Betriebsansiedelungen. Aufgrund dieser Konkurrenzverhältnisse werden wahrscheinlich manche Gemeinden darauf verzichten, eine solche Verkehrsanschlußabgabe einzuheben. Wir glauben aber, daß diese Maßnahme im Entscheidungsspielraum und in der Autonomie der Gemeinde liegen soll, und sie soll das auch entsprechend nutzen.

Meine Damen und Herren! Der öffentliche Verkehr benötigt mehr Geld. Uns ist das ganz klar. Wir haben deshalb auch eine entsprechende Entschließung verfaßt, damit festgehalten wird, daß Vertreter der Länder, des Städtebundes, des Gemeindebundes rasch eine Arbeitsgruppe einrichten, um in Vorbereitung des nächsten Finanzausgleichs einen konkreten Vorschlag für eine Finanzierungsbedeckung inklusive einer Prioritätenreihung für die Investitionsbedürfnisse des öffentlichen Personenverkehrs zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz regelt eine Menge von Dingen – sie sind heute auch schon aufgezählt worden –, aber eine zusätzliche und notwendige Infrastrukturfinanzierung wird von diesem Gesetz nicht geleistet. Diese ist aber notwendig. Das ist eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode. Ich erinnere daran, daß in Deutschland ein eigenes Finanzierungsgesetz die Finanzierung des Nahverkehrs in den Gemeinden und Städten ermöglicht, und zwar sowohl aus zweckgebundenen Mitteln der Mineralölsteuer als auch aus Budgetmitteln. Zu einer ähnlichen Lösung müssen wir auch in Österreich kommen.

Ich bin der Meinung, daß es im Laufe der nächsten Legislaturperiode gelingen muß, auch ein eigenes Finanzierungsgesetz zu schaffen, das die Förderungskriterien und die Verteilung der Mittel regelt, die für den öffentlichen Nahverkehr in den Gemeinden, in den Städten, in den Ballungsräumen zur Verfügung stehen. Es geht ja auch darum, neue Investitionen zu tätigen, wie beispielsweise den Bau oder Ausbau von verkehrswichtigen Zubringerstraßen zum öffentlichen Verkehrsnetz, die Einführung besonderer Fahrspuren für Omnibusse, die Förderung von Verkehrsleitsystemen, den Bau von Umsteigeparkplätzen, den Bau und Ausbau von Straßenbahnen, von Hochbahnen, von Untergrundbahnen, von zentralen Omnibusbahnhöfen und –haltestellen und die Realisierung entsprechender Beschleunigungsmaßnahmen. Und natürlich muß ganz generell auch das Angebot mit zusätzlichen Fahrzeugen, also Schienenfahrzeugen et cetera, verbessert werden.

Nur wenn die zusätzlich notwendige Finanzierung in der nächsten Legislaturperiode verwirklicht wird und wir damit nicht nur zum Ausbau oder zum Erhalt des bestehenden Angebots, sondern wirklich zu einem neuen zusätzlichen Angebot für den öffentlichen Verkehr kommen, dann wird es gelingen, den überbordenden Individualverkehr im Ballungsraum, Staus und Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen und auch die Verkehrsprobleme der Zukunft umweltgerecht zu lösen.

Das ist eine Aufgabe, die vor uns steht und der wir uns in der nächsten Legislaturperiode verschreiben müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.46

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Meine Vorredner haben ja schon auf ein sozusagen historisches Faktum hingewiesen: Bei dieser Materie handelt es sich um etwas, was sehr, sehr lange ausverhandelt worden ist. Dieses Gesetz geht auf eine Initiative des jetzigen Bundeskanzlers zurück. Der damalige Verkehrsminister Klima hat eine Studie bei Herrn Professor Schönbäck in Auftrag gegeben, um eine Reform des öffentlichen Nahverkehrs in seiner Finanzierung und in seiner Struktur voranzutreiben.

Schönbäck lieferte eine gute Studie, was jetzt allerdings hier vorliegt, ist eine Reihe von Abstrichen und ist praktisch ein Minimalkonsens. Ich möchte das auf den Punkt bringen und sagen: Sie sind als Tiger weggesprungen und mehr oder weniger als Bettvorleger gelandet. Das ist leider Faktum, wenn man den Werdegang dieses Gesetzes betrachtet. (Abg. Edler: Wo bleibt der Tierschutz?) Mit "Sie" sind nicht Sie persönlich gemeint, sondern die Verkehrsminister in der Reihenfolge Klima, Scholten, Einem. Die Tiger waren am Werk, und als Felle sind sie auf dem Boden gelandet. (Beifall bei den Grünen.)

Die Felle dürfen nicht wegschwimmen, sondern sollen möglichst als Schäfchen ins trockene gebracht werden. Darum jetzt konkret zu den einzelnen Bereichen.

Ich möchte sagen, endlich ist das Gesetz hier im Hause, aber es ist schade, daß es so ausgefallen ist. Herr Kollege, Sie haben ganz richtig gesagt: Es ist die Basis, es ist der Ausgangsbereich, es ist der erste Schritt, es ist die Grundlage. Mehr ist es nicht, denn es hat nämlich viele Fehler. Ich setze höher an, weil ich all das unterstütze, was Sie angeführt haben, alles, was in Richtung Attraktivierung, in Richtung Marktöffnung, in Richtung Gewinn für den Fahrgast geht. Wir brauchen das, auch aus umweltpolitischen Gründen. Wir brauchen diese Attraktivierung und die Expansion aber vor allem auch aus verkehrspolitischen Gründen. Das brauche ich ja hier nicht näher auszuführen, ich glaube, das ist auch hier soweit Common sense. (Abg. Parnigoni: Dann stimmen Sie dem ersten Schritt zu! Das ist eine gute Gelegenheit!)

Aber die Mittel, die uns dieses Gesetz in die Hand gibt, um diese Ziele zu erreichen, sind wirklich spärlich, wirklich kümmerlich. Ich habe im Ausschuß schon gesagt, das größte Problem ist, daß diese Gesetzesvorlage nicht EU-Recht-kompatibel ist. Wir machen die Unternehmen nicht wettbewerbsfit, und der Wettbewerb wird kommen. Das Problem ist, daß die Ministerialbeamten das schon längst erkannt haben, aber unter dem Zwang der Umstände – der Herr Minister pflegt das mit den Worten "unter den waltenden Interessen" auszudrücken – nicht völlig sachgerecht vorgehen können, sondern immer den Kompromißweg beschreiten müssen. Und dieser Kompromißweg hat eben viele Fallstricke.

Der erste Fallstrick ist, daß das Gesetz nicht EU-Recht-kompatibel ist. Der zweite Fallstrick: Die Qualitätskriterien, die Sie sehr wohl herausgestrichen haben, sind unserer Ansicht nach auch nicht vollständig, weil es sozusagen nur einen Hinweis darauf gibt, daß man Behinderte berücksichtigen soll.

Wie das im Wettbewerb unter dem Kostendruck der Gemeinden ausschauen soll, bitte, das fragen Sie nicht mich, das fragen Sie vor allem die Behinderten, denn diese haben es auszubaden. Meine Kollegin Haidlmayr wird noch näher darauf eingehen. Das ist der zweite Kritikpunkt. (Abg. Parnigoni: Die werden sich alle sehr anstrengen! Alle Unternehmen werden sich sehr anstrengen!)

Der dritte Kritikpunkt bezieht sich auf die Strukturierung insgesamt. Unseres Erachtens ist die Umstrukturierung zuwenig massiv und zuwenig deutlich. Die Parallelverkehrsregelung ist bitte klagsreif! Sie wird nicht greifen.

Weiters besteht das Problem hinsichtlich der Finanzierung. Das ist der vierte Kritikpunkt. Es gibt zwar eine neue Quelle, die Verkehrsanschlußabgabe für die Gemeinden, aber Sie wissen haargenau – Herr Kollege Kukacka, Sie wissen es ja auch –: Welche Gemeinde traut sich denn schon einem Supermarkt, einem Betrieb eine Verkehrsanschlußabgabe aufzuerlegen, gerade auch im Hinblick darauf, daß die Nachbargemeinde das nicht tut? Und wo siedelt man sich an? Natürlich dort, wo man nichts zahlt. Und damit ist das Ganze eine Augenauswischerei, es steht halt nett im Gesetz drinnen. (Abg. Parnigoni: Wenn es die Gemeinde als Förderung zahlt, ist es uns auch recht!) Wir haben im Ausschuß auch festgehalten, daß etwas Übergeordnetes, eine Landesabgabe oder Bundesabgabe, sehr viel besser wäre.

Da bin ich auch gleich beim fünften Kritikpunkt: Die Finanzmittel sind zwar erheblich aufgefettet worden im Vergleich zum Entwurf Nummer eins, zwei oder drei, aber sie sind insgesamt immer noch zu gering, um das Gesamtkomplexfeld irgendwie zu bewältigen. Wir haben im Gesetz keinen Zugang zu Mitteln festgeschrieben, die Infrastrukturinvestitionen ermöglichen. (Abg. Parnigoni: Das ist eindeutig ausgewiesen, das ist klar! Das war auch nicht Ziel dieses Gesetzes!) Mittel für Infrastrukturinvestitionen werden jetzt über Arbeitsgruppen – Sie haben einen eigenen Antrag vorbereitet – im Rahmen des Finanzausgleichs vielleicht gefunden. Ich sage deshalb "vielleicht", weil jede und jeder von Ihnen weiß, daß wir a) die Maastricht-Kriterien zu erfüllen haben, und zwar auf Bundesebene, auf Landesebene und auf Gemeindeebene, was die Finanzierungschancen für Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich mindert, und daß wir b) außerdem noch eine Steuerreform zu bewältigen haben. Das Geld fließt in Richtung Familien. Es fließt wahrscheinlich auch aus dem Bereich öffentlicher Verkehr in Richtung Familien, obwohl die Familien ihn dringend bräuchten, denn entweder leiste ich mir das eine oder das andere.

Oder – und das ist der dritte Weg, und den schlage ich Ihnen vor – das Finden einer neuen Finanzierungsquelle. Das fehlt mir in diesem Gesetz, weil die Verkehrsanschlußabgabe keine neue Finanzierungsquelle ist, denn sie wird kaum genützt werden. (Abg. Mag. Kukacka: Aus dem Familienlastenausgleichsfonds wird nichts für den Verkehr bezahlt! Das ist ein Blödsinn! Außer der Schülerfreifahrt!)

Oder man erschließt eine neue Quelle, und das wäre meines Erachtens die fahrleistungsabhängige Kilometerabgabe. Sie haben schon vom Road-Pricing gesprochen. Wir sehen das im Rahmen unseres Ökosteuersystems mit diesem 10 000-S-Bonus vor, sodaß die einzelne Familie davon nicht zu stark betroffen ist.

Aber es ist dringend notwendig, neue Mittel zu lukrieren, denn sonst kann man nicht investieren. Diese Investitionsnotwendigkeit hat der Herr Minister wiederholt herausgestrichen, und das sagt Ihnen jeder Betreiber eines kommunalen Verkehrssystems, daß es dringend notwendig ist, die Linien auszubauen und zu verbessern, die Qualität zu steigern und so weiter. (Abg. Parnigoni: Kein Problem! Ist mit diesem Gesetz alles möglich!) Im Gesetz wird dafür nichts vorgesehen.

Es ist ein Abdeckungsmodus für die Betriebskosten gewährleistet, und der ist EU-rechtswidrig, aber nicht für die Investitionen.

Dann habe ich noch ein Problem, und zwar mit der Diskrepanz, die es da gibt. Im Gesetz steht jetzt auch drinnen, daß die Verkehrsverbünde im Westen mit 30 Prozent und die im Osten mit 50 Prozent von seiten des Bundes subventioniert werden. Ich komme aus der Mitte Österreichs, und deswegen leide ich besonders unter diesem Ost-West-Gefälle. Kollege Kukacka! Sie wissen, daß gerade das Land Oberösterreich und auch die Gemeinde Linz darunter leiden, daß der Bund keine Mittel für Investitionen bereitstellt, weil wir ja so reich sind und das Geld woanders nötiger gebraucht wird. "Woanders" heißt halt Wien. (Abg. Mag. Kukacka: Die müssen sich halt auf die Füße stellen! Wien ist noch reicher!) Ja, ich weiß, da ziehen wir durchaus an einem Strang, bloß nicht in einer Riege. (Abg. Parnigoni: Aber Wien hat 70 Prozent des Nahverkehrs!)

Das waren jetzt ein paar wesentliche Kritikpunkte. Es gäbe ja noch zahlreiche, aber ich erspare Ihnen ein Fachreferat sozusagen. Ich möchte jetzt noch zu einem politischen Punkt kommen. Ich habe mir vor zehn Minuten noch einmal gewissenhaft das Kraftfahrliniengesetz angesehen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete, ich möchte nur vorsorglich sagen, um 15 Uhr müßte ich Sie dann unterbrechen. Bitte, wenn Sie das im Blickpunkt haben.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Ja, danke, Herr Präsident!

Beim Kraftfahrliniengesetz haben wir auch das Problem, daß wieder die Konzessionen sozusagen fast als Privileg verlängert werden und nicht in Richtung partnerschaftliche Verträge umgeändert werden. Ich weiß, das alles hat den Hintergrund Post und Bahn, genauso wie Post und Bahn auch im ÖPNRV-Gesetz noch zusätzliche Mittel erhalten, aber trotzdem, es ist kein Schritt in Richtung mehr Qualität und mehr Wettbewerb, wenn man die Konzessionen nicht in Frage stellt und wenn man sie nicht zu Verträgen umgestaltet, die wirklich auch mit Sanktionen behaftet werden können.

Wenn Sie dieses Gesetz bis zum letzten Satz lesen, stoßen Sie bei § 51 Abs. 1 unter dem Titel "Inkrafttreten" auf folgende Formulierung – bitte, lassen Sie sich das noch einmal genau durch den Kopf gehen; ich zitiere –: "Dieses Bundesgesetz tritt mit xx.XXXXX in Kraft." (Abg. Mag. Kukacka: Nein, da kommt noch ein Abänderungsantrag!) Ich habe nämlich einen vorbereitet. Darf ich ihn jetzt vorlesen? Dieser Abänderungsantrag stammt von fünf Abgeordneten, die ihn mit ihrer Unterschrift unterstützt haben. (Abg. Parnigoni: Den werden wir ablehnen! Wir haben einen vorbereitet!) Ich danke dem Kollegen Barmüller; ich möchte das auch protokollarisch festgehalten haben. Er lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1118/A (2047 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 51 (1) lautet:

Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft.

*****

Ich hoffe, das ist recht so, denn das soll ja mit dem ÖPNRV-Gesetz gekoppelt sein.

Ich hoffe, daß ich bei der Abstimmung zu diesem Abänderungsantrag wirklich alle Stimmen hier im Hause erhalten werde. Ich glaube, das wäre dringend notwendig, weil gerade der ÖPNRV ein Bereich ist, der wirklich von allen vorangetrieben werden soll. Sie wissen genau, warum, und Sie wissen vor allem, daß dieses Gesetz nur der halbe Weg ist. Ich ermuntere Sie, den ganzen Weg zu gehen, vor allem angesichts dessen, daß sich in Bayern, in Deutschland schon massiv schwedische Unternehmen einkaufen, daß es bei uns bald französische und britische Anbieter geben wird (Abg. Parnigoni: Das ist aber auch ein Märchen, was Sie da jetzt erzählen!) und daß es auch gilt, die Qualität zu halten und zu verbessern und die nationalen Verkehrsbetriebe diesem Wettbewerb nicht völlig schutzlos auszuliefern. – Danke schön.

14.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben referierte Abänderungsantrag ist jedenfalls entsprechend unterstützt, gerade auch noch ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Einem. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.56

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich nur ganz kurz Stellung nehmen. Das eine ist, daß ich auch immer wieder von manchen der Stellungnahmen, die Frau Abgeordnete Moser hier abgibt, überrascht bin. Ich verstehe schon, daß man sich als Oppositionsabgeordnete mehr oder minder alles wünschen darf. Die Frage ist nur, mit welchem Realismus das ausgestattet ist, wenn Sie bedenken, daß es in diesem Fall nicht nur mein Wunsch, sondern auch eine pure Notwendigkeit ist, eine Einigung auf der Ebene Bund, Länder, Gemeinden, private Anbieter von Leistungen zu erzielen. Daß dabei nicht der Wunschkatalog, mit dem man in die Verhandlungen geht, am Schluß als Ergebnis herauskommt, sondern eine gemeinsame Kompromißlösung, liegt doch auf der Hand.

Ich denke, daß sich jene Gesetzesmaterie, die heute hier zur Abstimmung steht, durchaus nicht zu verstecken braucht. Es ist eine Grundlage für die nächsten zehn Jahre, mit der sichergestellt wird, daß nicht nur die Finanzierung gewährleistet ist, sondern daß auch Qualitätskriterien hinkünftig zur Anwendung gelangen. Es ist das ein Gesetz zugunsten derer, die jeden Tag pendeln müssen: sei es in die Arbeit, sei es in die Schule, sei es zu anderen Zwecken.

Ich freue mich, daß es gelungen ist, gemeinsam mit dem Partner in der Regierung, gemeinsam mit den Partnern in den Ländern und Gemeinden und gemeinsam mit den Partnern, die als private Anbieter von Diensten hier eingebunden waren, eine Lösung zustande zu bringen, eine Lösung für jene, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Das sind wir ihnen schuldig. Dafür herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet wäre nun Herr Abgeordneter Seidinger, aber es stehen nur mehr zwei Minuten bis 15 Uhr zur Verfügung. (Abg. Seidinger: Nachher!) Nachher, gut.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, um um 15 Uhr eine Kurzdebatte zu einer Anfragebesprechung aufzurufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15.03 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 5669/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 5669/AB.

Die Anfragebeantwortung ist verteilt worden; eine Verlesung ist daher nicht notwendig.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erinnere daran, daß grundsätzlich jeder Redner eine Redezeit von 5 Minuten hat, der Erstredner beziehungsweise die Erstrednerin zur Begründung jedoch 10 Minuten.

Ich erteile nun Frau Abgeordneter Dr. Petrovic als Erstrednerin das Wort. – Bitte.

15.04

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am kommenden Samstag jährt sich zum ersten Mal die Katastrophe von Lassing, und wir müssen mittlerweile leider sagen, daß die Befürchtungen, die von einigen Abgeordneten dieses Hauses – auch von mir – schon sehr früh geäußert wurden, nämlich daß eine Bergung zum Sankt-Nimmerleins-Tag vorbereitet wird – das heißt, daß sie niemals ernsthaft ins Auge gefaßt war –, Realität geworden sind. Daran wird auch die wohl nicht ohne Grund für heute spät in der Nacht anberaumte Beschlußfassung über die Änderung des Mineralrohstoffgesetzes nichts ändern. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist morgen!) – Morgen.

Es gibt dort einen Konzern, der in den letzten drei Jahren im Durchschnitt ungefähr eine Milliarde britische Pfund Gewinn gemacht hat. (Ruf bei der ÖVP: Aber nicht in Lassing!) – Nein, nicht in Lassing, aber der Konzern macht diese riesigen Gewinne durch viele kleine Betriebsstätten wie Lassing. Die Berichte darüber, was dort passiert – von Kinderarbeit, Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung bis hin zu Kollaboration mit Militärbehörden; von Umweltkatastrophen rede ich gar nicht –, sind im Internet abrufbar, sie sind wohl dokumentiert, auch Ihnen sind sie zugänglich.

Der Herr Bundesminister hätte an sich in seinem Ressortbereich auch die Verantwortung und die Aufgabe, die Tätigkeit derartiger Konzerne unter die Lupe zu nehmen. Aber sehr scheinen sich die Konzerne davor nicht zu fürchten. (Abg. Schwarzenberger: Das wäre ja dann Rasterfahndung!)

Herr Abgeordneter Schwarzenberger! Das ist nicht sehr lustig. Das hat nichts mit Rasterfahndung zu tun. Ich bin der Meinung – ich weiß nicht, ob Sie anderer Meinung sind –, daß ArbeitnehmerInnenschutzrechte und Umweltstandards einzuhalten sind, und zwar gerade von großen Konzernen, nicht nur von den kleinen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen, daß diese Konzerne global organisiert sind, daß sie ausweichen können, daß sie ihre Geschäftstätigkeit immer dorthin verlagern, wo die Auflagen am wenigsten streng und die Profite am höchsten sind. Gerade deswegen müßte die Politik international zumindest abgestimmt werden, um auf diese Geschäftspraktiken reagieren zu können.

Ein Jahr ist seit der Katastrophe von Lassing vergangen. Inzwischen hat der Bundesminister eine Änderung des Gesetzes vom Berggesetz hin zum Mineralrohstoffgesetz mit vorbereitet. Dieses Gesetz ist von seinen eigenen Leuten von Anfang an sabotiert, hintertrieben und schlechtgemacht worden. Denselben Bergbehörden, von denen er selbst im Zusammenhang mit Lassing gesagt hat: Der eine rennt zur politischen Konkurrenz, der andere rennt zu den Medien, und mich hat keiner informiert!, hat er vertraut – und vertraut ihnen offenbar weiter. Die Zuständigkeit eben dieser Behörden ist prolongiert worden. Zu beurteilen, wie ehrlich und offen diese Behörden jetzt den Minister, der sie quasi abschaffen wollte, informieren, überlasse ich Ihnen.

Wir haben schon wieder einen traurigen Anlaßfall, der dafür spricht, daß diese Behörden noch immer weit eher beschwichtigen, kalmieren, die Ursachen von Schadensereignissen in den Bereich der höheren Gewalt verlagern wollen und nach wie vor mit der Bevölkerung, mit den Gemeinden, mit den Gemeinderätinnen und -räten, mit den Bürgermeistern nicht kooperieren.

Herr Bundesminister! Ich verstehe wirklich nicht, wieso Sie nach all dem, was passiert ist – ich nehme da Bezug auf die Anfrage des Abgeordneten Kräuter –, davon überzeugt sind, daß alles okay ist, obwohl wir ja sehen, daß das nicht der Fall ist.

Sie schreiben in dieser Anfragebeantwortung: "Da der Wirtschaftsminister nunmehr mittelfristig für die technische Kontrolle des gesamten Bergbaugeschehens in Österreich zuständig ist, sind Bedienstete der Berghauptmannschaften ... zugeteilt worden."

Meine Frage lautet: Na und, was ist jetzt geschehen, was ist ein Jahr nach Lassing los? Hat man in Schwaz die alten und die neueren unterirdischen Abbauten exakt vermessen? Haben Sie diese Karten?

Wieso können Sie jetzt angesichts einer sich wieder einmal abzeichnenden Katastrophe – es sind dort bisher, Gott sei Dank!, wenigstens keine Menschen körperlich zu Schaden gekommen; es möge so bleiben – sagen: Das hat mit all dem nichts zu tun!? Was gibt Ihnen diese Gewißheit, wenn Sie so gut wie ich wissen, daß es sehr wohl Gutachten gibt, nach denen es sehr wahrscheinlich ist, daß das Gegenteil der Fall ist?

Ich zitiere das Amt der Tiroler Landesregierung – ich nehme an, daß dort auch keine Panikmacher oder unfähigen Menschen am Werk sind – von Anfang 1995, wörtlich: Man habe in diesem Revier sozusagen nach Gefühl abgebaut. – Ich glaube, diese Worte kennen Sie. Das erinnert uns an die nicht vorhandenen Karten, an die verschollenen Aufzeichnungen von Lassing.

Oder an einer anderen Stelle heißt es hier – ich zitiere das Amt der Tiroler Landesregierung, kein Papier der Grünen –:

Der wirtschaftliche Druck hat die Betreiber des unterirdischen Dolomitabbaus immer mehr dazu veranlaßt, die Dimensionierung der Abbaue wesentlich zu vergrößern. Leider geschah dies ohne geologische und felsmechanische Betreuung und Dokumentation, weitgehend auch ohne markscheiderische Kontrolle. – Zitatende.

Es geht also um wirtschaftlichen Druck wie in Lassing. Mehr und immer mehr soll aus der Natur herausgeholt werden, alles, was nur irgendwie geht.

Es gibt natürlich alte Stollen, Stollen aus dem Mittelalter, etwas jüngere Stollen und die Tätigkeit aus der Gegenwart. – Keine Dokumentation, quasi "nach Gefühl" abgebaut, keine markscheiderische Kontrolle!

Herr Bundesminister! Ich erinnere Sie daran, daß ich Ihnen nachdrücklich gesagt habe, daß der Markscheider die zentrale Sicherheitsfunktion innehat. Der Markscheider muß nicht primär nach innen – dafür ist der Betriebsleiter verantwortlich –, sondern gegenüber der Gemeinde, der Region die Gewähr bieten können, daß jederzeit tagfertige Karten und Unterlagen vorhanden sind und daß nichts passieren kann, mit dem man nach menschlichem Ermessen rechnen könnte. Aber es passiert weiter!

Und was sagen diese Bergbehörden, über die Sie sagen, daß Sie sie jetzt dazugenommen haben, daß Sie jetzt so quasi für alles zuständig sind? – Gerade der Innsbrucker Berghauptmann Mernik ist uns schon im Ausschuß dadurch aufgefallen, daß er Sie falsch informiert hat, was Enteignungen für Schotterwerke betrifft. Sie haben in der Ausschußsitzung gesagt, daß es so etwas nicht gibt. Wir mußten Ihnen damals beweisen, daß es das leider doch gibt, und zwar in Tirol.

Ich frage Sie: Wem haben Sie seit damals mehr vertraut: jenen, die Ihnen damals diese Warnung mit auf den Weg gegeben haben, oder jenen, die Sie nachweislich falsch informiert haben? (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt rutscht der nächste Berg. Wie gesagt, es möge so bleiben, daß wenigstens kein Mensch körperlich zu Schaden kommt – das hoffen wir, darum beten wir. Herr Bundesminister! Aber ich verstehe nicht die Sicherheit, mit der Sie nach all dem, was passiert ist, sagen, das sei höhere Gewalt, das habe nichts damit zu tun – und das, obwohl der Landesgeologe das Gegenteil sagt.

Ich verstehe auch nicht, wieso die ÖVP in solch einer Materie so handelt; das ist kein so riesiger Bereich. Die Zahl der noch tätigen Gruben ist gering, aber auch für die anderen Gruben hat ja dieser Bundesminister seine Zuständigkeit reklamiert. Er wollte das in dieser Übergangsphase so haben, und das kann er jetzt nicht "wegputzen".

Gemäß § 197 Berggesetz beziehungsweise jetzt § 173 Mineralrohstoffgesetz sind die Bergbehörden, jetzt der Bundesminister, immer zuständig, auch bei stillgelegten Gruben, auch für die Stollen aus dem Mittelalter, solange ein Schaden drohen kann. Daß dieser droht, haben die Menschen dort gewußt. Sie haben sich immer wieder an die Behörde gewandt, die Antwort war jedoch dieselbe wie in Lassing (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Verweis auf die höhere Gewalt und das Sich-Abputzen! – Aus der Katastrophe von Lassing nichts gelernt!

Ich fordere vor allem die ÖVP auf: Schauen Sie, daß hier schleunigst etwas passiert, bevor noch mehr passiert! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

15.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Die maximale Redezeit beträgt – so wie bei den folgenden Diskussionsbeiträgen – 5 Minuten. – Bitte.

15.15

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben im Dezember des Vorjahres mit der Beschlußfassung des Mineralrohstoffgesetzes das alte Berggesetz reformiert. Es war allen Beteiligten klar, daß der Weg steinig, gewissermaßen grob geschottert sein wird, und zwar von einer Bergbehörde mit diktatorischen, "verhaberten" Strukturen, einem Staat im Staat, von Leuten mit Metternich-Allüren hin zu einer demokratischen, mit Gemeinde- und Bürgerbeteiligung getragenen Gewinnung von Rohstoffen in Österreich.

Meine Damen und Herren! Meine feste Überzeugung ist, daß das bei gutem Willen, bei Kreativität im Vollzug, bei einer Führung von der Administration her ein Weg ist, der durchaus gangbar ist.

Was sagt der steirische Spitzenbeamte, der Landesamtsdirektor, dazu? – Er sagt, das Gesetz sei unvollziehbar, unpraktikabel. – Das war ja eigentlich auch der Anlaß der gegenständlichen Anfrage.

Herr Minister! Ist das Gesetz unvollziehbar, unpraktikabel? – Ihre Antwort vom 20. Mai war nein. Es sei vollziehbar, praktikabel.

In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 7. Juli aber haben Sie, Herr Minister, wörtlich gesagt: Jetzt geht es um eine Mängelerhebung und dann um eine Novelle. – Also, was gilt jetzt: Farnleitner vom 20. Mai, "vollziehbar", oder Farnleitner vom 7. Juli, "Novelle"? Was gilt: Farnleitner oder Farnleitner? (Abg. Rosemarie Bauer: Wir novellieren eine Menge Gesetze ...!)

Meine Damen und Herren! Die Frage: Farnleitner oder Farnleitner? zieht sich wie ein roter Faden durch das letzte Jahr seiner Ministertätigkeit – und das mit dem letzten Jahr meine ich ausdrücklich und in jeder Hinsicht!

Wie ist das zum Beispiel im Zusammenhang mit Lassing? – Ich zitiere die "Kleine Zeitung" vom 9. August 1998: Minister Farnleitner: Kein Fehler der Bergbehörde. Die ihm unterstehende Bergbehörde habe beim Unglück in Lassing nichts falsch gemacht. – Meine Damen und Herren! Es heißt: nichts falsch gemacht! In der Zwischenzeit stehen mindestens fünf, sechs, sieben Leute vor Gericht. Es finden Voruntersuchungen statt, es drohen Anklagen, fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen – es gilt die Unschuldsvermutung –, und Disziplinarverfahren sind behördenintern eingeleitet.

Meine Damen und Herren! Was gilt also: Farnleitner im Sommer 1998, "nichts falsch gemacht", oder Farnleitner im Sommer 1999, "Disziplinarverfahren"?

Und jetzt bei der Katastrophe in Schwaz in Tirol? – Das Tempo Farnleitner oder Farnleitner hat sich ja noch drastisch erhöht. Am 13. Juli Pressekonferenz, am 13. Juli keine Pressekonferenz – was gilt also, meine Damen und Herren: Farnleitner oder Farnleitner?

Schwaz in Tirol: Nach 20 Stunden läßt sich jemand blicken: Tangiert uns nicht, nicht zuständig, ist normal in Österreich, ist höhere Gewalt, "der Herrgott hat entschieden". – Meine Damen und Herren! Das kennen wir schon von Lassing. Das war die eklatante Fehleinschätzung der Frau Klasnic. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz.) Nicht der Herrgott hat entschieden, sondern Profitgier, Kollege Maitz, Profitgier hat entschieden!

Farnleitner sagt: Wir sind für das Mittelalter nicht zuständig. Die Schwazer haben jahrhundertelang – das ist ja das "Beste"! – vom Bergbau gut gelebt. – Was heißt denn das? Daß es jetzt recht und billig ist, sich ein bißchen erschlagen zu lassen?

Auch der Steuerzahler wirft mit Interesse einen Blick auf Ihr Tun beziehungsweise auf Ihr Unterlassen. Sie sagen: Der Betrieb hat damit nichts zu tun! A priori, nicht untersucht. Und was ist mit dem Ersatz der Schäden? Kommt der Steuerzahler dafür auf? Glauben Sie, daß man dabei mitspielen kann wie in Lassing? Der Konzern verdient und kassiert, und die Menschen, die Arbeiter kommen zu Tode! Entsetzliches Leid der Angehörigen, und der Steuerzahler soll die Rechnung bezahlen?

Die Firma, der Betrieb in Schwaz verdient – die Bevölkerung, die Menschen haben den Schaden? Und der Steuerzahler bezahlt die Rechnung?

Meine Damen und Herren! Zum Schluß: Es wird auch schon von einer großen Novelle des Mineralrohstoffgesetzes gesprochen. Wer aber glaubt – Frau Fekter glaubt das, und Herr Maderthaner glaubt das –, daß Anfang der nächsten Legislaturperiode das Mineralrohstoffgesetz zu Lasten der Bevölkerung geändert wird (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer), wer glaubt, daß Sicherheitsabstände und Schutzzonen verkürzt werden, wer glaubt, daß dem Raubbau an der Natur wieder Tür und Tor geöffnet werden, wer glaubt, daß demokratische Spielregeln zurückgenommen werden, wird auf erbitterten Widerstand der Sozialdemokratischen Partei stoßen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. – Bitte.

15.20

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch meiner Meinung nach gilt es, daß nach den tragischen Ereignissen des 17. Juli des Vorjahres in Lassing zunächst die Demut und die Ergriffenheit über Paragraphen und Gesetzesnovellen zu stehen haben, denn noch immer liegen zehn Kumpel verschüttet im Berg. Obwohl sehr vieles geschehen ist, eingeleitet wurde, obwohl sehr vieles, meine Damen und Herren, verlangt wurde – zum Beispiel internationale Gutachten, die noch nicht vorliegen –, obwohl eine unglaublich große Hilfsbereitschaft anläßlich dieses furchtbaren Katastrophenfalles in ganz Österreich verspürt werden konnte und – das sei nicht verschwiegen – auch offenbar wurde, daß es Mängel, Versäumnisse und Unkoordiniertheiten gab, ist aber eines ganz sicherlich der Fall – das hat der Redebeitrag von Herrn Kräuter gerade heute wieder gezeigt –, daß nämlich solche Anlässe, wie der Felssturz vom Eiblschrofen, ein Lawinenunglück oder ein Brand in einem Tunnel nicht dazu geeignet sind – für niemanden in der Politik, der als Volksvertreter ernstgenommen sein will –, sofort den Schuldigen zu kennen, sofort zu wissen, wo in diesem Falle der Felsen springen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Der Minister, der weit weg vom Ort des Geschehens ist, kann nicht wissen, wo ein Auto in einem Tunnel stehen bleibt, ob ein Autofahrer auf seinen Vordermann auffährt oder was ein LKW gerade zu einer bestimmten Zeit geladen hat. Das, bitte sehr, ist nicht der richtige Weg! Sicherlich ist noch über vieles zu reden, meine Damen und Herren!

Der Antrag 1170/A und diese Anfrage des Kollegen Kräuter gehen ja in Richtung des MinroG – als Gesetzesreparatur oder Novelle –, weil sich herausgestellt hat, daß die obersten Gerichte der Firma in Lassing recht geben und sie von der Verpflichtung zur Bergung freisprechen. Die Politik handelt hier eben; das Kanzlerwort, das Ministerwort und das Wort der Frau Landeshauptmann – und das ist ein gutes Wort, Herr Kollege – haben Gültigkeit, und die Leute wissen, was gesagt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Man muß Verantwortliche politisch erfassen können. Man muß sie belangen können. Daher wird diese Novelle eine Hilfe sein. Der Spruch des Obersten Gerichtshofes ist vor nicht allzu langer Zeit gefällt worden, als daß man schon wieder Minister Farnleitner beschuldigen könnte, daß er vorher hätte wissen müssen, wie die obersten Richter entscheiden würden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner.) – Jawohl, es gibt für alles Verantwortliche. Viele Verantwortliche gibt es. Sicherlich, keine Frage! Über diese Verantwortlichkeiten werden wir auch noch sprechen. (Abg. Dr. Khol – in Richtung der Freiheitlichen –: Für die Gesetze sind wir verantwortlich!)

Meine Damen und Herren! Ich sehe drei Bereiche. Der erste Bereich ist, daß wir verantwortlich dafür sind, Gesetze zu machen. Wenn die gesetzliche Grundlage nicht reicht, müssen wir Novellen beschließen. Das soll jetzt geschehen.

Die zweite Verantwortung steht in der Vollziehung. Herr Minister Farnleitner und sein Team sind gefordert, selbstverständlich aufgrund des Gesetzes und der anstehenden Novellierung auch zu handeln und das Ganze in die Wege zu leiten.

Meine Damen und Herren! Auf politisch rechtlichem Wege ist es dann möglich, das umzusetzen. Aber seien wir doch einmal selbst ein wenig ehrlich und ein bißchen demütig, meine Damen und Herren – auch vor der Schöpfung demütig! Wir dürfen uns nicht anmaßen, daß wir Menschen im vorhinein wissen können, wo was wie passieren wird. Solange die Welt steht, wird es immer unergründbare Fälle geben, warum und wie das Schicksal zuschlägt. Da ist nicht immer irgendein Minister zuständig – egal, von welcher Partei –, und nicht irgendwelche Oppositionelle. Diese haben ohnehin wenig Verantwortung. Auch das muß hier gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich führe einen weiteren Aspekt an. Die Frage ist: Wie geht man damit um, und haben Leute sogar Interesse daran, daß es solche Unglücke gibt? Schauen wir uns die Situation an! Solche Ereignisse sind Zeitungsfüller, sind Sommerthemen. Ich hinterfrage in diesem Zusammenhang auch den Journalismus kritisch. Ich frage kritisch: Warum sollen die Oppositionellen, aber leider Gottes auch Herr Kollege Kräuter, immer so schnell schon im vorhinein alle Schuld kennen?

Warten wir ab! Bis jetzt passiert meiner Meinung nach leider alles viel zu spät. Nach einem Jahr liegen die Gutachten noch nicht vor. Nach einem Jahr gibt es noch keine Richtersprüche, aber es ist alles im Gange. Dann werden wir ja sehen, wo die Verantwortlichkeit, Zuständigkeit und auch entsprechende Lösungskompetenzen liegen.

Nun möchte ich folgendes zu dieser Anfrage sagen. Jetzt läuft es in Lassing auf die Bergung hinaus. Die Familien schreiben an die Regierung, es soll geborgen werden. Der Bürgermeister verkündet schon, er könne sich diesbezüglich auch ein Denkmal vorstellen.

Meine Damen und Herren! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Eines ist notwendig – ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident –: Ehrlichkeit! Man muß mit den Betroffenen reden und klären, ob man bergen kann, ohne neue Menschenleben zu gefährden. Kann man nicht bergen, muß man auch mit den Menschen besprechen, was dann geschehen soll. Ehrlichkeit ist angesagt, meine Damen und Herren! Das wird es sein, worauf die Menschen warten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Ja, ja!)

15.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.26

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal Lassing. Herr Bundesminister, eine Zeitung richtet Ihnen aus: Und ist der Ruf einmal ruiniert, dann lebt es sich damit ungeniert. (Abg. Dr. Khol: "Künftig" heißt es im Zitat! Wilhelm Busch!) Sie wissen, wie sich das fortsetzt. In diesem Stil handeln Sie in letzter Zeit. Ich wundere mich, welche Reaktionen es auf die Bedrohung in Tirol von Ihrer Seite gegeben hat. Kurz gesagt: nichts! Leermeldung, Herr Bundesminister, bezüglich dessen, was in Schwaz droht. Warum sind Sie nicht in Ried? Wo sind Ihre Einsatzkommandos?

Sie haben uns ja im Rahmen der Berichterstattung am 17. September 1998 mitgeteilt, daß Sie unmittelbar die mobilen Einsatztruppen des Krisenmanagements zur Krisenkommunikation und die Presseverantwortlichen zusammenrufen würden, denn das sei Ihre Aufgabe.

Sie sagten, eine der notwendigen Konsequenzen dieser ersten Analyse von Lassing habe Ihres Erachtens die Etablierung einer Ausbildung für Krisenmanagement zu sein. Professor Wagner von der Montanuniversität habe ein Konzept erarbeitet. Sie würden es umsetzen. Ein Universitätslehrgang für Krisenmanagement werde noch in der ersten Hälfte des Jahres 1999 eingerichtet.

Ich darf annehmen, daß diese Einsatztruppe nun in Tirol ist. Ich darf annehmen, daß das Krisenmanagement erledigt ist – oder irre ich mich, verehrter Herr Minister? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich spreche deshalb besonders locker und leicht zu diesem Thema, weil wir Freiheitlichen uns ja konstruktiv beteiligt haben. Herr Bundesminister! Es ist nicht so, daß wir in dieser Frage von Beginn an ein reines Oppositionsverhalten an den Tag gelegt hätten. Ich habe im Ausschuß einen Entschließungsantrag betreffend ein Sicherheitspaket eingebracht. Mir wurde von allen Fraktionen bescheinigt, wie gut und klug das sei, nur reiche eben die Zeit nicht aus, daß man das noch in dieser Legislaturperiode umsetze.

Dann bleiben wir eben weiter ehrlich, Herr Bürgermeister Kröll. Bleiben wir ehrlich! Warten wir! Schauen wir, was dort oder da geschieht, was die Bedrohung in Tirol macht, wie es in Lassing weitergeht! Ehrlich sein und ehrlich bleiben, das allein reicht nicht aus. Man muß auch reagieren! Und die Reaktion fehlt!

Das Berggesetz, das eigentlich hier zur Debatte steht, wird in den Medien als "unvollziehbarer Wirrwarr" bezeichnet. Mein Bezirkshauptmann aus Leoben beklagt sich in der gestrigen Ausgabe des "Kurier", daß es einfach unvollziehbar ist. Er sei willens, die Agenden zu übernehmen, darf aber die Experten der Bergbehörde nicht einsetzen, das ist verboten. Er darf die Akten nicht bekommen, weil diese in der Bergbehörde bleiben müssen. Dieselben Akten werden nur dann ausgehändigt, wenn der zuständige Minister – und das sind Sie in der Zwischenzeit, Sie haben sich diese Agenden auf Ihren Schreibtisch geholt – dazu sein Placet gibt.

Lassing – eine juristische Nachlese. Ich habe Ihnen im Ausschuß Professor Heinz Mayer zitiert. Es ist ja wirklich ein Trauerspiel, wenn hier gesagt wird, daß das MinroG als Anlaßgesetzgebung alles andere getan hat, nur nicht auf den Anlaß eingegangen ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlaß, der mit Lassing gegeben war, findet im MinroG keinen Eingang – vom Sicherheitsaspekt einmal völlig abgesehen. Wenn Lassing heute passieren würde – wir wünschen uns alle mit Frau Petrovic, daß jetzt in Schwaz keine Menschen zu Schaden kommen, aber als Vergleichsfall: Es ist noch immer keine Vorsorge getroffen worden, weder in rechtlicher noch in organisatorischer Hinsicht.

In rechtlicher Hinsicht, Herr Bundesminister, werden wir Ihnen helfen. Wir helfen Ihnen bei einer Reparatur, daß man zumindest das, was der Herr Bundeskanzler schon im September vorigen Jahres großspurig angekündigt hat, durchführt. Klima meinte, die Bergung sei dem Rechtsweg folgend dem zuständigen Unternehmen, den Naintsch Mineralwerken zugeordnet worden. – Dem Rechtsweg folgend! Haben Sie gemerkt, was aus diesem Rechtsweg geworden ist? – Aufgehoben hat man Ihren Bescheid, weil er eben nicht rechtskonform war! Und jetzt waschen alle ihre Hände in Unschuld, jetzt wird hin- und hergeschoben.

Herr Bundesminister! Bei der Reparatur helfen wir Ihnen, wie wir Ihnen auch helfen, aus diesem Gesetz noch etwas einigermaßen Brauchbares zu schmieden. Herr Kräuter aber meint, daß diese diktatorisch verpackelte Struktur mit ein Grund dafür sei, daß jetzt mit diesem Gesetz nichts weitergegangen ist. Ich meine, diese "Lex rossa", diese "Lex Lassing" (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) trägt eine diktatorisch verhaberte, rote Handschrift. Es darf kein diesbezügliches Monopol für die rote Reichshälfte geben, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (fortsetzend): ... um verhaberte Strukturen aufzubauen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Auch ein Professor ist lernfähig!)

15.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

15.31

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Da es konkret um eine Anfragebeantwortung geht, die den Vollzug des neuen Mineralrohstoffgesetzes betrifft, möchte ich festhalten, daß diese nicht informativ ist, vor allem deshalb nicht, weil ich mittlerweile von Betroffenen, sowohl von Beamtinnen und Beamten als auch von Unternehmerinnen und Unternehmern, gehört habe, daß das, was den Bezirksverwaltungsbehörden letztlich mit dem Mineralrohstoffgesetz aufgeladen wurde, schlicht und einfach nicht bewältigt werden kann.

Insofern ist diese Anfragebeantwortung (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger), Herr Abgeordneter Puttinger, in Wirklichkeit der nächste "PR-GAU" des Herrn Bundesministers, weil sich heute das von der Informationstätigkeit des Wirtschaftsministeriums her zu wiederholen beginnt, was wir bereits bei Lassing erlebt haben, daß man nämlich erkennen muß, daß nach wie vor eine gewisse Arroganz der Macht bei den Bergbehörden liegt, daß Personen, die kritisch in ihren Äußerungen sind, schlicht und einfach von der Teilnahme an Begutachtungen und Beobachtungen und ähnlichem mehr ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund muß man letztlich die Forderung der Opposition erneuern: Für den Bereich der Bergbehörden – das sage ich gerade auch in Richtung des Herrn Abgeordneten Kräuter – ist ein Untersuchungsausschuß einzusetzen.

Sie werden nämlich auch nicht eine neuerliche Änderung des Mineralrohstoffgesetzes in zufriedenstellender Art und Weise durchführen können, wenn nicht endlich das aufdeckt wird und einmal auf den Tisch kommt, was in der Bergbehörde an Verfilzungen und an jahrzehntelang gelebten Verbindungen – Herr Abgeordnete Kräuter nennt es "Verhaberungen", ich nenne es "Verbindungen" – vorhanden ist. Man muß die Fakten einmal auf den Tisch bringen. Das wird aber mit Gerichtsverfahren, wie es sie im Falle Lassing gibt, nicht möglich sein, denn da wird es um andere Fragen gehen. Die politische Verquickung wird nur mit Hilfe eines Untersuchungsausschusses aufgezeigt werden können.

Ich fürchte, daß wir, wenn sich die Ereignisse in Schwaz so weiterentwickeln, solch einen Untersuchungsausschuß aus diesem Anlaßfall noch einmal fordern müssen, denn, meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister beweist mit dieser Anfragebeantwortung, daß ihm in dieser Materie offenbar nicht daran gelegen ist, daß er die Beamtinnen und Beamten seines Hauses ein wenig in den Griff bekommt, daß es nicht so weitergehen kann, wie es derzeit der Fall ist. Sie haben mit der Änderung des Mineralrohstoffgesetzes zwar eine Entlastungsoffensive auf politischer Ebene geführt, aber Sie haben damit keinesfalls die Sache zum Besseren gewendet.

Herr Abgeordneter Kräuter, wenn Ihnen das, was Sie gesagt haben, wirklich ernst ist, dann sollten wir darüber reden, wie eine Untersuchung, eine politische Untersuchung dieser Behördenstrukturen durch den Nationalrat in nächster Zukunft durchgeführt werden kann. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte.

15.34

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht das erste Mal – und ich fürchte, es wird nicht das letzte Mal sein –, daß wir mit dem Themenbereich Naturkatastrophe, Bergwerkunglück, Mineralrohstoffgesetz und vor allem mit dem Bereich politische Verantwortung, politische korrekte Vorgangsweise und politische Konsequenzen zu tun haben. Herr Minister, es ist eindeutig und klar geregelt: Sie sind in diesen Belangen des Bergrechtes, des Mineralrohstoffgesetzes die erste und letzte Instanz. Sie tragen die politische Verantwortung – ganz egal, welche Landesbehörde, welche Bezirksbehörde oder welche Polizeibehörde eingeschaltet ist. (Beifall bei den Grünen.)

Vor diesem Hintergrund sind Ihre Äußerungen zu bewerten; und vor diesem Hintergrund sind auch die Konsequenzen zu bewerten, die letztlich auch legistischer Natur sind. Vor diesem Hintergrund werden wir auch jetzt Fragen an Sie stellen, Fragen, von denen ich hoffe, daß Sie auf diese eingehen werden.

Zum ersten: Sie haben es nach wie vor, obwohl Sie zuständig sind, im Fall Lassing alleine dem Inhaber, diesem Weltkonzern Rio Tinto überlassen, die entsprechenden Entschädigungen zu zahlen und die Bergungskosten zu tragen. Sie haben das dem Konzern überlassen, und der putzt sich ab. Dieser Weltkonzern – Direktor Talmon äußerte das ja sehr eloquent, sehr korrekt oder auch sehr nüchtern – sagt, es ist ihm Wurscht, die Bergleute liegen da unten, er macht heroben seine Gewinne. – Diese Gewinne betrugen laut Internet 1 Milliarde Pfund im Jahre 1998. Das ist Gewinn, Vorsteuergewinn! Umsatz: 4 Milliarden! Und so ein Konzern schleicht sich aus der Verantwortung. Sie lassen das auch noch zu, das ist nun einmal so. – Das ist das eine.

Das zweite ist viel aktueller. In Tirol zum Felssturz in Schwaz sagen Sie, Herr Minister, das sei eine "Naturkatastrophe". Das sagen Sie einfach so locker, obwohl Sie gar nicht direkt gefragt worden sind. Sie lassen nicht zuerst Untersuchungen vornehmen, sondern Sie sind prophetisch, Sie nehmen das eben vorweg und sagen: Meine Güte, im Mittelalter ist darunter abgebaut worden, seit dem Mittelalter sind Jahrhunderte vergangen, und jetzt haben wir sozusagen das nachzuzahlen oder die Konsequenzen davon zu tragen, woraus unsere Vorfahren immerhin Silbergeld gewannen. (Abg. Dr. Niederwieser: Die Leute haben gar nichts davon gehabt!) – Sie wissen das. Ja, gut. Sie haben einen Überblick. Ich bewundere Sie, aber es ist verantwortungslos, in dieser Art und Weise in der Öffentlichkeit zu formulieren, ohne daß man die entsprechenden Instrumentarien, die einem als Minister zustehen, auch benützt hat. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte einmal festhalten, daß dieser Felssturz nicht der erste ist. Es hat bereits im Jahre 1993 einen ähnlichen, einen insgesamt noch größeren Vorfall gegeben. Da hat man auf die Frage, ob zwischen dem Dolomitabbau und dem Pingeneinsturz ein ursächlicher Zusammenhang besteht, eine Institution eingeschaltet, die das untersucht hat. Die Landesbaudirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung, die Landesgeologie untersuchte das. Das Gutachten, das erstellt wurde, wies insgesamt vier Fehler nach. Vier Fehler, die auch jetzt wahrscheinlich wieder zu vermerken sind, aber Sie schließen Fehler ja aus! 1993 wurden sie jedoch festgestellt.

Fehler eins: Die Abbaukessel für Dolomit seien zu groß.

Fehler zwei: Der Abbau wurde bereits zu nahe an den inkompetenten Porphyritschiefer herangeführt.

Fehler drei: Der "Abbau 1" erreichte in seinem Endzustand die Nähe von tektonisch erstrangigen Großstörungen.

Und Fehler vier: Es seien auch die aus dem Erzabbau bestehenden Hohlräume zu wenig berücksichtigt worden.

Da hat es ein Gutachten gegeben, in dem das festgestellt wurde. Aber Sie, Herr Minister, sagen jetzt und heute: Es war die Natur oder es war das Mittelalter. Die Gutachter – das sage ich jetzt dazu – interessieren Sie offensichtlich nicht. Und das ist meiner Ansicht nach der politische Skandal! Darum stelle ich hier und heute jetzt konkrete Fragen an Sie.

Angesichts der Tatsache, daß Dolomit einerseits zumindest bis zum Mineralrohstoffgesetz nicht nur dann zu den grundeigenen Stoffen gezählt wurde, soweit er sich zur Herstellung feuerfester Erzeugnisse eignet, sondern andererseits das Schwazer Material nachweislich im Straßenbau zum Einsatz kam, stellt sich eben die Frage, Herr Minister: Aufgrund welcher gesetzlicher Bestimmungen lag der zumindest seit 1957 ausschließliche Dolomitabbau in der Zuständigkeit der Bergbehörde? Wieso? – Eine Antwort bitte!

Noch eine Frage: Wie wurde die besondere Eignung des Dolomits nachgewiesen beziehungsweise die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde wegen Vorliegen eines der Gewerbeordnung unterstehenden Mineralrohstoffes ausgeschlossen, Herr Minister? Warum? (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Die letzte Frage und damit auch der Schlußsatz: Welche Rolle spielt die Untertägigkeit des Abbaus im Sinne des Berggesetzes beziehungsweise des Mineralrohstoffgesetzes für die Beurteilung der Zuständigkeit? – Das sind die Fragen. Bitte geben Sie eine Antwort! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

15.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das trifft sich gut. Der Herr Bundesminister hat sich zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

15.40

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zunächst mit der Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Kräuter beginnen.

Was soll denn der zuständige Minister antworten, wenn ihn ein Abgeordneter fragt, der am Gesetz mitgearbeitet und diesem zugestimmt hat, ob er das Gesetz für vollzugsfähig hält? Hätte ich mit einem Nein antworten sollen? Gehen Sie nicht alle davon aus, daß sich ein Bundesminister, der ein Gesetz von Ihnen vorgelegt bekommt, bemüht, es umzusetzen? Das haben wir getan. Wir haben die Organisationsstruktur verändert, haben Dutzende Seminare abgehalten, sind zu Bezirkshauptmannschaften und Gewerbehörden ins Land gefahren und haben trainiert, gebildet; wir haben die erforderlichen Kompetenzklarstellungen getroffen. Hätte ich damals auf Ihre Anfrage geantwortet, daß die hier im Hause weit weg von den Vorstellungen meines Hauses getroffene Richtungsentscheidung im Mineralrohstoffabbau unvollziehbar ist, hätte ich mir wahrscheinlich etwas anhören können.

Ich stehe dazu: Ein Gesetz, das mir dieses Hohe Haus gibt, ist von meinem Ressort zu vollziehen. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn es Insuffizienzen gibt, dann werden wir darüber reden. Das wird zu begutachten sein. Dahin gehend hat man sich in der letzten Ausschußsitzung hier im Hohen Hause auch verständigt, daß das, was an rechtstechnischen Problemen zwischenzeitig – siehe Gutachten Universitätsprofessor Heinz Mayer – aufgetaucht ist, tatsächlich bald zur Diskussion gestellt wird. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt. Zur Erreichbarkeit der Behörde, zu den 20 Stunden. Wenn man die richtige Behörde angerufen hätte, wäre die richtige Behörde auch gleich zur Stelle gewesen. Ich muß mich nicht dafür entschuldigen, daß ein nicht mehr kompetenter Berghauptmann gesucht wurde, während die Montanbehörde in Wien erst am Sonntag, etwa einen Tag nach dem Vorfall, angerufen wurde und wir via Handy sofort alle erreichbar waren und der zuständige geologische Experte, der angefordert wurde, auch gleich Richtung Westen geflogen ist. Wo da eine Nichterreichbarkeit gesehen wird, das bitte ich mir zu erklären! Dafür, daß falsche Adressen angegeben werden, sind wir wohl wirklich nicht verantwortlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein dritter Punkt, weil wir notwendigerweise beide Unglücksfälle aus der letzten Zeit besprechen müssen. Wir haben einen Bergebescheid für Lassing erlassen. Wir haben uns mit dem Betrieb in diesem Punkt angelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat gesagt, daß das alte Berggesetz keine Basis für einen Bergebescheid bildet. Daher war meine Bitte an die Klubs, das Gesetz zu korrigieren. Ich sehe keinen Grund, mich bei irgend jemandem zu entschuldigen. (Abg. Dr. Grollitsch: Das ist ja unglaublich!)

Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, daß der alte § 213 keine Basis für einen Bergebescheid bildet. Wenn wir daher nichts tun, dann passiert auch nichts. Man sollte eigentlich zu dem stehen, was man politisch zugesagt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Situation in Tirol. Was immer aus meiner Pressekonferenz im ORF-"Abendjournal" geschnitten wurde, ich stelle klar: Ich habe die Pressekonferenz damit begonnen, daß ich unsere Verantwortung für die derzeit bestehenden Bergbaue sehr wohl definiert habe. Ich habe gesagt, es hat nach dem Pingeneinbruch 1993 ein Gutachten des Büros Lesser/Feitzlmayr gegeben, das eine Sache für Tirol deutlich herausgestellt hat – ich darf daraus kurz zitieren –: daß in diesem Bereich Eiblschrofen aus verschiedenen Gründen – auch diese werde ich gleich nennen – erhöhtes Einsturzrisiko, direkte Felsbruchgefahr besteht. Als Gründe wurden angeführt die geologische Formation an sich, alte Bergbaue, der bestehende Bergbau und als vierter Punkt noch die aus der Geschichte überhängenden Felshänge. – Das waren die vier Gründe. Das wurde 1996 präsentiert. Dann gab es eine Fülle von Briefen aus dem Land, aus dem Bezirk, von Beteiligten, Interessenten und Betroffenen.

Da eben auch der bestehende Dolomitunterbergbau angeführt wurde, gab es ein Folgegutachten von Professor Schubert von der TU Graz, der herausstellen sollte: Gibt es eine Mutmaßung betreffend den untertägigen Abbau von Dolomit, der deshalb bei der Bundesbehörde ist, weil es nach dem damals geltenden Gesetz auf die Eignung von Dolomit und nicht seine Verwendung ankommt? Das zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Moser: Auf die Eignung und nicht auf die konkrete Verwendung kommt es an. Daher wurde jetzt dieses zweite Gutachten in Auftrag gegeben. Seither ist der Unterbergbau Dolomit eines der am strengsten kontrollierten Abbauwerke in Europa überhaupt. Es sind drei Unabhängige, die hier regelmäßig kontrollieren. Das ist auf der einen Seite Professor Schubert aus Graz, auf der zweiten Seite Professor Wagner, auf der dritten Seite die Bundesanstalt für Geodynamik. Da wird regelmäßig versucht, aufzuschlüsseln, ob ein Zusammenhang zwischen unten und oben besteht.

Dieses Gutachten von Professor Schubert war vor wenigen Wochen diskussionsreif fertig. Es hat dann im Mai ein Gespräch in Tirol auch mit Vertretern der Gemeinde vor Ort gegeben, bei dem der Landesgeologe noch drei Ergänzungswünsche geäußert hat, die in der Zwischenzeit eingearbeitet werden. Das Endgutachten von Professor Schubert wird in wenigen Tagen vorliegen. Das, was bisher für mich klar war, worauf ich mich auch gestern im Fernsehen bezogen habe, ist, daß nach menschlichem Ermessen ein Zusammenhang zwischen dem untertägigen Abbau und dem, was sich jetzt oben ereignet, nicht hergestellt werden kann, wenn sich in den nächsten Tagen an diesem Gutachten nichts ändert.

Daher: Ich habe nicht etwas gemutmaßt oder georakelt, sondern ich habe das, was mir an Informationen zur Verfügung stand, pflichtgemäß weitergegeben.

Eine letzte Bemerkung: Meine Damen und Herren! Wir diskutieren sehr oft die Frage, daß natürlich Berghaftung nur dann anwendbar ist, solange es noch einen Bergbaubetreiber oder eine Nachfolgeperson gibt. Solches ist uns für den Fall des mittelalterlichen Abbaus in Schwaz nicht bekannt. (Abg. Dr. Niederwieser: Die Habsburger!) Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Das ist eine simple Feststellung, und nach der jetzigen Rechtsinterpretation, die auch mein Haus teilt, die uns auch gesagt wurde, ist in diesen Fällen die Verantwortung längst auf die Region, auf die Gemeinde übergegangen, da es sich nicht mehr um einen Bergbau handelt und auch kein ehemaliger Betreiber mehr vorhanden ist, den man dafür haftbar machen könnte.

Daher der Rückkehrschluß nochmals zum Ereignis in der Steiermark: Für uns ist der haftbare Betrieb Naintsch. Naintsch seinerseits ist wieder eine Tochter von Luzenac Frankreich. Luzenac wiederum ist eine Tochter der englischen Muttergesellschaft. Das heißt in jedem Fall, daß uns als Verhandlungspartner, als Kontrahent das österreichische Unternehmen gegenübersteht. Da helfen mir keine Internetauszüge, sondern ich habe es mit dem konkreten österreichischen Unternehmen zu tun.

Ich füge hinzu, daß gerade wir, die Österreicher, es waren, die bei der letzten WTO-Konferenz – wie auch bei der kommenden – gerade auf die Frage der Einhaltung der "Core-labour-standards" hingewiesen haben und dabei auf erheblichen Widerstand bei manchen Kollegen in der EU gestoßen sind. Das wird auch unsere Linie in der kommenden Verhandlungsrunde sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Damit haben wir die Besprechung der Anfragebeantwortung durch den Herrn Wirtschaftsminister durchgeführt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 5908/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zu einer weiteren Kurzdebatte. Sie betrifft die Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Ordnungszahl 5908/AB.

Auch in diesem Fall ist die schriftliche Anfragebeantwortung im Saal verteilt worden; es erübrigt sich daher eine Verlesung.

Wir können gleich in die Debatte eingehen, die nach den gleichen GO-Bestimmungen vor sich geht. Das heißt, Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé erhält das Wort für eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

15.49

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Als die Einführung des Pflegegeldes beschlossen wurde, war das sicher ein großer Schritt vorwärts für die Behinderten, die ja damit erstmals finanzielle Unterstützung bekommen haben. Das Pflegegeld verbesserte aber auch schlagartig die finanzielle Situation der Länder.

Jene Pflegebedürftigen, die in einem Heim untergebracht waren beziehungsweise sind, müssen ja 80 Prozent der Pflegevorsorge, die ihnen zusteht, sofort abliefern. Das heißt, das Geld ist ihnen gar nicht in die Hand gegeben worden, sondern es ist sofort den Heimen, die das Land betreibt, zugekommen. Das heißt also, man hat etwas in eine Tasche hineingesteckt und aus der anderen Tasche wieder herausgenommen. Zwischendurch hat man sich beweihräuchert und gesagt, wie großartig die Einführung der Pflegevorsorge ist und wieviel man für die Behinderten getan hat.

Es ist immer wieder verschwiegen worden, daß die Länder bei Einführung der Pflegevorsorge ganz ordentlich kassiert haben. Konkret weiß ich das von Vorarlberg. Dort sind es ungefähr 40 Millionen Schilling, die sich das Land durch die Pflegevorsorge erspart. In Wien werden es ungefähr 80 Millionen Schilling sein, die dem Land zugute kommen. Vor Einführung der Pflegevorsorge war es nämlich Ländersache, Heime zu betreiben oder privaten Heimträgern aus Landesmitteln eine Unterstützung zu geben.

Unsere Anfrage beschäftigte sich mit der Frage: Wie kann kontrolliert und sichergestellt werden, daß diese enorm hohen Geldbeträge, die nunmehr den Ländern für das Betreiben der Heime zur Verfügung stehen, so eingesetzt werden, daß den Pflegebedürftigen ein hoher Qualitätsstandard zur Verfügung gestellt wird?

Wir sind sehr enttäuscht gewesen, als wir die Anfragebeantwortung erhalten haben, denn die Frau Ministerin hat über unsere Anfragen – über unsere zwölf Anfragen! – nur sehr kursorisch und pauschal drübergewischt. Ich habe den Eindruck beziehungsweise den Verdacht, daß sie gar nicht gewußt hat, worum es uns eigentlich geht.

Frau Ministerin, wir haben ganz konkret gefragt, an welchen internationalen Qualitätsstandards Sie unsere Pflegeheime messen. Es gibt ja bereits eine internationale Norm: Länder, die in der Pflege der Alten und Behinderten bereits weiter fortgeschritten sind als Österreich, haben eine Norm entwickelt; diese heißt ISO 9000. In ihr sind die Qualitätskriterien verzeichnet. Darauf hat sich unsere Anfrage bezogen: Wie steht es in Österreich mit der Einhaltung dieser internationalen Qualitätsnormen?

Sie haben sich in Ihrer Anfragebeantwortung auf die Pflegevorsorgevereinbarung berufen, die zwischen Bund und Ländern abgeschlossen wurde. Aber zum ersten ist das nicht das, was wir meinen, Frau Ministerin. Und zum zweiten möchte ich Ihnen auch zu bedenken geben, daß nicht einmal alle Bundesländer Österreichs diese Pflegevorsorge-Vereinbarung unterschrieben haben. Nicht alle Bundesländer haben diesen Artikel-15a-Vertrag unterschrieben. Was soll man eigentlich davon halten, wenn eine Pflegevorsorgevereinbarung zwischen Bund und Ländern zwar ausgehandelt wird, aber danach der Großteil der Bundesländer diese nicht einmal unterfertigt?

So hat beispielsweise Wien diesen Artikel-15a-Vertrag nicht unterschrieben, denn Herr Stadtrat Rieder – er gehört ja Ihrer Partei an, Frau Minister – sagt immer: Das brauchen wir nicht! Obwohl die Freiheitlichen schon etliche Male Anträge eingebracht haben, um sicherzustellen, daß auch in Wien die Heime, die vom Land betrieben werden, diesen Qualitätskriterien – also wenigstens jenen dieser Pflegevorsorgevereinbarung – entsprechen, hat Herr Rieder ganz einfach gesagt: Das brauchen wir alles nicht – und dies, obwohl es keineswegs so ist, daß alle Heime in Wien einen Superstandard hätten. Ganz im Gegenteil: Im "Geriatriezentrum Wienerwald" – so heißt es jetzt, früher hat es "Pflegeheim Lainz" geheißen – hat man offenbar geglaubt, mit einer Namensänderung auch die Qualität verbessern zu können. Es heißt zwar jetzt "Geriatriezentrum Wienerwald", aber es gibt dort nach wie vor Achtbettzimmer, sehr geehrte Frau Ministerin!

Ich selbst habe in einem Heim eine sehr traurige Erfahrung gemacht, und zwar folgende: Im Eingangsbereich dieses Altenheimes waren Sessel aufgestellt. Es ist üblich, daß dort die alten Leute sitzen. Da sie nichts anderes zu tun haben, schauen sie immer auf die Eingangstüre – Stunde für Stunde, Tag für Tag. Ich habe einmal auf jemanden gewartet und habe mich auf einen dieser Sessel gesetzt. Wissen Sie, was mir passiert ist? – Ich bin auf dem Rahmen gesessen, weil die Polsterung nicht mehr existiert hat – die war bereits durchgesessen! Es war nur noch ein Stück Kunststoff darübergespannt, ganz locker, und die alten Leute sind, ähnlich wie auf einer Klobrille, auf dem Sesselrahmen gesessen! Das ist nur ein kleines Beispiel dafür – das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte –, wie traurig es sein kann, wenn ein alter Mensch hilflos dem ausgeliefert ist, was ihm geboten wird.

Oder: Es gibt alte Menschen, die in einem Heim untergebracht sind und jahrelang nicht ins Freie kommen, die jahrelang immer nur in einem Achtbettzimmer oder Vierbettzimmer – das ist eigentlich schon egal – sitzen und überhaupt nie mehr wieder auch nur annähernd am Leben teilnehmen, nicht einmal ein bißchen frische Luft schnappen können.

Oder: Mir hat ein Kollege über einen Angehörigen in einem Altenheim erzählt. Dort funktioniert es manchmal nicht mit dem Personal – ich gebe schon zu, daß das Personal wirklich sehr viel leisten muß. Im betreffenden Heim passiert es immer wieder, daß dem alten Menschen der Teller mit dem Essen einfach nur hingestellt wird. Weil das Personal nicht genügend Geduld oder nicht genügend Zeit hat, füttert es den alten Menschen aber nicht! So hat dieser nur die Aussicht, entweder zu verhungern oder auf das nächste Essen am Abend und auf eine freundlichere Schwester zu warten, die ihm dann das Essen in den Mund steckt. Das alles passiert!

Ich habe bereits erwähnt, daß ich zugebe, daß das Personal enorm gefordert wird. Es ist aber unsere Pflicht, darauf zu achten, daß alles unternommen wird, damit es nicht zu solchen Mißständen kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen meinen, daß mit ganz strengen Qualitätsvorschriften, mit der Einführung ganz strenger Qualitätsstandards solche Mißstände, wie es sie immer noch gibt, vermieden werden könnten. Ich gebe schon zu, daß in baulicher Hinsicht sehr viel geschehen ist. Ich glaube aber, jetzt müßte das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, das geeignete Personal aufzutreiben, es gut zu bezahlen und auch so zu stimulieren und sensibilisieren, daß es auch wirklich das maximal Mögliche für die alten Menschen tut. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht nur alte Menschen sind immer noch Opfer von schlecht geführten Pflegeheimen, sondern auch behinderte Menschen – und das sind oft junge Menschen. Zudem wissen wir, daß Sie von den Koalitionsparteien in wirklich verantwortungsloser Weise diese Menschen im Zuge Ihres Sparpaketes auf ein Taschengeld von 500 S gesetzt haben – das möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit auch noch einmal vorhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, Frau Ministerin, in diesem Bereich wäre es ebenfalls dringend notwendig, daß Sie unserer Forderung nach Qualitätsrichtlinien nachkommen. Gerade in den Behinderteneinrichtungen gibt es Dinge, die man heutzutage nicht mehr für möglich halten würde: Es gibt ungeschultes Personal, das nicht einmal weiß, wie ein behinderter Mensch, beispielsweise ein Autist, zu behandeln ist. Es gibt eklatante Raumnot, insbesondere auch in den privaten Heimen. Ich bin dafür, daß es private Heime gibt, aber diese stehen selbstverständlich unter einem doppelten Kostendruck. Da muß es noch mehr Vorgaben geben.

Es gibt also genügend Gründe, Qualitätsrichtlinien in Österreich einzuführen, die den internationalen Standards entsprechen. Ich meine, Sie sollten die entsprechenden internationalen Normen nicht so ignorieren, Frau Ministerin, wie Sie das in Ihrer Anfragebeantwortung getan haben. Sie sollten stattdessen näher darauf eingehen und auch einmal Ihre Beamten darauf aufmerksam machen, daß es eine solche internationale Qualitätsnorm gibt.

Folgendes möchte ich Ihnen auch noch sagen: In den Haftanstalten – wenn ich diese zum Vergleich heranziehen darf – fürchtet man bereits dann, wenn eine Glühlampe ohne Korb oder ohne Vertiefung angebracht ist, daß die Menschenrechtskommission kommt und Österreich deswegen rügt. Da wird alles getan, um den Menschenrechten Genüge zu tun. Bei den alten Menschen, bei den behinderten Menschen aber glaubt man, man könne ein bißchen laxer sein, bei ihnen braucht man nicht alles so genau zu beachten, weil es für sie keinen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gibt. Zudem gibt es meistens auch keine Anverwandten. Den Betroffenen selbst, den kann man sowieso vergessen, weil er meistens nichts mehr hört und nichts mehr sieht. – Aber er fühlt noch etwas! Auf dieses Gefühl, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir die Pflicht einzugehen und dafür zu sorgen, daß es diesen Menschen besser geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietachmayr. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mit der Neuordnung der Pflegevorsorge wurde 1993 die letzte große Lücke im österreichischen Sozialsystem geschlossen. Mit dem Bundespflegegesetz wurde für mehr als 300 000 pflegebedürftige und behinderte Menschen ein einheitliches Pflegegeldsystem geschaffen. Zielsetzung dieses Gesetzes war, bundesweit einheitliche Geldleistungen und einen gleich hohen Betrag für gleichen Pflegebedarf sicherzustellen, massive Leistungsverbesserungen für Personen mit sehr hohem Pflegebedarf zu gewährleisten, eine Entlastung der Familienangehörigen, insbesondere der Frauen, zu ermöglichen und insgesamt die Möglichkeiten zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Der ambulanten Versorgung wurde Priorität vor der stationären Betreuung eingeräumt.

Meine Damen und Herren! In Österreich gibt es derzeit etwa 43 000 Pflegeplätze in Heimen, wovon sich rund 30 000 in Heimen der Länder und Gemeinden befinden und etwa 13 000 in privaten Heimen. Diese Zahlen steigen von Jahr zu Jahr. Das ist auch leicht zu verstehen: Die Menschen werden älter. Und das wiederum kommt auch nicht von ungefähr, sondern ist dem sehr hohen Lebens- und Gesundheitsstandard in Österreich zu verdanken. Daher sind wir auch in diesem Bereich vorbildlich.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Es mag schon sein, daß es da oder dort noch Mißstände gibt. Ich meine aber, ein Großteil der Heime – ich kenne auch sehr viele, vor allem in Oberösterreich und in meinem Bezirk – entspricht den Anforderungen. Ich bin sehr oft in solchen Heimen und weiß, daß es ganz strenge Qualitätskriterien gibt. Sie haben selbst angeführt, daß es in einigen Bundesländern bereits Heimverordnungen gibt. Ich habe jene aus Oberösterreich hier. In dieser wird ganz genau und dezidiert erklärt, welche Grundvoraussetzungen gegeben sein müssen. Es geht darin aber nicht nur um Grundvoraussetzungen, sondern es wird angeführt, welche Aufgaben diese Heime über die üblichen Unterbringungsmodalitäten hinaus haben müssen, nämlich zum Beispiel die Betreuung durch Psychotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Psychologen und dergleichen zu gewährleisten. Der Heimträger hat weiters sicherzustellen, daß die Heimbewohner auch bei zunehmender Hilfs- und Betreuungsbedürftigkeit in ihren Wohneinheiten bleiben können. Genau diese Qualitätskriterien sind ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität der Betreuten.

Sie haben überhaupt immer nur von Geld gesprochen, wobei das selbstverständlich auch wichtig ist. Ich meine, Frau Partik-Pablé, Österreich braucht in diesem Bereich einen internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Mag sein, daß uns da die nordischen Staaten Dänemark und Schweden vielleicht ein kleines Stück voraus sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: An Griechenland oder Spanien wollen wir uns kein Beispiel nehmen!) Wenn Sie aber in Ihrer parlamentarischen Anfrage die USA anführen, dann meine ich, dort können sich nur sehr, sehr wenige Menschen – vor allem jene mit einer großen Brieftasche – eine entsprechende und würdige Altersversorgung leisten. Auf ein solches System können wir in Österreich verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie behaupten, daß es Personen gibt, die jahrelang nicht ins Freie kommen. Also ich weiß nicht, wo Sie da Ihre Erkundigungen einholen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: In Lainz!) Ich kann wieder nur von meinem Bezirk sprechen, von den Bezirksaltenheimen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Rufen Sie einmal Dr. Rieder an und lassen Sie sich von ihm herumführen!) Dort gibt es genügend Möglichkeiten, dort werden die Menschen bei schönem Wetter ins Freie hinausgeführt. Es werden sogar Ausflüge organisiert. Sie fahren mit behindertengerechten Autobussen ins Mühlviertel, an den Attersee und so weiter. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber nicht bei Rieder in Wien!) Ich habe gesagt, es mag sein, daß vielleicht der eine oder andere Mißstand noch gegeben ist.

Aber, meine Damen und Herren, worauf es mir besonders ankommt: Neben diesen Heimen, neben diesen schönen Zimmern und allem, was dazugehört, sind die Betreuungspersonen äußerst wichtig. Sie müssen wissen, daß dieses Pflegepersonal hohen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt ist. Diese Pfleger sind Vertrauenspersonen, sie sind Kontaktpersonen in tief menschlichen Bereichen, wenn die älteren Menschen Sorgen mit ihren Angehörigen haben, wenn sie Geldsorgen oder andere Fragen haben. Dieses Pflegepersonal hat eine unwahrscheinlich große Leistung zu vollbringen, und daher ist es wichtig, daß wir dafür sorgen, daß diese Menschen nicht nur eine ordentliche Bezahlung, sondern auch entsprechende Motivationsschübe bekommen, sodaß diese Menschen, die sich bereit erklärt haben, unsere älteren Mitbürger zu pflegen, auch Unterstützung von uns unterhalten. Dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Dr. Partik-Pablé, wofür sollte das Pflegegeld da sein? Wenn Sie es in die rechte Tasche hineinstecken, dann können Sie es nicht aus der linken wieder herausholen. Das gelingt mir nicht. Das habe ich schon einige Male probiert. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Euch gelingt es schon! Euch gelingt alles! Ihr habt alle Taschenspielertricks!)

Dann hat der Betroffene in dieser linken Tasche auch Geld, und warum soll man das nicht herausholen? Ich bin schon der Meinung, daß man auch, wenn man es hat, dafür bezahlen soll. Oder nicht? Ich glaube schon. Da sind wir doch einer Meinung. Und das andere hat er ohnehin noch in der rechten Tasche. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube also schon, daß das Pflegegeld dafür da ist, daß gepflegt wird, Frau Doktor. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was hat er in der Tasche? Die Länder haben auch die Kasse gefüllt! Die Sozialversicherungsbeiträge sind erhöht worden!) – Natürlich! Wir, die Gesellschaft, brauchen das. Der Steuerzahler braucht das, wenn er es hat. Also das Pflegegeld soll für die Pflege verwendet werden. Das ist einmal das erste.

Das zweite: Ich weiß nicht, habe ich das falsch verstanden von Ihnen? – ISO 9000 ist eine Zertifizierung – und nicht eine Qualitätsangabe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Selbstverständlich!) Überhaupt nicht. Im Gegenteil! Es macht eine Aussage über Ablauf und Organisation. Das Maß für die Überprüfung der Qualität im Rahmen der Betreuung ist etwas anderes, ist der Begriff "TQM" – totales Qualitätsmanagement. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Qualitätsstandards! Selbstverständlich! Internationale Qualitätsnormen!) Und dieses totale Qualitätsmanagement ist der Standard. Und den haben wir, so meine ich, in Österreich bei weitem erfüllt. (Abg. Haidlmayr: Nein, den haben wir nicht!)

Frau Doktor! Wenn Sie jetzt einige Dinge hier genannt haben, haben Sie ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben ja nicht einmal eine unabhängige Überprüfung!) – Ich gehe dann noch darauf ein. Ich bin teilweise Ihrer Meinung. Sie werden noch sehen, daß ich auch einige Kritikpunkte vorbringen werde. Sie verwechseln aber manche Dinge. Ich glaube, daß das der falsche Ort ist, hier diese Dinge zu verlangen. Ich meine, diese sind in den Ländern notwendig. Österreich ist ja ein föderalistischer Staat. Oder wollen Sie jetzt auf einmal – das ist mir völlig neu – ein zentralistisches System? Vielleicht brauchen wir das in Kärnten, damit manches nicht passiert – das kann schon sein –, aber nicht da! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann muß man die Länder dazu zwingen! Herr Rieder unterschreibt ja nicht einmal das, was ihr ausarbeitet!)

Warum dezentral? – Vor Ort kann man doch viel schneller reagieren und auch den Bedürfnissen der einzelnen in den Regionen wesentlich besser entsprechen. Die Gebräuche und die örtlichen Gepflogenheiten kann man wesentlich besser mit einbeziehen, auch für die Behinderten. Daher ist es sehr gut, daß man die Verantwortung den Ländern und Gemeinden überläßt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Sie haben ja die Länder und die Gemeinden nicht angesprochen. Sie haben überhaupt nur die Gemeinde Wien angesprochen. Na gut, daß bei den Sozialisten manches nicht so hinhaut, das kann schon sein. Aber bei uns funktioniert es sehr gut; das möchte ich schon sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Da wir jetzt von der Qualität sprechen: Darin steht auch etwas über medizinische Betreuung. Ich bin schon dafür, daß der Hausarzt die medizinische Betreuung in den Behindertenheimen und Altenheimen übernimmt. Wir haben ja hervorragende Hausärzte. Sie haben ja zum Beispiel auch einen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es geht gar nicht um die ärztliche Kontrolle! Geht doch auf die Pflegesituation ein!)

Diplomierte Krankenschwestern gibt es in allen Häusern, die ich kenne; sie versehen dort Dienst. Ich gebe aber zu, daß auch länderübergreifende Qualitätsstandards erarbeitet werden sollten, und zwar vor allem von den Betroffenen und von jenen, die dort auch etwas zu reden haben; man nennt das im Fachjargon "Qualitätszirkel". Ich glaube schon, daß das notwendig ist. Da haben Sie vollkommen recht.

Eine gewisse Flexibilität wäre ebenfalls notwendig, denn es gibt ja völlig verschiedene Landessozialhilfegesetze, sodaß ganz unterschiedliche Finanzierungen in den verschiedenen Ländern gegeben sind. Ich meine, daß es schon notwendig wäre, daß wir zum Beispiel Stundensätze regeln, die gleich sind: Eigenleistungsprinzip, Qualitätsstandards. Bundesweite Arbeitsgruppen könnten diese Interessen ausgleichen.

Ich gebe Ihnen sicherlich recht darin, daß man da noch gewisse Dinge vereinheitlichen und einen gemeinsamen Standard festlegen könnte. Insgesamt aber muß ich sagen, daß unsere Altenheime, die in den letzten Jahren neu geschaffen wurden, einen sehr hohen Level, einen sehr hohen Standard aufweisen. Daß Sie schlechte Erfahrung gemacht haben, tut mir leid. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl, und nach ihm ist Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Ich habe schon gesehen, über die Begriffe "Zertifizierung", "Quality Management" und "Total Quality Management" herrscht hier ziemlich große Konfusion (Rufe bei der ÖVP: Bei der FPÖ!), denn weder das eine noch das andere – es ist in der Anfrage nur beispielhaft angeführt – ist wirklich der Weisheit letzter Schluß. Das aber wäre eine Fachdebatte, die länger zu führen wäre, lieber Freund Leiner. (Abg. Amon: ... Fachdebatte! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des Abg. Amon –: Mit Ihnen nehmen wir es noch lange auf!)

Wenn man, sehr geehrte Frau Minister, als Abgeordneter unterwegs ist und öffentliche, aber natürlich auch private Pflegeheime besucht, dann fallen einem schon – Kollegin Partik-Pablé hat Beispiele gebracht – die eklatanten Qualitätsunterschiede in der Betreuung auf. (Abg. Motter spricht vor der Regierungsbank mit Abg. Haidlmayr.) – Entschuldigung, Frau Motter! Ich weiß, diese Sitzungstage sind für dich die letzten Gelegenheiten, dich hier mit Kollegen zu unterhalten. Ich darf aber trotzdem um Aufmerksamkeit bitten, weil das ein wirklich wichtiges Thema ist. Es geht um die Lebensqualität und um die Pflegequalität für unsere älteren Mitbürger. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Themen in diesem Hause überhaupt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: In der Schule sind wir nicht, daß wir hier die Hände an die ...!) Das brauchst du nicht! Du bist ein Pazifist, ich weiß.

Wir wissen auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es in diesem Bereich einen wachsenden Markt gibt. Die Menschen werden immer älter, und ich meine, wir sind es gerade dieser Generation, die auch ihren Beitrag zu unserem Wohlstand geleistet hat, schuldig, daß wir uns bestmöglich – und das schreiben Sie auch in Ihrer Anfragebeantwortung –, unter optimaler Wahrung ihrer Interessen um diese Leute kümmern.

Ich weiß auch, daß es gute Einrichtungen gibt (Abg. Haidlmayr: Wo? Wo?), aber auch viele schwarze Schafe, denen in erster Linie daran gelegen ist, einmal die Gelder zu lukrieren, und denen es erst in weiterer Folge darum geht, auch den entsprechenden Standard, den wir fordern, den wir bewußt einfordern, zu gewährleisten. Es geht da um viel Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wie aktuell diese Anfragebeantwortung ist, wird anhand eines Falles aus der Steiermark deutlich, der auch im steirischen Fernsehen zu sehen war, bei dem es darum ging, daß eine Pflegeeinrichtung geschlossen werden mußte, weil sie eben nicht den Anforderungen und den Vorstellungen entsprochen hat (Abg. Fink: So etwas wird es aber immer geben!) und weil es wirklich peinlich war, zu sehen, unter welchen Umständen dort die Leute "zwischengeparkt" waren.

Sehr geehrte Frau Minister! Sie schreiben in Ihrer Beantwortung, daß wir ja eigentlich schon alles hätten: Es gibt eine Vereinbarung mit den Ländern, diese Standards sind definiert. Sie trauen uns Abgeordneten wahrscheinlich nicht zu, daß wir diese Dinge auch nachlesen. Wenn man über diese Qualitätskriterien etwas Konkreteres wissen möchte – ich zitiere im folgenden die Anlage A der Regierungsvorlage vom 17. Juni 1993, 1069 der Beilagen, in der diese Qualitätskriterien aufgelistet sind –, dann muß man zu vielen Punkten feststellen, daß darüber so quasi nichts Konkretes zu finden ist. Da steht zum Beispiel unter "Personal": Fachlich qualifiziertes und Hilfspersonal ist in ausreichender Anzahl sicherzustellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist die "ausreichende Anzahl"?) – Es steht aber nirgends, was die ausreichende Anzahl ist (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ist das 1 zu 2 oder 1 zu 3?), worin die ausreichende Qualifikation besteht, wie das Hilfspersonal zu qualifizieren ist.

Unter "Standort und Umgebung" heißt es: Der Standort der Heime muß möglichst in der Gemeinde integriert sein, sodaß Beziehungen zur Umwelt erhalten bleiben. – Nun, was ist, wenn der Standort nicht integrierbar ist? Wer legt fest, welche Konsequenzen es gibt?

Unter "Infrastruktur" ist zu lesen: Es sollen Therapieräume, Räume für Tagesgäste und Räume für Rehabilitationsangebote vorgesehen werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie groß?) – Was ist, wenn sie nicht vorgesehen werden, und so weiter? Es wird da auch ein wenig über die Größe der Zimmer gesagt, aber es fehlt einfach der objektivierbare, österreichweit anwendbare Kriterienkatalog.

Unsere Vorstellung, Frau Minister, ist jene, daß ein Heimbetreiber – wir sind sehr für Privatinitiativen, das wissen Sie – zuerst einmal nachweisen muß, daß er objektiven Kriterien entsprechende, patientengerechte, altersgerechte Einrichtungen zur Verfügung stellen kann; und dann erst ist er berechtigt, das Geld zu kassieren – und nicht umgekehrt! Darum geht es uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher fordern wir, Frau Minister, klare Standards, die auch überwachbar sind und überwacht werden: im Sinne der Patienten und vor allem auch im Sinne des bestmöglichen Einsatzes von Steuergeldern. Nur darum geht es uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

16.16

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Anfrage der Freiheitlichen möchte ich sagen, daß es leider – warum auch immer – passiert ist, daß in dieser Anfrage zwei Bereiche vermischt wurden, nämlich jener des Bundes und jener der Länder. Das ist schade, denn aufgrund dieser Vermischung haben Sie es der Frau Ministerin sehr einfach gemacht, und zwar insofern, als diese die Fragen 1 bis 12 in einem beantworten konnte und pauschal geschrieben hat: Das betrifft mich nicht, das betrifft die Länder; ihr seid bei mir falsch. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hat es sich einfach gemacht!) – Wäre die Anfrage spezieller formuliert gewesen und hätten Sie ganz konkret jene Bereiche abgefragt, die das Sozialministerium betreffen, dann hätte die Antwort anders lauten müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hätte sie ja ohnehin wissen müssen!) Aber so war es natürlich ein leichtes Spiel – das muß man sagen –, und Sie haben Ihren Beitrag dazu geleistet, daß eine solche Antwort herausgekommen ist.

Aber nun zur Sache: Ich bin seit 1990 in die Pflegesicherung involviert, und ich war auch eine derjenigen, die im Sozialministerium – damals noch unter Sozialminister Dallinger – bei der Installierung der Arbeitsgruppe für die Pflegevorsorge Oberösterreich vertreten war. Wir haben damals im Rahmen dieser Gesetzeswerdung bereits einen Kriterienkatalog über notwendige Mindeststandards für die Hilfe, Pflegebetreuung und Assistenz von behinderten Menschen erstellt. Diese Mindeststandards, die wir damals festgelegt beziehungsweise gefordert haben, betrafen zum Beispiel eine Mindestquadratmeteranzahl an Privatraum für jeden einzelnen im Pflegeheim. Ich habe mir das angesehen: Jetzt kommt jeder Pflegebedürftige auf einen Privatraum von maximal vier bis fünf Quadratmetern. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist die Größe eines Spinds!) Ich möchte niemandem von Ihnen zumuten, 20, 30, 40 Jahre oder vielleicht Ihr Leben lang auf fünf bis acht Quadratmetern Lebensfläche eingekerkert zu sein. Mehr Raum haben diese Menschen nicht zur Verfügung!

Was die Verantwortung, die bei den Ländern liegt und hinsichtlich der die Länder so säumig sind, betrifft, Frau Ministerin, so können die Länder ja leicht säumig sein, denn vom Bund ist noch nie eingefordert worden, daß die Länder endlich die Qualitätskriterien erfüllen müssen. Sie haben sie immer nur gebeten. Daß das alles nichts bringt, das hätten Sie sehen müssen, und das sehen Sie ja auch. Frau Ministerin, Sie hätten sehr wohl die Möglichkeit, die Länder dazu zu zwingen, indem Sie ihnen ganz einfach den Geldhahn abdrehen! (Heiterkeit der Bundesministerin Hostasch.) Ich sage Ihnen auch gleich, wie.

Das kann ich Ihnen gleich sagen! Es ist ja nicht einzusehen, Frau Ministerin, warum das Pflegeheim das Pflegegeld für Menschen, die in Pflegeheimen leben, bekommt. Bezahlen Sie es den Betroffenen selber oder deren Sachwaltern aus, und diese bezahlen dann für die Leistung, die der einzelne im Pflegeheim bekommt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hab ich ja gemeint! Jetzt paßt er nicht mehr auf, der Herr Leiner! Herr Leiner, passen Sie jetzt auf! Da hören Sie das alles!)

Das heißt also: keine Tagsatzfinanzierung, keine Pauschalfinanzierung, sondern eine leistungsgerechte Entlohnung für Leistungen und für Assistenzleistungen, die ich vor Ort bekomme. In der ambulanten Altenbetreuung ist es ja auch nicht anders, Frau Ministerin. Da wird keine ambulante Hilfskraft für drei Stunden Tätigkeit bezahlt, wenn sie vielleicht nur eine halbe Stunde da war und mir direkt assistiert hat.

Machen Sie die Sachen transparent! Machen Sie Einzelverrechnungen und überweisen Sie das Geld nicht mehr an die Heime, sondern an die Pflegebedürftigen, die in diesen Heimen leben, oder an deren Vertreter, sprich Sachwalter! Dann wird es gewaltige Änderungen geben müssen. Denn eines ist nicht einzusehen, Frau Ministerin: Wenn in einer Abteilung eines Pflegeheimes – um nur ein Beispiel zu nennen – 20 oder 30 Menschen, alle in Pflegegeldstufe 7, untergebracht sind, dann müßte diese Abteilung – da für die Pflegegeldstufe 7 eine Betreuung rund um die Uhr nötig ist und eine solche sechs Arbeitskräfte erfordert – bei 20 dort untergebrachten Menschen, ohne Berücksichtigung des Overheadbereiches, bereits 120 Personen anstellen, um die Betreuung, wenn sie wirklich im Schlüssel 1 : 1 zur Verfügung gestellt wird, abdecken zu können!

Dieser Fall ist natürlich nicht realistisch – keine Frage –, aber es wäre realistisch, daß jeder einzelne nur jene Leistung bezahlt, die er tatsächlich erhält. Ich kann Ihnen Unterlagen zukommen lassen, wonach Personen in Pflegeheimen nur einmal im Monat gebadet werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), obwohl das Pflegegeld vorsieht, daß sie täglich eine halbe Stunde bis eine Stunde Anspruch auf Körperpflege haben! Es geht nicht mehr an, Frau Ministerin, daß die Heime pauschal das Geld ausbezahlt bekommen, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): ... ohne daß der einzelne die Chance hat, das irgendwie mitzusteuern. Eine Steuerung durch die Betroffenen ist nur möglich, wenn sie das Geld auf die Hand ausbezahlt erhalten. Das liegt im Bereich Ihrer Verantwortung, und das können Sie von heute auf morgen ändern! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dietachmayr: Ich lade Sie ein! Kommen Sie einmal nach ...!)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Fragt doch einmal euren Herrn Stadtrat Rieder! Der wird Ihnen einen Besuch in Lainz ermöglichen! Herr Dietachmayr, lassen Sie sich von Herrn Rieder nach Lainz einladen, dann werden Sie sehen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Smolle. Gleiche Redezeit. – Bitte.

16.23

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki dom! Gospa ministrica! Hohes Haus! Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei! Es wäre natürlich sehr wichtig, daß Sie all das, was Sie vorgetragen haben, nunmehr auch dem Herrn Landeshauptmann von Kärnten erzählen, denn wir wissen ja, daß Pflegeheime in die Landeskompetenz fallen, vor allem Landessache sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kärnten hat den Artikel-15-Vertrag abgeschlossen! Besser als der Rieder!)

Nein, nein! Frau Kollegin Partik-Pablé, lassen Sie mich doch aussprechen, denn ich muß schon sagen, daß ich in weiten Bereichen Ihre Kritik teile. Es ist wirklich nicht so, daß in allen Heimen alles in Ordnung ist. Es geht aber nicht so sehr um die Frage einzelner Heime; man muß auch über Strukturfragen reden.

Ich möchte hier nur einige zentrale Dinge herausgreifen. Was nicht funktioniert, sind eben genau diese Regelungen aus den Artikel-15a-Verträgen, weil sie viel zu allgemein gehalten sind. Das heißt, es gibt keinen klaren Schlüssel, wer unter welchen Bedingungen betreut werden soll, welche Pflege erfolgen soll, welche Anzahl von Pflegenden wie viele Personen zu betreuen hat.

Ein ganz zentraler Punkt ist vor allem auch die Tatsache – das ist vielleicht in Wien etwas anders und besser, weil die Heime größer sind –, daß das Ausmaß und die Art der ärztlichen Betreuung nicht geklärt sind. Und das wäre ganz wichtig, meine Damen und Herren. Hier, so glaube ich, wäre es vernünftig, einen Zusammenhang zwischen der Stellenausschreibung und der Anzahl der Altenpflegeplätze in einer Gemeinde herzustellen.

Eine Frage ist auch, wie es mit der Stundenanwesenheit von Ärzten und ärztlichen Betreuern aussehen soll. Das ist einfach nicht geregelt. Jetzt macht das sehr häufig mehr oder minder der praktische Arzt mit, und dieser kann natürlich nur in Form von Visiten ärztlicher Betreuung bieten.

Die Vernetzung zwischen Arzt, Betreuer im Pflegeheim und vor allem den zentralen Spitälern funktioniert nicht, meine Damen und Herren, auch in Kärnten nicht. (Abg. Gaugg: Was paßt nicht? Beispiele!) Wir haben zwar eine gut funktionierende Geriatrie am LKH Klagenfurt, aber keine Zusammenarbeit mit den Stellen draußen, mit den Betroffenen draußen, vor allem zwischen Land, Ärzten und der Geriatrie. Die gesamte zentrale und dezentrale Verbindung müßte besser funktionieren. (Abg. Gaugg: Was paßt nicht? Beispiele!) – Zuhören, ich bin ja noch am Wort, gedulde dich ein bißchen! – Es gibt keine oder nur äußerst unvollständige Normen: Was ist eigentlich Pflege in einem Pflegeheim? Die Mindeststandards sind zwar niedergeschrieben, aber, wie gesagt, sehr allgemein.

Es ist auch so, daß in vielen Fällen die Angehörigen glauben, das ist quasi eine "Ablage" für alte Menschen, und sie denken nicht darüber nach, wieviel an psychologischer, hygienischer und natürlich auch medizinisch-pflegerischer Betreuung erforderlich ist. Ich sage ganz klar – ich kann das zumindest für Kärnten feststellen –: Wir haben ein überlastetes Personal. Das Personal kann diese vielen Aufgaben nur schwer erfüllen. Das heißt, hier fehlt es auch an Budgetmitteln. Da müßte man sich im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich etwas einfallen lassen.

Die Richtlinien sind nicht ausdiskutiert, das Ganze ist nicht flächendeckend durchorganisiert, auch in Kärnten nicht. (Abg. Gaugg: Immer Kärnten! Du kennst dich in Kärnten aber nicht aus!) Ich rede auch von Kärnten, auch! Kennst du das deutsche Wort "auch"?

Die Pflege wird oft einfach mehr oder weniger von der Heimleitung definiert, meine Damen und Herren. Auch was die Qualifikation der Pflegeheimleiter betrifft, gibt es noch immer solche, die "nur" über eine bessere gastgewerbliche Qualifikation verfügen. (Abg. Gaugg: Wo? Wer?) Es gibt auch in der Küche zu wenige Personen, die die nötige Ausbildung haben, was Ernährung im Alter betrifft, meine Damen und Herren. Viele der Krankheiten haben ihre Ursache in der Ernährung, weil man zu wenig bedenkt, ob die Personen, die in der Küche arbeiten, auch in der Lage sind, spezielle diätetische Gerichte zu kochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... das Bazillenausscheidergesetz!)

Die Zahl der alten Menschen wächst. Wir wissen auch, daß vor allem der alte Mensch Betreuung von Körper, Seele und Geist braucht. Daher wäre es wichtig, hier bessere Verträge, präzisere Artikel-15a-Verträge niederzulegen. In diesem Sinne gibt es noch viele Aufgaben zu erledigen, auch für Kärnten, aber nicht nur für Kärnten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

16.27

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bedauere es – ich sage das in Richtung der Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, aber auch der Frau Abgeordneten Haidlmayr –, wenn bei der schriftlichen Beantwortung Ihrer Anfrage der Eindruck entstanden ist, ich hätte es mir einfach gemacht. Das war nicht die Absicht, und ich möchte mich daher bemühen, auf die von Ihnen konkret angeführten Fragen in noch konkreterer Form als in der schriftlichen Beantwortung Stellung zu nehmen.

Ich habe in meinen schriftlichen Ausführungen bereits festgehalten, daß es ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1992 gibt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das steht ohnedies da!), in dem eindeutig festgestellt wird, daß Regelungen der Errichtung, der Erhaltung und des Betriebes von Heimen für Personen, die wohl ständiger Pflege, aber bloß fallweiser ärztlicher Betreuung bedürfen, gemäß Artikel 15 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in die Zuständigkeit der Länder fallen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist hier mit aller Eindeutigkeit die Zuständigkeit der Länder definiert, und zwar in einer Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofes, der sich auch eine Ministerin sowie Sie, sehr geehrte Damen und Herren, zu unterwerfen und sie zu berücksichtigen haben.

Ich möchte darüber hinaus auch festhalten, daß Sie einer Fehlinformation unterliegen, wenn Sie der Meinung sind, daß nicht alle Länder diesen Artikel-15a-Vertrag unterfertigt haben. Am 6. Mai 1993 haben alle Landeshauptleute diesen Vertrag unterzeichnet, und er ist somit Grundlage des gegenseitigen Vertragsverhältnisses. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber nicht die Pflegevorsorgevereinbarung!)

Ich möchte zur ersten Frage, sehr geschätzte Frau Abgeordnete, insofern Stellung nehmen, als eine detailliertere Beantwortung aus der Sicht meines Ressorts nicht möglich ist, weil das Pflegegeld eine pauschalierte Abgeltung der Pflegeaufwendungen für den pflegebedürftigen Menschen darstellt. Aus diesem Grundprinzip ist abzuleiten, daß es zu keinen Überschneidungen nach der Betreuungsart kommt, und die individuelle Entscheidung, welche Art der Betreuung der pflegebedürftige Mensch wählt – damit ist ja der Kern des Pflegegesetzes angesprochen, daß in dieser Frage die individuelle Entscheidung getroffen wird –, steht dem einzelnen ja frei.

Im Bereich des Bundes gibt es aus diesem Grund keine Aufzeichnungen darüber, welche Beträge für die Pflege und Betreuung in Pflegeheimen verwendet werden. Ich weise nochmals auf die Kompetenz der Länder hin. Überdies gibt es keine darüber hinaus gehenden Daten, die dem BMAGS zur Verfügung stehen.

Ich kann auch nicht über Länder Informationen geben, die mir nicht in ausreichender Form zur Verfügung stehen.

Zur Frage 2 möchte ich sagen: Wie bereits eingangs festgehalten, habe ich auf die Kompetenzlage der Länder zu verweisen. Trotzdem möchte ich grundsätzlich feststellen, daß bei der Neuordnung der Pflegevorsorge davon ausgegangen wurde, daß die alleinige Erbringung einer Geldleistung die Problematik der Pflegevorsorge nicht umfassend lösen kann.

Daher wurde – ich erinnere mich an viele Debatten darüber hier im Hohen Hause – ein kombiniertes System aus Geld- und Dienstleistungen eingeführt und in dem Vertrag, in der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz definiert. Demgemäß sind die gemeinsamen Maßnahmen für Pflegebedürftige von den Ländern mit verpflichtenden Mindeststandards für Leistungen und Qualitätskriterien sicherzustellen.

Ich möchte, da schon darauf verwiesen wurde, nicht wiederholen, daß in diesem Vertrag einige der Qualitätskriterien definiert sind. Es ist dies das Ergebnis der Verhandlungen mit den Ländern. Ich sage – auch wenn es sich eine Bundesministerin manchmal wünschen würde, Ländern einen Auftrag zu erteilen oder Länder zu etwas zu zwingen – noch einmal: Ich habe mich nach dem zu richten, was mir die Bundesverfassung an Kompetenzen zuweist, und nicht nach dem, was ich mir selbst manchmal wünschen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 3 möchte ich antworten, daß aus Bundessicht über die bereits mehrfach zitierte Artikel-15a-Vereinbarung hinaus derzeit keine weiteren Schritte geplant sind.

Zur Frage 4: In meinem Ressort gibt es verschiedene Gremien, die sich mit dem Stand der Umsetzung der Pflegevorsorgevereinbarung und den Fragen der Qualitätssicherung regelmäßig befassen. Ich kann hier den Arbeitskreis für Pflegevorsorge, den Arbeitskreis für Qualitätssicherung und den Bundesbehindertenbeirat erwähnen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen setzen die entsprechenden Ergebnisse der Beratungen im eigenen Kompetenzbereich um. Ich verweise noch einmal auf die Kompetenzsituation.

In meinem Kompetenzbereich, also dort, wo ich direkt handeln kann, haben wir eine österreichweite Pflegeberatung, aber auch sehr geschätztes Informationsmaterial in Form einer Dokumentation über Alten- und Pflegeheime in Österreich. Darin werden die Qualitätsstandards in den Heimen definiert und aufgelistet sowie die Pflegeeinrichtungen klar beschrieben. Diese Broschüre wird sehr stark nachgefragt. Ich bin stolz darauf, daß bereits mehr als 40 000 Exemplare von Interessierten angefordert wurden. Ich denke, darin ist auch eine wichtige Orientierung für die Qualität, die angeboten wird, nachzulesen.

Zur Frage 5: Es ist schon schriftlich von mir ausgeführt worden, daß sich unter der Leitung des Sozialministeriums die Länder, die Vertreter von Behindertenorganisationen, die Entscheidungsträger nach dem Bundespflegegeldgesetz, die Sozialpartner sowie Vertreter der Parlamentsparteien in diesen Arbeitskreisen engagieren und gemeinsam Beratungen abhalten. Ich nutze dazu aber auch die Sitzungen der Landessozialreferentenkonferenz, da diesem Themenbereich dort immer wieder Bedeutung beigemessen wird.

Zur Frage 6: Es gibt keinen eigenen Anforderungskatalog in unserem Ressort, der derzeit darüber hinaus erarbeitet wird.

Zur Frage 7: Ich darf noch einmal auf die Kompetenzlage verweisen.

Zur Frage 8: Die Überprüfung der Einhaltung der Qualitätskriterien und Pflegestandards obliegt den Ländern. Ich kann hier nichts anderes tun, als das noch einmal zu wiederholen.

Gleichermaßen ist dies die Beantwortung der Frage 9.

Zur Frage 10: Wie schon mehrfach ausgeführt, obliegt auch die Umsetzung dieser Vorstellung den Ländern. Was wir tun, ist, zusätzlich eine österreichweite Pflegeberatung für die Angehörigen und die pflegebedürftigen Menschen anzubieten.

Was Frage 11 betrifft, sind in meinem Ressort auch keine Aufzeichnungen der genannten Art vorhanden, eben aufgrund der Zuständigkeit.

Zur Frage 12 kann ich neuerlich nur auf die Kompetenz verweisen und berichten, daß keine derartige Studie in Auftrag gegeben wurde.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte aber trotzdem sagen, daß wir selbstverständlich jedem Hinweis und jeder Beschwerde, die in unserem Ressort einlangen, sofort nachgehen und in direktem Kontakt mit den Länderverantwortlichen versuchen, eine entsprechende Besserung der Situation zu erreichen.

Ich möchte Sie auch bitten, mich dabei zu unterstützen, daß in den Ländern dort, wo eine Verbesserung der Qualitätsstandards erreicht werden soll, dies tatsächlich vor Ort in der jeweiligen Kompetenz vorgenommen wird. Das betrifft auch die Ausstattung mit entsprechendem Personal, mit entsprechend ausgebildetem Personal.

Was mein Ressort immer wieder tut, ist folgendes: Wir werden ja Ländergesetze betreffend eingeladen, entsprechende Stellungnahmen abzugeben. In all diesen Stellungnahmen meines Ressorts wird der Erarbeitung, der Einhaltung und der Kontrolle von Qualitätsstandards große Bedeutung beigemessen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Trotzdem möchte ich noch einmal sagen, daß die konkrete Umsetzung und die Verantwortung im Sinne unserer Bundesverfassung bei den Ländern liegt. Ich kann hier nur auf die Verfassung verweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Bundesministerin für ihre Stellungnahme.

Gleichzeitig darf ich diese beantragte Kurzdebatte für beendet erklären.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit nehme ich die Verhandlungen über die Punkte 5 und 6 der heutigen Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Seidinger. Die Uhr ist auf eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.36

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zurück zum Thema Verkehr: Der Verkehr ist zum Glück kein Pflegefall, wenn er auch oft pflegerischer Maßnahmen bedarf. Diese pflegerischen Maßnahmen stehen heute in sehr starkem Maße auf der Tagesordnung.

Wenn ich – Herr Präsident, ich hoffe, Sie entziehen mir jetzt nicht das Wort – nur einen Satz zum vorhergehenden Kapitel sagen darf: Es wundert mich, daß der Steirer Schöggl nicht weiß, daß es in der Steiermark ein ganz vorzügliches Pflegeheimgesetz gibt und daß die Pflegeheime in der Steiermark von erster Qualität sind. – Danke, Herr Präsident, daß ich das sagen durfte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amon. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: ... ausgezeichnete Betreiber in der Steiermark!)

Zurück zum Thema Verkehr: Die Herren Abgeordneten Parnigoni und Kukacka haben hier von seiten der Koalition das Personennah- und Regionalverkehrsgesetz eindeutig dargestellt. Kollegin Moser hat dazu einen Abänderungsantrag eingebracht. In einem Zwischenruf wurde schon festgestellt, daß die Abgeordneten Parnigoni und Kukacka einen Antrag zum Kraftfahrliniengesetz nicht nur vorbereitet haben, sondern daß ich diesen hier auch einbringen darf.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Kollegen betreffend den Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1118/A der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) (2047 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) in der Fassung des Ausschußberichtes, 2047 der Beilagen, wird wie folgt geändert:

1. Der erste Halbsatz von § 1 Abs. 2 Z 1 hat zu lauten:

"1. Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers die Tätigkeit jedes Unternehmens,"

2. § 38 Abs. 3 hat zu lauten:

"(3) Im Sinne der Abs. 1 und 2 gelten als

1. Rufbusse Kraftfahrlinienverkehre, die

a) entweder ohne Anmeldung nicht verkehren und nur bei Vorliegen von Anmeldungen über Telephon oder in anderer festgesetzter Art von den erforderlichen Haltestellen ausgehend, die gewünschten Verbindungen innerhalb eines konzessionierten Streckensystems herstellen, oder

b) ohne Anmeldung fahrplanmäßig nur auf einer bestimmten Grundstrecke des Streckensystems verkehren, bei Vorliegen von Anmeldungen aber von der Grundstrecke abweichen, die erforderliche Haltestelle (Bedarfshaltestelle) bedienen, und danach wieder auf die Grundstrecke zurückkehren und zur Endhaltestelle weiterfahren;

2. Anrufsammeltaxis, Taxiverkehre, die Fahrgäste nach telephonischer Vorbestellung mit eigens als Anrufsammeltaxi gekennzeichneten Taxis zu festen Abfahrtszeiten von besonders bezeichneten Abfahrtsstellen gegen einen fixen Fahrpreis zu einem gewünschten Fahrziel innerhalb eines vorgegebenen abgegrenzten Betriebsgebietes befördern."

3. § 51 Abs. 1 hat zu lauten:

"(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft."

4. In der Anlage 1 (Konzessionsurkunde des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr) haben die Striche zwischen "Zl." und dem Wort "Konzessionsurkunde" zu entfallen. Das Bundeswappen ist größer und zentriert zu setzen.

*****

Das heißt also – nachdem ich schon erwähnt habe, wie eindeutig und eindringlich diese Gesetzesmaterie vorgetragen worden ist –, daß es sicherlich nur noch Ergänzungen geben wird. Es kann kein Gesetz a priori derart vollständig sein, daß alle Belange damit berücksichtigt werden.

Wenn heute hier auch von der Opposition Wünsche vorgetragen werden, so werden diese in Zukunft nicht abgetan, sondern – ich meine, so ist es richtig und gerecht – in die weiteren Beratungen eingeflochten, um dann auch zur Umsetzung gelangen zu können.

Es liegt mir zum Beispiel ein Wunsch vor, wonach davon auszugehen ist, daß bei der Einbeziehung der Schüler und Lehrlinge in die Verkehrsverbünde Unternehmen, die der Vereinbarung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie beziehungsweise den Verkehrsverbünden nicht beitreten, nicht bessergestellt sein dürfen als diejenigen, welche die Einbeziehung durchführen.

Ich meine also, daß öffentlicher Personennahverkehr, Regionalverkehr und – in den Vorkapiteln besprochen – auch die Rahmenbedingungen im österreichischen Schienenverkehrswesen für die Rail Regulators etwas bedeuten, sodaß wir sagen können, daß beides in Form von Liberalisierung und freiem Wettbewerb mit einem weiteren Ausbau der Infrastruktur Hand in Hand geht. Es geht um die Lebensfähigkeit.

Ich denke an den 11. März 1996, an das Koalitionsübereinkommen, zurück – was steht darin zum Thema Verkehrspolitik? – Es heißt: Ziel einer zeitgemäßen Verkehrspolitik ist die Sicherstellung einer für Mensch und Umwelt auf Dauer verträglichen Mobilität.

Herr Präsident (der Redner deutet auf die rot leuchtende Lampe am Rednerpult), sind die 5 Minuten schon vorbei?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das waren 5 Minuten, aber das ist die freiwillige und nicht die zwingende Redezeitbeschränkung. Daher können Sie fortsetzen, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Winfried Seidinger (fortsetzend): Ich meine auch, daß hinsichtlich des Verkehrswesens heute ein Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis nicht ausgeklammert werden darf, das in der letzten Zeit ergangen ist. In diesem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis wird dezidiert festgelegt, daß die niederösterreichische Naturschutzgesetzgebung, die 1997 als Anlaßgesetzgebung gefaßt wurde, obsolet ist und der Semmeringtunnel gebaut werden kann. Ich bitte darum, daß das geschieht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der hier vorgetragen wurde, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Als ich heute den Debattenbeitrag des Kollegen Kukacka gehört habe ... (Ruf bei der ÖVP: Kuka"z"ka!) – Ob man jetzt "Kuckuck" oder sonst irgend etwas sagt, es ist eigentlich so: Die ÖVP redet immer und legt die Eier in ein anderes Nest. Das ist die einzige Art, von der man hört, wenn man mit Ihnen spricht.

Das Thema hat er selbst angerissen. Er hat das unter anderem so getan, daß sich seine Aussagen nur auf uns Freiheitliche bezogen haben. Aber es ist immer leicht, auf die Opposition hinzudeuten und selbst im Ausschuß nicht viel zu sagen, und dann den Freiheitlichen mit Initiativanträgen oder mit Abänderungsanträgen sofort Paroli zu bieten, sodaß man nicht die Gelegenheit hat, sich richtig zu informieren. – Soviel zur ÖVP.

Ich habe Herrn Kollegen Parnigoni heute aufmerksam zugehört: Er hat gesagt, daß es ein attraktives Angebot im Nahverkehr geben soll. – Kollege Parnigoni! Wenn wir das nicht bekommen, dann werden wir den Nahverkehr nicht in Schwung bringen und ihm auch nicht jenen Stellenwert zuordnen, den er haben sollte, damit die Pendler und die Arbeitnehmer besser und schneller zu ihren Arbeitsplätzen kommen. Es ist unsere Ansage zum Nahverkehrskonzept, daß es ein attraktives Angebot sein muß.

Daß das Öffentliche Personennah- und Regionalverkehrsgesetz in den letzten Jahren ein Dauerbrenner gewesen ist, beweist die Tätigkeit im Ausschuß. Wir Freiheitlichen befürworten es, daß die Mittelverteilung zwischen Bund und Ländern endlich neu geregelt wird, damit eine Grundlage für die bereits seit Jahren unter dem Titel der gemeinwirtschaftlichen Leistungen der ÖBB umstrittene Länderbestellung in Nahverkehrsleistungen geschaffen wird.

Einzigartig sind jedoch die höchst unterschiedlichen Behandlungen in den einzelnen Verkehrsdiensten. Während man bei der Bahn davon ausgeht, daß die Sicherung des Fahrplanes Bundessache ist, soweit die Länder nicht Verträge abgeschlossen haben, werden die Busse der Bahn nicht berücksichtigt. Bei der Post will man sogar 115 Millionen Schilling aus Bundesmitteln zahlen, selbst wenn die Länder schon etwas gezahlt haben. Herr Bundesminister! Da wäre vielleicht Aufklärungsbedarf gegeben.

Die finanziellen Auswirkungen sind zwar schwer abzuschätzen, aber wir werden diesem Gesetzentwurf trotzdem unsere Zustimmung geben, denn wir Freiheitlichen glauben, daß ein schwächeres Gesetz in diesem Bereich besser ist als gar keines. Daher wird von unserer Seite zugestimmt werden.

Aber wir werden sicherlich nicht unsere Zustimmung zum Tagesordnungspunkt 6 geben. Das ist der Antrag des Abgeordneten Parnigoni zum Kraftfahrliniengesetz. Wir Freiheitlichen sind der Ansicht, daß die Liberalisierung nur dort greift, wo es um ausländische Fahrzeuglinien geht, wenn es um Busse geht, die zum Beispiel von Belgrad oder Istanbul nach Österreich fahren, überall stehenbleiben und ohne irgendwelche Vorschriften Personen aufnehmen können. Das ist, so meine ich, sicherlich nicht unsere Aufgabe.

Auch ist es nicht sinnvoll, daß wir im Ausschuß immer wieder damit konfrontiert werden, daß unsere Anträge abgelehnt werden. Wir lehnen diesen Antrag des Abgeordneten Parnigoni mit der Nummer 1118/A ab.

Aber im Verkehrsausschuß hat sich noch etwas ereignet. Der Vorsitzende Parnigoni ist jetzt nicht anwesend, sonst könnte ich es ihm persönlich sagen: Er hat sich im Ausschuß sehr schwach aufgeführt. Er hat sich nämlich genauso aufgeführt, wie es üblich ist: Freiheitliche Ideen, freiheitliche Initiativanträge oder Entschließungsanträge werden in der letzten Sitzung schön brav vertagt. Daher werde ich heute wieder einen Entschließungsantrag einbringen. (Abg. Edler: Sind sie so wichtig?)

Dieser ist schon wichtig, Kollege Edler! Du kannst ihn dir jetzt genau anhören, es geht nämlich auch um die Bundesbahn. Vielleicht hast du Interesse daran, daß es einmal zur Gleichstellung zwischen Frühpensionisten und "normalen" Pensionisten kommt, daß sie auch im Fall der Seniorenunterstützung gleichwertig behandelt werden. (Abg. Edler: "Aktion Fairness"!) Vielleicht ist das möglich!

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Blünegger, Mag. Firlinger und Kollegen betreffend ÖBB-Seniorenermäßigung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, im Rahmen der Bestellung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen bei den ÖBB dafür Sorge zu tragen, daß in Hinkunft die ÖBB-Seniorenermäßigung nicht mehr ausschließlich an das Alter gebunden ist, sondern auch Frühpensionisten zugute kommen kann."

*****

Kollege Edler! Gestern haben wir vom Kollegen Koppler gehört: Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten ist ihm ein großes Anliegen, das sozusagen noch in diesem alten Jahrtausend verwirklicht werden soll. – Heute haben Sie von den Sozialdemokraten die Möglichkeit, wieder etwas gegen einen kleinen Unterschied zwischen Menschen, die gleichwertig sind, zu tun und diesen Antrag zu unterstützen. Wir werden sehen, ob Sie sich daran halten werden.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht worden, steht mit in Verhandlung und wird zur Abstimmung gelangen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Das Verkehrsaufkommen war in den letzten Jahren einem ständigen Wandel unterzogen. Wir müssen feststellen, daß vor allem die Verkehrsdichte enorm zugenommen hat.

Ich möchte dies anhand einiger Zahlen beweisen. Im Jahre 1990 betrug der Kraftfahrzeugbestand 440 Stück pro 1 000 Einwohner. Acht Jahre später, im Jahre 1998, müssen wir eine Steigerung um rund 25 Prozent hinnehmen. Wir halten derzeit – bei steigender Tendenz – bei 550 Kraftfahrzeugen pro 1 000 Einwohner.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Zahlen der Pendler von Niederösterreich nach Wien zeigen ein ähnliches Bild. Im Jahre 1991 konnten wir 122 500 Pendler von Niederösterreich über die Stadtgrenze nach Wien verzeichnen, davon waren 80 000 Kraftfahrzeuge – das ist eine Prozentsatz von zirka 65 Prozent –, und lediglich 42 500 Pendler – also zirka 35 Prozent – nahmen ein öffentliches Verkehrsmittel in Anspruch. Das bedeutet also, daß wir eine starke Verlagerung hin zum öffentlichen Verkehr brauchen.

Die steigenden Finanzierungskosten, aber auch die Forderung der Länder und Gemeinden bezüglich eines kundenorientierten Angebotes sowie die veränderten Rahmenbedingungen aufgrund des Beitrittes zur Europäischen Union machen es notwendig, neue Regelungen zu schaffen. Nach zähen Verhandlungen ist es mit diesem Gesetz nun gelungen, die Grundlagen beziehungsweise die Voraussetzungen für eine Neuordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs zu schaffen.

Ich darf von dieser Stelle aus allen Damen und Herren, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben, danken: seien es die Beamten in den Ministerien, die Ländervertreter – dabei möchte ich besonders auf Salzburg und Niederösterreich hinweisen – oder die privaten Anbieter. Und, sehr geehrter Herr Bundesminister, es war letztlich Ihr Bemühen, daß dieses Gesetz zustande gekommen ist, aber auch die Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes haben daran mitgewirkt, eine Lösung zu finden.

Gemäß diesem neuen Gesetz werden in Zukunft die Länder und Gemeinden verstärkt in die Planung eingebunden werden. Vor allem im Schienenpersonenverkehr, beim Kraftfahrlinienverkehr, aber auch bei den Verkehrsverbünden bedarf es in Zukunft engerer Kooperationen. Durch die effiziente Planung und Vermeidung von Parallelverkehr sollte es auch zu einer Verringerung der Fahrplankilometer kommen. Das Grundangebot ist für die Jahre 1999 und 2000 seitens des Ministeriums gesichert, und es wird, so hoffen wir, auch Kosteneinsparungen geben. Gerade diese frei werdenden finanziellen Mittel sollen für qualitätssichernde Maßnahmen verwendet werden. Ich möchte nur einige Qualitätskriterien nennen: benutzerfreundliche Kartenausgabegeräte, die gute Erreichbarkeit von Haltestellen sowie möglichst kurze Fahrzeiten und Umsteigewartezeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist weiters erfreulich, daß auch die Schüler- und Lehrlingsfahrten in diese Regelung einbezogen werden; mit dem Jahre 2000 beziehungsweise 2001 soll es zu einem einheitlichen Schülerverrechnungstarif kommen.

Wenn wir aber den künftigen Anforderungen an den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr gerecht werden wollen, dann brauchen wir selbstverständlich zusätzliche finanzielle Mittel. Mit dem nun vorliegenden Gesetz sind diese finanziellen Mittel jedoch nicht gesichert, und daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Kukacka, Parnigoni, Kröll, Edler und Kollegen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr werden ersucht, gemeinsam mit Vertretern der Länder, des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes eine Arbeitsgruppe einzurichten, um in Vorbereitung des nächsten Finanzausgleichs

1. die Investitionsbedürfnisse im Rahmen der Städte und Ballungsräumen sowie den zusätzlich notwendigen Mittelbedarf der Länder und Gemeinden zur Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs zu ermitteln und

2. darauf aufbauend einvernehmlich einen konkreten Vorschlag für eine Finanzierungsbedeckung inklusive einer Prioritätenreihung zu erarbeiten.

Dabei ist davon auszugehen, daß den Ländern, Städten und Gemeinden die erforderlichen Investitionsmittel beziehungsweise sonstigen zusätzlichen Regional- und Nahverkehrsmittel direkt und für den ÖPNRV zweckgewidmet zur Verfügung gestellt werden."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird eine vernünftige Grundlage geschaffen. Wir werden daher diesem Gesetzentwurf selbstverständlich gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

16.55

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde heute schon kurz von meiner Kollegin Moser angesprochen, daß es (Abg. Parnigoni spricht mit Abg. Edler) – Herr Parnigoni, das betrifft auch Sie! – wieder einmal heißt, den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr nach Möglichkeit barrierefrei zu machen. – Herr Parnigoni! Herr Minister! Mit dieser Formulierung geben wir uns nicht mehr zufrieden! Uns nur zu sagen, wenn es irgendwie leicht geht, dann tun wir es, und wenn es nicht geht, habt ihr Pech gehabt, so kann es bitte in Zukunft nicht mehr weitergehen!

Herr Parnigoni! Sie haben ja keine Ahnung – vielleicht fahren Sie auch zu wenig oft mit der Bahn –, welches Problem es allein schon ist, wenn man als behinderter Mensch das öffentliche Verkehrsmittel – sprich: die Bahn oder öffentliche Busse – braucht. Sie haben keine Ahnung! Ich bitte Sie, mit mir im Rahmen meiner Tätigkeit einmal zwei Monate lang mit den ÖBB zu fahren, denn dann würden Sie sich schämen, darauf zu bestehen, daß man in das Gesetz nur "im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten" hineinschreibt.

Herr Minister! Es ist unverantwortlich und wirklich eine Riesensauerei, daß, wenn ich bei den ÖBB wegen einer Zugauskunft anrufe oder wenn ich ins Internet gehe, um mir eine Zugauskunft zu holen, die erhaltenen Auskünfte nicht übereinstimmen. Die Daten im Internet haben mit der Realität nichts zu tun! Es darf doch nicht wahr sein, daß ich zuerst eine Viertelstunde sozusagen am Tonband hänge, von dem ich darauf aufmerksam gemacht werde "... oder besuchen Sie uns im Internet", aber dann, wenn ich im Internet suche, falsche Daten erhalte.

Das ist aber noch nicht alles! Ich habe bereits mehrmals urgiert, daß die Daten im Internetfahrplan mit den ausgedruckten Fahrplänen nicht übereinstimmen. Es wird aber nichts dagegen gemacht, sondern nur gesagt: Da habt ihr eben Pech gehabt! – Wir behinderten Menschen haben wirklich Pech gehabt, wenn im Zugplan jenes Zeichen, das heißt: Benutzung für Rollstuhlfahrer möglich! steht, genau das aber dann nicht möglich ist, weil es keinen Platz gibt, wo man hinfahren kann und weil es keine behindertengerechten Toiletten gibt.

Herr Minister! Dieser Zustand ist unhaltbar! Ich gebe mir das schön langsam nicht mehr. Aber ich muß es mir leider geben, weil ich mit dem Auto jene Strecken, die ich fahren sollte beziehungsweise auf denen ich unterwegs bin, einfach nicht mehr fahren kann. Es ist aber eine Zumutung, von Wien nach Innsbruck fahren zu müssen, ohne die Chance zu haben, auch nur einmal auf die Toilette gehen zu können!

Herr Minister! Was das für einen Menschen bedeutet, das können Sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen! Und Herr Parnigoni, Sie auch nicht! – Deshalb sehe ich es nicht mehr ein, daß wir ständig diskriminiert werden und man uns ständig alles vermiest, wenn es um den öffentlichen Personennahverkehr geht! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Peter.)

Was haben Sie jetzt wieder in Oberösterreich aufgeführt? – Sie haben uns etwa den Zug von Linz nach Steyr bereits ab St. Valentin eingestellt. (Abg. Parnigoni: Die ÖBB!) Aber die Österreichischen Bundesbahnen in Linz berufen sich auf den Bund und sagen: Wir sind ja immerhin noch beim Bund, nicht alles ist privat, und der Bund hat uns gezwungen, 10 Prozent einzusparen! – Wenn Sie gleichzeitig wissen, daß der Bund für den Einsatz in Oberösterreich 33 Busse angekauft hat – ÖBB-Busse!, 33 Stück! –, aber kein einziger für Rollstuhlfahrer benutzbar ist, dann können Sie sich diese 33 Busse in Wien in die Garage stellen, denn dort ärgern sie wenigstens niemanden!

Es ist eine Zumutung, wenn man heute nicht einmal mehr die Chance hat, nach 21.30 Uhr von Linz nach Steyr zu kommen, und es ist eine Zumutung, wenn man als behinderter Mensch um 17.23 Uhr von Wien nach Hause, nach Steyr wegfahren muß, weil es später nicht mehr möglich ist, dorthin zu gelangen, und der nächste Zug erst wieder am nächsten Tag um 5 Uhr in der Früh fährt.

Herr Minister! Sie wissen ganz genau, daß speziell mobilitätsbehinderte Menschen auf die Bahn angewiesen sind und daß diese für viele Menschen fast die einzige Möglichkeit ist, mobil zu sein. Genau diese Form der Mobilität aber verwehren Sie uns!

Ich habe auch eine Stellungnahme Ihres Ministeriums, in der Sie sich ganz klar dazu bekennen, daß es Ihnen wichtig sei, daß der öffentliche Personennah- und -fernverkehr barrierefrei ist. Aber umgesetzt haben Sie es nicht! Meiner Ansicht nach ist das ein krasser Widerspruch. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben in Österreich eine Verfassungsbestimmung, die besagt, daß behinderte Menschen nicht benachteiligt werden dürfen. – Herr Minister! Ich würde Sie ersuchen, endlich diese Verfassungsbestimmung einzuhalten! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Peter.)

Ich werde nicht aufgeben und auch jetzt wieder meinen Entschließungsantrag einbringen, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, daß der gesamte öffentlich finanzierte Personennah- und -fernverkehr, wie zum Beispiel städtische Busse, Bundes- und Postbusse, Schülertransporte, Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, Bundesbahn und so weiter, barrierefrei für alle Menschen zugänglich gemacht wird und mit Hubplattformen (beziehungsweise Hubliften) sowie optischen und akustischen Leitsystemen auszustatten ist."

*****

Das ist doch bitte das mindeste, was man verlangen kann! Es reicht uns wirklich, Herr Minister! Wir verhandeln mit Ihrem Ministerium seit fünf Jahren – mit dem "Ergebnis", daß nichts geschieht. Das einzige, was passiert ist, ist, daß die Großraumwaggons – jene 33 Stück, die es österreichweit gibt – jetzt auch nicht mehr an die Zuggarnituren angehängt werden. Das ist deshalb so gekommen, weil Waggons, die kaputt sind und repariert werden müssen, erst dann wieder in die Garnitur eingeschoben werden, wenn ein anderer Waggon aus dieser Garnitur ausfällt. Ich kann Ihnen beweisen, daß bis zu vier oder fünf rollstuhlgerechte Waggons in den Werkstätten herumstehen – nicht kaputte, sondern reparierte! –, aber nicht eingesetzt werden. Das ist eine Zumutung!

Und es ist gleichfalls eine Zumutung, daß behinderte Menschen keine Chance haben, einen Nachtzug zu benutzen. So etwas gibt es ganz einfach nicht! Wenn ich von Vorarlberg nach Wien fahren muß, dann sitze ich die ganze Nacht im Rollstuhl am Gang, von Bregenz bis Wien-West! Dort sitze aber nicht nur ich, sondern auch noch jede Menge anderer behinderter Menschen – und das im Jahre 1999! Herr Minister, tun Sie etwas! Es besteht Handlungsbedarf! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Peter.)

Ich möchte außerdem noch den Entschließungsantrag meiner Kollegin Gabriela Moser verlesen; die entsprechenden Ausführungen dazu hat sie bereits selbst gemacht.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Gesetzesgrundlagen zur Generalreform des öffentlichen Verkehrs entsprechend den nachfolgend angeführten Empfehlungen zu gestalten:

1. gesamtösterreichische Prioritäten für den öffentlichen Verkehr,

2. klare Zuständigkeiten und Finanzierungsquellen, konkrete Verantwortlichkeiten,

3. verpflichtender 50-Prozent-Bundesanteil für eine künftige Finanzierung des öffentlichen Verkehrs,

4. Wettbewerb unter klaren Rahmenbedingungen, Übergangsfristen,

5. fixe Regelung für die Abgeltung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt,

6. Wertsicherung der Verbundzuschüsse,

7. Erschließung neuer Finanzmittel für Investitionen (Komfort und Geschwindigkeit),

8. Bindung von Fördermitteln an Qualitätsstandards (Taktfahrpläne, Komfort, et cetera) und konkrete Verkehrsleistungen,

9. Vergabe von Netzkonzessionen und nicht nur Linienkonzessionen,

10. Regionalisierung der Konzessionsvergabe (auch Länder und Gemeinden) sowie

11. Festlegung der Pflichten von Konzessionsträgern."

*****

Herr Minister! Ich möchte unbedingt noch all jenen Personen danken, die bei den ÖBB als Zugbegleiter oder auf Bahnhöfen tätig sind. Wenn diese nicht ein so großes Engagement hätten, wäre es mir und vielen anderen behinderten Menschen schon lange nicht mehr möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Daß es möglich ist, bewirken nur mehr die Zugbegleiter und das Personal auf den Bahnhöfen – und das unter wirklich nicht einfachen Bedingungen! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Von Ihnen, Herr Edler, und von Ihnen, Herr Parnigoni, haben diese Menschen, diese Mitarbeiter der Bahn schon lange keine Unterstützung mehr. (Beifall bei den Grünen.)

17.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Beide Entschließungsanträge, die Frau Abgeordnete Haidlmayr im Rahmen ihres Debattenbeitrages verlesen hat, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Edler das Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.05

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich hat Frau Kollegin Haidlmayr sicherlich recht. – Kollegin Haidlmayr, ich danke auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen bei der Eisenbahn, die sich sehr bemühen, jenen Menschen, die bei der Reise Hilfe brauchen, über ihre Dienstzeit und über ihre Dienstaufgaben hinaus zu helfen.

Ich meine, die ÖBB sind grundsätzlich gut, aber die ÖBB müssen besser werden. Das muß unsere Botschaft sein! Auch der Herr Verkehrsminister bemüht sich ständig, Vorstand und Aufsichtsrat aufzufordern, dessen Leistungen, nämlich die Verkehrsleistung der ÖBB, besonders im Nahverkehr zu verbessern.

Als Eisenbahner muß ich zugeben, daß es in den letzten Jahren aufgrund des Reformdruckes und der Rationalisierungen zur Ausdünnung des Fahrplanes gekommen ist. Das Zugangebot hat sich verschlechtert, das ist Realität. Unsere gemeinsame Aufgabe muß es sein, zu erreichen, daß die ÖBB mehr in den Nahverkehr, aber auch in die Ausgestaltung und Ausstattung der Fahrzeuge, der Betriebsmittel investieren. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Die ist besser geworden!) Auch und besonders was die Betreuung der Kunden betrifft, haben die ÖBB eine wesentliche gesellschaftspolitische Aufgabe, denn Züge, die nicht durch Zugbegleiter besetzt sind, geben den Menschen, die die Bahn benützen, nicht die notwendige Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Nun zur Nahverkehrsgesetzgebung. Es ist von den beiden Verkehrssprechern, von Parnigoni und Kukacka, heute das Wesentliche an dieser Gesetzgebung bereits angesprochen worden. Sicherlich ist es ein Meilenstein, daß wir es nach jahrelangen Verhandlungen gemeinsam geschafft haben, dieses Gesetz heute zu beschließen, damit es bessere Verkehrsleistungen gibt, und zwar nicht nur in den Städten – ich betone als Wiener: nicht nur in den Städten, wir haben die Gesamtösterreich zu sehen –, sondern damit auch in den Regionen die Grundversorgung gesichert wird (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie wird ja nicht angenommen!) und auch die Menschen vor Ort eine Chance haben, das Angebot des öffentlichen Verkehrs – also Schiene, und wo diese nicht vorhanden ist, auch Busse – nutzen zu können. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Schau dir den Zug Ybbs – Scheibbs an! Wenn da einer drinnen sitzt, ist das eine Sensation!)

Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch darauf reagieren müssen, daß es geänderte Rahmenbedingungen innerhalb der EU gibt. Die Studie, die die Technische Universität dazu erstellt hat, ist heute schon angesprochen worden. Die Verkehrsdienste sind entweder eigenwirtschaftlich, das heißt also, jene Leistungen, die sich rechnen, haben diese Verkehrsunternehmungen selber zu erwirtschaften, oder gemeinwirtschaftlich; diese sind über die Finanzierung zu bestellen. Ich kann nur unterstreichen, was heute hier bereits zum Ausdruck gebracht worden ist.

Meine Damen und Herren! Nun zu den Verkehrsverbünden, die in Zukunft viel besser und stärker einzubinden sind. Ich habe schon in den letzten Tagen gesagt, daß es zu einem Wildwuchs gekommen ist. Es ist überhaupt nicht einzusehen, daß an Schnittstellen die Menschen manchmal x Schilling mehr zahlen haben müssen als jene, die mehr Kilometer gefahren sind, aber innerhalb dieser Verbünde unterwegs waren. Ich glaube, daß nun die Chance besteht, diese Schnittstellen besser zu vernetzen, und daß das Angebot zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern weiter über die Verbünde angenommen werden kann.

Ziel der Gesetzgebung ist die Schaffung klarer Strukturen auch für die Finanzorganisation sowie der Übergang zum Bestellerprinzip, wobei eine Umstellungszeit von zirka fünf Jahren angesprochen wird, meine Damen und Herren.

Meinerseits eine kritische Anmerkung – ich glaube, Frau Kollegin Moser hat das schon erwähnt – zu einer Verkehrsanschlußabgabe. Ich teile Ihre Meinung: Das den Gemeinden zu überlassen, ist nicht das Nonplusultra. Wir kennen das im Wettbewerb der Gemeinden, insbesondere im Großraum Wien, wo es zur Abwerbung von Betrieben kommt, und wir wissen, was dann das Angebot für Betriebe beinhaltet. Diese Abgabe wird sicherlich von manchen Gemeinden nicht eingehoben werden, wenn sie die Chance haben, Betriebe anzusiedeln. Es ist ein erster Schritt, aber ich meine, wir haben dann auch von den Ländern und vom Bund die Kompetenzen einzufordern.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Mit dieser Gesetzgebung heute hier im Hohen Hause ist eine Zukunftsentscheidung für eine sinnvolle Nahverkehrspolitik gelungen. Bessere Verkehrsversorgung, Einbindung der Menschen und der Regionen, die Grundversorgungssicherheit sind gegeben. Meiner Überzeugung nach – das sei ganz zum Abschluß gesagt – ist außerdem wesentlich, daß auch die soziale Tarifverträglichkeit weiterhin gegeben ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Manche Anträge werden schnell behandelt. Das sind natürlich Anträge der Koalitionsparteien, so etwa ein Antrag von Parnigoni und Kukacka für ein Öffentliches Personennah- und Regionalverkehrsgesetz. Am 16. Juni eingebracht und – hurtig! – schon im Plenum! Natürlich ohne Begutachtung, denn da hätte ja jemand draufkommen können, daß da in Abschnitt VI – man höre und staune! – ein neues Steuerlein schlummert, eine neue Ermächtigung für die Gemeinden, eine neue Steuer einzuführen. (Abg. Parnigoni: Eine Abgabe, keine Steuer!)

Es ist nur dumm, wenn uns am Montag der Herr Bundeskanzler in der "Strategie für Österreich" vollmundig, wie er ist, Rudi Parnigoni, wissen läßt, daß die Höhe der Steuern und Abgaben in Österreich das Optimum erreicht hat und daß die Senkung der Steuer- und Abgabenquote das Ziel dieser Bundesregierung ist. – Drei Tage später aber beschließen die Abgeordneten der Koalitionsparteien hier eine neue Steuerbelastung!

Das ist immer dasselbe Strickmuster: Jeder arbeitet in seinem Bereich, der eine im ökologischen Bereich, der andere im Verkehrsbereich, der dritte im Sozialbereich, und jeder hat eine Idee, ein Problem zu lösen, und das führt er dann immer mit einer Steuer durch. Und ganz am Ende gibt es dann die Normadressaten, das sind die Betriebe, bei denen sich all diese vielen guten Taten, all diese vielen guten Ideen in Form von höheren Steuern und Abgaben, in Form einer höheren Steuerbelastung niederschlagen. Das führt dann zu einer Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Österreich, was selbstverständlich auch seine Auswirkung auf die Beschäftigung hat.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Was Sie hier wieder aufführen, ist wirklich hanebüchen. Es fällt Ihnen als Lösung des Problems Nahverkehr nichts anderes ein als die Ermächtigung zu einer neuen Steuer. Mehr fällt Ihnen nicht ein. Und das ist ein bisserl wenig! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist wirklich darüber zu diskutieren, wie wir die Frage der Verkehrsmengen in den Griff bekommen. Es ist die Frage, wie wir ein Steuersystem ökologisieren, es ist die Frage, wie wir die direkte Gemeindefinanzierung einer wirklich umfassenden Reform unterziehen und wie wir die Kosten des Verkehrs in den Griff bekommen. Das wird aber nicht mit den punktuellen Maßnahmen gelingen, die in allen Bereichen in diesem Hohen Hause immer wieder nach demselben Strickmuster ablaufen: Wir haben ein Problem, wir haben eine Idee – und am Ende steht eine neue Steuer!

Ich kann Sie nur bedauern, daß Ihnen nicht mehr einfällt, und ich muß vor allem die UnternehmerInnen in Österreich bedauern, die die Suppe, die Sie ihnen einbrocken, auslöffeln müssen. Wenn Sie ihnen dann noch zuwerfen: Schafft doch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten! Tut doch mehr!, dann frage ich Sie: Ja was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie das Geld über Steuern holen, oder wollen Sie es in der Beschäftigung haben? Sagen Sie doch, was Sie wollen! Aber beides – diese Schizophrenie werden Sie nicht schaffen – können Sie nicht haben!

Sie werden diesen absoluten ökonomischen Unsinn hier wiederum beschließen, und zwar gegen die Aussage des Herrn Bundeskanzlers Klima, der gesagt hat, es gibt genug Steuern, ihre Zahl wird nicht größer, sondern geringer. Das hat er am Montag gesagt. – Und heute, Mittwoch, kommt es bereits zu diesem Sündenfall. Sie beschließen neue Steuern. Es ist das wirklich bedauerlich!

Meine Damen und Herren! Ich verlese einen Abänderungsantrag, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Helmut Peter, Mag. Barmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Bericht des Verkehrsausschusses (2046 der Beilagen) über den Antrag 1132/A betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999)

Der Nationalrat wolle beschließen.

Der Bericht des Verkehrsausschusses (2046 der Beilagen) über den Antrag 1132/A betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999) wird wie folgt geändert:

1. Abschnitt VI entfällt.

2. Abschnitt VII erhält die Bezeichnung "Abschnitt VI".

*****

(Beifall beim Liberalen Forum.)

17.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dietachmayr mit einer gewünschten Redezeit von 5 Minuten das Wort. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Österreichs Verkehrspolitik im größer werdenden Europa steht im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsorientierung auf der einen Seite und Sicherheit und Umweltschutz auf der anderen Seite. Daher muß sich die Verkehrspolitik für die Menschen an den Zielen des Umweltschutzes und des Schutzes von Leben und Gesundheit orientieren. Ziel muß es daher sein, eine Verkehrsinfrastruktur zu schaffen, die alle Erfordernisse abdeckt und eine möglichst preiswerte und umweltfreundliche Verlagerung des Verkehrs sicherstellt. (Abg. Mag. Peter: Wozu braucht man aber eine neue Steuer, Herr Kollege Dietachmayr? Es geht auch ohne!)

Das heute zu beschließende Bundesgesetz soll grundsätzlich eine Neustrukturierung des öffentlichen Personennahverkehrs bringen, das heißt, es soll ein konsequenter Übergang zum Bestellerprinzip bei nicht eigenwirtschaftlich erbrachten Leistungen unter gleichzeitiger Sicherstellung der Finanzierung erreicht werden.

Nun zur Ausgangslage: Derzeit bietet die Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs ein sehr uneinheitliches Bild. Auf zumindest zehn verschiedene Arten fließen rund 18 Milliarden Schilling pro Jahr an öffentlichen Geldern in den Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs: vom Bund über die Länder bis hin zu den Gemeinden.

Aufgrund der zum Teil unterschiedlichen Fördersätze und Fördermaßnahmen hat das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr beim Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik an der Technischen Universität Wien eine Studie für ein effizienteres Modell der Beteiligung des Bundes an den Verkehrsverbünden und für eine Neugestaltung in Auftrag gegeben, die dieses Problem verdeutlicht. Aufbauend auf dieser Studie wurden einzelne Bestimmungen nun in dieses Gesetz aufgenommen. Es sind, wie ich meine, ein paar sehr wesentliche Markierungspflöcke, die für die künftige Verkehrspolitik heute gesetzt werden.

Wir treten für die Verlagerung der Verkehrsströme hin zu energiesparenden und umweltfreundlichen Verkehrsträgern und -formen ein. Wir sind für den Ausbau und die weitere Modernisierung und Attraktivierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Daher treten wir für ein Finanzierungssystem ein, das das Transportbedürfnis umwelt- und anrainergerecht erfüllt und mithilft, den heute bestehenden unfairen finanziellen Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsträgern zu überwinden.

Nahverkehrsfinanzierung braucht aber Kostentransparenz, und das ist ein wesentlicher Punkt! Der öffentliche Verkehr braucht keinen Schilling des Steuerzahlers als Geschenk, meine Damen und Herren. Der öffentliche Verkehr ist mehr als ausreichend finanziert, wenn er neben seinen normalen Erlösen eine faire Abgeltung des Nutzens erhält, den er Verkehrsteilnehmern, Konsumenten, Wirtschaftstreibenden und Steuerzahlern bringt, indem er nämlich externe Folgekosten privaten PKW-Verkehrs vermeidet. Dies ist ein sehr wesentliches Faktum.

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, und es gibt auch Qualitätskriterien in diesen Bestimmungen. Es ist, wie ich meine, an der Zeit, diese Modelle dort, wo sie noch nicht umgesetzt wurden, auch tatsächlich umzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel der integrierte Taktfahrplan, regelmäßige Taktzeiten, ein einfaches und kundenfreundliches Tarifmodell und, und, und. Es gibt da eine ganze Latte von Möglichkeiten, die in einzelnen Fällen bereits umgesetzt wurden.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß sehr viele Menschen mobil sein müssen, weil ihre Wohnung und ihr Arbeitsplatz eben an verschieden Orten gelegen sind. Es gibt in Oberösterreich rund 512 000 Wege zur Arbeit, die täglich zurückgelegt werden müssen. Wir haben heute gehört, in Wien sind es etwa 180 000 Pendler, die täglich zur Arbeit fahren. Daher ist jede Anstrengung notwendig und wichtig, die in diese Richtung gemacht wird.

Wenn dieses Gesetz auch nicht alle Wünsche sofort erfüllt, so ist es doch ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung und fördert den weiteren Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Verkehrs, aber auch seine Aufrechterhaltung in ländlichen Gebieten mit einer sozial verträglichen Tarifgestaltung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Bundesminister Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

17.19

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zumindest noch zu der durchaus verständlichen Ungeduld der Frau Abgeordneten Haidlmayr und der Gruppe, für die sie gesprochen hat, Stellung nehmen.

Frau Abgeordnete! Das eine ist, daß wir schon sehen müssen, daß die Aufgaben in verteilter Rolle wahrgenommen werden. Der Bund tut etwas, und die ÖBB tun auch selbst etwas. Wenn Busse bestellt werden, dann bestellen die ÖBB selbst diese Busse. Von den 200 Bussen, die bis nächstes Jahr angeschafft werden, sind zumindest 70 Niederflurbusse, die das Zu- und Aussteigen erleichtern sollten. Das ist nur ein Drittel der angeschafften Busse, aber es ist zumindest ein Drittel der Busse.

Aber lassen Sie mich zu den Maßnahmen, die der Bund gesetzt hat, ein paar Worte sagen. Der Bund fördert im Rahmen von Investitionen im Rahmen des Vertrages über gemeinwirtschaftliche Leistungen durchaus Maßnahmen, von denen Sie gesprochen haben, etwa den laufenden Umbau von Reisezugwagen auf entsprechend leichtere Zugänglichkeit, den Einbau von entsprechend zugänglichen Toiletten und ähnliches. Bisher sind mit Unterstützung des Bundes etwa 90 Reisezugwagen und etwa 25 Nahverkehrswaggons umgebaut worden. Das ist wenig, da haben Sie recht, aber es ist zumindest etwas, und es wird fortgesetzt.

Es gibt ein kostenloses Reservierungssystem für Behindertensitzplätze in Schnellzügen, es gibt die Beschaffung – die läuft – und den Einsatz von Hebeliften auf den 100 frequenzstärksten Bahnhöfen sowie von Fahr- und Tragsesseln für schwerstbehinderte Fahrgäste auf 20 zentralen Bahnhöfen. Es gibt die Einrichtung von neun regionalen und einer zentralen Behinderten-Servicestelle, es gibt die Halbpreispaßaktion, und es gibt schließlich im Rahmen der Bahnhofsoffensive der ÖBB 160 Millionen Schilling, die ausschließlich in strukturverbessernde Maßnahmen der leichteren Zugänglichkeit, der barrierelosen Zugänglichkeit der Bahn investiert werden.

All das ist für jemanden, der heute schon Ergebnisse haben will, spät, aber es ist etwas, und wir werden diese Maßnahmen fortsetzen. Ich verstehe die Ungeduld, ich habe Respekt davor, daß Sie sie mit Ungeduld ausdrücken, aber ich bitte, auch zur Kenntnis nehmen zu wollen, daß hier einiges in Gang gesetzt ist und weiter in Gang gesetzt werden wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

17.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort seitens er Berichterstattung ist nicht verlangt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt erfolgt.

Zunächst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs in 2046 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Peter und Genossen haben dazu einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher wie üblich zunächst über jene Teile des Gesetzes abstimmen, die vom Abänderungsantrag betroffen sind, und dann über den restlichen Teil.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen sieht die Streichung des Abschnittes VI vor.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Es erübrigt sich somit auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung in der Abschnittsbezeichnung.

Ich lasse jetzt über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir über die restlichen, bisher noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 2046 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die dem Ausschußbericht beigedruckte Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 205.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Blünegger und Genossen betreffend ÖBB-Seniorenermäßigung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Mag. Steindl: Ist der Blünegger jetzt Seniorensprecher? – Abg. Gaugg: Ruhig, Steindl, du bist unglaubwürdig!) – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kukacka, Parnigoni und Genossen betreffend nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen. (E 206.)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend barrierefreier öffentlicher Personennah- und Fernverkehr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Struktur- und Finanzierungsreform des öffentlichen Verkehrs.

Wer für diesen Antrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entwurf betreffend Kraftfahrliniengesetz in 2047 der Beilagen unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung.

Auch hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen vor.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben Abänderungsanträge eingebracht.

Auch die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Barmüller und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde auch hier so vorgehen, daß ich zunächst über jene Teile des Gesetzentwurfes abstimme, die von den Abänderungsanträgen betroffen sind, und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile.

Die Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die §§ 1 und 38 sowie die Anlage 1 eingebracht.

Wer diesem Abänderungsantrag zustimmt, der möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Dieser Abänderungsantrag ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Entfall des § 12 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 12 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer hier zustimmt, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. § 12 ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 15 eingebracht.

Wer diesem Abänderungsantrag zustimmt, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse jetzt sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer hier zustimmt, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Barmüller und Genossen haben identische Abänderungsanträge betreffend § 51 eingebracht, die ich unter einem abstimmen lasse.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Abänderungsanträge sind einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wer hier zustimmt, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf in dritter Lesung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

7. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 934/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Hebung der Verkehrssicherheit für FußgängerInnen,

über den Entschließungsantrag 949/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Verlängerung des Wochenendfahrverbotes für LKW,

über den Entschließungsantrag 1029/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Verbesserung der Sicherheit von Reisebussen und

über den Entschließungsantrag 1101/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend nationales Verkehrssicherheitsprogramm "Sicherheit 2000" (2048 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 956/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Forschungsoffensive und Informationspflicht im Bereich der GSM-Basisstationen (2049 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner in dieser Debatte Herrn Abgeordnetem Lafer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.31

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Was unter diesem Tagesordnungspunkt zu behandeln ist, ist ein Kuriosum. Wir haben schon einiges im Parlament kennengelernt, wie man mit Anträgen der Opposition umgeht. Es hat bis jetzt immer drei Möglichkeiten gegeben: Entweder man hat einem Antrag zugestimmt – was nie passiert ist –, oder man hat einen Antrag abgelehnt – was immer passiert – oder man hat ihn vertagt oder einem Unterausschuß zugewiesen – das ist auch des öfteren passiert.

In der letzten Verkehrsausschußsitzung am 6. Juli wurden vier Anträge der Opposition und ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien einer Expertengruppe zugewiesen. So etwas habe ich in meiner Karriere als Abgeordneter hier im Hause überhaupt noch nie erlebt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber trotzdem noch auf diesen Verkehrsausschuß eingehen, weil dieser etwas sonderbar abgelaufen ist, und ich muß wieder auf den Vorsitzenden, auf Herrn Kollegen Parnigoni, zu sprechen kommen. (Abg. Parnigoni: Ich weiß, daß Sie mich sehr mögen!) – Ich akzeptiere Sie, aber ich verzeihe Ihnen keine Fehler bei der Handhabung der Geschäftsordnung. Nach meiner Ansicht und nach freiheitlicher Ansicht haben Sie aber einen Fehler bei der Abstimmungszeremonie begangen. (Abg. Parnigoni: Das ist eine Einschätzung!)

Die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 waren in Verhandlung. Als die Verhandlungen geschlossen waren, sind Sie in das Abstimmungsverfahren eingegangen, und während der Abstimmung über diese Anträge haben Sie selbst einen Vertagungsantrag gestellt. – Ich habe noch nie erlebt, daß man im Zuge einer Abstimmung als Vorsitzender noch selbst einen Antrag einbringt und dann versucht, die Anträge zu vertagen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war Parnigoni?) – Das hat Vorsitzender Parnigoni gemacht. (Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich) – Da sieht man wieder, wie man mit Anträgen der Opposition umgeht.

Aber es gibt auch noch eine zweite Seite der Medaille. Wie man mit oppositionellen Anträgen umgeht, habe ich eingangs schon erklärt. Ich möchte nicht näher auf die Anträge, die hier behandelt werden sollten, eingehen, wobei ich finde, daß sie gut, ja sogar sehr gut sind und daß darüber zumindest eine Diskussion zulässig sein müßte.

In dieser Ausschußsitzung meldete sich auch Kollege Dietachmayr zu Wort und kündigte bei der Diskussion dieses Entschließungsantrages an, daß diese Anträge einer Expertenkommission zugewiesen werden, um sie dann in ein Gesetz einfließen zu lassen. Auf der einen Seite hat er gesagt, die Anträge seien so gut, deshalb brauche man keine Diskussion, auf der anderen Seite hat er gesagt, es sei keine Zeit, solche oppositionellen Anträge zu behandeln.

In diesem Zusammenhang muß man aber anmerken, daß diese Anträge nicht erst vor 14 Tagen oder vor drei Wochen eingelangt sind, sondern zum Teil schon ein Jahr und länger im Ausschuß liegen und nicht behandelt worden sind. Das heißt auch, daß es schon längst an der Zeit gewesen wäre, diese Anträge zu behandeln und in Form eines positiven oder negativen Beschlusses weiterzugeben.

Der Herr Bundesminister hat dann auch in seinen Ausführungen im Ausschuß erklärt, daß das Führerscheingesetz novelliert werden müßte und daß dabei diese Anträge eingearbeitet werden sollten. Herr Bundesminister! Da ist Ihnen aber ein absolutes Versäumnis vorzuwerfen, denn als Sie dieses Führerscheingesetz gemacht haben beziehungsweise durch Ihr Ministerium machen ließen, sind darin nahezu an die 200 Fehler eingearbeitet worden, die bis heute nicht korrigiert worden sind. Das heißt, eine Novellierung des Führerscheingesetzes ist längst überfällig. Somit würde ich sagen, daß das ein arges Versäumnis Ihres Ressorts ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Davon betroffen sind auf der einen Seite die Bürger selbst und auf der anderen Seite die Exekutive, die dieses Gesetz vollziehen muß. Das läßt wohl den Schluß zu, daß es dabei zu Auseinandersetzungen kommt, die nicht dem Gesetz entsprechen.

Ich möchte aber auch noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Preisinger und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz dafür zu sorgen, daß Mobiltelephone in Hinkunft hinsichtlich der Strahlungsintensität gekennzeichnet werden müssen.

Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird weiters aufgefordert, dafür zu sorgen, daß in Hinkunft die betroffene Bevölkerung über geplante Netzausbaumaßnahmen (Antennenaufstellungen) rechtzeitig vor Realisierung dieser Maßnahmen informiert wird.

*****

Dieser Entschließungsantrag wird deshalb von uns eingebracht, weil in der Entschließung der Koalition diesen Forderungen nicht Rechnung getragen wird. Außerdem wurde auch im Rahmen eines Symposiums an der Wiener Universität festgestellt , daß es biologische Auswirkungen gibt, deren Gefährlichkeit aber mangels Forschungsergebnisse nicht qualifiziert werden können.

Zum Schluß noch: Eine entsprechende Kennzeichnungspflicht sind Sie unserer Bevölkerung schuldig! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Lafer vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Binder. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.36

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Auch ich möchte mich mit den vorliegenden Anträgen beschäftigen, bei denen es vor allen Dingen einerseits um die Hebung der Verkehrssicherheit und andererseits um die Senkung der Unfallrisken geht.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich darauf hinweisen, daß die Fußgänger – das sind wir alle – die größte Gruppe im Straßenverkehr ist. Fußgänger haben keine Knautschzone und zählen deshalb zu den gefährdetsten Verkehrsteilnehmern. Ihre Bedürfnisse müssen deshalb besonders berücksichtigt werden.

Kollege Lafer hat schon darauf hingewiesen, daß die vorliegenden Anträge in einen gemeinsamen Entschließungsantrag einfließen und von jener Expertengruppe behandelt werden, die zur Novellierung des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung eingesetzt ist. Ich denke, Kollege Lafer, wenn es Ihnen tatsächlich um die Umsetzung der Inhalte geht, dann muß das Motto heißen: Der Weg ist das Ziel. Darum geht es vor allen Dingen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Vorrang müssen all jene Maßnahmen haben, die vor allen Dingen den Kindern und den älteren Menschen zugute kommen. Notwendig dafür sind verstärkte Aufklärung und Informationskampagnen, denn Bewußtseinsbildung spielt sich vor allem im Kopf ab, und die Slogans, wie zum Beispiel "Brems dich ein", sind ein erster Schritt dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

Einer der Anträge beschäftigt sich auch mit den Verbesserungen der Sicherheit in Reisebussen, nämlich mit der Gurtenpflicht in Reisebussen. Das Problem, meine Damen und Herren, ist, daß die alten Busse bestimmte technische Merkmale haben, daher ist die Nachrüstung manchmal sehr schwierig, ja fast unmöglich. Eine EU-Richtlinie sieht aber eine verpflichtende Ausrüstung neuer Omnibusse mit Gurten vor und wurde fristgerecht in das nationale österreichische Recht übernommen.

Hinweisen möchte ich auch darauf, daß auch diese Richtlinie noch eine Lücke aufweist, weil für die Fahrer keine Gurtenpflicht vorgeschrieben ist und das sicherlich ein Risiko für den Fahrer sein wird. – Diesbezüglich muß man noch etwas tun.

Wichtig scheinen mir in diesem Zusammenhang auch die technischen Kontrollen der Busse zu sein. Es werden dafür Prüfzüge eingesetzt. Diese werden vom Bund und von den beiden Ländern Niederösterreich und Oberösterreich bereitgestellt; die anderen Bundesländer sind säumig, sie müssen erst ihrer Verantwortung im Sinne von mehr Sicherheit bei den Bussen nachkommen.

Kurz zum Wochenendfahrverbot, das auch in einem Antrag behandelt wird: Die Ferienreiseverordnung wurde, wie Sie alle wissen, geändert, vor allem auch der Gefahrenguttransport. Ich denke, die Maßnahmen und Auswirkungen dieser Veränderungen werden laufend überprüft und analysiert werden.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich zum Bereich Sicherheit den Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Othmar Thann, zitieren, der meinte: Auf den Straßen der Europäischen Union verunglücken alljährlich rund 45 000 Menschen. Statistisch gesehen würde das jeden Tag einen Flugzeugabsturz mit 120 Passagieren bedeuten. Dieser Blutzoll, dieses hohe Unfallrisiko und diese Probleme werden von den Bürgern sehr wohl wahrgenommen.

Nicht nur das menschliche Leid – jeder achtzigste EU-Bürger läßt sein Leben im Straßenverkehr –, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen der Unfälle sind gigantisch.

Die Gesamtkosten der Verkehrsunfälle betragen laut Kuratorium für Verkehrssicherheit rund 145 Milliarden Euro, also 1 995 Milliarden Schilling, im Jahr. Es wurde deshalb das Forschungsprojekt SARTRE eingerichtet, um die Ursachen zu analysieren und ihnen auf die Schliche zu kommen. Laut einer Studie, die in Österreich vom Verkehrspsychologen Werner Klemenjak erstellt wurde, rangieren die Unfälle im Problembewußtsein der Österreicher mit 73 Prozent an dritter Stelle. Um die Sicherheit zu erhöhen, sprechen sich 76 Prozent für eine Verbesserung der Ausbildung, 62 Prozent für mehr Kontrollen und 44 Prozent für härtere Strafen aus.

Soviel zu diesen Studien, die dazu dienen sollen – dies sollte vor allem das Ziel aller Maßnahmen sein –, ein Mehr an Schutz und ein Mehr an Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.41

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist dies eine gute Gelegenheit, in diesem Hause wieder einmal über das Thema Verkehrssicherheit zu reden, weil es unbestritten ist, daß mit der Einführung der 0,5-Promille-Grenze ein sprunghafter und merkbarer Anstieg der Verkehrssicherheit in Österreich stattgefunden hat. Mittlerweile müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, daß, nachdem dieses Thema die öffentliche Diskussion beherrscht hat, die Verkehrssicherheit in Österreich wieder eklatant zu sinken beginnt. Es ist so, daß wir wieder eine höhere Zahl an Alkoholunfällen zu verzeichnen haben. Die Zahlen sind zwar niedriger als noch mit der 0,8-Promille-Grenze, aber sie sind wieder eklatant angestiegen.

Ich glaube, daß das ein Zeichen dafür ist, daß diesem Themenkomplex hier im Hause einfach zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Es war schlicht und einfach nicht mehr möglich, nach der sehr weitreichenden Diskussion über die Verkehrssicherheit in diesem Hause etwa den Punkteführerschein einzuführen. Meine Damen und Herren! Solange das kein Thema ist im Hause, weil sich die Regierungsfraktionen nicht einig werden darüber, welche Delikte in den Punkteführerschein einzubeziehen sind – wobei vier Fraktionen sagen, daß ein Punktesystem im Führerscheinrecht sinnvoll wäre –, solange es nicht gelingt, daß man freie Abstimmungen über die Delikte, die darin enthalten sein sollen, zuläßt und damit nicht das ganze Paket blockiert, so lange wird man zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Verkehrssicherheit in Österreich weiter abnehmen wird.

Das bedeutet mehr Todesfälle in Österreich. Frau Abgeordnete Binder! Man muß nicht die europäische Ebene heranziehen, denn wir haben nach wie vor auch in Österreich rund 1 000 Verkehrstote pro Jahr. Das bedeutet zwei bis drei Tote pro Tag! Es betrifft jeden Tag zwei bis drei Familien, daß ein Familienmitglied auf der Straße stirbt. Das kann man doch nicht einfach hinnehmen. Ich appelliere bei dieser Gelegenheit, daß wir endlich wieder eine Verkehrssicherheitsdiskussion im Hause beginnen und daß man sich insbesondere auch für die nächste Legislaturperiode überlegen sollte, ob es nicht einen ständigen Unterausschuß des Verkehrsausschusses geben soll, der sich mit Verkehrssicherheitsfragen beschäftigt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es hat mich daher sehr verwundert, daß man die Verkehrssicherheitsanträge der Opposition, etwa den von Frau Abgeordneter Moser betreffend die Sicherheit von Fußgängern oder auch jenen betreffend die Sicherheitsvorschriften für Reisebusse, schlicht und einfach niedergestimmt hat. Es war eigentümlich, zu sehen, daß 20 Abgeordnete um einen Tisch sitzen, 100 000 S im Monat bezahlt bekommen und nichts Besseres zu tun haben, als Anträge abzulehnen und dann dieselben vier Anträge mit Titel in einem Entschließungsantrag aufzuzählen, um die soeben abgelehnten Anträge dem Arbeitskreis Verkehrssicherheit im Verkehrsministerium zuzuweisen. Das ist schlicht und einfach grotesk, und es ist eine versäumte Chance. Wir haben hier im Hause nicht die Gelegenheit nutzen können, wieder einmal mit einem größeren und einem weiterreichenden Entschließungsantrag wenigstens der Öffentlichkeit klarzumachen, daß Verkehrssicherheit in Österreich nach wie vor ein wichtiges Thema ist.

Wir werden daher das Abstimmungsverhalten der Koalition im Ausschuß nicht zur Kenntnis nehmen, und wir werden daher auch dem Entschließungsantrag der Regierungsparteien, den ich soeben angesprochen habe, nicht die Zustimmung geben.

Den GSM-Antrag, der von Frau Abgeordneter Moser eingebracht worden ist und der nicht mehr will, als daß bei der Aufstellung von Sendemasten die Bevölkerung, die davon im unmittelbaren Umkreis betroffen ist, informiert wird, halten wir für sinnvoll. Es ist nach unserem Dafürhalten sinnvoll, daß man die Bevölkerung über solche Maßnahmen informiert, weil es derzeit so ist, daß einige, allerdings nicht alle, Mobilfunkbetreiber die Bevölkerung informieren und damit auch Konflikte und Sprengpotential herausnehmen. Es gibt aber auch andere, die einfach solche Masten aufstellen, niemanden informieren und sich dann auch weigern, Messungen zu machen. Wir halten das für den falschen Weg, weil dadurch in Wahrheit die Situation, die ohnehin schon angespannt ist, noch angespannter wird, als notwendig ist. Daher wäre es sinnvoll, den Antrag der Frau Abgeordneten Moser anzunehmen und zu sagen, ja, es soll eine Information der Bevölkerung geben, wenn Sendemasten aufgestellt werden.

Den Antrag, den die Regierungsparteien vorgelegt haben, der besagt, wir wollen forschen, messen und wissen, wie groß die Belastung an einzelnen Plätzen ist, werden wir zur Kenntnis nehmen, und wir werden ihm zustimmen. Es ist aber nicht das, was im ursprünglichen Antrag verlangt worden ist. Der Antrag der Koalition hat noch einen Schönheitsfehler: Es ist sinnvoll, etwa ein Forum Mobilkommunikation in solche Forschungen einzubeziehen, aber sie unmittelbar ausführend sein zu lassen, da sie doch in Wahrheit eine Lobbyvertretung der Mobilfunkbetreiber sind, ist nicht sinnvoll. Das wird einfach die Glaubwürdigkeit einer solchen Studie senken.

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin Prammer hat in einem Brief vom 8. April einer besorgten Anrainerin folgendes geschrieben: Abschließend möchte ich Sie aber darauf hinweisen, daß die privaten Mobiltelekommunikationsbetreiber gegenüber der Bundesregierung ausdrücklich versichert haben, die Aufstellung der Sendemasten in vorhergehender Abstimmung mit den Anrainern durchzuführen. – Solche Briefe sollte sie nicht schreiben, wenn es der Realität nicht entspricht. Die Bundesregierung wird sich zu Recht fragen lassen müssen, ob sie sich mit solch einfachen Versprechen abspeisen läßt oder ob sie sich dann, wenn Anrainerbeschwerden kommen, auch um die Sache annimmt.

Wir meinen, man sollte sich dieser Sorgen annehmen, dann kann man auf der einen Seite der Technologie insgesamt etwas Gutes tun und auf der anderen Seite dafür sorgen, daß Personen nicht in ihrer Lebensqualität und letztlich auch nicht in ihrem Eigentum beschränkt werden, nur weil man einem überbordenden Ausbau das Wort redet und nicht Sorge dafür trägt, daß die Anrainerinnen und Anrainer in dieser Sache gehört werden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.48

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag 949/A (E) betreffend Verlängerung des Wochenendfahrverbotes für LKW zeichnet schon in seiner Begründung ein falsches Bild der Arbeitszeitsituation der Berufsfahrer. Es scheint mir daher zunächst erforderlich zu sein, einige Punkt hier zu korrigieren.

Von der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der Luft-, See- und Schienenverkehr sowie die Ärzte in Ausbildung ausgenommen. Und das hat auch seinen Grund: Die Ausnahme für den Straßenverkehr wurde nicht aus Jux und Tollerei beschlossen, sondern war deswegen notwendig, weil für bestimmte Sektoren getrennte Maßnahmen auch hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung notwendig sind. Das begründet sich aus der Art der Tätigkeit. – Soweit zur Richtigstellung der Intention der Antragsteller.

Was Ihnen jedoch dabei entgangen sein muß, ist, daß die Ausnahme von der EU-Arbeitszeitrichtlinie für die österreichischen Bus- und LKW-Lenker ohnehin nicht relevant ist. In Österreich gelten aufgrund des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes strengere Regelungen für die Arbeitszeit und die Ruhezeit. Mit diesen Arbeitszeitregelungen haben wir in Österreich einen sehr hohen Sicherheitsstandard erreicht, was auch die offizielle Lenkerkontrollstatistik 1996 klar beweist. Bei insgesamt 355 000 kontrollierten Arbeitstagen wurde eine Übertretungsquote von nicht einmal 6 Prozent festgestellt.

Die Sozialpartner haben 1994 und 1996 alle Vorgaben des EG-Rechtes in sehr verantwortungsvoller Form umgesetzt. Dabei wurde sowohl dem Arbeitnehmerschutzbedürfnis als auch einer entsprechenden Flexibilität bei der Durchrechnung von Arbeitszeiten und Ruhezeiten Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß in Österreich bereits viele Regelungen der EG-Arbeitszeitrichtlinie auch für den Straßenverkehr gelten. Da auf europäischer Ebene keinerlei Vorschriften für den Straßenverkehr gegeben sind, setzen sich die Sozialpartner derzeit dafür ein, gemeinsame Arbeitszeitregelungen für diesen Bereich zu erzielen. Dazu gibt es auch bereits einen sehr konkreten Vorschlag des EU-Sozialministerrates.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich daher auch den Schluß ziehen, daß eine Erweiterung des Wochenendfahrverbotes am Samstag um zwei Stunden und am Sonntag um sieben Stunden nichts mit dem Arbeitszeitgesetz zu tun hat. Im übrigen sieht die derzeit geltende Arbeitszeitregelung in Österreich eine der EG-Bestimmung entsprechende 45stündige Wochenendruhe vor.

Hohes Haus! Für mich sind diese heutigen Anträge symptomatisch für die derzeitige verkehrspolitische Diskussion. Da werden zum wiederholten Male Verkehrssicherheitsargumente und Sicherheitsstandards dazu mißbraucht, einseitig diskriminierende Maßnahmen gegen die LKW und damit auch gegen die Verkehrswirtschaft zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Da gibt es eine Verlängerung der Ferienreiseverordnung um einen Monat, eine existenzgefährdende neue Regelung bei den Gefahrguttransporten sowie die Tunnelverordnung. Nennen wir das Kind gleich beim Namen: Das ist ein offener Kampf – ich sage das sehr deutlich – gegen die betroffene Wirtschaft. Ich bin nicht bereit, diesen Kampf mitzutragen.

Wie bei der angesprochenen Ferienreiseverordnung, die ohne Begutachtungsverfahren der Sozialpartner und Bundesländer im Rundfunk verlautbart worden ist, wird auch im konkreten Entschließungsantrag ohne sachliche Grundlage und ohne die ökonomischen Auswirkungen zu berücksichtigen die wöchentliche Arbeitszeit um 20 Prozent reduziert und damit quasi durch die Hintertüre die Viertagewoche eingeführt.

Meine Damen und Herren! Auch die Verlängerung des Wochenendfahrverbotes ist in keiner Weise durchdacht und schädigt die Wirtschaft schwerstens. Sie ist zudem nicht geeignet, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Ganz im Gegenteil: Diese wird dadurch sogar erheblich verschlechtert!

Das Fahrverbot für Gefahrguttransporte kann keinesfalls mit den Erfordernissen des Ferienreiseverkehrs begründet werden, sodaß dieser Bestimmung wohl auch die gesetzliche Basis fehlt. Es ist doch nicht ernsthaft davon auszugehen, daß in den Ferienmonaten während der gesamten Feriendauer der Ferienreiseverkehr bereits Freitag früh in einem Ausmaß beginnt, daß Gefahrguttransporte vom hochrangigen Straßennetz verbannt werden müssen. Ich selbst bin an diesem ersten Ferienfreitag gefahren, an dem diese neue Bestimmung gegriffen hat, und ich muß sagen, es war durchaus nicht von einer Verkehrsüberlastung die Rede.

Im Gegenteil: Diese Verordnung bringt sogar eine erhöhte Gefahr für die Bevölkerung, weil am Freitag die unverzichtbaren Gefahrgutbeförderungen vom hochrangigen Straßennetz auf niederrangige Straßen ausweichen müssen. Das ist durchaus kontraproduktiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hoffe, daß Ihnen klar ist, daß Sie damit die Chemieladungen durch Wohngebiete schicken. Das ist sicherlich nicht sicherheitserhöhend, das ist eher sicherheitsgefährdend. – Soviel zur Auffassung über die Verkehrssicherheit.

Darüber hinaus erleidet die Wirtschaft einen enormen Schaden, was insbesondere die chemische Industrie, die Mineralölwirtschaft, das Baugewerbe, die Fahrzeugindustrie und auch viele Sparten des Handels betrifft. Dieser Entschließungsantrag enthält unüberlegte Maßnahmen, mit denen Sie Zigtausende Arbeitsplätze gefährden.

Mir wurde ein Protestschreiben einer großen Automobilfirma zugesandt, die durch diese Maßnahme mehr als 5 000 Arbeitsplätze gefährdet sieht. (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie hätten das mit uns im Ausschuß ablehnen können, das wäre einfach gewesen!)

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte noch zum Antrag des Herrn Firlinger die Sicherheitsgurte in Reisebussen betreffend. Sie gehen auch hiebei von völlig falschen Voraussetzungen aus. In zahlreichen Expertensitzungen auf österreichischer und europäischer Ebene wurde einheitlich festgestellt, daß die nachträgliche Ausrüstung von Reisebussen mit Sicherheitsgurten gar nicht möglich ist. Man müßte den ganzen Gesamtunterbau des Busses neu konstruieren, damit nicht bei einer Vollbremsung der ganze Sitz aus der Verankerung gerissen wird. Auch das ist nicht durchdacht.

Meine Damen und Herren! Bedenken Sie daher die Tragweite dieser Initiativen! Ich weiß, daß sowohl aufgrund der wirtschaftlichen als auch aufgrund der technischen Realität die Wirtschaft diesen Anträgen nicht zustimmen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Nützen Sie gar nicht die ganzen 20 Minuten aus?)

17.55

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident der Industriellenvereinigung! (Ironische Heiterkeit und Widerspruch bei ÖVP und SPÖ sowie den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das ist ein Unterschied! – Abg. Haigermoser: Das hört er nicht gern! – Abg. Tichy-Schreder: Wirtschaftskammer!) – Ich habe ihn jetzt noch befördert. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es war wirklich in vielerlei Hinsicht sehr aufschlußreich, Ihnen zuzuhören. Ich möchte vielleicht doch auf den einen oder anderen Punkt eingehen, weil ich es ja als sehr legitim ansehe – das unterstreiche ich –, daß Sie hier als Interessenvertreter eines wesentlichen Zweiges nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der österreichischen Gesellschaft gesprochen haben. Keine Frage! Daher habe ich Sie auch so tituliert. (Die Abgeordneten Tichy-Schreder und Ing. Maderthaner: Auch der Bevölkerung! Sie müssen mit den Leuten reden!)

Für mich gibt es aber folgende Generalfrage. Wenn Sie hier in erster Linie – und darauf hat fast jedes Wort hingedeutet – als Vertreter von Interessen sprechen, dann frage ich Sie gleichzeitig: Von wem sind Sie denn gewählt worden, Herr Präsident Maderthaner? – Doch von den Österreicherinnen und Österreichern, die die ÖVP gewählt haben! Diese haben nolens volens auch Sie wählen müssen.

Ich möchte fragen, und das frage ich Sie auch persönlich, ob Sie sich nicht als Volksvertreter, als Vertreter der Bevölkerung zwar nicht in erster Linie, aber doch auch als Vertreter der Betroffenen fühlen, nämlich der Betroffenen, die unter die Räder kommen. Mein Vorredner, Herr Kollege Barmüller, hat es angesprochen: Täglich sterben drei Menschen auf der Straße, drei Menschen sterben durch ein Verkehrssystem, das Sie vorantreiben, das Sie massiv vertreten, für das Sie Lobbying betreiben!

Ich glaube, vorgestern war es, da stand im "Kurier" zu lesen: "Haarscharf an Katastrophe vorbei"! (Die Rednerin hält eine Ausgabe des "Kurier" in die Höhe.) Wieder war es ein LKW, wieder war es Gefahrengut, wieder war es vielleicht ein Fahrer, der sich nicht an die Arbeitszeitregelung halten durfte, der getrieben war von Interessen, die in Ihrem Bereich immer wieder artikuliert werden. (Abg. Haigermoser: Der Unterschied zwischen der Verkehrswirtschaft und Ihnen, Frau Moser, ist, daß Sie pragmatisiert sind und die Verkehrswirtschaft im Wettbewerb steht! Sie sind pragmatisiert! Vier Monate Urlaub im Jahr!)

Ich frage daher: Warum fühlen Sie sich nicht auch als Vertreter der Bevölkerung, der Betroffenen, der Verletzten, der Angehörigen, der Toten und vielleicht auch derjenigen, die jetzt wirklich unter die Räder gekommen sind? – Das müssen Sie auch bedenken! (Abg. Haigermoser: Als Sie mit dem Fahrrad gestürzt sind, wer war da schuld?)

Ich bin überhaupt nicht gestürzt, das würde man ja noch sehen. (Abg. Haigermoser: Es wird behauptet, ich weiß es nicht!) – Da verwechseln Sie etwas. Kollegin Stoisits ist vor zwei Jahren einmal gestürzt. (Abg. Haigermoser: Da haben wir es ja!) Ich habe das Glück, daß es mich noch nicht erwischt hat. – Das nur zu den Ausführungen, die Sie gebracht haben. (Abg. Dr. Fekter: Radfahrer und Fußgänger verursachen mehr Unfälle als LKW! – Abg. Ing. Maderthaner: LKW 8 Prozent, Radfahrer 9 Prozent!)

Nein! Bitte lesen Sie doch die Statistik! Frau Kollegin Dr. Fekter, bitte lesen Sie die Statistik! Ich zitiere Ihnen die Seiten, damit Sie sich leichter tun und schneller zurechtfinden. Auf Seite 44 sehen Sie die Zahl der Verkehrsunfälle im internationalen Vergleich. (Abg. Dr. Fekter: Radfahrer und Fußgänger liegen vor LKW!) Da sehen Sie deutlich, daß Österreich hinter Portugal und Belgien im Spitzenfeld liegt. Schauen Sie sich das an! Blättern Sie weiter, dann sehen Sie auf der Seite, wo es um die Verunglückten geht – gerade Sie als Oberösterreicherin müßten sich ja besonders betroffen fühlen –, daß gerade in Oberösterreich sehr, sehr viele Verkehrsunfälle passieren. Steyr bildet sozusagen das Spitzenfeld, aber auch Wels, Leonding, Braunau, Linz liegen vorne – lauter oberösterreichische Spitzenreiter bei der Zahl von Verunglückten in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern.

Oder schauen Sie sich die Bundesstraßen mit hohen Unfallraten an: Auch da liegt Oberösterreich ganz vorne. Bitte, Frau Dr. Fekter, denken Sie nicht nur an Ihre betrieblichen Interessen und an die Schottergruben! Denken Sie auch daran, daß es in erster Linie um Menschenleben geht! Deswegen ist mir das wirklich ein Anliegen. Es geht um Menschenleben, und die Wirtschaft lebt auch von Menschen, das möchte ich einmal ganz deutlich voranstellen. (Abg. Ing. Maderthaner: Das wissen wir ja nicht!)

Deshalb ist es vor allem auch wichtig, daß man die Fußgänger schützt. Sie sind nämlich die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Ich denke, in einem ethischen Gesamtsystem beziehungsweise einem ethischen System, das durchaus auch in der Wirtschaft Geltung haben kann, soll und auch hat, ist es auch üblich, daß man diese ethischen Belange voranstellt und auch den Schwächeren schützt.

Zum Abschluß darf ich noch darauf hinweisen – Kollege Barmüller hat es schon erwähnt –, wie in einer Zeit, in der wir steigende Unfallzahlen, steigende Todesraten haben, wie jetzt mit solchen Verkehrssicherheitsanträgen im Parlament umgegangen wird. Man lehnt sie ab, und gleichzeitig weist man sie zu. Das ist ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, bei dem man zwar an den Start zurückverwiesen wird, aber gleichzeitig drei Felder in irgendeiner Arbeitsgruppe vorrücken kann, die vielleicht in der XXI. Legislaturperiode doch zu einem Punkteführerschein, zu einer Reform des Führerscheingesetzes kommt.

Sprechen Sie mit der Exekutive! Die Beamten brauchen einfach bessere Handhaben, sie müssen aber aufgrund ihrer personellen und finanziellen Ressourcen gleichzeitig auch die bestehenden Regeln besser anwenden können. Darum geht es! Ich bitte Sie, auch diesen Gesichtspunkt voranzustellen.

Zum Schluß noch ein paar Worte zum Wochenendfahrverbot. Ich sehe ja ein, daß sich die Wirtschaft dadurch bedrängt fühlt. Aber am bedrängtesten müßte sich die Wirtschaft eigentlich dadurch fühlen, daß der Tag nur 24 Stunden hat. Es gibt halt einfach natürliche Gesetze, und an diesen muß sich auch die Wirtschaft orientieren. (Beifall bei den Grünen.) Ich finde, ein Naturgesetz ist es auch, daß die Menschen sich ausrasten müssen. Insofern ist diese Ausdehnung des Wochenendfahrverbots auch unter dem Gesichtspunkt des Rastens zu betrachten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Richtig! Dann sperren die Gaststätten alle um 7 Uhr abend zu!)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tegischer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

18.01

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich habe einen Vorschlag für die ÖVP: Verbieten wir den Fußgängern und den Radfahrern, sich auf der Straße zu bewegen! Machen wir auf für die LKW, für die Gefahrguttransporte an Sonn- und Feiertagen! Vielleicht passieren dann weniger Unfälle. (Abg. Haigermoser: Das erinnert mich an Karl Valentin: 1999 die Radfahrer, 2000 die Fußgänger, 2001 die Autofahrer und so weiter! – Heiterkeit.)

Das wäre mein Vorschlag. Wir von der SPÖ sind auf der Seite der Schwächsten, nämlich derer, die keine Knautschzone haben! (Beifall bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) – Okay, dann am Freitag. Verbieten wir es den Fußgängern und Radfahrern am Freitag.

Eine Tatsache ist auf jeden Fall, daß es vom 1. Jänner bis zum 11. Juli dieses Jahres 521 Verkehrstote auf Österreichs Straßen gegeben hat. Im Gegensatz dazu: Im Vergleichszeitraum gab es im vergangenen Jahr 443 Verkehrstote. Das spricht für sich.

Ich möchte jetzt noch ganz kurz auf das eingehen, was schon meine Kollegin Binder erwähnt hat, und zwar auf die Präventivmaßnahmen, auf Maßnahmen im Hinblick auf verstärkte Verkehrssicherheit beziehungsweise Verkehrserziehung. Wir reden immer davon, daß wir unseren Kindern präventiv und quasi spielerisch den Zugang zum Verkehrsgeschehen und zur Verkehrssicherheit vermitteln wollen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings auch einen Appell an die Erwachsenen richten. Ich habe x-mal an Zebrastreifen mit Ampel beobachtet, daß Erwachsene, die es eilig haben, die ungeduldig sind, bei Rot über die Kreuzung gehen und dann kleine Kinder ihre Mami fragen: Mami, wieso darf ich nicht bei Rot über die Kreuzung gehen, aber die Erwachsenen schon?

Ich denke, da sollten wir eine Kampagne starten und auch Bewußtseinsbildung bei den Erwachsenen betreiben, denn wir haben eine Vorbildfunktion gegenüber Kindern und Jugendlichen. (Beifall bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Ein weiteres Thema ist heute auch schon angesprochen worden, und zwar Alkohol am Steuer. Es hat erst kürzlich eine Petition gegeben, die unserem Präsidenten Heinz Fischer von Jugendlichen übergeben worden ist und eine enorme Anzahl von Unterschriften trägt. Es ist tatsächlich so, daß man noch viel mehr tun muß, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Das ist sicherlich ein großes Anliegen.

Beim Schutz von Fußgängern möchte ich auch darauf hinweisen, daß diesbezüglich auch die Gemeinden gefordert sind, denn jede Gemeinde hat die Möglichkeit, ihr ureigenes Verkehrskonzept zu entwickeln. Da kann man sehr gezielt Maßnahmen setzen. Ein Stichwort dazu: Ein gezielt und gut plazierter Zebrastreifen kann Leben retten.

Ein Problem habe ich mit einer Bestimmung, die ich selbst mitbeschlossen habe. Ich gebe zu, es war ein Fehler, ich habe das unterschätzt oder vielleicht zu wenig genau gelesen. Es geht um die führerscheinfreien Leichtkraftfahrzeuge. Es gibt inzwischen 5 000 davon. Die Intention war ja gut, die Absicht war gut, aber schlecht getroffen insofern, als diese Fahrzeuge nicht unbedingt von Leuten gefahren werden, die das wirklich brauchen, wie zum Beispiel Jugendliche, die auch im Winter von entlegenen Gebieten zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen. Es kommt leider viel öfter vor, daß diese Fahrzeuge von jenen benützt werden, die aus welchen Gründen auch immer keinen Führerschein mehr haben. Und es gibt genug, die schwer alkoholisiert mit diesen Leichtfahrzeugen fahren. Ich finde, diese Bestimmung bedarf einer Korrektur. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Motter.)

Da dies für mich wie für viele Kollegen – ich glaube, es sind 40 an der Zahl – die letzte Rede in diesem Hohen Haus ist, möchte ich noch kurz einige Bemerkungen dazu machen. Ich kehre nach vier Jahren – für manche ist das eine sehr kurze Zeit, für mich war es eine lange Zeit, das muß ich zugeben – in meinen Beruf zurück, den ich sehr liebe. Ich habe das Angebot bekommen und relativ schnell zugesagt, das zu machen. Es ist eine AMS-Maßnahme, die ich als sehr gut empfinde.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, daß ich nicht immer fraktionsorientiert gehandelt habe, und richte einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien: Ich finde es ganz wichtig, daß man auch einmal seine Meinung sagt, daß man auch einmal aus der Reihe schlägt. Jetzt sind beide Klubobmänner nicht da, aber sie werden mir verzeihen. Ich finde das ganz wichtig, denn das Parlament hat Kontrollfunktion, und jeder von uns soll sich auch einmal individuell durchsetzen können. Das finde ich ganz wesentlich! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP, bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Niederwieser.)

Ich würde meiner Nachfolgerin und allen Nachfolgern einen Mentor wünschen. Sie alle, die Sie hier sitzen und schon viel Erfahrung haben im Hohen Haus, bedenken Sie, es würde den Neuen sicher helfen, wenn sie einen Ansprechpartner hätten, der ihnen auch wirklich die sogenannte blödeste Frage beantwortet. Mir hätte es sehr geholfen. Ich habe mich oft wirklich verloren gefühlt. (Abg. Tichy-Schreder: Welche Kollegen haben Sie? Das ist erschreckend! Kollege Parnigoni, genieren Sie sich! – Abg. Parnigoni: Ich schäme mich schon!) Es ist wirklich so, Frau Kollegin. Sie sitzen so lange da. Manchmal fühlt man sich verloren. Und das können Sie alle, die Sie jetzt noch hier sind, verbessern, indem Sie Mentor für die nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen sind.

Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute für die weitere Arbeit. Ich vertraue darauf, daß die Dinge, die noch nicht erfüllt worden sind, von meinen Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin engagiert durchgesetzt werden. Für die nächste Legislaturperiode wünsche ich Ihnen viel Kraft, vor allem eine große Portion an Humor und alles, alles Gute und Gesundheit. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Tegischer! Erlauben Sie mir auch eine Bemerkung zu Ihrer Abschiedsrede hier. Ihre Anwesenheit im Haus war nicht von sehr langer Dauer, aber sie war durchaus erfreulicher Art, und ich möchte mich bei Ihnen bedanken, weil Sie letztlich auch in einer Aktivität, die Sie mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen in die Wege geleitet haben, gezeigt haben, daß es Ihnen ums Grundsätzliche geht und daß Sie durchaus in der Lage sind, hier auch gute Impulse zu geben. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und hoffe, daß die Ideen, die Sie hier etwas vitalisiert haben, in diesem Haus weitergeführt werden. Danke vielmals. (Allgemeiner Beifall.)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Preisinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

18.09

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren erschüttern Buskatastrophen die Öffentlichkeit, und tragische Busunglücke zeigen, daß Busreisende in älteren Bussen infolge von fehlenden Sicherheitsgurten und geringeren Sicherheitsstandards größeren Verletzungsgefahren ausgesetzt sind als in anderen oder eigenen Kraftfahrzeugen.

Bereits vor einigen Jahren gab es eine "kleine" Geschichte: Bereits im Jahr 1995, und zwar Anfang Februar 1995, haben wir zu diesem wichtigen Punkt gleichzeitig im Ausschuß und im Plenum selbst gesprochen. Ich habe bereits damals darauf hingewiesen, daß Untersuchungen belegen, daß bei PKW-Unfällen im Durchschnitt jeder sechste Fahrzeuginsasse schwer verletzt oder getötet wird. Bei einem Busunfall ist es jedoch jeder fünfte. Besonders tragisch ist das Kapitel Unfälle mit Schulbussen.

Der damalige Verkehrsminister und heutige Bundeskanzler Klima hat sich damals im Verkehrsausschuß – es war genau am 2. Februar 1995 – gegen den Antrag der Freiheitlichen auf Einführung der Gurtenpflicht ausgesprochen und gemeint, daß dieser unser Vorschlag undurchführbar sei. Am Tag darauf, am 3. Februar 1995, konnte man in der "Kronen Zeitung" lesen, daß die SPÖ merkwürdigerweise ihre Meinung plötzlich geändert hat. Das ist interessanterweise von einem Tag auf den anderen gegangen. Die SPÖ trat für eine Einführung der Gurtenpflicht, wie es unser damaliger Vorschlag vorsah, ein.

Man kann sagen: Ein genialer Einfall – aber von der SPÖ leider abgekupfert bei der FPÖ. Ein paar Tage später im Plenum forderten wir Freiheitlichen den damaligen Verkehrsminister und heutigen Bundeskanzler Klima in einem Entschließungsantrag auf, dafür Sorge zu tragen, daß eine praktikable Lösung zur verpflichtenden Ausstattung von Reisebussen mit Sicherheitsgurten erarbeitet werden soll. Wir forderten, daß man besonders auf eine gleichwertige Behandlung von Schulkindertransporten Wert legen muß. Aber erst ein Jahr später, aber immerhin, war für neu zuzulassende Busse in Österreich vorgeschrieben, daß diese mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sein müssen. Für ältere Busse trifft dies aber leider nicht zu. Eine Serie von spektakulären Unfällen, in die vor allem ältere Busse und Schulbusse verwickelt waren, zeigt, daß eine Nachrüstung mit Sicherheitsgurten dringend erforderlich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine hohe Zahl an Beanstandungen wurde bei Ostbussen festgestellt. Wir Freiheitlichen warnen seit den Grenzöffnungen zum Osten immer wieder vor sogenannten rollenden Bomben auf österreichischen Straßen und versuchen, dagegen etwas zu unternehmen. Gleichzeitig haben wir wiederholt verstärkte Kontrollen an den Grenzen gefordert.

Wir fordern daher eine verpflichtende Ausrüstung für alle Reisebusse mit Sicherheitsgurten, eine Intensivierung der technischen Kontrolltätigkeiten auf unseren Straßen und einen hohen Sicherheitsstandard für alle Kfz, selbstverständlich auch für Kfz aus den ehemaligen Ostblockstaaten.

Ich möchte zum Abschluß noch eine Bemerkung machen: Was tun eigentlich die beiden Regierungsfraktionen mit diesem Antrag? – Abgelehnt, abgelehnt wie seinerzeit von Klima! Man darf wirklich gespannt sein, wie lange es dauern wird, bis der heutige Verkehrsminister unseren Vorschlag quasi als neue Idee präsentieren wird. Es ist die Frage, ob er sie vielleicht schon heute hier präsentieren will.

Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Man muß schon sagen: Man geht in einer Demokratie mit einem Oppositionsantrag nicht so um! Das wäre wirklich nicht fair. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.14

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, daß die Unfallzahlen – und da vor allem die Zahl der Verkehrstoten – wieder steigen. Die Zahlen habe ich dem Sicherheitsbericht entnommen. Diese Zahlen sind im letzten Sicherheitsbericht des Innenministeriums auf Seite 267 deutlich nachlesbar.

Dieser Sicherheitsbericht zeigt auf, daß 1997 bei 39 695 Unfällen mit Personenschaden 51 591 Personen verletzt und leider auch 1 105 Personen getötet wurden. Gegenüber dem Jahre 1996 ist die Zahl der Unfälle um 3,8 Prozent, die Zahl der Verletzten um 3,9 Prozent und die Zahl der Verkehrstoten sogar um 7,6 Prozent gestiegen. Eine längerfristige Analyse der Zahl der Unfalltoten in Österreich zeigt, daß die Zahl der Unfälle seit den siebziger Jahren bis etwa 1995, 1996 ständig zurückging, aber seither wieder im Ansteigen begriffen ist. Es gab zwar im Jahr 1998 einen geringfügigen Rückgang der Zahl der Verkehrstoten gegenüber dem Jahre 1997, aber im heurigen Jahr ist wieder eine kräftige Steigerung feststellbar.

Nun gehe ich der Frage nach den Verursachern nach. Diesem Sicherheitsbericht des Innenministeriums ist zu entnehmen, daß sich im Jahre 1997 bei den tödlichen Verkehrsunfällen folgendes Bild zeigt: Sie wurden zu 67 Prozent von PKW-Lenkern verursacht, zu 9,7 Prozent von Motorradlenkern, zu 8 Prozent von LKW-Lenkern – es wird an und für sich die Gefährdung durch LKWs immer weit überschätzt, weil bei diesen in der Regel die Unfälle viel spektakulärer sind und deshalb gemeldet werden –, zu 4,7 Prozent von Radfahrern, zu 4,3 Prozent von Fußgängern und zu 3,7 Prozent von Mopedlenkern. Das heißt, Radfahrer und Fußgänger haben insgesamt bereits mehr tödliche Verkehrsunfälle verursacht als LKW-Lenker. Also man würde es fast nicht glauben, wenn das nicht aus der Aufstellung des Innenministeriums hervorgehen würde. (Abg. Böhacker: Sind mehr LKW-Lenker oder mehr Fußgänger unterwegs?)

Ich wollte damit nur darstellen – und zwar deshalb, weil die LKW das Feindbild der Gesellschaft geworden sind –, daß nicht die LKW-Fahrer den Großteil der Unfälle verursachen. Ich weiß, Verkehrstote sind für Sie etwas Lächerliches. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus!) Für uns ist das eine ernste Sache, und wir suchen nach Lösungen, wie wir deren Zahl verringern können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Gruppe der 18- bis 26jährigen war zu fast 40 Prozent für das tödliche Unfallgeschehen verantwortlich. Das heißt, daß gerade junge Verkehrsteilnehmer, die sehr oft Geschwindigkeiten überschreiten, sehr stark für den Tod von Verkehrsteilnehmern verantwortlich sind.

Nur 12,4 Prozent der tödlichen Unfälle ereigneten sich auf Autobahnen und Schnellstraßen. Das heißt, daß das höhrerrangige Straßennetz – das zeigt das Unfallgeschehen – wesentlich sicherer ist als Bundes- und Landesstraßen.

Die eigentlichen Ursachen der tödlichen Straßenverkehrsunfälle im Jahre 1997 waren zu 42 Prozent zu hohe Geschwindigkeit, zu 33 Prozent Vorrangverletzungen, Überholen, Unachtsamkeit, zu 8 Prozent Alkoholkonsum und nur zu 1,1 Prozent technisches Gebrechen. Das heißt, daß rund 99 Prozent der Unfälle durch menschliches Versagen verursacht werden. Die Technik selbst ist in der Zwischenzeit sehr ausgefeilt.

Schwerpunktmäßig müssen wir daher dort nach Lösungen suchen, wo die häufigsten Unfallursachen vorhanden sind. Daher kann ich es nicht verstehen, daß Frau Gabriela Moser den Antrag gestellt hat, das Wochenendverkehrsverbot für LKW-Fahrer bis Montag fünf Uhr früh auszudehnen.

Das würde am Montag vormittag zu einer verstärkten Unfallhäufigkeit führen. Sonst fahren die LKW-Fahrer bereits in der Nacht weg, zu einer Zeit, zu welcher relativ wenig Verkehr ist, und treffen somit am Morgen nicht mit dem Arbeitsverkehr zusammen. Also man soll sich schon Gedanken darüber machen, wie man Unfälle verhindern und die Verkehrssicherheit steigern kann. Man muß da die wirklichen Ursachen der Unfallgefährdung schrittweise ausmerzen und darf nicht Alibimaßnahmen setzen.

Ich muß schon sagen: Ich war eigentlich enttäuscht darüber, daß ausgerechnet die Freiheitliche Partei, in deren Reihen es sehr viele Frächter gibt, im Verkehrsausschuß dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Moser, das LKW-Fahrverbot bis Montag früh auszudehnen, zugestimmt hat. (Abg. Haigermoser: Das stimmt nicht! Sie sagen die Unwahrheit!) Das hat mich sehr enttäuscht. (Abg. Haigermoser: Sie sagen die Unwahrheit!) Das ist nachzulesen im Ausschußprotokoll. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Haigermoser gelangt jetzt zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Parnigoni: Jetzt kommt der blaue Frächter!)

18.21

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Da manche Abgeordnete heute aufgrund von Abschiedsreden ein bißchen in festlicher Stimmung sind – wir durften so manche Rückblicke hier erleben –, möchte auch ich mich zuvorderst ganz herzlich bei Ihnen, Herr Präsident Dr. Neisser, da wir gehört haben, daß auch Sie aus dem Nationalrat ausscheiden werden, nicht nur für die Vorsitzführung, die Sie an den Tag gelegt haben, sondern auch und gerade für das jüngste Interview, das wir einem Journal entnehmen durften, bedanken. Ich hoffe, daß Ihre Mahnungen in Hinkunft auch Gehör finden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Tegischer hat in ein ähnliches Horn geblasen. Ich meine, wir sollten über die Parteigrenzen hinweg darüber nachdenken, was uns der zurzeit den Vorsitz führende Präsident Dr. Neisser uns, dem Parlament ins Stammbuch geschrieben hat.

Meine Damen und Herren! Die Debatte über die Verkehrssicherheit begleitet uns ständig, aber wir wissen genau, daß gerade Sie, Herr Bundesminister Einem, auf dem Rücken der Transportwirtschaft einen verkehrsideologischen Kampf ausfechten. Das tut der Wirtschaft nicht gut, und das tut auch den Arbeitsplätzen nicht gut, aber das scheint Ihnen egal zu sein. Doch lassen wir das einmal dahingestellt sein.

Faktum ist, daß aufgrund Ihrer und anderer innerstaatlicher Drangsalierereien die Transportwirtschaft, die LKW-Wirtschaft in Teilbereichen ins Ausland flieht. Herr Kollege Schwarzenberger! Sie sind dafür verantwortlich, daß die steuerlichen Belastungen und andere Belastungen für die Transportwirtschaft so groß geworden sind, daß diese Branche in weiten Bereichen ums Überleben kämpft. Aber wenn Sie mit einer billigen Ausrede daherkommen, die da lautet: Die Freiheitlichen haben da zugestimmt!, und glauben, damit ein Problem lösen zu können, dann muß ich sagen: Das ist das Billigste, was ich von einem Regierungsabgeordneten überhaupt jemals erlebt beziehungsweise gehört habe. Das zum einen. (Abg. Schwarzenberger: Aber es stimmt, daß Sie der Verlängerung des Wochenendfahrverbotes für LKW zugestimmt haben!)

Meine Damen und Herren! Nun ist es darum gegangen – und jetzt spreche ich Sie an, Herr Präsident Maderthaner und Herr Stummvoll –, daß zahlreiche Unternehmer, größere Fuhrunternehmer im Ausland, im ehemaligen Ostblock Filialen, Dependancen gegründet haben und diese "Billigflaggen", sage ich jetzt einmal, dazu benützt werden sollen, auf österreichischen Straßen zu gleichen Bedingungen ihre Fuhren abzuwickeln, während die österreichischen Unternehmer anderen Bedingungen ausgesetzt sind. Doch Sie fördern das Ganze noch. Sie vermeinen jetzt aufgrund des Drucks dieser "Billigflaggenunternehmer" einfordern zu müssen, daß da die Ausnahmegenehmigungen ohne Wenn und Aber gegeben werden. (Abg. Parnigoni: Erklären Sie das!)

Herr Kollege Parnigoni! Eine "Billigflagge" ist ein österreichischer Fuhrunternehmer, der zum Beispiel in Tschechien 20 LKW angemeldet hat und mit diesen LKW in Österreich unter den gleichen Bedingungen fahren will wie mit jenen LKW, die er in Österreich angemeldet hat. (Abg. Parnigoni: Danke!) Gut. Wir sind also einer Meinung, daß das nicht gerecht ist. Das hindert aber die Sozialdemokraten nicht daran – Herr Kiermaier war federführend dabei; jetzt ist er wahrscheinlich aus Scham nicht im Saal –, am Wirtschaftskammertag einen Antrag mit Unterstützung des Herrn Paulus und mit Zustimmung der ÖVP einzubringen, daß diese "Billigflaggen" – jetzt wissen Sie, worum es sich handelt – in Österreich mit gleichen Chancen ausgestattet sind, nämlich unter den gleichen Bedingungen fahren dürfen.

Meine Damen und Herren! Auf dieser Ebene finden Sie uns nicht! Für diese Art und Weise, wie Sie von den Sozialdemokraten und von der ÖVP das wollen, sind wir nicht (Beifall bei den Freiheitlichen), denn dadurch werden Arbeitsplätze vernichtet, wird der Dreck in Österreich abgeladen, aber die Steuern landen in anderen Ländern.

Meine Damen und Herren! Da sind wir nicht an Bord, nämlich bei dieser Regelung für die LKWs, wie sie die Sozialdemokratische Partei in Anträgen in der Wirtschaftskammer gefordert hat. Das ist nicht unsere Verkehrspolitik, sondern Ihre Verkehrspolitik! Das zu diesem Thema; ich habe nicht mehr viel Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Warum sind Sie dann gegen LKW-Road-Pricing? Sie sind doppelzüngig!)

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche sind dafür, daß die LKW-Wirtschaft gerechte Rahmenbedingungen hat und nicht von Herrn Verkehrsminister Einem quasi "niedergeknüppelt" wird – unter Anführungszeichen – und daß Chancen da sind, Arbeitsplätze zu sichern und die Transportwirtschaft überleben zu lassen. (Abg. Parnigoni: Warum sind Sie nicht für ein LKW-Road-Pricing? Sie sind doppelzüngig!)

Die Politik, die Sie betreiben, ist doppelzüngig und doppelbödig, meine Damen und Herren! Ich habe Sie mit dem geschilderten Antrag auf dem linken Fuß erwischt, Herr Parnigoni. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kopf. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser  auf dem Weg zu seinem Sitzplatz in Richtung des Abg. Parnigoni –: Das ist Unglaubwürdigkeit, was ihr da an den Tag legt! Diskutiere das mit Kiermaier aus und nicht mit mir! Das ist dein Genosse!)

18.26

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir alle – zumindest sagen das viele – sind bestrebt, wenn schon keine Arbeitsplätze zu schaffen, denn das können wir Politiker nicht, so doch der Wirtschaft zu ermöglichen, diese zu schaffen. Der Herr Bundeskanzler und Herr Staatssekretär Ruttenstorfer haben sich dieser Tage mit Industriellen zusammengesetzt und diesen ein Strategiepapier zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich vorgelegt und angekündigt, dieses Papier, das sich im Moment noch sehr oberflächlich darstellt, mit Leben erfüllen zu wollen.

Ich habe ein bißchen den Eindruck – und ich bin da sicher nicht allein –, daß sich dieses Papier primär an eigene Leute richtet, auch an jene, Herr Bundesminister, in der Bundesregierung. Denn wenn wir dieses Papier und den Versuch ernst nehmen, tatsächlich Strategien zu entwickeln, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken, dann muß ich sagen: Wenn wir das erreichen wollen, dann wird es nicht gehen, daß ein Verkehrsminister in einer Bundesregierung unter dem Deckmantel Verkehrssicherheit durch eine Ausdehnung der Ferienreiseverordnung und durch eine Ausdehnung des Wochenendfahrverbotes für LKW Schikanen für diese Wirtschaft aufbaut; dann wird es nicht gehen, daß zahlreiche neue Lehrberufe, die vom Wirtschaftsminister ausgearbeitet und vorgelegt worden sind, vom Sozialministerium blockiert werden; dann wird es auch nicht gehen, daß Verhandler der Sozialdemokraten bei Verhandlungen zum Anlagenrecht alle Vereinfachungen, die für die Wirtschaft dringend notwendig wären, blockieren und die Verhandlungen darüber zum Scheitern bringen.

Wenn Sie es mir schon nicht glauben wollen, dann glauben Sie es vielleicht Herrn Alfred Payrleitner, der in der morgigen Ausgabe des "Kurier" folgendes schreibt:

"Warum setzt sich etwa ein SP-Bundeskanzler an einen Tisch mit Industriellen, um ihnen das zu predigen, was diese ohnedies wollen – nämlich Entbürokratisierung, Qualitätswettbewerb und einen allgemeinen Aktivitätsschub?

Die Vermutung ist richtig: Es geht gar nicht um die Industriellen, sondern um andere Adressaten. Vor allem um solche in der eigenen Partei ..." – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Sevignani mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Bitte.

18.29

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Verkehrssicherheit beziehungsweise Verkehrssicherheitspolitik anhand eines Beispiels: Die Bewohner einer schönen Tourismusregion an der B 312 rufen nach den versprochenen Umfahrungen und nach Lärmschutzmaßnahmen. Anstatt der versprochenen Baumaßnahmen wird die bestehende Straße mit behindernden Inseln ausgestattet.

Ich könnte hier beginnen wie im Märchen: Es war einmal. – Man hat Teile einer guten, verkehrsdurchlässigen Straße zurückgebaut, die man mit Dutzenden grünen Inseln nicht sicherer gemacht, sondern bei der man eine Variante gewählt hat, die für den Berufsverkehr, für den Pendlerverkehr, für die Touristen, für uns alle nur Stau bedeutet. Anscheinend wird die Stärke des Bürgermeisters nur daran gemessen, wie viele Inseln er an der B 312 hat.

Vignette und Maut auf der Inntal Autobahn bewirken vermehrt Ausweichverkehr auf die B 312, die frühere A 1. Diese Straße wird jedoch zunehmend mit den sogenannten verkehrsberuhigenden Inseln zugepflastert, wodurch auf großen Teilen dieser Straße ein normaler Verkehr nicht mehr möglich ist.

Für die Anrainer wurde keine Lärmberuhigung erzielt, im Gegenteil: Durch das ständige Bremsen und Gasgeben, bedingt durch die vielen Verkehrsinseln, steigt der Lärmpegel. Benützer einspuriger Kfz, Fußgänger, Benützer landwirtschaftlicher Maschinen und vor allem Kinder sind massiv bedroht. Durch die ständige Verschmälerung dieser Straße ist ein flüssiger Verkehr nicht mehr gewährleistet, Stau vorprogrammiert. Für die Anrainer und Bürger an der B 312 ist es nicht einsichtig, daß für Inseln sehr wohl Geld vorhanden ist, für Maßnahmen der Schulwegsicherung oder der allgemeinen Verkehrssicherung aber nicht.

Ein Beispiel – mein Schlußsatz –: Kilometer 23,5 auf dieser B 312. Eine unübersichtliche Straße, und täglich müssen hundert Schulkinder diese Straße überqueren, wenn sie zur Schule gehen und wenn sie wieder nach Hause gehen. Sie können sich vorstellen, welchen Ängsten die Eltern ausgesetzt sind, wenn ihr Kind zur Schule fährt. Ich ersuche die Regierung, dort als Straßenerhalter tätig zu werden – zum Wohle der Bevölkerung und zum Wohle unserer Kinder! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser noch einmal zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Vielleicht nur noch eine kurze Schlußbemerkung. Wie kann ein Verkehrssystem wirtschaftlich sein, das laut Mitteilung von EU-Kommissar Neil Kinnock im Jahr europaweit 66 Milliarden Leerkilometer zuläßt? Wie kann das wirtschaftlich sein? Wie kann es wirtschaftlich sein, daß man im Jahr EU-weit 660 Milliarden Schilling wegen dieser Leerfahrten sozusagen auf die Straße legt?

Ich glaube, die Antwort ist klar: Das ist nicht effizient, das ist nicht wirtschaftlich, und an sich müßte die Wirtschaft schon längst für ein anderes Verkehrssystem eintreten, um ihrem wirtschaftlichen Auftrag entsprechend nachkommen zu können.

Ich möchte im Rahmen meiner zweiten Wortmeldung aber jetzt in erster Linie ein Anliegen aufgreifen, das insgesamt bereits von, wie ich meine, über 150 Gemeinden in Form von Resolutionen thematisiert worden ist, ein Anliegen, das von mindestens 120 Bürgerinitiativen in ganz Österreich immer wieder angesprochen wird, ein Anliegen, das an sich jeden von uns betrifft: Es heißt GSM-Sendemast. Es wird beantragt, daß die Bevölkerung, daß die Anrainer nur darüber informiert werden, daß in ihrem Wohnumfeld eine Mastenanlage installiert wird.

Das ist ein österreichweites Problem, weil in ganz Österreich in den nächsten Jahren an die 9 000 neue Masten installiert werden sollen und trotzdem dieses Site-sharing im Telekommunikationsgesetz ermöglicht wurde. Diese 9 000 Masten werden von Gesellschaften errichtet, die die Bevölkerung oft nicht informieren, obwohl das Frau Ministerin Prammer bereits den betroffenen GSM-Geschädigten beziehungsweise GSM-Betroffenen brieflich versichert hat.

Diese Diskrepanz, die zwischen den Versicherungen der Frau Ministerin, die dann nicht eingehalten werden, und dem, daß es, wenn man das dann beantragt, sogar abgelehnt wird – nicht nur von der SPÖ, auch von der ÖVP –, besteht, diese Diskrepanz gehört deutlich angeprangert und aufgezeigt.

Ich glaube, wir sollten die Anliegen der über 100 Gemeinden und die Anliegen der 120 Bürgerinitiativen, die nur das primitivste staatsbürgerliche Recht einfordern, nämlich Information, die nur ein Grundrecht der Bevölkerung in Österreich beanspruchen, nämlich Information, nicht links liegenlassen, sondern wirklich ernst nehmen.

Denn ernst nehmen müssen wir es – ich sage es noch einmal –, und zwar aus zwei Gründen:

Der eine Grund ist wissenschaftlich. Sie wissen wahrscheinlich, daß Ende Oktober in Wien ein Symposium stattgefunden hat, international hochkarätig besetzt, und es haben dann in einer Schlußresolution an die 25 Wissenschaftler festgehalten, daß insgesamt noch Forschungsbedarf besteht, daß wissenschaftlich nicht gesichert ist, was es an biologischen Effekten im Niedrigdosisbereich gibt.

Deshalb hat auch mein Antrag den Titel, auch Forschungsinitiativen voranzutreiben, obwohl er in erster Linie jetzt einmal auf Information abzielt.

Der zweite Aspekt, der sehr, sehr wesentlich ist – auch die Arbeiterkammer stößt ja in dieses Horn –, ist, daß sich die Beteiligten von Österreich betrogen fühlen, das laut Verfassung ein Rechtsstaat sein sollte. Die Arbeiterkammer Oberösterreich schreibt zum Beispiel – ich zitiere –: Diese fehlende Beteiligung ist unseres Erachtens ein demokratischer Mißstand. – Ich glaube, wir sollten es ernst nehmen, wenn sich da eine doch relativ große Interessenvereinigung zu Wort meldet.

Wir sollten es, wie ich meine, doppelt ernst nehmen, weil ja auch der Staat doppelt kassiert. Wir kassieren hier als gesetzgebende Körperschaft, beziehungsweise die Bundesregierung, der Staat Österreich, die Republik Österreich kassiert dadurch, daß die Frequenzen ja verkauft werden, verkauft wurden. Es geht da um Milliardeneinnahmen. Trotz dieser Milliardeneinnahmen macht man es nicht möglich, daß kostenlos informiert wird, daß überhaupt informiert wird. Das ist für mich ein anprangernswerter Umstand!

Und der zweite Aspekt: Diejenigen, die Dachböden ihrer Wohnhäuser beziehungsweise Wohnanlagen – meistens handelt es sich auch um Wohnungsgenossenschaften, teilweise handelt es sich sogar um Pfarren – zur Verfügung stellen, kassieren auch, und zwar 3 000 bis 5 000 S pro Monat. Das ist nicht wenig. Und das kassieren sie teilweise auf Kosten der Bevölkerung, die – ich verweise nur auf eine Initiative in Großenzersdorf – unter massiven Schlafstörungen leidet. Diese Schlafstörungen werden in Relation gesetzt zu den Belastungen, zu diesen Sendemasten. Es ist daher notwendig, das näher zu untersuchen, und vor allem muß man einmal die Leute entsprechend informieren.

Abschließend möchte ich im Sinne dieser Initiativen folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend Informationen über GSM-Basisstationen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird ersucht, das Telekommunikationsgesetz im Sinne folgender Vorschläge zu ändern:

Mobilfunkbasisstationen dürfen nur nach vorhergehender Abstimmung mit den Anrainern, wie dies laut Schreiben vom 8. April 1998 von Frau Bundesministerin Mag. Barbara Prammer von den privaten Mobiltelekommunikationsbetreibern gegenüber der Bundesregierung versichert wurde, errichtet werden.

Der Vorsorge-Grenzwert von Leistungsflußdichte 1 Milliwatt pro Quadatmeter der Salzburger Landessanitätsdirektion wird als österreichischer Grenzwert gesetzlich verankert, wie dies auch von der Konsultativtagung deutschsprachiger Organisationen in der Presseaussendung des Mediendienstes der österreichischen Ärztekammer" – hier spreche ich speziell auch für die Ärzte – "vom 2. Juli 1999 europaweit gefordert wird.

Den privaten Mobiltelekommunikationsbetreibern wird eine verpflichtende Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben, da nationale wie internationale Versicherungen die Deckung des EMF-bedingten Gesundheitsrisikos explizit ausschließen." – Versicherungen schließen die Deckung aus! Da muß doch irgend etwas nicht ganz in Ordnung sein!

"Eine Verbesserung der Prüfung der EMV sowohl von Gerät zu Gerät als auch von Gerät zu Mensch muß vorgeschrieben werden, da diese zur Zeit entweder unzureichend (Störung medizinischer Geräte und Körperimplantate, Verkehrs- und Flugsicherheit, Probleme an Tankstellen, et cetera) oder aufgrund fehlender wissenschaftlicher Daten erst gar nicht vollzogen werden kann.

Die Erstellung eines bundesweiten Emissions- und Immissionskatasters (inkl. Mikro- und Indoor-Zellen) muß unverzüglich in Angriff genommen werden und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse und den jeweiligen aktuellen Stand der Gesundheitsdebatte informiert werden."

*****

Meine Damen und Herren! Das ist bitter notwendig. In Linz wird bereits der letzte Punkt, ein Emissions- und Immissionskataster auf Gemeindeebene, pilotprojektartig vorangetrieben. Auf Bundesebene wäre es dringend notwendig, weil nicht einzusehen ist, daß das, was an Tankstellen verboten ist – und hier verweise ich auf einen internationalen Konzern, ich glaube, es ist BP, der an seinen Tankstellen das Handy-Telefonieren aus Sicherheitsgründen verbietet –, in Form von Sendemasten teilweise als völlig unbelastend für die Wohnbevölkerung hingenommen wird. Information ist und bleibt ein Grundrecht! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Moser soeben verlesen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung ist nicht gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung! (Abg. Dr. Gabriela Moser spricht auf dem Weg zu ihrem Platz mit einem Abgeordneten der ÖVP.) – Frau Dr. Moser! Sie versäumen Ihren Entschließungsantrag!

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 2048 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 207.)

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 2049 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 208.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Preisinger und Genossen betreffend Kennzeichnung von Mobiltelephonen hinsichtlich der Strahlungsintensität sowie Information der betroffenen Bevölkerung über geplante Netzausbaumaßnahmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Preisinger zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Informationen über GSM-Basisstationen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

9. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1751 der Beilagen): Änderung des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Dritten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Genf am 22. September 1995; Änderung und Annahme von Anlagen des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, angenommen auf der Vierten Tagung der Vertragsparteienkonferenz in Kuching, Malaysia, 23. bis 27. Februar 1998 (2082 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Dipl.-Ing. Kummerer das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.44

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns heute mit einer Verschärfung einer internationalen Regelung zum Export gefährlicher Abfälle. Bei diesem Thema ist natürlich schon interessant: Wie schaut es in Österreich aus? Welche Massen werden aus Österreich exportiert, welche Massen werden nach Österreich importiert?

Dafür steht uns ein recht hilfreiches und gutes Mittel zur Verfügung: das Internet. Wenn wir im Internet die Seite des Umweltbundesamtes suchen, finden wir dort eine vorbildliche Darstellung der entsprechenden Mengen. Wir finden aufgelistet die Entwicklung der Exporte von 1994 bis 1996, und zwar nicht nur der Art nach, sondern auch nach den Ländern. Das gleiche gilt für die Importe der gefährlichen Abfälle. Eine ähnliche Darstellung gibt es auch für nicht gefährliche Abfälle, die über unsere Grenzen gehen.

Wie gesagt, es ist dies ein gutes Instrument, leicht einzusehen, erstellt von einem, wie wir uns einig sind, Herr Bundesminister, guten Amt, einem Amt, das auch gut geführt ist. Ich habe versucht, im Internet mit Suchmaschinen ähnliche Daten zu finden. – Es ist mir nicht gelungen.

Nur fällt auf, daß die Zahlenreihe 1996 endet, obwohl wir heute 1999 schreiben. Da drängt sich die Frage auf: Wieso eigentlich? Wieso gibt es keine Fortschreibung dieser äußerst nützlichen Daten? Und da kommt man darauf, daß vielleicht ein Beschluß, den wir gefaßt haben, in der Exekutive nicht das bringt, was wir uns vorgestellt haben.

Was meine ich damit? – Wir hatten die EU-Verbringungsrichtlinie in österreichisches Recht umzusetzen, haben das auch getan und haben eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes hier im Hohen Haus beschlossen. Mit dieser Novelle haben sich die Berichtswege geändert. Vorher war es so, daß die Begleitscheine an die Landesregierungen gegangen sind, von den Landesregierungen zum Umweltbundesamt und diese Daten erhoben wurden. Seit 1997 laufen die Transportbescheinigungen in Ihr Ministerium, Herr Bundesminister, und dort werden sie zu einer weiteren Verarbeitung zu solch aufschlußreichen Daten nicht mehr zur Verfügung gestellt. Ich ersuche Sie daher von diesem Pult aus, wieder das Umweltbundesamt zu beauftragen, die Statistiken und Zeitreihen in ähnlicher Form fortzusetzen.

Es ist das ein Beispiel für eine gute und erfolgreiche Umweltpolitik, die, wie ich meine, meine Damen und Herren, in den letzten Jahren, in der letzten Legislaturperiode geleistet wurde. Es waren viele kleinen Schritte zu setzen. Es waren viele Schritte, die wahrscheinlich einer Nachjustierung bedürfen werden. Ich habe das von diesem Pult aus schon einmal gesagt und möchte es wiederholen: Wir werden mit der Arbeit für die Umwelt im Sinne der Bevölkerung nicht fertig werden, sodaß sich noch viele unserer Nachfolger mit Umweltfragen zu beschäftigen haben werden.

Ein Meilenstein in der internationalen Umweltpolitik war für mich die Klimakonferenz in Kyoto. Herr Minister, ich möchte Ihnen auch von diesem Pult aus danken: Der Weg, den Sie eingeschlagen haben, Mitglieder des Umweltausschusses aus allen Fraktionen einzuladen, Sie zu begleiten, war, wie ich meine, ein erfolgreicher Weg. Ich stehe auch nicht an, das auch in Vorwahlkampfzeiten hier zu sagen: Es waren das österreichische Engagement und das Verhandlungsgeschick unter Ihrer Führung, Herr Bundesminister, das internationale Anerkennung gefunden hat, nicht nur in Kyoto, sondern auch auf der Vorläuferkonferenz in New York und schließlich und endlich bei der Präsidentschaft in Buenos Aires. Wir haben international ein sehr gutes Bild gegeben.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Es freut mich, daß am Ende dieser Legislaturperiode dieser Beschluß einstimmig gefaßt werden wird – ich fasse das als gutes Signal für die Zukunft auf –, und ich wünsche dem Umweltausschuß und damit der Republik Österreich auch in der nächsten Legislaturperiode ein gutes Wirken. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter. Ich darf Ihnen auch vom Präsidium aus alles Gute wünschen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zweytick. 5 Minuten. – Bitte.

18.49

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich nehme heute Bezug auf die Änderung des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung.

Seitens der G-77-Staaten bestand schon in den vorbereitenden Verhandlungen zum Basler Übereinkommen die Forderung nach einem vollständigen Exportverbot für gefährliche Abfälle aus den Industriestaaten in die dritte Welt.

Mit der vorliegenden Änderung des Übereinkommens wird dieses Exportverbot nunmehr umgesetzt. Das Übereinkommen wird im Anhang durch zwei Listen erweitert, welche ausweisen, welche Abfälle grundsätzlich unter das Exportverbot fallen und welche nicht. Es ist hier ein wesentlicher Fortschritt erreicht worden, aber diese Listen müssen natürlich auch in der Zukunft noch weiter bearbeitet und ausgeweitet werden. Damit wird der Forderung der G 77 nach einem umfassenden Verbot der Verbringung von Abfällen in Entwicklungsländer Rechnung getragen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das steht im Bericht!) Richtig. Ich nehme darauf Bezug. Kollege Schweitzer war ja auch im Ausschuß und weiß das sehr gut.

Die Europäische Gemeinschaft hat die gegenständliche Änderung bereits im Jänner 1997 mit der Änderung der EG-Verbringungsverordnung teilweise vorweggenommen, EU-Konformität ist daher gegeben.

Diese vorliegende Änderung des Basler Übereinkommens ist gesetzesergänzend, weshalb sie einer Genehmigung durch den Nationalrat bedarf. Sie enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat keinen politischen Charakter. Die vorliegende Änderung, die auch Ban-Amendment genannt wird, fußt auf der Notwendigkeit, daß Entwicklungsländer vor unerwünschten Einfuhren geschützt werden müssen. Diesen Ländern fehlt es allzu oft an den finanziellen, technischen, rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen, um grenzüberschreitende Verbringungen gefährlicher Abfälle zu beobachten und rechtswidrigen Einfuhren vorzubeugen. Das Exportverbot soll der Schwäche innerstaatlicher Importverbote abhelfen und ein Anreiz sein, gefährlichen Abfall bereits am Ursprungsort zu vermeiden.

Abgesehen davon ist mit einer grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle immer auch das hohe Risiko einer nicht umweltgerechten Entsorgung verbunden.

Diese Basler Konvention muß aber auch gelebt und eingehalten werden. Die Informationspflicht und Prüfung hat einen eigenen Mechanismus, die sogenannte Noncompliance-Klausel, die dank unseres Umweltministers Martin Bartenstein initiiert und eingerichtet wurde. (Abg. Mag. Schweitzer: Was?) Ja, das solltest du wissen, und ich glaube, du weißt es auch. Man muß es nur auch sagen. (Abg. Mag. Schweitzer: Was hat er gemacht? Ich habe das nicht verstanden!)

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, begrüßen wir von der ÖVP dieses Übereinkommen. Wir sehen es als wichtiges und absolut notwendiges Instrument zum Schutz von Ländern der dritten Welt vor der Einfuhr gefährlicher Abfälle. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.53

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich dient dieses Abkommen, Herr Kollege Zweytick, dazu, die Entwicklungsländer vor unerwünschten Einfuhren zu schützen. Aber ist es nicht schlimm, daß wir auch noch 1999 in erster Linie mit Verboten arbeiten müssen?

Herr Bundesminister! Sie haben wie viele andere Regierungsmitglieder auch in diversen Ankündigungen immer wieder betont, daß in dieser Gesetzgebungsperiode der erste große Schritt in Richtung Ökologisierung des Steuersystems erfolgen wird. Wir alle wissen, daß viele Probleme, über die wir heute diskutieren – ob das jetzt das Problem der CO2-Reduktion ist, ob das das Problem des steigenden Abfallaufkommens ist, besonders im Bereich der gefährlichen Abfälle, oder ob das Probleme der Ressourcenverschwendung sind –, eher mit Geboten als mit Verboten in den Griff zu bekommen wären.

Nur, Herr Bundesminister, da hat mir etwas gefehlt, was dich sonst so auszeichnet, was dich auszeichnet bei der Vorbereitung auf die großen Läufe, was dich auszeichnet bei der Absolvierung der großen Läufe: dieser unbändige Wille, alles zu geben, was drinnen ist, dieser unbändige Wille, sich ständig zu verbessern, immer schneller ans Ziel zu kommen. (Abg. Dr. Lukesch: Das liegt ihm im Blut!) Das fehlt mir bei der ganzen Umweltpolitik ein bissel, und ich würde dich ersuchen, solltest du in der nächsten Gesetzgebungsperiode wieder Umweltminister sein, bitte, dann bring alle diese Eigenschaften, die du dir durch zähes Training erworben hast und die dich beim Marathon so sehr kennzeichnen – und ich weiß, du wirst demnächst unter drei Stunden laufen und damit ein ganz großes Ziel erreichen (Abg. Platter: Das wirst du nie erreichen!) –, bring alle diese Eigenschaften in einer allfälligen nächsten Gesetzgebungsperiode auch in deine Tätigkeit als Umweltminister ein, und es wird eine hervorragende Umweltpolitik sein, die du dann machst! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lukesch: Bravo!)

Nun zur Kollegin Langthaler. Manche meinen, sie war nicht so gut, aber sie war hervorragend. Sie war hervorragend, wenn es um Sachfragen gegangen ist. Obwohl wir oft unterschiedlichste Meinungen vertreten haben und uns in anderen Bereichen vieles trennt, muß man ihre Sachkompetenz in Umweltfragen anerkennen. Kollegin Langthaler wird das Geschehen hier verfolgen und wird sich besonders darüber freuen, wenn du all deine Marathon-Vorzüge in die Gestaltung der Umweltpolitik einbringst.

Trachten wir danach, daß wir in der Umweltpolitik in der nächsten Legislaturperiode, in den nächsten vier Jahren unter drei Stunden laufen können! Das wäre gut für alle, die an einer konstruktiven Umweltpolitik und an Fortschritten in der Umweltpolitik interessiert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Ing. Langthaler.)

18.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

18.56

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu dieser Materie ist bereits alles gesagt, aber noch nicht von allen. (Abg. Dr. Brauneder: Aber alles genügt!) Daher mußte ich mich jetzt noch zu Wort melden, vor allem deshalb, weil Karl Schweitzer als Obmann des Umweltausschusses offenbar unter den letzten Endorphinausschüttungen seiner Läufe, die er absolviert hat, dem Herrn Bundesminister hier klargelegt hat, welches Aktionspotential ihm noch offensteht. Ich möchte dem Karl (Abg. Dr. Brauneder: Lieber Karl!) aber schon in Erinnerung rufen, daß das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie im Umweltbereich mehr Kompetenzen brauchen würde, damit es mehr in diesem Bereich machen kann. Ich glaube, es wäre in einer neuen Legislaturperiode wert, zu überlegen, ob nicht so essentielle Materien wie Wasserrecht oder etwa Energierecht beim Umweltministerium anzusiedeln wären, damit die 103 Stunden quasi nicht auf dem Laufband gelaufen werden, sondern in der freien Natur, wo man wirklich ein weiteres Stück vorankommen kann.

Meine Damen und Herren! Was das Basler Abkommen angeht, möchte ich nur hinzufügen, daß es von liberaler Seite die Zustimmung geben wird, denn auch wir halten es für notwendig, klarzulegen, daß Umweltlasten, die in Österreich entstehen, nicht durch Export – obwohl das grundsätzlich schon nicht geht – in den Entwicklungsländern abgeladen werden können. Es wäre sinnvoll, den Nationalen Umweltplan, zu dessen Einhaltung sich die Bundesregierung verpflichtet hat, in Österreich umzusetzen, damit wirklich unmittelbar vor Ort schon die Entstehung gefährlicher Abfälle verhindert wird und wir nicht dann immer über die Entsorgung diskutieren müssen. All das sind aber offenbar Wünsche für die nächste Legislaturperiode. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.58

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Grünen werden – nicht überraschend – dieser Vorlage zustimmen. Die Änderung und Verbesserung der Basler Konvention sind ja ein Erfolg für die Umweltbewegung insgesamt. Viele Umweltorganisationen – auch die Grünen – haben jahrelang auf illegale Abfalltransporte gerade in Entwicklungsländer hingewiesen, haben darauf aufmerksam gemacht, daß damit manche ein großes Geschäft machen und daß es notwendig ist, in diesem Bereich nicht nur national etwas zu tun, sondern eben europäische und internationale Bestimmungen, wie sie in der Basler Konvention enthalten sind, entsprechend umzusetzen.

Wir werden dieser Vorlage also gerne zustimmen. Wie im Ausschuß bereits angeführt, sind für uns in diesem Bereich natürlich die Kontrolle und der Vollzug wichtig, daß sich die Zollbehörden das Ganze entsprechend genau anschauen.

Meine Damen und Herren! Das ist meine letzte Rede hier im Hohen Haus zum Thema Abfallpolitik, deshalb möchte ich ganz kurz doch ein bißchen ausholen und auf einige Bereiche eingehen. (Abg. Dr. Mertel: Na geh!) – Keine Angst, Frau Kollegin, soviel Redezeit wie in der Tropenholzdebatte steht mir leider nicht mehr zu, also es wird sich in Grenzen halten. Ich möchte aber doch ein paar Anmerkungen machen und eine kurze Bilanz ziehen.

Im Abfallbereich, Herr Minister, für den Sie ja originär zuständig sind, liegen nicht so schöne Zahlen vor. Sie wissen, wir haben das immer wieder kritisiert, wir vermissen das Tätigwerden des Umweltressorts in diesem Bereich. Wir haben im Abfallbereich, der einer der wenigen ist, für den das Umweltministerium zuständig ist, wieder steigende Zahlen zu verzeichnen. Das ist keine schöne Sache, und wir hoffen sehr, daß wenigstens in Kürze von seiten des Ministeriums über den Verordnungsweg gerade auch hinsichtlich der Verpackungssysteme härter durchgegriffen wird.

Aber das eigentliche Problem beziehungsweise das eigentliche Manko, warum in vielen Bereichen so wenig weitergegangen ist, ist zweifellos, daß das Umweltministerium viel zuwenig Kompetenzen hat. Wir von den Grünen haben immer wieder darauf hingewiesen, daß man ein starkes Umweltministerium braucht, wenn man wirklich konkrete, konstruktive und integrative Umweltpolitik umsetzen will.

Alle Schadstoffe, die in den letzten Jahren zunehmen, fallen in den Zuständigkeitsbereich anderer Ministerien: sei es das Verkehrsministerium – wir verzeichnen derzeit ein unglaubliches Verkehrswachstum –, sei es der Energiesektor, sei es der Bereich Landwirtschaft. Wir haben es ja jetzt beim Anlagenrecht wieder gesehen, daß es auch hier nicht – nicht einmal innerhalb der ÖVP-Ministerien – gelingt, einen Einklang zu finden.

Kurzum: Wünschenswert wäre es, daß es in der nächsten Legislaturperiode ein starkes Umweltministerium gibt und daß an seiner Spitze jemand sitzt, dem die Umwelt nicht nur ein Anliegen ist, sondern der auch etwas davon versteht.

Herr Umweltminister! Lassen Sie mich kurz sagen: Ich habe insgesamt vier Umweltminister in meiner neunjährigen Tätigkeit hier erlebt. (Abg. Mag. Schweitzer: Er ist der zäheste!) Was mich freut, ist, daß Sie nicht nur der zäheste sind, sondern – und das kann ich zweifellos sagen – auch der kompetenteste von den vieren waren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Trotz aller Meinungs- und sicherlich auch Auffassungsunterschiede, die wir oft hatten, und trotz des Umstandes, daß Sie auch für mich ein bißchen zuwenig Drive, zuwenig Engagement zeigten, wie Karl Schweitzer schon meinte, haben Sie doch von der Sache zweifellos etwas verstanden. Umso mehr würde ich mir wünschen, daß Sie sich, wenn Sie mehr Kompetenzen bekommen, weit intensiver engagieren. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte mich auch beim Vorsitzenden des Umweltausschusses, bei Karl Schweitzer bedanken, der, wie man bei seiner Rede sicherlich gemerkt hat, oft auch für gute Unterhaltung im Umweltausschuß gesorgt hat, aber eine sehr, sehr faire und für meine Begriffe auch sehr gute Ausschußführung in den letzten Jahren gemacht hat. Ich denke, das war auch ein Beitrag dazu, daß wir im Umweltausschuß oft eine sehr konstruktive Atmosphäre hatten.

Generell ein paar Worte: Sie wissen, wir haben und auch ich habe sehr oft hier kritisiert, daß es die große Koalition einfach verhindert, daß sich das Parlament für das, wofür Sie hier alle gewählt worden sind, wirklich einsetzt. Sie sind die Volksvertreter, jene, die vom Volk legitimiert wurden, Gesetze zu verhandeln und nicht nur zu beschließen. Eine große Koalition – noch dazu, wenn sie die Zweidrittelmehrheit hat – ist sicher nicht wirklich eine Voraussetzung für einen lebendigen Parlamentarismus und für eine gesunde und fortschrittliche Demokratie. Es ist ein Fehler und ein Manko, daß dieses Haus keinen eigenen Legislativdienst, keinen eigenen volkswirtschaftlichen Dienst und keinen eigenen Verfassungsdienst hat.

Wenn ich mir ansehe, welche Unterstützung es für die Arbeit der Abgeordneten in anderen europäischen Ländern gibt – aber nicht nur durch die klubzugehörigen Mitarbeiter, sondern auch durch jene Mitarbeiter, die im Parlamentsdienst beschäftigt sind und von den verschiedenen Fraktionen je nach Sachgebiet einfach abgerufen werden können –, wenn ich mir anschaue, welches Gegengewicht es dort zur Exekutive gibt und welches Selbstverständnis viele Volksvertreter quer durch die Parteien in den anderen Ländern haben, dann glaube ich, daß dieses Parlament noch einen weiten Weg vor sich hat. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Was ich mir und was ich Ihnen hier wünschen würde, ist, daß Sie in der nächsten Legislaturperiode bessere Voraussetzungen vorfinden, mehr Mut haben, nicht nur Kontrolle gegenüber der Regierung ausüben, wie es die Opposition hier immer wieder macht, sondern daß Sie wirklich den Willen haben, die Gesetze in diesem Haus nicht nur zu beschließen, sondern zu erarbeiten und zu verhandeln. Es geht darum, daß die Gesetze nicht bereits vorher von den Sozialpartner ausverhandelt werden und die Regierung das dann absegnet und wir hier nur mehr in einer Art Notariatsfunktion den Stempel draufgeben, sondern daß man wirklich lebendigen Parlamentarismus in der Arbeit spürt und in den Ergebnissen konkret sieht.

Trotzdem: Für mich waren es schöne Jahre. Ich hoffe, für die meisten von Ihnen auch. Auf irgendeine Weise werden wir uns wiedersehen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.04

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Änderung des Basler Übereinkommens über ein umfassendes Verbot der Verbringung von Abfällen in Entwicklungsländer wird seitens der SPÖ gerne zugestimmt. Tatsächlich ist eine derartige Regelung überfällig, wurden doch in der Vergangenheit auch aus Österreich gefährliche Abfälle ungeregelt in Entwicklungsländer exportiert. Derartige Praktiken sind aufgrund des Abfallwirtschaftsgesetzes Gott sei Dank längst verboten. Das bestehende und nun zur Änderung anstehende Abkommen verschärft die Bestimmungen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Was wir in der dritten Welt wollen, nämlich eine ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen, muß auch bei uns gewährleistet werden. Was eine mustergerechte Entsorgung anlangt, existieren bei uns in Österreich noch mehrere umweltbedenkliche Schwachpunkte. So gibt es noch immer kein umfassendes Erhebungs- und Kontrollsystem für nicht gefährliche Abfälle, was eine lückenlose Verfolgung des Weges von Abfällen erschwert und insbesondere der nicht legalen Vermischung mit gefährlichen Abfällen entgegenkommt.

Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Gefährliche Abfälle mit Sand und Erde zu vermischen und dadurch die Gifte nur zu verdünnen, halte ich einfach für falsch. Die sogenannte Vererdung widerspricht den Grundprinzipien der Abfallwirtschaft, weil sie unter anderem dazu führt, daß Schadstoffe, wie ich schon erwähnt habe, nur verdünnt werden. Die Verwendung des Vererdungsproduktes kann zu einer diffusen Schadstoffverteilung in der Umwelt führen, und die Vermischung von gefährlichen Abfällen mit Sand und Erde widerspricht auch – das ist ganz klar – eindeutig den Richtlinien der Europäischen Union über Abfalldeponierung.

Werte Damen und Herren! Hohes Haus! In Österreich warten derzeit 145 Altlasten auf ihre Sanierung. Die ALSAG-Einnahmen werden in den nächsten Jahren, wie wir wissen, deutlich absinken. Wir benötigen daher dringend neue Finanzierungsinstrumente zur Altlastensanierung. Besonders verschärft wird die Situation dann, wenn Entsorgungskosten bei den Altlasten besonders hoch werden, obwohl nicht ordnungsgemäß entsorgt wird. Ich habe dies zuletzt anhand des Beispiels der Sanierung der Berger-Deponie aufgezeigt, im Rahmen derer, gesetzlich nicht gedeckt, Firmen gefährliche Abfälle nur vermischt, vererdet und auf andere Deponien umgelagert und dadurch hohe Gewinne erzielt haben – dies auf Kosten des Steuerzahlers und letztlich deshalb, weil die Ausschreibungskriterien diese Vorgangsweise erlaubt haben und es zu keiner weisungsfreien begleitenden Kontrolle gekommen ist.

Hohes Haus! Die SPÖ fordert im Zusammenhang mit der noch teureren Sanierung der Fischer-Deponie, daß es erstens zu einer offenen Ausschreibung mit klaren Vorgaben für die ordnungsgemäße Entsorgung kommt, daß zweitens eine begleitende, unabhängige und weisungsfreie Kontrollinstanz installiert wird und daß es drittens nach Abschluß der Sanierung zu einem öffentlichen Gesamtbericht kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Bereich der Abfallwirtschaft, für die Sie auf Bundesebene zuständig sind, ist nach Ansicht der SPÖ vieles in Österreich noch nicht in Ordnung. Wir werden nicht lockerlassen, damit diese Mißstände rasch beseitigt werden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie tragen dafür die Verantwortung, und ich ersuche Sie, diese auch wahrzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.09

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst ein Wort zu Frau Langthaler. Ich wünsche Ihnen auch alles Gute für Ihre zukünftige Arbeit. Ich habe Ihre Arbeit und Ihre Kompetenz immer sehr geschätzt. Aber weil Sie die Tropenholzdebatte erwähnt haben, muß ich eines dazu sagen: Ich war damals noch in der Schiindustrie tätig, und unter diesem Druck haben wir damals die leichten Holzkerne herausgenommen und durch Kunststoffkerne ersetzt. Die Herstellung dieser Kunststoffkerne war ganz sicherlich der Umwelt nicht so förderlich, wie es das Nachwachsen des Holzes gewesen wäre. Man hätte die Pflanzen nur an einem anderen Ort einsetzen müssen. Das wollte ich eigentlich noch dazu sagen. Nicht jede dieser Initiativen kann dann auch bei uns von Erfolg begleitet sein.

Meine Damen und Herren! Die Änderung des Basler Übereinkommens gibt mir Gelegenheit, mich auch noch mit jenen Tagesordnungspunkten zu beschäftigen, die der Umweltausschuß abgelehnt respektive vertagt hat, und mit jenen Materien, die mangels Einigung in der Regierungskoalition überhaupt nicht auf die Tagesordnung gekommen sind – damit meine ich die notwendige Verbesserung des Abfallwirtschaftsgesetzes, das UVP-Gesetz und das Anlagenrecht.

Die Regierung ist zwar mit großer Verzögerung in der Lage, Änderungen des Basler Übereinkommens, die ja am 22. September 1995 in Genf und am 27. Februar 1998 in Malaysia beschlossen wurden, heute, am 14. Juli – natürlich auch mit unserer Zustimmung –, gesetzlich zu vollziehen. Eine Neugestaltung des UVP-Gesetzes ist aber seit 14. März überfällig und würde wesentlich mehr für Österreich bringen. Die Koalition hat es mit zwei Ministerien und dem gesamten Beamtenstab im Rücken nicht zustande gebracht, eine Regierungsvorlage vorzulegen oder hier einen Antrag einzubringen.

Wir Freiheitlichen haben ohne diese Hilfsmöglichkeiten und ohne großen Mitarbeiterstab gezeigt, innerhalb welch kurzer Zeit wir einen im Stil lesbaren und in der Sache umsetzbaren Antrag einbringen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das derzeit geltende UVP-Gesetz ist nicht nur EU-widrig, sondern auch ein Konsulenten- und Beamtenbeschäftigungsgesetz: Die Fülle von Genehmigungspflichten, überregulierten Ausübungsvorschriften und die lange Dauer der Verwaltungsverfahren verunmöglichen klare Entscheidungen – auch wenn das in einem heute eingebrachten Entschließungsantrag von den Grünen anders gesehen wird –, und zwar, meine ich, zum Nachteil der betroffenen Bevölkerung genauso wie zum Nachteil der Wirtschaft oder, wenn Sie tiefer gehen wollen, des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Genauso ist es beim bestehenden Anlagenrecht. Seit 14. März gelten die Richtlinien der Europäischen Union. Wenn man boshaft wäre, dann könnte man sagen: Das wäre für die Wirtschaft gar nicht so schlecht! Allerdings wird ohne Durchführungsbestimmungen ein völliger Stillstand in den Verfahrensläufen eintreten, und damit werden wir einen unhaltbaren Zustand bekommen.

Noch am 15. Juni hat Kanzler Klima in einem Interview mit dem "Standard" erklärt: Wir müssen das Anlagenrecht in dieser Gesetzgebungsperiode gemeinsam durchbringen. – Versprochen und gebrochen, denn weder das Anlagenrecht noch das UVP-Gesetz werden in dieser Legislaturperiode behandelt werden.

Der von uns vorgelegte UVP-Antrag wurde im Ausschuß vertagt, obwohl kein einziger essentieller Kritikpunkt an unserem Entwurf geäußert wurde. Ich glaube, daß die Verschleppung so wichtiger Materien durch die Koalition niemandem einen Vorteil bringt. Meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Durch die Verhinderung des Anlagenrechtes und des UVP-Gesetzes wird doch das vom Kanzler und Staatssekretär propagierte Strategiepapier zur Effizienzsteigerung von Staat und Verwaltung geradezu lächerlich gemacht! Sie betreiben Ankündigung auf der einen und Verhinderung auf der anderen Seite! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt noch etwas, was ich nicht ohne Schadenfreude und letztlich zu unserem Vorteil registriere: Die ÖVP ist nicht dynamisch genug – Herr Bundesminister, gestatten Sie mir das; die Dynamik wurde auch schon eingefordert –, sich aus dieser sozialdemokratischen Umklammerung zu lösen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst sei festgestellt, daß Österreich – das überrascht ja kaum jemanden außer der Opposition – ein im Umweltschutz durchaus führendes Land in Europa und auch weltweit ist. Das ist nicht auf Glück zurückzuführen – denn Glück kann auch der Dumme haben –, sondern das ist das Ergebnis einer Politik, die in den siebziger Jahren begonnen hat, in der kleinen Koalition erfolgreich weitergeführt wurde und auch in der großen Koalition entsprechend betrieben wurde und erfolgreich war. Da möchte ich Ihr Bemühen und Ihre Kompetenz, Herr Bundesminister, durchaus auch würdigen.

Mir war klar, daß die heute auf der Tagesordnung stehende kleine Änderung zum Basler Abkommen von einigen dazu genützt werden wird, eine umweltpolitische Bilanz zu ziehen. Kollege Nußbaumer hat das ja in erster Linie getan.

Da aber auch Kollege Kopf eine ein bißchen verzerrte Darstellung des Anlagenrechts gegeben hat, möchte ich folgendes feststellen – ich glaube, da bin ich mit den Grünen einer Meinung; der heute von den Grünen eingebrachte Antrag trägt eindeutig die Handschrift von Frau Meyer und ist wirklich diskussionswürdig –: Tatsache ist, daß dieses Anlagenrecht – wir haben es ja gar nicht bekommen, es ist schon im Vorfeld an drei Ministerien und der Wirtschaft gescheitert –, das, was letztlich als Reparatur hineingekommen wäre, ein Pfusch gewesen wäre, mit dem wir alle nicht glücklich gewesen wären, ein ebensolcher Pfusch wie der Antrag der FPÖ. Das haben wir ja auch ganz eindeutig festgestellt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.)

Die im Antrag vorgesehene Regelung hätte ja auch nichts gebracht, Kollege Schweitzer, hätte weder für die Bürger noch für die Wirtschaft eine Verbesserung gebracht. Ich bin daher froh darüber, daß man sich dazu bekennt und das nicht beschließt. Wir werden versuchen, in der nächsten Legislaturperiode etwas Gescheites zu machen, das dem Bürger und der Wirtschaft dient. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich bin gespannt! Zeit genug wäre gewesen!)

Aber jetzt zurück zum Abfall – darum geht es – und zur Änderung des Basler Abkommens. Es ist wichtig, daß wir unseren Dreck nicht in Entwicklungsländer exportieren.

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie heute nicht wieder mit den unterschiedlichen Standards bei Verbrennungsanlagen quälen, aber das ist auch ein Problem der Abfallwirtschaft. Wir haben trotz einer an sich sehr guten Situation unserer Umweltpolitik da und dort massive Probleme; sie werden auch noch deutlicher auf uns zukommen.

Gerade im Bereich der Abfallwirtschaft – ich weise wieder einmal darauf hin – haben wir jetzt nach einer zunächst sehr positiven Entwicklung plötzlich die Tendenz – dafür können Sie nichts –, daß versucht wird, den Abfall auch in ungerechtfertigter Weise – manchmal kann es durchaus auch gerechtfertigt sein – sozusagen in irgendein Produkt umzuwandeln, das plötzlich nicht mehr Abfall ist, um sich teilweise Altlastensanierungsbeiträge zu ersparen oder um einfach auch Geschäfte zu machen.

Im "Standard" vom 6. April hieß es dazu: Milliardengeschäfte mit illegaler Abfallverschiebung. – Die heutige Novelle dient auch dazu, das zu verhindern.

Wir haben in diesem Bereich Probleme. Mein Kollege Heinzl hat das ja schon sehr deutlich angesprochen, und zwar am Beispiel einer Deponie, bei der uns die Vorgänge einfach verdächtig vorkommen.

Wenn ich Sie, Herr Minister, zum Beispiel auffordern würde, sich endlich der wirklich brennenden politischen Fragen anzunehmen und die Öffentlichkeit nicht mit Ökoscherzen wie Sommerbenzin oder Antarktis-Konferenzen zu unterhalten, dann wüßten Sie, daß das nicht von mir kommt, sondern von einem gewissen Herrn Rusy. Dieser Herr Rusy, der im Zusammenhang mit der Berger-Deponie steht, fällt mir auf. Dabei denke ich durchaus auch an Herrn Stuhlpfarrer und Organisationen unterschiedlichster Art, in denen Menschen sich ein Betätigungsfeld suchen, um Geld zum Selbstzweck zu verdienen.

Ich bin im Zusammenhang mit der Berger-Deponie eben sehr mißtrauisch, da dort 900 000 Tonnen ausgekoffert wurden, weil es so eilig und dringend war, jedoch nur 400 Tonnen an die EBS gegangen sind. In den Berichten steht, daß es sich um Fässer gehandelt hat, die schon ausgelaufen waren – irgendwohin muß dieser grausliche Inhalt ja gekommen sein –, und das wurde vererdet. (Abg. Kopf: Was ist jetzt mit Rusy?)

Jetzt zu Herrn Rusy. Herr Minister! Ich lese da, Herr Rusy scheint in folgenden Funktionen auf: in der APA als Sprecher der "ARGE Räumung", in den "Niederösterreichischen Nachrichten" als Sprecher der Deponie Langes Feld, dann als Sekretär einer Gesellschaft für Ökologie und Abfallwirtschaft, weiters – man höre! – als Sprecher eines Schutzverbandes gegen Umweltkriminalität und dann auf einmal wieder als Sprecher der "ARGE Voruntersuchung" und im "Wiener" schließlich als Mitautor der Studie "Umweltkriminalität" – also eine mehr als dubiose Figur!

Herr Minister! Ich möchte jetzt nicht unbedingt die Berger-Deponie kriminalisieren – das ist ohnehin schon Schnee von gestern; vielleicht sollte man sie sich nur genauer anschauen –, aber im Zusammenhang mit der Fischer-Deponie warnen. Ich habe auch einen entsprechenden Brief an den Innenminister geschrieben. Ich hätte gerne – und da bitte ich um Ihre Unterstützung –, daß das Umweltbundesamt diesen Fall begleitend untersucht, weil die Kommunalkredit ja hier nicht zum Tragen kommt – zu der hätte ich auch Vertrauen –, weil es sich um keinen Altlastensanierungsfall handelt. In diesem Bereich werden Geschäfte gemacht, und ich wittere das auch bei der Fischer-Deponie!

Ich möchte nicht mehr – und da habe ich in ein Wespennest gestochen; offensichtlich möchte man das verhindern –, als daß das Umweltbundesamt oder eine ähnliche Einrichtung das begleitend untersucht, weil es dabei um Geld der Steuerzahler geht.

Sie haben jetzt schon wieder einen verpfuschten Bescheid herausgegeben und versuchen, die Schuld dem Bund zuzuschieben, was absolut nicht richtig ist. Herr Rusy, von dem ich schon gesprochen habe, hat bereits angekündigt, deswegen könne es zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Kosten kommen, die jetzt schon auf 2 Milliarden Schilling geschätzt werden.

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie wirklich bitten, im Einvernehmen mit dem Innenminister diesem eklatanten Fall, bei dem ich wirklich wieder nur Geschäftemacherei wittere, entgegenzutreten. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg. Da werden wir Sie ganz massiv unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.21

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Keppelmüller, Sie haben unter anderem ausgeführt, daß das einheitliche Umweltanlagenrecht deswegen gescheitert sei, weil es in drei VP-Ministerien hängengeblieben sei. Das ist nicht richtig, und Sie wissen das. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Dieses Anlagenrecht ist am 15. Juni von drei Ministern, nämlich von Minister Farnleitner, Minister Molterer und mir in die Regierung eingebracht worden. Betreffend dieses Anlagenrechtes herrschte Konsens mit der Wirtschaft. Es wäre ein sehr großer Schritt in Richtung eines wirklich umfassenden einheitlichen Umweltanlagenrechtes gewesen. Es war aber die sozialdemokratische Fraktion in der Bundesregierung, die diesem Vortrag von drei ÖVP-Ministerien nicht zustimmen konnte oder wollte – oder vielleicht beides. Also verdrehen Sie die Dinge nicht! (Ruf bei der SPÖ: Nennen Sie auch die Gründe, Herr Bundesminister! – Weitere Zwischenrufe.)

Es waren Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Keppelmüller, respektive Ihre Fraktionskollegen, die im Ministerrat am 15. Juni diesem Anlagenrecht die Zustimmung verweigert haben und damit jenen Zustand herbeigeführt haben, von dem Herr Abgeordneter Nußbaumer zu Recht gesagt hat, in mancherlei Beziehung gebe es nun eine kritische Situation, zum Beispiel durch die Direktumsetzung der UVP-Richtlinie und durch die Einzelfallprüfung, die in sehr vielen Fällen seit 14. März notwendig ist. Das ist nicht gut für den Standort Österreich. Das hätten wir vermeiden sollen und auch vermeiden können. Nun muß nach den Wahlen schnell das Notwendige getan werden.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Damit zum Tagesordnungspunkt, der eigentlich diskutiert wird, nämlich zur Basler Konvention. Diesbezüglich ist Einstimmigkeit festzustellen. Das ist erfreulich. Es ist dies ja das erste große Anti-Ökodumping-Abkommen, das es je gegeben hat. Ich freue mich, daß es nicht nur in dieser Frage, sondern auch in der Frage der Anti-Atompolitik der Bundesregierung und letztlich auch des Hohen Hauses am Schluß dieser Gesetzgebungsperiode nun wieder Einstimmigkeit gibt. Es ist erfreulich, daß es gelungen ist, das, was die Regierung an Politik formuliert hat, in geeigneter Form jetzt auch durch das Hohe Haus in einstimmiger Weise bestätigen zu lassen. Das ist ein gutes Zeichen für die Zusammenarbeit im Umweltausschuß.

Das ist heute die letzte Umweltdebatte in der laufenden Gesetzgebungsperiode. Auch von meiner Seite möchte ich dem Vorsitzenden des Umweltausschusses vor dem Plenum des Hohen Hauses, Herrn Abgeordnetem Schweitzer, meinen herzlichen Dank aussprechen. Vielen Dank auch für die drei Stunden. Wir werden das dann gemeinsam machen. Ich meine nicht die Debattenlänge, sondern etwas anderes. Aber das ist ein Geheimnis zwischen Herrn Abgeordnetem Schweitzer und mir.

Meine Damen und Herren! Ich stehe aber auch nicht an, einige Worte an Frau Abgeordnete Langthaler zu richten, die jetzt zum letzten Mal einer Umweltdebatte folgt und hier ebenfalls einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Ich darf das Kompliment in Sachen Kompetenz mit einer Zuwaage an Sie zurückgeben, gewissermaßen von Chemiker an Chemikerin. Wir tun uns da ein bißchen leichter. Manchmal beneiden wir ja die Juristen darum, was sie an Know-how gewissermaßen mit der juristischen Muttermilch mitbekommen haben, aber in Sachen Umweltkompetenz ist die Chemie nicht schlecht.

Frau Abgeordnete Langthaler! Sie sind nicht nur eine äußerst kompetente Abgeordnete gewesen, sondern Sie sind auch ein politischer Kopf, der viel Mut bewiesen hat, als es zum Beispiel um den EU-Beitritt gegangen ist. Das, was immer das Schwierigste ist, nämlich sich in einer wichtigen Frage auch einmal gegen die eigene Fraktion zu stellen, haben Sie getan und, wie ich meine, letztlich auch Recht behalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sind rhetorisch aus der Sicht eines Regierungsmitgliedes nicht unbedingt angenehm, ausgesprochen scharfzüngig und, wie die Tropenholzdebatte und vieles andere gezeigt haben, auch sehr, sehr ausdauernd. Ich meine allerdings, daß das nicht Ihr endgültiger Abschied von der Politik sein wird. Wer zehn Jahre in diesem Hohen Haus sozusagen an der Droge Politik geschnüffelt hat, ist, so glaube ich, in ein Maß von Abhängigkeit geraten, das auch der temporäre Umzug weit weg in das Vereinigte Königreich einen Rückfall nicht ausschließt. Mich persönlich – und wahrscheinlich auch einige andere hier herinnen – würde es freuen, wenn es zu einer Rückkehr Ihrerseits in die Politik käme. Jung genug dazu sind Sie allemal! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ein letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich habe ein großes offenes Ohr – ich habe sogar zwei große offene Ohren –, wenn Frau Abgeordnete Langthaler und Herr Abgeordneter Barmüller einerseits den Kompetenzmangel des Umweltressorts beklagen (Abg. Mag. Schweitzer: Das glaub’ ich!) und andererseits bereit sind, dem abhelfen zu wollen. Ich meine, daß der EU-Beitritt Österreichs an und für sich eine Gelegenheit dafür gewesen wäre und nach wie vor ist (Abg. Mag. Schweitzer: Auch wenn du Wirtschaftsminister wirst?), daß man ein Streamlining der Kompetenzen in diesem Lande, etwa entsprechend dem Muster der Kompetenzverteilung in Brüssel, vornimmt.

Es ist ja gut, daß man als Umweltminister Österreichs in Brüssel viel mehr Sachen vertreten kann, als man im eigenen Lande vertritt, aber es wäre im Sinne der Effizienz der Arbeit zweckmäßig, zumindest ein wenig mehr von jenen Kompetenzen, die in der Umweltgeneraldirektion GD XI ressortieren – wie zum Beispiel die Gentechnik und die Frage der nuklearen Sicherheit –, auch in Österreich dort zu konzentrieren, wo eben auch die Arbeit für Brüssel und für Europa im Sinne Österreichs geleistet wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Schweitzer.)

In diesem Sinne geht mein Dank nicht nur an den Vorsitzenden des Umweltausschusses, sondern an alle Mitglieder des Umweltausschusses. Es gab in diesem Ausschuß interessante und in der Sache wertvolle Debatten. Ich denke, daß wir die Umweltpolitik in diesem Lande Schritt für Schritt und im wesentlichen auch gemeinsam weiterentwickelt haben. – Dafür danke ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, des Liberalen Forums, der Grünen sowie des Abg. Mag. Schweitzer.)

19.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es liegt kein Verlangen auf ein Schlußwort seitens des Herrn Berichterstatters vor.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages in 1751 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

So Sie diese Genehmigung erteilen wollen, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Genehmigung ist einhellig erteilt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag gemäß Artikel 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich der Vertragstexte in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen ist, daß diese zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses erfolgt einhellig. Der Antrag ist angenommen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Einstimmig!) Einhellig und einstimmig ist wortidentisch. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.) – Danke, Herr Kollege Lukesch.

Das Abstimmungsverfahren ist damit beendet.

10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1998 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Vertragsabschluß im Fernabsatz in das Konsumentenschutzgesetz eingefügt und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 sowie das Produkthaftungsgesetz geändert werden (Fernabsatz-Gesetz) (2062 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Hemmung des Fristenablaufs durch den 31. Dezember 1999 (2063 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1999 der Beilagen): Bundesgesetz über elektronische Signaturen (Signaturgesetz – SigG) (2065 der Beilagen)

367Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen nun zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Als erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.30

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Wir beraten unter den Tagesordnungspunkten 10 bis 12 drei Gesetze, die mit dem Rechtsverkehr in der Wirtschaft zu tun haben und sehr starke konsumentenschützerische Gesichtspunkte aufweisen.

Betreffend Signaturgesetz und elektronische Signatur – etwas, was nur schwer vorstellbar ist – möchte ich sagen, wenn man weiß, wozu es dient, dann bekommt man eine relativ klare Sicht darüber, daß wir in Hinkunft um eine elektronische Signatur nicht umhinkommen werden. Es soll durch dieses Gesetz Klarheit über die Identität des Vertragspartners im elektronischen Verkehr durch ein sogenanntes Zertifikat geschaffen werden. Das heißt, wenn ich über Internet, über dieses elektronische Medium, einen Vertragspartner habe, der mir etwas unterfertigt, dann muß ich sicher sein, daß derjenige, der da unterfertigt, auch der ist, von dem ich annehme, daß er es ist. Das geschieht durch dieses Zertifikat.

Es soll damit ein Vertrauensschutz geschaffen werden. Dieser Vertrauensschutz wird über Zertifizierungsdienste angeboten, auf die man sich dann verlassen kann. Damit soll sichergestellt werden, daß die Signatur nicht unbefugt verwendet wird und auch nicht unbefugt verändert werden kann. Die vollwertige Anerkennung von elektronischen Signaturen erfordert natürlich dazu geeignete organisatorische, infrastrukturelle, personelle und technische Rahmenbedingungen, die wir hier sehr vorbildlich im internationalen Kontext schaffen. Wir können uns diesbezüglich nichts bei anderen abschauen, da es die europäische Richtlinie ja noch gar nicht gibt. Sie wird aber für Anfang 2000 erwartet.

Daß diesbezüglich europäischer Gleichklang vonnöten ist, liegt auf der Hand, denn der elektronische Geschäftsverkehr ist natürlich auf der ganzen Welt notwendig und wird über alle Grenzen hinweg getätigt, aber zumindest Europa sollte bezüglich der elektronischen Signatur gleiche Standards haben. Wir geben hier eigentlich die Standards vor, in dieser Frage schaut die Welt auf uns. (Beifall der Abg. Tichy-Schreder.)

Beim Fernabsatz-Gesetz, Tagesordnungspunkt 10, geht es auch um den Konsumentenschutz. Wir setzen eine EU-Richtlinie um, die bis August 2000 umgesetzt werden muß. Es geht darum, daß auch im elektronischen Verkehr, wenn man über Distanz Geschäfte mit dem Konsumenten tätigt, Gesetzesverletzungen auch dann geahndet werden können müssen, wenn sie im Ausland begangen werden. Daher erlaubt dieses Gesetz den Berechtigten, die Klagen einbringen dürfen, diese auch im Ausland einzubringen.

Die vergleichende Werbung ist erweitert erlaubt, sie darf aber unter gar keinen Umständen irreführend sein, das heißt, vergleichende Werbung an sich ist nicht generell negativ zu sehen, da das Wettbewerb ist und der Aufklärung der Konsumenten dient.

Im Fernabsatz-Gesetz ist weiters ein Rücktrittsrecht verankert, das heißt, auch wenn es um Geschäfte mit dem Ausland geht, gibt es ein Rücktrittsrecht, das wir analog dem Konsumentenschutzgesetz geschaffen haben; diese Sieben-Tage-Frist ist etwas, was überall gleichermaßen gilt.

Erfreulicherweise wurde auch eine Bestimmung bezüglich des Mißbrauchs von Kreditkarten aufgenommen. Der Verbraucher hat in Hinkunft die Möglichkeit, vom Kreditkartenunternehmen im Falle einer betrügerischen Verwendung seiner Kreditkarte eine Rückbuchung zu verlangen. Sie wissen alle, es gibt immer wieder spektakuläre Fälle, wenn jemand über seinen Kontoauszug überrascht ist, weil irgendwo seine Kreditkarte mißbräuchlich verwendet wurde. Dagegen haben wir nun eine Möglichkeit geschaffen. Es ist nur eine Möglichkeit – kein hundertprozentiger Schutz –, aber es besteht nun immerhin die Möglichkeit, daß der Geschädigte besser zu seinem Recht kommt.

Erstmalig ist im Rahmen eines Konsumentenschutzgesetzes dem Seniorenrat ein Verbandsklagerecht eingeräumt worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist das insofern bedeutsam, als wir damit erstmalig der Gruppe der Senioren, die ja zunehmend an Bedeutung gewinnt, nicht nur weil sie zahlenmäßig im Wachsen begriffen ist, sondern weil deren wirtschaftliche Bedeutung nicht unterschätzt werden darf, zusätzliche Rechte gewähren.

Immerhin zählen die Senioren zu den Kaufkräftigsten in unserer Gesellschaft, daher sind sie auch bereits intensiver Teil unserer Wirtschaft geworden. Dieses Verbandsklagerecht gibt erstmalig der Interessenvertretung dieser Gruppe zusätzliche Rechte, nämlich dann, wenn die Senioren glauben, daß Konsumentenschutzverletzungen vorgekommen sind. Besonders die Senioren sollen vor Übergriffen oder unfairen Geschäftsmethoden geschützt werden. Ich glaube, es ist gerechtfertigt, daß diese Interessenvertretungsgruppe den Stellenwert erhält, der ihr auch in der Gesellschaft zukommt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Tagesordnungspunkt 11 sagen, den wir hier unter einem behandeln, nämlich zur Hemmung des Fristenablaufs durch den 31. Dezember 1999. Die Frage ist derzeit in aller Munde: Wie wird das mit dem Milleniumssprung 2000 sein? – Es ist nun so, daß der 31. Dezember 1999 auf einen Freitag fällt. Der ECOFIN-Rat hat sich für die Bankenwelt gewünscht beziehungsweise beschlossen, daß man den Banken an diesem Freitag eine Art Bankfeiertag erlauben soll, damit sie ein wenig länger Zeit haben, um die Umstellung auf das Jahr 2000 zu schaffen, nämlich bis Montag, den 3. Jänner 2000.

Daher ist an den Justizausschuß der Wunsch herangetragen worden, eine entsprechende Bankenregelung zu schaffen. Der Justizausschuß hat aber gemeint, das wäre eine Privilegierung eines einzelnen Sektors. Dieses Problem betrifft nämlich nicht nur die Bankenwelt, sondern auch andere Sektoren in unserem Wirtschaftsleben. Aus diesem Grund haben wir eine generelle Regelung geschaffen, nämlich daß, wenn ein Sonn- oder Feiertag eine Frist hemmt – es ist in unserer Rechtsordnung häufig so, daß Sonn- und Feiertagsregelungen ein Hemmnis darstellen und es erst am nächsten Werktag wieder losgeht –, diese Regelung ausnahmsweise per Gesetz auch für diesen 31. Dezember 1999, der ein Freitag ist, gelten soll.

Eine ähnliche Regelung kennen wir bisher in unserer Rechtsordnung bereits für den Karfreitag. Der Karfreitag ist ja für einige Bevölkerungsgruppen einer der höchsten Feiertage; für die Protestanten zum Beispiel. Daher haben wir eine Anleihe an diesem Beispiel genommen, wonach dieser Freitag, der kein Karfreitag ist, sondern eben der 31. Dezember 1999, also der letzte Tag in diesem Jahrtausend, ein Fristhemmnis darstellt. Sollte an diesem Tag ein Fristablauf gegeben sein, so wird wahrscheinlich keine Rechtsfolge damit verbunden sein, wenn erst am Montag, dem 3. Jänner 2000, die konkrete Maßnahme gesetzt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.39

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Man kann im wesentlichen an das anschließen, was Frau Kollegin Fekter vorhin erwähnt hat. Es ist in der Tat so, daß eine Entwicklung in den gesellschaftlichen Kommunikationsmitteln natürlich auch ein Bedürfnis mit sich bringt, entsprechende Konsumentenschutzregelungen, entsprechende neue Möglichkeiten im Rahmen des Rechtssystems für den Umgang mit diesen neuen Anforderungen zu schaffen.

So haben wir einerseits heute das Fernabsatz-Gesetz zu beschließen, das im wesentlichen eine Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie ist, wir haben andererseits aber auch das Signaturgesetz zu beschließen. Das, was hinsichtlich des elektronischen "commerce" bevorsteht, ist ein weiteres Gesetzeswerk, das dann im Herbst in genauere Formen gegossen werden soll.

Die Vorteile, die die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie mit sich bringt, wurden an sich schon angedeutet, es ist vor allem eine Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Distanzgeschäften.

Es ist darin aber nicht nur der Fernabsatz, sondern darüber hinaus auch eine Reihe von anderen Materien mit behandelt worden, die dem Gesetz zusätzlich Bedeutung geben. So ist es etwa im Bereich der Unterlassungsklagen, der Verbandsklagen, wie heute ebenfalls schon erwähnt wurde, nun einerseits dem Seniorenrat möglich, im Interesse seiner Mitglieder, im Interesse einzelner Senioren – um ihnen das Risiko abzunehmen – in besonders wichtigen Angelegenheiten Prozesse zu führen, um Klärungen wichtiger Rechtsfragen herbeizuführen, andererseits ist jetzt auch innerhalb Europas die Zuständigkeit – und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen durch Unterlassungsklagen – von Konsumentenschutzverbänden sichergestellt worden.

Es passiert dies in der Form, daß die in den jeweiligen Ländern zugelassenen Verbände auf einer Liste verzeichnet werden, und diese Verbände können dann auch grenzüberschreitend in den anderen Ländern der Europäischen Union ihre Ansprüche beziehungsweise die von ihnen geltend zu machenden Ansprüche umsetzen.

Das ist sicherlich eine bedeutende Verbesserung, da wir in der letzten Zeit im Bereich des Konsumentenschutzes vermehrt damit konfrontiert waren, daß von außerhalb unserer Grenzen Rechtsgeschäfte angebahnt und durchgeführt wurden, deren Bekämpfung im Inland, also bei der Ausübung des Rechtsschutzes, immer wieder Grenzen gesetzt waren. Das ist in Zukunft sicherlich eindeutig verbessert.

Zum § 31a Fernabsatz-Gesetz: Bei Zahlungskartenmißbrauch soll künftig der Inhaber der Kreditkarte besser gestellt sein, da angesichts des Umstandes, daß gerade im Bereich der Kreditkarten eine erhebliche Ausweitung des Geschäftsverkehrs zu verzeichnen ist, eindeutig die Notwendigkeit gegeben ist, die Rechtsstellung des Karteninhabers zu verbessern.

Bezüglich der Vereine darf ich darauf hinweisen, daß es auf Veranlassung der Konsumentenschutz- und Frauenministerin einen Prozeß gegen das Tierhilfswerk gegeben hat, der mit der Feststellung geendet hat, daß es bei Geschäften mit Vereinen für Vereinsmitglieder kein Rücktrittsrecht gibt. De facto ist es so, daß Vereinsmitglieder von Vereinen, die mißbräuchlich verwendet werden, als einziges Recht dasjenige zu zahlen haben! Im neuen Gesetz gibt es nun auch eine Bestimmung gegen diesen Mißstand, und zwar solcherart, daß auch Vereinsmitgliedern Rücktrittsrechte eingeräumt werden, was sicherlich eine weitere Verbesserung ist.

Bezüglich der Produkthaftung ist darauf hinzuweisen, daß zukünftig auch Agrarprodukte uneingeschränkt der Produkthaftung unterliegen. Auch das ist, glaube ich, ein erheblicher Schritt und eine Verbesserung für die Konsumenten, der zudem auch das Bewußtsein der Produzenten – in diesem Fall der Landwirte – schärfen wird, aufzupassen, was in Umlauf gebracht wird. Auf der anderen Seite war es auch nicht einzusehen, warum es in der Landwirtschaft eine Ausnahmebestimmung – und eine solche war es letztlich in der Vergangenheit – geben soll, die für alle anderen nicht gilt.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Vorlage eine erhebliche Verbesserung des derzeitigen Standards darstellt, die aufgrund bestehender Vorgaben durch die Europäische Union erfolgt. Sie ist sicherlich ein richtiger Schritt, und es wird ganz wichtig sein, wie in Zukunft mit dem elektronischen "commerce", also mit dem elektronischen Handel umgegangen wird.

Es gab eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die wir im Rahmen des Gesetzwerdungsverfahrens eingebracht haben, die sich aber in der koalitionären Diskussion letztlich nicht durchgesetzt haben. So soll es etwa so sein, daß Darlehensverträge im Rahmen der elektronischen Signatur ermöglicht werden und auch andere Verträge wie etwa Wohnungseigentumsverträge sehr wohl mit elektronischer Unterschrift abgeschlossen werden können, wobei aber zu sagen ist, daß es eine Reihe von Fällen gibt, wo die neue Qualität, nämlich die Unterschrift auf vereinfachte Weise, auch in einem anderen geschäftlichen Rahmen, in einem anderen Umfeld, nämlich zu Hause vor dem Computer zu leisten, doch eine gewisse Verlockung darstellt, Verträge abzuschließen, die man heute unter bestehenden Bedingungen nicht abschließen würde. Es gilt, damit auch in Zukunft sorgsam umzugehen und zu erkennen, wo es die Schutzwürdigkeit der Konsumenten gebietet, weitere Maßnahmen in Richtung eines noch besseren Konsumentenschutzes einzuleiten.

Ich halte es insgesamt für ein gutes Gesetz. Es ist allerdings notwendig, im Herbst über all diese Materien intensiv weiter zu diskutieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters ist Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.46

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich möchte wie meine beiden Vorredner beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt im wesentlichen einige wenige Sätze zum Fernabsatz-Gesetz sagen.

Hochgeschätzte Frau Kollegin unseres Justizausschusses, Maria Fekter, ich darf Ihnen noch einmal – so wie schon im Ausschuß –, ehe Sie vor lauter Begeisterung über sich selbst gen Himmel fahren, in Erinnerung rufen: Im wesentlichen, liebe Frau Maria, handelt es sich hiebei um die zwingende Umsetzung von EU-Richtlinien. Das soll Ihr Bemühen, Herr Bundesminister, um eine gute, auch mit eigenständigen Elementen ausgestattete Regelung jedoch in keiner Weise schmälern. Ich möchte es nur angemerkt wissen.

Abgesehen von dieser potentiellen Gefahr, daß wir uns aufgrund dessen, was mit dieser Vorlage zustande gebracht wurde, selbst überschätzen (Abg. Dr. Fekter: Das gefällt euch nicht!) – ich sagte schon, ich will niemandes Verdienste schmälern, Ihre schon gar nicht, Frau Kollegin Fekter –, befürchte ich – um beim Bild von der Himmelfahrt zu bleiben, prophezeie ich Ihnen, aber vor allem befürchte ich –, daß es in der Anwendung des Fernabsatz-Gesetzes zu Abgrenzungsproblemen kommen wird. Was ist Fernabsatz und was nicht? Was fällt unter das Fernabsatz-Gesetz und was nicht? – Ich bin daher mit Kollegen Jarolim einer Meinung, daß man sich im Laufe der nächsten Legislaturperiode mit diesem Problem unter Umständen noch einmal oder weiter befassen wird müssen.

Darüber hinaus wird auch für den Konsumenten selbst, zu dessen Schutz diese Bestimmungen geschaffen worden sind, die Unterscheidung manchmal schwierig und vor allem fließend sein.

Ein Beispiel nur unter mehreren denkbaren: Ein Unternehmen – und Herr Kollege Jarolim hat die modernen Kommunikationsmittel in diesem Zusammenhang angesprochen – gibt auf einer Homepage Firmenzweck, Adresse und Telefonnummer an und wickelt einen gewissen Teil seines Umsatzes als Dienstleistungsunternehmen über telefonische Bestellungen, die durch die von ihm eingerichtete Homepage angeregt werden, ab. Was ist das dann? Ist das Fernabsatz? – Man könnte nämlich so argumentieren, daß damit ein Vertriebssystem eingerichtet wurde, das es möglich machen oder anregen soll, daß der Konsument über die Homepage Aufträge erteilt.

Aber alles in allem genommen sind die Bestimmungen zum Schutze des Konsumenten wie etwa Rücktrittsrecht, Schutz vor mißbräuchlicher Verwendung von Kredit- und Zahlungskarten, Unterlassungsklage, Möglichkeiten der Verbraucherverbände bei Verstößen gegen den Konsumentenschutz auch im grenzüberschreitenden Handel, Zulassung einer objektiven vergleichenden Werbung, Produkthaftung auch für land- und forstwirtschaftliche Produkte – all das ist schon erwähnt worden – positiv. Das ist keine Frage! Sie sind positiv und auch notwendig! Die freiheitliche Fraktion wird daher der gegenständlichen Vorlage die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.50

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch die Liberalen werden den gegenständlichen Materien Fernabsatz-Gesetz und Signaturgesetz ihre Zustimmung geben. Ich möchte aber vor allem auf einen Aspekt hinweisen, der uns wesentlich erscheint, denn es ist unbestritten so, daß, auch wenn es, Herr Abgeordneter Bauer, Abgrenzungsschwierigkeiten geben wird – und diese werden schon auftreten, aber es ist im Gesetz alles relativ genau ausgeführt, daher glaube ich nicht, daß es besonders viele Schwierigkeiten geben wird –, die Zahl der Vertragsabschlüsse unter Anwendung etwa des Internet steigen wird. Es ist vollkommen klar, daß es genau in diese Richtung geht und sicherlich in keine andere.

Daher bin ich froh darüber, daß es etwa, was das Signaturgesetz anbelangt, eine Regelung in Österreich gibt, noch bevor es eine EU-Richtlinie gibt. Denn man muß dieses Thema vorantreiben, und Österreich hat dadurch, daß es eine Position hat, die Gelegenheit, sich auf europäischer Ebene stärker einzubringen.

Was ich aber grundsätzlich als beunruhigend empfinde, ist, daß gerade im Bereich des Internet die Überwachung – und damit meine ich im besonderen die Überwachung der elektronischen Post – zunimmt. Es wurde heute eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Deutschland publiziert, die besagt, daß alle – etwa mitttels elektronischer Post – über die Grenzen gehenden Kommunikationen vom Bundesnachrichtendienst in Deutschland abgehört werden können, und zwar ohne daß es einen dringenden Verdacht gibt und auch mit der Möglichkeit einer elektronischen Rasterung, also dadurch, daß man nach ganz bestimmten Schlüsselbegriffen abfragt. Es ist zwar so, daß es im nachhinein eine Pflicht zur Information desjenigen oder derjenigen gibt, die abgehört worden sind, man kann jedoch in keinem Fall sicher sein, daß das, was man in der elektronischen Post schreibt, ohne dringenden Verdacht nicht auch überprüft wird.

In diesem Bereich sehen wir in zunehmendem Maße polizeistaatliche Methoden Einzug halten. Wir meinen, daß es sinnvoll wäre, die Verschlüsselung klar und deutlich freizugeben, insbesondere keine Verkürzung beziehungsweise keine Begrenzung der Schlüssellänge vorzusehen. Es muß zur Wahrung der Privatsphäre auch in diesen neuen Medien möglich sein, Verschlüsselungen anzuwenden, etwas, was bei uns derzeit ohnehin nicht verboten ist, aber auch beibehalten werden sollte.

Wir sind überzeugt davon, daß gerade das Vertrauen ins Internet – es ist mehrmals bei beiden Materien angesprochen worden, daß man das Vertrauen in diese neuen Medien stärken will – auch davon abhängen wird, wie stark die Privatsphäre in den neuen Medien geschützt wird. Unserer Meinung nach gibt es dafür in Österreich ein falsches Bewußtsein beziehungsweise noch kein genügend ausgebildetes Bewußtsein, insbesondere bei den Regierungsfraktionen, die die Sorge haben, daß zuviel – unter Anführungszeichen – "schiefläuft", wenn man nicht überall die Hand drauf hat, und Freiraum in diesem Bereich immer seltener gestatten wollen.

Ich betone noch einmal: Wir halten es für sinnvoll, etwa und gerade den Studentinnen und Studenten, die mittlerweile an den Universitäten E-Mail zur Verfügung gestellt bekommen, gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Botschaften zu verschlüsseln, und zwar einfach deshalb, damit sie mit der Anwendung dieser Methoden und Technologien vertraut werden. Denn es soll nicht so sein, daß wir im Internet quasi nur Postkarten verschicken können, die ohnehin jeder liest, es muß auch ein elektronisches Briefgeheimnis geben.

Wir werden jedenfalls den drei Materien, die jetzt verhandelt werden und dann zur Abstimmung stehen, unsere Zustimmung geben und hoffen, daß in der nächsten Legislaturperiode der Schutz der Privatsphäre auch im Internet einen höheren Qualitätsstandard bekommen wird, als wir ihn derzeit noch haben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.54

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie werden es nicht glauben, aber ich werde sicherlich keine 5 Minuten brauchen, da die Frau Ausschußvorsitzende und der Herr Fraktionssprecher der SPÖ schon sehr detailliert erläutert haben, worum es geht. Ich möchte nur trotz Zustimmung der Grünen, weil es keine zwingenden Bedenken dagegen gibt, an die Ausführungen des Herrn Kollegen Bauer anknüpfen, der richtigerweise gesagt hat: Dieses Gesetz ist inhaltlich eigentlich nichts anderes als die zwingende Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Aber, meine Damen und Herren, man könnte, da man ohnehin nichts anderes tut als das, was die EU vorschreibt, umzusetzen, dem auch einmal ein bißchen vorgreifen. Das wurde zum Beispiel in jenem Punkt, in dem die Ausnahmen für Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Bankdienstleistungen und ähnliches normiert werden, nicht getan. Man hat sich im Gegenteil ziemlich sklavisch an das gehalten, was die EU-Richtlinie vorschreibt. Wenn es aber um VerbraucherInnenschutz insgesamt geht, dann sollten wir uns meiner Meinung nach nicht ausschließlich darauf beschränken, darauf zu warten, was die EU uns zwingend vorgibt, sondern auch ein bißchen in Vorlage treten, weil das auch im Sinne der VerbraucherInnen ist. – Das zu dem einen Gesetz.

Das andere Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, also jenes über die Hemmung der Fristen, hat mich zu Beginn, als das Ansinnen an den Ausschuß getragen wurde, amüsiert. Ich habe mir gedacht, das ist ja wirklich erstaunlich, da kommen die Banken daher und sagen, wir wollen einen Feiertag, weil es vielleicht Probleme mit dem Computer geben wird und überhaupt vielleicht die Welt einstürzt – man weiß es ja nicht! –, deshalb brauchen wir einen Feiertag zu unserem Schutz.

Ich bin wirklich sehr stolz darauf, daß der Justizausschuß dieses Anliegen für legitim hält. Aber, um es untechnisch zusammenzufassen: Warum nur die einen und nicht alle? Wäre man ganz mutig gewesen, dann hätte man auch darüber diskutieren können: Warum ist der 31. Dezember nicht überhaupt ein allgemeiner Feiertag?! Schließlich ist nur alle 1 000 Jahre eine Jahrtausendwende, und das wäre es sicherlich wert gewesen. Das meine ich jetzt ganz im Ernst.

Noch ein allerletztes Wort zu einer Bestimmung im Fernabsatz-Gesetz, die noch nicht erwähnt wurde, nämlich das jetzt im Telekommunikationsgesetz geregelte Verbot von nicht verlangter kommerzieller Werbung, das morgen, glaube ich, oder am Freitag auf der Tagesordnung steht. In diesem Punkt sieht man, wie flexibel und einsichtig der Justizausschuß – es klingt immer ein bißchen blöd, wenn man als Mitglied ständig von sich selbst redet; in diesem Fall spreche ich nicht von mir, sondern vom Ausschuß – reagiert, wenn es ein Verlangen, eine Vorlage, einen Vorschlag gibt, der durchaus sinnvoll erscheint. Insofern habe ich mich durch dieses eine Beispiel davon überzeugen lassen, daß sogenannte 27er-Anträge in Ausschüssen Sinn machen, aber dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht noch morgen Näheres. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Krüger – auf die leeren Bänke der Grünen weisend –: Terezija, wo sind deine Kollegen? – Abg. Mag. Stoisits: Beim Essen! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Ist das ein Boykott dir gegenüber? – Abg. Mag. Stoisits: Nein!)

19.57

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gemeinsame Beratung dieser beiden Gesetzentwürfe kommt keineswegs von ungefähr, beruhen sie doch auf einem einheitlichen Ansatz, auf einer einheitlichen übergreifenden Konzeption. Sowohl beim Fernabsatz-Gesetz als auch beim Signaturgesetz geht es primär darum, für unsere Informationsgesellschaft einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der im Internet und in anderen elektronischen Diensten Sicherheit, Vertrauen und Transparenz bietet.

Es ist das Ziel des Fernabsatz-Gesetzes, daß im traditionellen Versandhandel ebenso wie in den modernen elektronischen Vertriebswegen klare und eindeutige Verhältnisse herrschen, auf die sich Verbraucher wie Anbieter einstellen können, und die eine sichere Grundlage für geschäftliche Transaktionen im Fernabsatz bieten.

Sicherheit, Vertrauen und Transparenz sind aber auch die obersten Maximen des Signaturgesetzes, denn sowohl Anbieter als auch Nachfrager sollen die Möglichkeit erhalten, ihren jeweiligen Ansprechpartner sicher zu identifizieren und allfällige Mißbräuche zu entdecken. Die Schaffung solcher rechtlicher Rahmenbedingungen ist schon per se wichtig, weil im elektronischen Geschäftsverkehr wirtschaftlich bedeutsame rechtliche Fragen derzeit offen sind.

Ein in manchen Bereichen bestehendes rechtliches Vakuum stellt aber für manche Anbieter ein gewichtiges Investitionshindernis dar. Auch halten die Mißbrauchpotentiale, die das Internet und die anderen modernen elektronischen Dienste nun einmal auch bieten, viele Unternehmen davon ab, die neuen Medien und ihre Chancen entsprechend zu nutzen.

Die Verbraucher, die in diese Medien einsteigen, stehen vor Schwierigkeiten und Problemen, die sie kaum überschauen können und denen sie vielfach ausgeliefert sind. Umso wichtiger und bedeutsamer ist es, rechtliche Regelungen vorzusehen, mit welchen gegen Mißbrauch vorgebeugt, Rechtsklarheit geschaffen und letztlich für einen angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Anwendern Sorge getragen wird. Sie sind aber auch ein wichtiges Instrument zur Förderung des Wirtschaftsstandortes und damit zur Sicherung und zum Ausbau der Arbeitsplätze.

Die Bestimmungen über den Fernabsatz und über die Signatur beschränken sich nicht allein auf die österreichischen nationalen Bedürfnisse, sondern berücksichtigen auch und gerade grenzüberschreitende Transaktionen. Dabei wird großes Augenmerk auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen im Binnenmarkt gelegt. Es wird aber auch der Umstand nicht vernachlässigt, daß die elektronischen Technologien über Europa hinausreichen und weltweit grenzüberschreitende Geschäfte ermöglichen. Ein solcher sozusagen internationaler Ansatz sowohl des Fernabsatz-Gesetzes als auch des Signaturgesetzes ist notwendig, damit Verbraucher und Unternehmen die gebotenen Vorteile auch tatsächlich nützen können.

Die österreichischen Verbraucher können aus einem riesigen Markt die für sie günstigsten Angebote auswählen. Den österreichischen Unternehmen bietet die internationale Ausrichtung des österreichischen Rechtsrahmens die Möglichkeit, ihre Angebote gleichsam weltweit an den Mann und an die Frau bringen zu können.

Beide Vorlagen haben ihren Ursprung im EG-Recht (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer) – ja, Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer –, sie beschränken sich aber nicht auf das bloße Abschreiben von Richtlinien oder des Richtlinienentwurfes – beim Signaturgesetz ist das sogar nur ein gemeinsamer Standpunkt –, vielmehr tragen beide Vorhaben den Besonderheiten und Eigenheiten der österreichischen Rechtsordnung Rechnung und nehmen auf spezifische österreichische Bedürfnisse Bedacht. Insbesondere läßt sich dies mit der Regelung über die sogenannten Gewinnspiele belegen, mit welchen bestimmten, gerade in Österreich aufgetretenen mißbräuchlichen Vertriebspraktiken Einhalt geboten wird. So wird etwa die Regelung des Kreditkartenmißbrauches in Österreich nicht nur für Verbrauchergeschäfte vorgesehen, sondern von ganz allgemeiner Geltung sein.

Auch ich möchte betonen, daß sowohl mit dem Fernabsatz-Gesetz als auch mit dem Signaturgesetz die Position der Verbraucher weiter gestärkt werden wird. Einmal mehr haben wir im Bundesministerium für Justiz uns bemüht, den Anliegen der österreichischen Konsumenten entgegenzukommen und ihre wirtschaftliche und rechtliche Stellung in einem sich zunehmend ändernden Umfeld zu verbessern.

Die zur Debatte stehenden Regierungsvorlagen beziehungsweise Gesetzentwürfe stellen letztlich bloß einen ersten Schritt bei der Schaffung des erforderlichen Rechtsrahmens für den elektronischen Geschäftsverkehr dar. Um die Chancen und Potentiale der modernen Technologien voll auszunützen, werden weitere Schritte folgen müssen, sei es auf dem Gebiet des Vertrags- und Haftungsrechts, sei es im Strafrecht, sei es im Verwaltungsrecht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht dabei nicht etwa um eine übertriebene Regelungswut. Es geht vielmehr darum, daß auch in der elektronischen Welt rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden und gesichert sind. Das ist für alle Anwender von Bedeutung, für die Unternehmen ebenso wie für die Konsumenten.

Ein stringenter und einheitlicher Rechtsrahmen für die Informationsgesellschaft liegt in diesem Sinn im rechts-, wirtschafts- und verbraucherpolitischen Interesse aller Beteiligten. Darüber scheint – was mich besonders freut – über die Parteigrenzen hinweg Konsens zu bestehen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister, für Ihre Ausführungen.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Schrefel. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.04

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Der Versandhandel ist in Österreich seit Jahrzehnten eine sehr gebräuchliche und beliebte Vertriebsart und bietet den Konsumenten und Verbrauchern eine Reihe von Vorteilen, wie zum Beispiel ein großes Angebot und eine große Auswahl vor Ort. Der Kunde kann in Ruhe günstige Preise auswählen, er erspart sich das Aufsuchen von Geschäften und speziell in den ländlichen Regionen oft eine beschwerliche Anreise.

Diese Vertriebsart kann für Konsumenten, wie wir heute bereits gehört haben, aber auch Probleme bringen, insbesondere dann, wenn grenzüberschreitend bestellt wird.

Ziel dieser Regierungsvorlage ist es, daß in Hinkunft im Versandhandel und im Distanzgeschäft auch über das Internet der Unternehmer den Verbraucher umfassend über Details des Vertrages informieren muß. Gleichzeitig wird dem Verbraucher das gesetzliche Rücktrittsrecht innerhalb von sieben Tagen eingeräumt. Damit wird gerade für ältere Menschen, die oft Opfer einer Überrumpelung werden, ein Schutzinstrument geschaffen, das ihnen eine faire Behandlung auf dem Markt bringen wird. Unsere Frau Vorsitzende Fekter hat bereits von der Sonderregelung für jene Konsumenten berichtet, die im Seniorenrat zusätzlich das Recht auf Erhebung der Verbandsklage erhalten.

Grund zur Sorge gibt in diesem Marktsegment auch der Umstand, daß Konsumenten häufig unüberlegt und ohne Rücksicht auf ihre eigentlichen Bedürfnisse bestellen, ohne die Ware in Augenschein genommen zu haben. Und schließlich führen auch die oft nur auf den ersten Blick günstigen Zahlungsbedingungen dazu, daß ein beträchtlicher Teil der Überschuldung privater Haushalte auf Kredite aus dem Versandhandelsgeschäft zurückzuführen ist.

Nunmehr müssen den Konsumenten bei der Bestellung alle relevanten Informationen mitgeteilt und bis zur Lieferung der Ware auch schriftlich bestätigt werden.

Wichtig erscheint mir für den Schutz der Konsumenten vor allem auch, daß im Fall einer betrügerischen Verwendung von Kreditkarten im Fernabsatz der Verbraucher eine Rückbuchung durch den Kreditkartenunternehmer verlangen kann.

Diese Regierungsvorlage dient auch der Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, ist in allen Belangen europarechtskonform und muß bis zum 4. Juni 2000 umgesetzt werden.

Meine geschätzten Damen und Herren! Auch ich werde in der nächsten Legislaturperiode diesem Hohen Hause wahrscheinlich nicht mehr angehören. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit herzlich für die kollegiale Zusammenarbeit, vor allem auch im Justizausschuß, bedanken. Herr Bundesminister! Es war dies eine sehr interessante und spannende Zeit für mich! Ich möchte es so formulieren: Ich konnte im Namen der Zukunft für dieses Land und seine Menschen fünf Jahre lang hier mit Verantwortung tragen und einiges mitgestalten. Vor allem dafür möchte ich mich sehr, sehr herzlich bedanken und allen ein "Glückauf!" für eine gute Zukunft wünschen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.08

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Bauer, es ist richtig, daß wir mit diesem Fernabsatz-Gesetz eine zwingende EU-Richtlinie umsetzen. Ich hätte mir allerdings auch einige günstigere Regelungen für die Konsumenten vorstellen können. Wenn wir aber in diesem Bereich zum Beispiel ein Rücktrittsrecht von zwei Wochen beschließen, dann gehen wir über das in dieser Richtlinie festgelegte Mindestmaß hinaus. Ich denke, das ist gut so, und der Konsens in diesem Haus hat gezeigt, daß das auf eine sehr gute Tradition im Justizausschuß zurückzuführen ist.

Wichtige Regelungen wurden schon von den Vorrednern angesprochen, etwa betreffend mißbräuchlich verwendete Kreditkarten, betreffend ein Rücktrittsrecht beim Beitritt zu bestimmten Vereinen oder betreffend die Möglichkeit der Verbandsklage auch für den Seniorenrat, was mich besonders freut.

Ich darf noch drei Bereiche kurz hervorheben: Ich bin sehr froh darüber, daß den dubiosen Gewinnspielen endlich ein Riegel vorgeschoben wird. Die Konsumenten können nun eine Zusendung mit der Mitteilung "Sie haben gewonnen" künftig bei den entsprechenden Unternehmen einklagen. Außerdem freue ich mich darüber, daß nun auch land- und forstwirtschaftliche Produkte dem Produkthaftungsgesetz unterliegen und daß es uns im Ausschuß mittels eines §-27-Antrags gelungen ist, festzuhalten, daß die Zusendung unbestellter Werbung über E-Mail der Zustimmung des Empfängers bedarf. Das heißt, es ist endlich Schluß mit dem elektronischen Werbemüll im Computerpostkasten!

Wir erwarten, daß unsere österreichische Lösung auch in der "E-Commerce"-Richtline mitverankert wird. Ein Wermutstropfen dabei ist allerdings, daß es eine ganze Reihe von Ausnahmen gibt, die nicht dem Fernabsatz-Gesetz unterliegen. Ich denke dabei etwa auch an Immobilienverträge und den gesamten Bereich der Finanzdienstleistungen, die künftig im Rahmen der "E-Commerce"-Richtlinie zu regeln sind.

Ich halte es gerade angesichts der hohen Beträge, die in diesem Zusammenhang angelegt oder eingesetzt werden, aber auch in Anbetracht der langen Zeiträume, für welche man sich verpflichtet – etwa bei einer Lebensversicherung –, für ungeheuer wichtig, daß es in diesem Bereich so bald wie möglich ein Mindestmaß an Verbraucherschutz geben wird.

Es ist quasi vorprogrammiert, daß die Diskussion um die Anpassungen gerade im Bereich der Telekommunikation und der damit verbundenen Probleme, die sich für die Verbraucher ergeben, die sich dieser Mittel bedienen, in Anbetracht des enorm raschen Wandels in diesem Bereich weitergehen muß. Ein erster richtiger Schritt ist gesetzt worden. Viele weitere werden in den nächsten Legislaturperioden folgen müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte.

20.11

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Vor nicht allzu langer Zeit – konkret: im vergangenen Monat – ist hier im Hohen Hause der Bericht zur Lage der Verbraucher und Verbraucherinnen diskutiert worden. Ich kann mich an die Debatte noch sehr gut erinnern, in der viele Punkte aus dem Bericht aufgegriffen wurden und von Ihnen, meine Damen und Herren, auch aufgezeigt wurde, wo Handlungsbedarf besteht.

Ich habe schon damals darauf verwiesen, daß viele Punkte, die im Verbraucherbericht 1998 noch aufgezeigt wurden, bereits so gut wie erledigt sind. Die entsprechenden Vorlagen sind im Parlament eingegangen und stehen heute zur Beschlußfassung an.

Als Konsumentenschutzministerin bin ich sehr froh darüber, daß sich in den Konsumentenrechten in der letzten Zeit sehr viel entwickelt hat, wenngleich mir natürlich völlig klar ist, daß sich vieles in Zukunft noch entwickeln muß. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben sich schon lange über die nationalen Grenzen hinweg bewegt, und zwar nicht nur räumlich, örtlich, sondern auch mit Hilfe der Medien, die es dazu gibt. Das ist natürlich eine große Herausforderung, die wir zu bewältigen haben, und die Fernabsatzrichtlinie beziehungsweise das vorliegende Fernabsatz-Gesetz ist natürlich ein wesentlicher Teil davon, aber noch lange nicht der letzte Teil.

Wir alle hätten uns wirklich sehr gewünscht, daß wir während der österreichischen Ratspräsidentschaft mit der Richtlinie für die Fernabsatz-Finanzdienstleistungen schon weiter gekommen wären. Das einzige, was uns während unserer Ratspräsidentschaft gelungen ist, war, daß wir diese Richtlinie tatsächlich noch an die Ratsarbeitsgruppe Verbraucherinnen und Verbraucher geben konnten, denn dorthin gehört sie meiner Meinung nach, und dort ist sie auch gut aufgehoben.

Ich behaupte, daß es wichtig ist, die Richtlinienentwicklung und die entsprechenden Regelungen aus der Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf europäischer Ebene voranzutreiben. Es zeichnet sich auf europäischer Ebene ab, daß der Vertrag von Amsterdam, in welchem die Konsumentenrechte als Querschnittsrechte festgeschrieben wurden, tatsächlich zu greifen beginnt, und darüber bin ich natürlich im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr, sehr froh!

Auf die einzelnen Punkte brauche ich nicht näher einzugehen. Ich denke, daß es wichtig sein wird, daß den Konsumentinnen und Konsumenten ihr Recht auch im Zusammenhang mit den neuen Medien klar ersichtlich ist, damit sie von sich aus klar zu ihren Rechten finden.

Ich persönlich meine, daß es in der neuen Legislaturperiode ganz wesentlich und wichtig sein wird, darüber zu diskutieren, wie Österreich grundsätzlich zur Voll- oder Teilharmonisierung derartiger Regelungen steht. Ich verhehle nicht meine persönliche Meinung dazu: Ich glaube, daß gerade bei den Konsumentenrechten eine Vollharmonisierung wahrscheinlich à la longue das wesentlichste ist, weil es sehr schwer verständlich wäre, daß man, wenn man sich via Internet zum Beispiel – unter Anführungszeichen – "in Italien befindet", andere Rechte vorfindet als etwa in Österreich oder Deutschland. – Diese Debatte ist sicher noch sehr, sehr intensiv zu führen. Diesbezüglich werden noch wesentliche Schritte zu setzen sein.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Herrn Justizminister, bei seiner Beamtenschaft und natürlich auch beim Justizausschuß, weil ich davon überzeugt bin, daß das im Bericht zur Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher – zwar vielleicht 1999, da wird das nicht mehr greifen – zumindest im Jahr 2000 seinen Niederschlag finden wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

20.15

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Fernabsatz-Gesetz beinhaltet auch eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Ich habe bereits im Ausschuß darauf hingewiesen, daß die Regierungsparteien, aber auch das Justizministerium es verabsäumt haben, eine notwendige Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb durchzuführen. Ich darf Ihnen kurz sagen, wo dieser Änderungsbedarf meines Erachtens liegt.

Nach dem österreichischen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist der Maßstab für eine mögliche irreführende Werbung ein unterdurchschnittlich interessierter, flüchtiger Konsument. Im europäischen Raum wird hingegen auf den mündigen Konsumenten abgestellt, der sich mit einem Angebot und einer Werbung aktiv befaßt. Diesbezüglich ist eine Harmonisierung anzustreben, und ich möchte Ihnen das anhand eines Beispieles näherbringen.

Wenn ein österreichisches Unternehmen, etwa ein österreichischer Küchenproduzent, den österreichischen Markt, aber auch Teile des deutschen und beispielsweise des Südtiroler Markts bewirbt, dann unterliegt er in Österreich mit ein und derselben Werbung – etwa im ORF oder über Ö 3 – dem viel strengeren Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb als in Deutschland. Das heißt, der österreichische Unternehmer ist, was den deutschen Bereich anlangt, schlechter gestellt als der deutsche Unternehmer. – Das muß im Sinne der österreichischen Wirtschaft, aber auch der österreichischen Konsumenten bereinigt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich neben den Bemerkungen zum Fernabsatz-Gesetz auch einige Bemerkungen zur Arbeitsweise des Justizausschusses und insbesondere zu dessen letzter Sitzung machen.

Es war schon etwas ungewöhnlich, daß gegen den Antrag der freiheitlichen Opposition auf Ergänzung der Tagesordnung um die beiden Kindesmißbrauchspetitionen zunächst einhellig gemauert wurde. Da hieß es: Nein, wir nehmen diese beiden wichtigen Punkte – die eine Petition wurde übrigens von Frau Kollegin Edeltraud Gatterer von der ÖVP überreicht – nicht auf die Tagesordnung!

Nach ungefähr 20 Minuten ist man allerdings draufgekommen, daß es vielleicht doch nicht besonders gut ankommt, wenn man 77 000 von Frau Gatterer gesammelte Unterschriften einfach in den Papierkorb wirft, wozu die Nichtaufnahme dieses Tagesordnungspunktes in Anbetracht der Auflösung des Nationalrates zwangsläufig geführt hätte. Dann hat man sich Gott sei Dank dazu bequemt, diese beiden Punkte auf die Tagesordnung zu setzen.

Ich möchte jetzt einen Widerspruch ansprechen, der sich insbesondere im Bereiche der ÖVP ergeben hat. Einerseits wurde durch die Frau Vorsitzende des Justizausschusses, Frau Fekter ... (Abg. Murauer: Sie ist eine ausgezeichnete Vorsitzende!) – Warten Sie meine Ausführungen ab! Ob Sie diese Meinung dann noch vertreten, sei aber dahingestellt.

Man muß einmal fragen: Wer macht hier Justizpolitik? Sind die 77 000 Unterschriften, die Frau Gatterer gesammelt hat, null und nichtig? – In dieser Petition werden nämlich härtere Strafen, eine stärkere Ausnützung des Strafrahmens und auch eine Erhöhung der Strafdrohung verlangt. Und vor allem wird verlangt, daß bei Sexualdelikten keine Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleiches oder anderer diversioneller Maßnahmen besteht.

Ich habe heute in der Fragestunde dem Herrn Justizminister – der mir sein geneigtes, geschätztes Ohr leihen möge! – die Frage gestellt, wieso denn die Entführung von Unmündigen, um sie zur Unzucht zu mißbrauchen, und die Herstellung kinderpornographischer Machwerke grundsätzlich vom Anwendungsbereich der diversionellen Maßnahmen, also der Straffreiheit, umfaßt sind. – Ich freue mich darüber, daß die Frau Frauenministerin jetzt aufpaßt, denn das betrifft auch die Entführung von unmündigen Kindern, Mädchen, die zur Unzucht mißbraucht werden sollen!

Auf meine Frage sagte der Herr Justizminister wortreich und mit der ihm eigenen geschliffenen Rhetorik, daß das zwar tatsächlich anwendbar ist, daß allerdings eine Entführung eines Kindes, um es zu mißbrauchen, noch kein Mißbrauch ist. Wenn jedoch Mißbrauch geschieht, also tat-sächlich eine geschlechtliche Vereinigung stattfindet, dann sei das ohnedies nicht anwendbar. – Da haben Sie recht, Herr Minister! Ich frage Sie aber: Ist nicht bereits in diesem Stadium der volle Schutz des Gesetzgebers zugunsten der Kinder einzumahnen?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das bedeutet doch, daß man die Auffassung vertritt, daß bei der bloßen Herstellung von kinderpornographischen Machwerken ohnedies keine direkte Penetration in die Scheide eines kleinen Mädchens erfolgt und dies daher grundsätzlich der Diversion unterliegen kann! (Abg. Aumayr: Das ist unglaublich!)

Herr Justizminister! In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf eine Ungereimtheit hinweisen: Sie sagen, daß die Diversion in der Sache selbst konkret nie zur Anwendung kommen wird. – Das ist aber nicht wahr! Denn wieso sagt denn der Gesetzgeber, daß beispielsweise die fahrlässige Tötung, obwohl es für diese eine Strafandrohung von unter fünf Jahren gibt, vom diversionellen Bereich ausgenommen ist? (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Herr Kollege Jarolim! Wir wissen ohnehin, daß euch diese Diskussion unangenehm ist! Trotzdem frage ich Sie: Wieso sagt der Gesetzgeber nicht explizit, daß Sexualvorbereitungsdelikte zu Lasten von Kindern grundsätzlich ebenfalls von der Diversion ausgenommen sein sollen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine abschließende Frage möchte ich auch noch stellen. Herr Kollege Jarolim hat heute im Zuge der Fragestunde an den Justizminister appelliert, doch gegen mich persönlich einzuschreiten, weil wir in Oberösterreich durch Vorträge die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, daß in diesem Zusammenhang eine unglaubliche Regierungsvorlage, die in Zeiten der Brutalisierung der Gesellschaft völlig verfehlt ist, umgesetzt werden soll, wonach bei Delikten der leichten und mittleren Kriminalität und teilweise auch bei Sexualdelikten gegen Kinder grundsätzliche Straffreiheit und die Anwendung diversioneller Maßnahmen zulässig sind! Da muß ich mich schon fragen, wie so etwas möglich ist!

Gestern regte sich Herr Kollege Steindl darüber auf, daß er von einem Anwalt angeschrieben wurde, weil er sich dadurch in der Ausübung seines politischen Mandates bedroht fühlt! Da frage ich: Wie soll ich mich denn fühlen, wenn Herr Kollege Jarolim, der Justizsprecher der SPÖ, den Herrn Minister auffordert, gegen mich in Oberösterreich einzuschreiten, nur weil ich mir erlaube, im Wege von Fachvorträgen auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist wirklich unglaublich! Ich möchte den Herrn Präsidenten auch bitten, daß diese Fragen hier wortwörtlich ausgehoben werden, denn sie sind es wirklich wert, auch den Wählerinnen und Wählern gezeigt zu werden, damit sie sehen, wie man hier offenkundig an der Ausübung des politischen Mandates behindert werden soll! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.23

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Bauer! Sie haben gemeint, daß die Gefahr besteht, daß Frau Ausschußvorsitzende Fekter "gen Himmel fährt", weil sie so erfolgreich war und es ihr gelungen ist, einstimmige Beschlüsse im Justizausschuß und auch hier im Plenum zustande zu bringen.

Ich darf Ihnen sagen: Erstens ist die Tatsache, daß wir einstimmige Beschlüsse verabschieden, ein Zeichen dafür, daß die Sache gut vorbereitet ist. Zweitens ist das ein Beweis dafür, daß sich unsere Ausschußvorsitzende um Konsens bemüht. Und drittens ist das schlicht und einfach ein Beweis dafür, daß sie hervorragende Arbeit leistet, wozu ich ihr herzlich gratulieren möchte! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen heute im Justizbereich am Ende einer Gesetzgebungsperiode, die sich – wie ich meine – durchaus sehen lassen kann, in der wir gemeinsam durchaus erfolgreich gewesen sind. Ich glaube, daß wir darauf auch entsprechend stolz sein können!

Ich möchte auch einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Krüger machen. Herr Kollege Krüger! Sie weisen immer wieder auf diverse Sachverhalte im Zusammenhang mit der Diversion hin. Dazu sage ich: Sie werden nicht glaubwürdiger dadurch, daß Sie krampfhaft Beispiele suchen, die Sie dann erst wieder entkräften müssen! Ich würde an Ihrer Stelle zur Kenntnis nehmen, daß die Mehrheit dieses Hauses dieses Instrument geschaffen hat und die Mehrheit dieses Hauses damit zufrieden ist. Wie gesagt: Unangenehm wird die Diskussion nur deswegen, weil Sie sich nicht belehren lassen! Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Nächster Punkt: Ich meine, daß es gut war, daß wir im Ausschuß auch die Petition unserer geschätzten Frau Kollegin Gatterer noch auf die Tagesordnung genommen haben. Immerhin bestand dadurch die Möglichkeit, aufzuzeigen, daß von den insgesamt 16 in dieser Petition aufgestellten Forderungen – der Herr Bundesminister hat darüber sehr eindrucksvoll auch im Ausschuß berichtet – zwölf Forderungen erledigt sind, zwei Forderungen teilweise erledigt sind und zwei Forderungen auf internationale Erledigung warten. Diese Gelegenheit wurde wahrgenommen. Ich hoffe, daß Sie sich wenigstens hier der Auffassung anschließen können, daß der Prozeß ein positiver war! (Beifall bei der ÖVP.)

An sich wollte ich noch einige Bemerkungen zum Signaturgesetz machen, aber ich meine, daß ohnedies bereits sehr viel gesagt wurde. Heute sind die elektronischen Medien ein globaler Marktplatz, der nicht mehr nur dem Austausch von Daten dient. Vielmehr werden dadurch immer mehr auch traditionelle Handels-, Vertriebs- und Kommunikationsformen beeinflußt und verändert.

Es war ein Wunsch der österreichischen Wirtschaft, in diesem Bereich Rechtssicherheit zu schaffen und Unsicherheiten zu beseitigen, und ich meine, daß das in weitem Maße gelungen ist. Es wird an uns liegen, leistungsfähige Dienstleister zu fordern und eine entsprechende Aufsicht zu gewährleisten. Wenn dies gelingt, dann gehen wir mit den Gesetzen, die wir heute beschließen, einen guten Weg für den Wirtschaftsstandort Österreich, weil dadurch neue Dienstleistungssektoren geschafften werden, aber auch einen guten Weg für die österreichische Beschäftigungspolitik, weil diese neuen Instrumente auch die Beschäftigung in Österreich positiv beeinflussen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt. 2 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.27

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Abgeordneter Krüger hat vorhin behauptet, daß ich heute vormittag den Herrn Bundesminister für Justiz ersucht hätte, gegen Herrn Kollegen Krüger vorzugehen. – Das ist unrichtig!

Ich habe den Herrn Bundesminister ersucht, gegen die Desinformation vorzugehen, die sich bei der FPÖ bemerkbar macht.

Wenn sich Herr Kollege Krüger gleichsam als Synonym für Desinformation betrachtet, dann ist das sein Problem. Ich habe das jedoch nicht gesagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.28

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Abgeordneter Krüger! Ich kann nicht umhin, nun doch noch einmal – wie auch schon heute vormittag – auf dieses von Ihnen angeschnittene Thema einzugehen.

Sie haben mich hinsichtlich meiner Ausführungen von heute vormittag zur Entführung zitiert. Dazu halte ich fest: Auch auf die Kinderpornographie trifft zu, daß in jenen Fällen, in welchen ein realer Tatbestand bei der Herstellung gesetzt wurde, sehr wohl Mißbrauch vorliegt, der nicht unter die Diversion fällt.

Zweitens ist die Behauptung grundsätzlich nicht richtig, die Sie wiederholt aufgestellt haben, daß grundsätzliche Straffreiheit besteht. Das ist nicht richtig! Es besteht keine grundsätzliche Straffreiheit! Das Ausmaß der Strafdrohung ist nur eines von vielen Kriterien. Das wichtigste, was im Vordergrund steht, ist, daß die diversionelle Erledigung von der Schuldform, von der Prävention und von den Folgen her zulässig ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.) Daher habe ich auch gesagt – und das müßten Sie auch vervollständigen –, daß man hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Delikte in aller Regel unter dem Aspekt der Opferbezogenheit, der Schuldform und der Präventionsfolge Unterscheidungen treffen muß.

Kinderpornographie ist auch ein Tatbestand, wenn ich im Besitz eines derartigen Werks bin. Das ist jedoch etwas anderes als das, was Sie im Auge haben. Sie haben bei der Kinderpornographie immer die Herstellung eines solchen Machwerkes mit Kindern im Auge. (Abg. Dr. Krüger: Das unterliegt der Diversion!) Nein! (Abg. Dr. Krüger: Ja!) Nein! Wenn es bei der Herstellung zu Mißbrauchshandlungen kommt, dann ist ja der Mißbrauch gegeben!

Die realen Handlungen, zu denen es dabei kommt, sind also nicht diversionsfähig, sondern sind Mißbrauch. (Abg. Schwarzenberger – in Richtung des Abg. Dr. Krüger –: Ein schlechter Rechtsanwalt!)

In jedem Fall ist bei einer Strafe von bis zu fünf Jahren ja nicht das das ausschlaggebende Kriterium, sondern die Verträglichkeit von der Schuldform her, von der Präventionswirkung her und von der Folge her, die die Tat gehabt hat. Bei Sexualdelikten wird niemand auf die Idee kommen, zu sagen, das ist folgenlos. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Wie bei den Tötungsdelikten ...! – Abg. Aumayr – in Richtung der Abg. Dr. Fekter –: Wie da Frauen noch klatschen können! – Abg. Mag. Barmüller: Das ist ja schon eine Therapie, die man mit dem Krüger machen muß! – Abg. Madl: Hat Frau Fekter überhaupt schon einmal einen Prozeß geführt?)

20.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.31

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Für beide Gesetzentwürfe wäre folgende Überschrift angebracht: Ein wesentlicher Fortschritt, eine wesentliche Verbesserung für die Verbraucherinnen und Verbraucher und aus Sicht des Konsumentenschutzes!

Ich meine, wir sollten dafür, daß im Justizausschuß immer wieder das gute Einvernehmen gepflogen wird, all jenen, die dazu einen Beitrag geleistet haben, sehr herzlich danken. Ich möchte mich gleich zu Beginn, Herr Bundesminister, bei Ihnen, bei Ihren Beamtinnen und Beamten, bei allen Kolleginnen und Kollegen, die für diese gute Zusammenarbeit und für das gute Klima gezeichnet haben, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wollte ursprünglich einige Anmerkungen zum Signaturgesetz machen. Da aber, wie zahlreiche Vorrednerinnen und Vorredner bereits ausgeführt haben, in dieser Frage Einvernehmen besteht, und auch aus zeitökonomischen Gründen, werde ich die einzelnen Punkte, wenngleich sie mir sehr wesentlich erscheinen, hier nicht noch einmal vortragen.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, Österreich wird eines der ersten EU-Länder sein, die über ein mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben im Einklang stehendes Signaturgesetz verfügen, das voll europarechtskonform ist. Wir sollten daher nicht immer unser Licht unter den Scheffel stellen, sondern wir sollten auch einmal stolz sein und sagen, daß wir bei den ersten sind, die in einem wichtigen, boomenden, modernen Bereich, wie in diesem Fall im Internetbereich, wieder einmal einen Schritt voraus sind.

Aus all diesen Gründen möchte ich mich nochmals bei allen sehr herzlich bedanken und darf für meine Fraktion sagen: Wir stimmen dieser Gesetzesvorlage gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

20.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort der Berichterstatter.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar wird diese über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Fernabsatz-Gesetz samt Titel und Eingang in 2062 der Beilagen.

So Sie diesem Gesetzentwurf die Zustimmung geben wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinhellig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieses erfolgt stimmeneinhellig. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Hemmung des Fristenablaufs durch den 31. Dezember 1999 samt Titel und Eingang in 2063 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht wieder stimmeneinhellig. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieses erfolgt stimmeneinhellig. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Schließlich stimmen wir noch ab über den Entwurf betreffend Signaturgesetz samt Titel und Eingang in 2065 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich auch dazu um ein entsprechendes Zeichen. – Es erfolgt einhellig. Ich stelle fest, der Entwurf ist angenommen.

Wir kommen daher sogleich zur dritten Lesung.

So Sie auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt gleichfalls stimmeneinhellig. Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

13. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1902 der Beilagen): Bundesgesetz über Änderungen des Aktiengesetzes, des Handelsgesetzbuchs und des Börsegesetzes zur Erleichterung des Rückerwerbs eigener Aktien – Aktienrückerwerbsgesetz (AReG) (2066 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1763 der Beilagen): Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, samt Erklärungen der Republik Österreich (2068 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 1070/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht (2069 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 13 bis 15 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir kommen daher sogleich zur Debatte.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

20.36

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu der Vorlage betreffend Rehabilitierung der Deserteure.

Meine Fraktion betrachtet diese Vorlage als einen Schlag ins Wasser, weil sie darauf abzielt, etwas, was bereits seit Jahrzehnten geltendes Recht ist, noch einmal vom Gesetzgeber her zu wiederholen. Es handelt sich um das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz aus 1945 und um ein weiteres Gesetz aus dem Jahr 1968, mit dem alle in diesem Sinne Verurteilten – auch Deserteure – rehabilitiert worden sind, wobei dies für Verurteilte aller Gerichte gilt. Die einzige Bezeichnung, die es diesbezüglich in diesem Aufhebungsgesetz gibt, ist "Urteilsgericht". Es gibt also keine Begrenzung auf Gerichte irgendwelcher besonderer Provenienz.

Das heißt, wenn wir uns heute mit diesem Problemkreis befassen, dann bemühen wir uns, geltendes Recht noch einmal zu betonen. Ich glaube, daß dazu aber kein Anlaß besteht.

Wenn wir uns vor Augen halten, was die Verurteilung von Deserteuren bedeutet hat und welche Männer es gewesen sind, die diese Urteile gefällt haben, so muß man sich in Erinnerung rufen, daß Kriegsrichter die Urteile gefällt haben, daß die Kriegsrichter bei der Kriegsmarine "Marinerichter" geheißen haben und daß ein prominenter Marinerichter der spätere sozialistische Justizminister Tschadek, der zweite Justizminister der Zweiten Republik, gewesen ist. Es ist also nicht so, daß da nur die Freislers unterwegs gewesen wären, sondern es ist immerhin ein Kriegsrichter, nämlich konkret ein Marinerichter des Zweiten Weltkrieges – eben Tschadek –, der sozialdemokratische, damals sozialistische Justizminister der Republik – an zweiter Stelle nach Gerö – geworden.

Es ist auch nicht so, daß man mit dem Gesetz von Amts wegen die Dinge aufgreifen soll. Im übrigen: Auch das Einstellungs- und Aufhebungsgesetz aus 1945 sieht sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag Betroffener die Aufhebung und die Einstellung solcher Verfahren vor. Es ist damals nämlich nicht so gewesen, daß man davon ausgehen konnte, daß man den Hinterbliebenen oder gar den Betroffenen immer eine Freude bereiten würde, wenn man von Amts wegen darstellen würde, daß zum Beispiel der Großvater nicht gefallen ist, sondern daß er als Deserteur sein Leben lassen mußte.

Die Desertion ist in keinem Land der Welt ein angesehenes Delikt, und ich könnte mir vorstellen, daß im dörflichen, aber auch im kleinstädtischen Bereich, wo einer den anderen kennt, die Betroffenen, die Hinterbliebenen gar keinen Wert darauf legen, daß die eigenen Familienangehörigen, geschweige denn die Nachbarn, spät, aber doch, Jahrzehnte nach dem Geschehen mitbekommen, daß irgendein armer Teufel nicht gefallen, sondern als Deserteur hingerichtet worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man darf nicht aus den Augen verlieren, daß zwar sehr viele Deserteure aus sehr honorigen Gründen der Wehrmacht den Rücken gekehrt haben, daß es sich dabei durchaus um Aktionen im Rahmen der Bekämpfung des nationalsozialistischen Terrorregimes gehandelt hat, daß aber die allermeisten – und das kann ich, der ich als Halbwüchsiger diese Zeit miterlebt habe, noch aus eigener Wahrnehmung bestätigen – wie bei allen Armeen der Welt zu Deserteuren geworden sind, als der Krieg endgültig verloren war, als abzusehen war, daß er nur mehr Tage dauern würde, und sie sich als Soldaten gedacht haben: Jetzt habe ich jahrelang mein Leben zu Markte getragen, jetzt möchte ich nicht in den letzten paar Stunden noch fallen! und bei dieser Gelegenheit erwischt und hingerichtet worden sind.

Das heißt, neben Aktionen zur Bekämpfung des Nationalsozialismus hat es sehr wohl – und das betraf sicher die Mehrzahl der Fälle – auch Desertionen gegeben, deren Motiv darin bestand, daß die Betroffenen ganz einfach ihre Gesundheit und ihr Leben retten wollten, wofür ich durchaus Verständnis aufbringe.

Man darf aber nicht vergessen, daß es auch – und nicht wenige – Deserteure gegeben hat, die mit ihren Aktionen an die Stelle der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die kommunistische Gewaltherrschaft setzen wollten (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unglaublich! Unglaublich ist das!) – es ist glaublich, weil wahr –, und daher verdient die Vorgangsweise in diesem Zusammenhang schon eine differenzierte Betrachtung. Es kann nicht alles über einen Leisten geschlagen werden.

Nochmals: Es ist also geltendes Recht, und zwar geltendes Recht der Zweiten Republik, das in zwei Anläufen von diesem Nationalrat geschaffen wurde, um das es heute noch einmal gehen soll. Kriegsrichter, nämlich Marinerichter, war der spätere Justizminister Tschadek, der Justizminister sozialistischer Provenienz der Zweiten Republik Österreich – nur damit man sieht, in welchem Zusammenhang die Dinge zu betrachten sind.

Ich gebe zu bedenken, daß man den Hinterbliebenen und den Betroffenen, falls sie die Dinge überlebt haben und noch leben, nichts Gutes tut, wenn man dort, wo das vielleicht gar nicht bekannt ist, in der Öffentlichkeit von Amts wegen, ohne daß die Betroffenen es wollen, kundtut, daß der Betreffende nicht gefallen, sondern als Deserteur hingerichtet worden ist.

Wir werden daher gegen die Vorlage stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.42

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich mit dem Aktienrückerwerbsgesetz befassen. Es ist dies ein Anlegerschutzgesetz, ein Gläubigerschutzgesetz, das den Finanzplatz Österreich und den österreichischen Kapitalmarkt an internationale Standards annähert, wie dies bereits auch durch das Übernahmegesetz geschehen ist.

Als unschön empfinde ich es, daß eine österreichische Bank, und zwar eine sehr große österreichische Bank, in Erwartung dieses Gesetzes bereits diesbezügliche Hauptversammlungsbeschlüsse gefaßt hat, obwohl das Gesetz noch gar nicht in Rechtskraft war, nämlich dahin gehend, daß 10 Prozent des Grundkapitals rückgekauft werden können, ohne daß dafür ein ganz konkreter Zweck vorgesehen ist.

Ausgeschlossen sind solche Rückkäufe natürlich, wenn damit reine Spekulation betrieben werden soll beziehungsweise wenn damit eine kontinuierliche Kursbeeinflussung verbunden ist.

Wir haben in diesem Gesetz auch eine Bestimmung über Stock Options aufgenommen – in anderen Materien haben wir über Stock Options noch nichts Dezidiertes gesagt –, und zwar dahin gehend, daß Stock Options besonderen Publizitätsvorschriften unterliegen sollen. Das heißt, wenn Aktien zurückgekauft werden, um sie dem Management als Option anzubieten, dann soll das auch den Anlegern und Gläubigern bekanntgemacht werden. Wie das konkret zu geschehen hat, soll in einer Verordnung des Herrn Justizministers festgelegt werden.

Die sonstigen Publizitätsanforderungen für Stock Options sind nirgends geregelt. Es gibt aber natürlich Vorschriften. Insbesondere im Bankensektor werden derartige Instrumente durch den Compliance Code ganz streng geregelt; auch bei börsennotierten Gesellschaften ist das durch den Compliance Code umfaßt, der wahrscheinlich sogar mindestens genauso wirkt wie ein Gesetz. Ich möchte aber nicht verhehlen, daß man, wenn der Finanzplatz Wien reüssieren will, nicht umhin kommen wird, eine sehr offene und strenge Publizitätskultur zu entwickeln, die in Österreich derzeit nicht immer befriedigend ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Super!)

20.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.45

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der von Frau Kollegin Fekter angesprochene Fall, daß in Vorgriff auf dieses Gesetz bereits in der Hauptversammlung der Vorstand ermächtigt wurde, 10 Prozent der ausgegebenen Aktien zurückzukaufen, betrifft die Bank Austria. Ich glaube, man braucht hier auch als Koalitionspartner nicht so schüchtern zu sein, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber das ist nur ein müder Vorgeschmack auf das, was sich noch ereignen wird.

Darf ich grundsätzlich folgendes sagen: An sich ist das Ziel des Gesetzes durchaus positiv. Der Rückkauf von Aktien soll eine gewisse Kurspflege ermöglichen, soll auch zu einer bestimmten Verknappung des Angebots an Aktien für das betreffende Unternehmen führen und daher auch – was durchaus im Interesse der Anleger ist – zu einer Erhöhung der Aktienkurse. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Ich bin aber gespannt darauf, was die Arbeitnehmervertreter sagen werden – nämlich hinter vorgehaltener Hand, denn heute werden sie hier zustimmen, das ist mir schon klar. Bedauerlicherweise ist Herr Präsident Verzetnitsch von einem Anruf kurz abgelenkt. (Abg. Verzetnitsch telephoniert mit seinem Handy außerhalb der seitlichen Eingangstür zum Präsidium. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Aber ich muß schon sagen, der Hauptanwendungsfall dieses Rückerwerbes – und das haben bestimmte Manager der großen börsennotierten Gesellschaften ja schon allgemein kundgetan – wird sein, daß Manager sich Stock Options einräumen lassen. Das heißt, sie werden eine Ergänzung des Dienstvertrages bekommen, in der steht, daß sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Rückkaufskurs die Aktien, die dann unter Umständen eine immense Kurssteigerung haben, zurückkaufen können.

Dagegen bin ich, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht gegen das Aktienrückkaufsgesetz insgesamt. Ich bin dafür, daß man es einführt, aber mit einem Ausschluß des Rückkaufs eigener Aktien zum Zwecke der Einkommens- und Gehaltsmaximierung der Generaldirektoren in den großen börsennotierten Unternehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben auch eine engagierte Diskussion bei uns im Klub gehabt. Wir von der FPÖ, Herr Präsident Verzetnitsch und Herr Abgeordneter Nürnberger, wollen dann in einigen Jahren nicht dabeigewesen sein, wenn etwa zutage tritt, daß ein Generaldirektor eines großen börsennotierten Unternehmens neben seiner Jahresfixgage von 8 Millionen Schilling vielleicht noch einmal 30 Millionen Schilling aus der Erhöhung des Aktienpotentials lukriert hat, noch dazu steuerfrei. (Abg. Scheibner: Steuerfrei!)

Ich darf Ihnen eines sagen: Ich habe keine Neidkomplexe, ich vergönne jedem das, was ihm zusteht, und habe da überhaupt keine Bedenken. Wogegen ich aber Bedenken habe, ist die Aussicht, daß diese Manager dann in Erwartung derartiger Gewinnchancen nur und ausschließlich das Prinzip des Shareholder Value vor Augen haben und den § 70 des Aktiengesetzes vergessen werden. Denn sie werden – und das ist ja menschlich gesehen sogar verständlich – darauf hinarbeiten, daß sie genau in der Zeit, in der sie die Optionen einlösen können, den Maximalkurs erzielen, um dann zu enormen Gagen zu kommen.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht im Sinne des Gesetzes, und da hätte eine Entschärfung durchgeführt werden müssen, nämlich durch ein Verbot des Rückkaufes von Aktien zum Zwecke der Einräumung von Stock Options an leitende Mitarbeiter beziehungsweise an die Mitglieder des Vorstandes.

Diese weiche Sache mit der Publizität ist sicherlich nicht dazu geeignet, hier Abhilfe zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.49

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Gestaltung der Tagesordnung hat es leider Gottes so gewollt, daß hier zwei Tagesordnungspunkte gemeinsam diskutiert werden, die so gut wie nichts gemeinsam haben. Daher ist es jetzt natürlich schwierig, innerhalb kurzer Zeit auf all das, was gesagt worden ist, einzugehen.

Ich möchte nur ganz kurz folgendes betreffend die Rehabilitation der Deserteure sagen: Herr Kollege Ofner! Daß es weiterhin so sein soll, daß die vom Naziregime Verurteilten und unter menschenunwürdigsten Verhältnissen und in menschenunwürdigster Weise Behandelten und Herabgesetzten weiterhin stigmatisiert sein sollen – da Sie und Ihre Fraktion ja diesen Antrag, der hier zur Diskussion steht, ablehnen –, erschüttert mich schon. Ich hatte geglaubt, daß wir diese Schwelle überwunden haben, aber ich nehme zur Kenntnis, daß dem nicht so ist. Ich halte das eigentlich für unglaublich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.)

Eine Kollegin meiner Fraktion wird noch dazu sprechen, und man kann nur sagen: Das bleibt Ihnen vorbehalten. (Abg. Dr. Ofner: Der Nachteil der späten Geburt!) Man muß wohl wieder sagen, es gibt offensichtlich doch gewisse Kennzeichen für Ihre Gruppierung, und die sind Identifikationsmerkmale und werden es anscheinend auch weiterhin bleiben, nachdem sich ja offenbar auch niemand von Ihnen von diesen Erklärungen distanziert.

Zur Frage Aktiengesetz und Aktienrückerwerb kann ich an das anschließen, was Kollege Krüger gesagt hat. Auch wir teilen natürlich die Befürchtung, daß, wenn es Stock-Option-Programme gibt, diese teilweise dazu verwendet werden können, Kursentwicklungen mehr oder weniger zu forcieren, die nicht tatsächlich den Wert des Unternehmens darstellen. Es war daher also auch das Bestreben der Sozialdemokraten, in dieser Frage eine vermehrte, eine noch bessere Transparenz umzusetzen. Kollegin Fekter hat ja auch angekündigt, daß das in Zukunft weiter diskutiert werden muß; ich wünsche mir nur, daß sie sich diesbezüglich auch in ihrem Klub durchsetzt.

Wir haben im Abänderungsantrag, den wir im Justizausschuß beschlossen haben, sehr wohl für die Durchführung eines Rückerwerbsprogramms eine diesbezügliche Transparenz vorgesehen, nämlich insofern, als dort ausdrücklich darauf verwiesen werden muß, daß Stock-Options-Programme – das heißt also, Programme, durch die der Vorstand Aktien erwerben und zu einer Beteiligung am Unternehmen kommen kann – möglich sind.

Ich denke aber, daß es darüber hinaus auch bei den sonstigen Publikationen ganz einfach eine Selbstverständlichkeit sein sollte, das darzustellen. Es ist ja so, daß diese Systeme – der Aktienrückerwerb und auch diese Abgeltung für den Vorstand, die Beteiligung des Vorstandes an der Gesellschaft – insgesamt aus dem angloamerikanischen Bereich kommen, und dort ist das mit umfassenden Transparenzregelungen kombiniert. Das ist ein Wertesystem, über das man streiten kann, aber Tatsache ist, daß es sich durchsetzen wird. Es ist daher relativ sinnlos, die Augen davor zu verschließen und zu sagen: Wir wollen auf der einen Seite den Kapitalmarkt Österreich, den Börsemarkt Österreich beleben, aber auf der anderen Seite verschließen wir uns Entwicklungen, die nicht wirklich beeinflußbar sind.

Was wir allerdings tun müssen – und daß das verhindert wurde, ist hier vorzuwerfen –, ist, daß wir die Transparenzregelungen – und ich hoffe, Kollegin Fekter, daß Sie sich damit wenigstens in Zukunft in Ihrer Fraktion durchsetzen können – ganz einfach so darstellen, wie es den Mindeststandards im angloamerikanischen Raum entspricht, aus dem dieses System kommt. Daher ist es notwendig, dem Anleger, dem Aktionär, der interessiert ist, herauszufinden, welche Aktiengesellschaft das ist, und der daher in die Veröffentlichungen hineingeht, zu zeigen, daß es hier eine Beteiligung des Vorstandes gibt, die bei Entscheidungen sehr wohl eine Rolle spielen kann.

Wir wollen ja den Kapitalmarkt Österreich auch für internationale Fonds – Pensions-, Rentenfonds und so weiter – öffnen, und diese Rentenfonds haben natürlich ein Interesse daran, das zu wissen, und sie werden sich natürlich auch bei den diversen "Road Shows" erkundigen und sich aufklären lassen – egal, ob der Vorstand das jetzt haben will oder nicht, weil die sich nicht damit abspeisen lassen, daß man ihnen sagt: Das sagen wir Ihnen nicht!

Jetzt ist nur die Frage, wer da zum Handkuß kommt: Das sind eben die, die nicht unbedingt diese Potenz der Großen haben, sondern die kleineren Aktionäre, die diese Information nicht bekommen, weil sie ihnen vorenthalten wird.

Ich hätte daher ganz gerne gewußt – von Ihnen, Frau Kollegin Fekter, oder von Ihrer Fraktion –, was der besondere Wert daran sein soll, daß man diese Information nicht weitergibt. Ich denke, daß man damit eigentlich dem Börseplatz Österreich oder dem Kapitalmarkt Österreich, dem Wirtschaftsstandort Österreich letztlich keinen guten Dienst erweist, und ich hätte mir sehr gewünscht, daß wir hier auch diesbezüglich eine Regelung schaffen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger.) – Ja, es ist notwendig, das Gesetz umzusetzen, denke ich; es abzulehnen ist noch schlechter. Ich denke aber, daß die sachliche Stärke (Abg. Dr. Krüger: Ein "bißchen schwanger" geht nicht!), Kollege Krüger, die Stärke des Arguments eine so große ist, daß wir innerhalb der weiteren Diskussion ohnehin nicht umhin kommen werden, das auch tatsächlich umzusetzen.

Mit dieser Hoffnung werden die Sozialdemokraten diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.54

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Jarolim hat wieder versucht, in bewährter Manier verschiedene Sachen zu vermischen (Abg. Scheibner: "Bewährt" ist das nicht! ) – ja, sie bewährt sich langsam immer weniger, das ist richtig –, denn die Kriegsgerichtsurteile haben nichts zu tun mit einem Herrn Freisler und seinem Volksgerichtshof, sie wurden nicht einmal vom Nürnberger Gerichtshof aufgehoben oder verurteilt. Hier von "Nazi-Urteilen" zu sprechen, ist historisch nicht richtig, und es geht mir um diesen Bereich. Diese Kriegsgerichtsurteile – Kollege Ofner hat schon darauf hingewiesen – konnten von jedem, der entsprechende Unterlagen hatte und der Interesse daran gehabt hat, aufgehoben werden.

Es stellt sich jetzt die Frage: Warum greifen die Grünen dieses Thema hier auf, wo es doch kaum noch Betroffene und Interessenten gibt? – Der Grund ist, wie so oft, ein recht vordergründiger: Es ist kein Handlungsbedarf da, aber man will den linken Flügel der SPÖ vor den Wahlen wieder einmal etwas aktivieren und versuchen, aus diesem Bereich Leute zu den Grünen zu ziehen.

Und was macht die ÖVP? – Sie geht in die "Faschismusfalle", die derartige Diskussionen tabuisiert und vor allem sachliche Diskussionen verhindern soll. Kollege Jarolim hat ja wiederum ein Beispiel dafür gegeben, wie man das vermischt. Denn wenn es anders gewesen wäre, dann wäre eben nicht der zweite Justizminister dieser Republik als ehemaliger Kriegsrichter und Sozialist Justizminister geworden! Man hat die Urteile dieser Kriegsgerichte ... (Abg. Dr. Fischer: Wenn Ihnen zum Faschismus nichts anderes einfällt als "Faschismusfalle", dann ist das sehr bedauerlich!) Das war Ihr Justizminister, Herr Präsident, der zweite Justizminister dieser Republik (Abg. Dr. Fischer: Zum Faschismus sollte Ihnen mehr einfallen als "Faschismusfalle"!), ein Sozialist, der diese Urteile gefällt hat, und Sie haben ihn in diesem Haus hier zum Justizminister gemacht und anerkannt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer: Ein Justizminister fällt keine Urteile!)

Die ÖVP ist Ihnen in diese ... (Abg. Dr. Fischer: ... "Faschismusfalle" – das ist sehr entlarvend!) – Entlarvend, Herr Präsident, ist Ihr Verhalten da oben manchmal! Es ist entlarvend (Beifall bei den Freiheitlichen – lebhafte Zwischenrufe – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen), wenn Sie bei Abgeordneten Lächerlichkeiten aussetzen, wenn sie da sind, aber bei Ihren Leuten alles überhören und übersehen. Ihr Verhalten gestern war entlarvend (Abg. Dr. Fischer: Wenn Sie nichts wissen, dann sagen Sie nichts! – Abg. Dr. Mertel: Sie wissen ja gar nicht, was Sie reden!), und auch Ihr Verhalten heute, Herr Präsident, als man, nachdem vor dem ÖVP-Eingang Schilder aufgestellt wurden, auf die Frage, wie es mit der Bannmeile und dem Schutz der Abgeordneten aussieht, nur zu hören bekam: Der Herr Präsident hat gesagt, das ist zu tolerieren. – Dieses Verhalten, Herr Präsident, bezeichne ich als entlarvend! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer: Ist das alles, was Ihnen zum Thema Faschismus einfällt?)

Jetzt komme ich zurück zum Thema. (Abg. Dr. Fischer: ... freiheitlichen Obmann sagen müssen, wenn Ihnen zum Faschismus nichts anderes einfällt!) Ich kann mich da nur dem früheren ÖVP-Abgeordneten Otto Keimel anschließen, der immerhin Präsident einer der größten Organisationen Österreichs, nämlich des Kameradschaftsbundes mit 250 000 Mitgliedern, ist und der ausdrücklich davor warnt – er wollte auch ein Gespräch mit Obmann Khol führen; ich weiß nicht, ob er es getan hat oder ob er es nur versprochen hat, das wird auch zukünftig für den Kameradschaftsbund von Interesse sein (Abg. Dr. Krüger: Herr Präsident Fischer, da sage ich nur "Kabinett ..."!) –, daß hier Schnellschüsse des Gesetzgebers gemacht werden.

Ich stelle mich hier voll hinter den Sprecher der Offiziersgesellschaft – und das sind in der Mehrheit nicht aktive Offiziere, sondern Bürger dieser Republik in großer Zahl –, Oberst Bauer, der sagt: Eine Schuldfreisprechung ist nur möglich, wenn ich in jedem einzelnen Fall – und das ist das, was notwendig ist! – prüfe, warum der Wehrmachtssoldat das gemacht hat. Was Sie aber wollen, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als eine Beschäftigungspolitik für arbeitslose linke Historiker und für bestimmte Institute! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht umsonst hat sich bereits Minister Einem bereit erklärt, da etwas zu finanzieren! (Abg. Dr. Mertel: Armseliger Mensch!) Der "TATblatt"-Finanzierer ist auch hier bereit, weiter solche Pseudo-Urteile zu finanzieren. Es sind keine Juristen, die hier urteilen. Hier sollen arbeitslose linke Historiker finanziert werden und nichts anderes! (Abg. Dr. Mertel: Ein Wicht! Ein armer Wicht!) Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, hier geht es um Reklame, um Propaganda! Und den Grünen geht es darum, einige linke Sozialisten ins grüne Lager zu ziehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Ein armer Wicht! – Abg. Dr. Fischer: Steht alles im Protokoll, was Ihnen zum Thema Faschismus einfällt! – Ruf bei den Freiheitlichen: Auch die Zwischenrufe! – Abg. Dr. Fischer: Da ist Klarheit notwendig! Da ist Klarheit dringend notwendig!)

20.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf: Aber dieses Protokoll muß man sich dann schon ansehen! – Abg. Dr. Ofner: In jeder Hinsicht! In jeder Hinsicht muß man sich dieses Protokoll ansehen!)

20.58

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Ich möchte mich nur ganz kurz dem Aktienrückerwerbsgesetz zuwenden, und zwar vor allem deshalb, weil wir die Bedenken von Herrn Abgeordnetem Krüger nicht teilen. Es ist so, daß der Rückkauf von eigenen Aktien ohnehin mit 10 Prozent des Stammkapitals begrenzt ist und daher nicht jene Ausmaße annehmen kann, die etwa der Kurspflege dienen könnten und wie sie von Herrn Abgeordnetem Krüger vermutet werden.

Darüber hinaus ist das ein Instrument, das es auch in vielen anderen Staaten gibt, und es ist noch keine Wirtschaft daran zugrunde gegangen, daß es solche leistungsbezogenen Möglichkeiten für Vorsitzende oder für Vorstände in Unternehmen gibt. Daher, meine Damen und Herren, werden wir dieser Materie selbstverständlich unsere Zustimmung geben.

Wir werden aber auch jenem Entschließungsantrag zustimmen, der sich auf die Rehabilitierung der Deserteure aus der Wehrmacht bezieht, denn dieser Entschließungsantrag will drei Dinge: Er möchte eine historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit erreichen, er möchte nach Vorliegen der Forschungsergebnisse die Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen im Sinne des § 4 des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes und nach Möglichkeit eine Verständigung der Hinterbliebenen.

Insofern ist der Hinweis, den Herr Abgeordneter Ofner in seinem Redebeitrag gegeben hat, interessant und wichtig. Denn er sagt: Es ist in der landläufigen Meinung durchaus nicht angesehen, wenn jemand desertiert ist. Ich glaube, daß es gerade in bezug auf die Wehrmacht – und jeder, der die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gesehen hat, wird dem einiges abgewinnen können – notwendig ist, daß genau diese landläufige Meinung auch damit konfrontiert wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich unterstelle Abgeordnetem Ofner nicht, daß er hier eine andere Intention hat als das, was er gesagt hat, sondern mir geht es darum, klarzulegen, daß es genau deshalb, weil es diese landläufige Meinung gibt, sinnvoll ist, hier Überlegungen anzustellen, und das ... (Abg. Dr. Ofner: Fühlst du dich nicht betroffen?)

Was die Aufarbeitung betrifft, greife ich das zweite Argument auf, das auch Herr Abgeordneter Jung angeführt hat: Wer war im Nationalsozialismus an führender Stelle tätig, und wer war es in der Folge dann auch in der Zweiten Republik? – Auch das sind Ergebnisse, die durch solche Forschungsarbeiten herauskommen können. Deshalb verstehe ich die Ablehnung nicht.

Denn wenn das etwas ist, was hier am Rednerpult von Herrn Abgeordneten Ofner und von Herrn Abgeordneten Jung kritisiert wird, dann müßte man eigentlich dafür sein und sagen: Ja, wir wollen solche Darstellungen historischer Art haben, denn das ist etwas, womit sich auch diejenigen, die in der Zweiten Republik Politik machen wollen, und alle anderen auseinandersetzen sollen.

Daher ist das, was Herr Abgeordneter Jung hier gesagt hat, nicht das Gegenargument, sondern es ist das Pro-Argument für die Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Jeder von uns, der sich je mit der NS-Justiz in Österreich beschäftigt hat, wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß man sich, wenn man Urteile liest oder Zitate aus diesen Urteilen liest, der Betroffenheit nicht entziehen kann und daß in Wirklichkeit schon das Wort "Justiz" für das, was damals geschehen ist, nach unserem Verständnis einfach nicht passend ist. Das war keine Justiz, wie wir sie gemeiniglich verstehen, sondern das war reine Willkür. Da hat in Wahrheit alles mit Todesurteilen geendet. Das sind Dinge, die man in diesem Land wohl auch auf den Tisch bringen sollte. Ich meine, daß das etwas sein kann, was mit diesem Antrag erreicht werden kann.

Deshalb bin ich sehr dafür, daß er im Hause angenommen wird, insbesondere auch deshalb, weil es nicht nur um die allgemeine Aufhebung von Urteilen, sondern auch um die individuelle und persönliche Rehabilitierung von einzelnen Verurteilten geht. (Abg. Scheibner: Kann aber jeder beantragen!) Das halten wir für sinnvoll, und deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag zustimmen.

Was die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Jung betreffend das Brechen der Bannmeile angeht, möchte ich feststellen: Auch ich habe den Herrn mit einem Plakat vor Tor 4 sitzen gesehen. Ich halte es da für gerechtfertigt, eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und der existierenden Bannmeile zu machen.

Herr Abgeordneter Jung! Wenn sich eine einzelne Person mit einem Plakat hinsetzt, dann kann man nicht Rechtsbruch konstatieren. Die Abwägung zwischen einer einzelnen, nicht aggressiven, sogar stumm – nicht einmal laut schreiend –, nur durch ein Plakat ihre Meinung äußernden Person und der Bannmeile halte ich für gerechtfertigt. Eine solche Abwägung pro Meinungsfreiheit zu treffen, ist sinnvoll. Ich hoffe, daß es in diesem Land auch so bleibt und nicht in eine andere Richtung umschlägt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Barmüller, ich muß Sie da korrigieren. Das Thema "Bannmeile" ist selbstverständlich geprüft worden. Das Gesetz sieht vor, daß die Bestimmung über die Bannmeile nur ab einer bestimmten Personenzahl wirksam wird. Das muß man wissen. Daher bin ich froh darüber, diese Klarstellung vornehmen zu können. Selbstverständlich ist in diesem Fall gesetzeskonform vorgegangen worden.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

21.04

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Öffentlichkeit des Protokolls ist etwas, was hier im Nationalrat wirklich eine wahre Tugend ist. Nicht nur die anwesenden Abgeordneten haben gehört, was speziell Kollege Jung jetzt gesagt hat, sondern jeder, der möchte, kann es nachlesen.

Von einer "Faschismusfalle" zu sprechen, in die man tappt, ist schon stark, wenn es darum geht, die jüngere österreichische Vergangenheit aufzuarbeiten, und wenn es darum geht, denjenigen, die die letzten Jahrzehnte eigentlich fast ausschließlich mit Schmähungen leben mußten, in gewisser Hinsicht die Hand zu reichen, indem der Nationalrat – und vier Parteien werden das aller Voraussicht nach, wie schon zuvor im Ausschuß, wieder beschließen – kurz vor der Jahrtausendwende einen Akt setzt, mit dem er sagt: Wir wollen, daß auf der einen Seite Historiker damit beschäftigt werden, Fakten aufzuarbeiten und zu sondieren, und auf der anderen Seite dem dann auch Konsequenzen folgen lassen. Denn das ist es, was der Entschließungsantrag zur Rehabilitierung der Wehrmachts-Deserteure aussagt.

30 000 Todesurteile wurden in der NS-Zeit gefällt – 30 000! 20 000 wurden vollstreckt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zahl wird noch eindrucksvoller – im negativen Sinn –, wenn man weiß, daß im Ersten Weltkrieg 48 Todesurteile mit derselben Begründung vollstreckt wurden.

Diese Todesurteile wurden vor allem wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung ausgesprochen und vollstreckt. Sie wurden als eine Maßnahme begriffen, die ein Akt der politischen Demonstration war. Das war in den wenigsten Fällen als Strafe gemeint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch hier wesentlich, klarzustellen, daß es den Initiatoren – das wird Andreas Wabl in seiner Rede noch im Detail sagen – in erster Linie darum geht, daß diejenigen, die jahrzehntelang mit dem Makel, "Feiglinge", "Kameradenschweine", "Vaterlandsverräter" und ähnliches zu sein, leben mußten – und es leben nur noch ganz wenige –, diese späte Genugtuung bekommen. Wenn dann solche Worte fallen wie die soeben von Kollegen Jung hier gebrauchten, dann sprechen sie für sich.

Ich bin eigentlich sehr dankbar dafür, daß die Freiheitlichen hier ihr wahres Gesicht zeigen. Denn manchmal konnte man ja – vor allem durch den Abgang von Dr. Haider aus dem Hohen Haus – geradezu den Eindruck bekommen, hier kommt jetzt ein bißchen die jüngere, vernünftigere, aufgeschlossenere Gruppe (Abg. Dr. Mertel: Jung ist der Jung nicht!) – "jüngere" habe ich gesagt – zu Wort.

Meine Damen und Herren, dem ist überhaupt nicht so! Der Geist ist der alte geblieben. (Abg. Scheibner: Es ist gut, daß Sie ... nicht brauchen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Geist, von dem diese Fraktion sich in diesen Momenten leiten läßt, spricht eine ganz deutliche Sprache. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vordergründig sind hier nur die Freiheitlichen in ihrer Argumentation, und zwar ausschließlich die Freiheitlichen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jung: Nicht vergessen: Auch ein ÖVP-Abgeordneter ...!)

21.08

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Weil – wie meine Vorrednerin Abgeordnete Stoisits ausgeführt hat – das Desertieren nicht selten gleichbedeutend mit der Todesstrafe war, haben wir uns entschieden, anläßlich dieser Vorlage einen Entschließungsantrag vorzubereiten, der ein Fünfparteienantrag ist und der auf eine Initiative von Frau Universitätsprofessor Dr. Gabriel zurückgeht, das Moratorium 2000 zur Aussetzung der Todesstrafe.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Posch, Amon, Ofner, Kier und Stoisits lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Posch, Amon, Dr. Kier, Mag. Stoisits, Dr. Ofner und Kollegen betreffend internationale Kampagne zur Aussetzung der Todesstrafe

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, im besonderen der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, wird ersucht, sich verstärkt für das Anliegen einer weltweiten Aussetzung der Todesstrafe einzusetzen,

vor allem:

1. im Rahmen des Europarates auf eine Ratifizierung des entsprechenden Abkommens durch die Mitgliedstaaten zu drängen,

2. auf diplomatischer Ebene unmißverständlich für eine Abschaffung der Todesstrafe in ganz Europa, das heißt auch in Albanien, Georgien, Polen und der Türkei, einzutreten und dieses Thema besonders in Gesprächen mit Beitrittskandidaten zur Europäischen Union ausdrücklich zur Sprache zu bringen,

3. innerhalb der Vereinten Nationen, hier vor allem in der Menschenrechtskommission sowie in der diesjährigen Vollversammlung, die das Thema der Todesstrafe diskutieren wird, deutlich für diese Initiative zu votieren.

*****

Ich bin froh darüber, daß hier gerade auch angesichts des Todesurteils für den PKK-Anführer Öcalan ein deutliches Signal auch seitens des österreichischen Nationalrates gesetzt wird. Denn wo immer welches Verbrechen auch immer jemandem, zu Recht oder zu Unrecht, zur Last gelegt wird, ist es ein Faktum, daß die Todesstrafe für uns niemals eine gerechte Strafe sein kann.

Daher glaube ich, daß es erfreulich ist, daß der österreichische Nationalrat diesen Fünf-Parteien-Entschließungsantrag einbringt und wir ihn heute auch gemeinsam beschließen werden. (Allgemeiner Beifall.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Amon erwähnt und verlesen hat, ist ausreichend unterstützt; er steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Helga Konrad. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.11

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich auf das eigentliche Thema meines Debattenbeitrags zu sprechen komme, zum Abgeordneten Jung sagen: Es ist wirklich beschämend, wie Sie hier auftreten! Offensichtlich versuchen Sie, bei den Personen, die diesem speziellen Gedankengut noch immer anhängen, jetzt im Wahlkampf zu punkten. Ich möchte Ihnen sagen, Sie sollten sich wirklich schämen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Heute ratifizieren wir das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der EU oder von Mitgliedstaaten beteiligt sind, das wir innerstaatlich vor kurzem schon umgesetzt haben. Wir setzen damit einen weiteren Schritt in Richtung Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten und gleichen die rechtlichen Begriffe an. Diese Normenübereinkunft ist im Sinn eines gemeinsamen Rechtsverständnisses und wird auch für neue Mitgliedstaaten gelten.

Das Übereinkommen ist übrigens kein Zeichen des Mißtrauens gegen Beamtinnen und Beamte der EU oder ihrer Mitgliedstaaten. Es definiert Legitimität in einem sehr komplexen und zwangsläufig auch schwer überschaubaren Verwaltungs- und Entscheidungsgefüge. Je komplexer ein System ist, desto klarer müssen die Spielregeln definiert sein.

Moralische Appelle sind als Regelinstrumente unzureichend. Auch alle Vorschläge, die strukturellen Probleme der EU durch Verweigerung, durch Boykott oder durch Krankreden – wie das oft versucht wird – zu lösen, halte ich für falsch.

Akkordierte Normen, strukturelle Kontrolle und überprüfbare Kontrollmechanismen sind ganz sicher bessere und zielführendere Lösungen. Nur so kann Demokratie gefördert und die Weiterentwicklung gewährleistet werden.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen: Ich halte die weitere Demokratisierung der EU auf allen Ebenen und in allen Bereichen – also in allen Mikro- und Makrostrukturen – für eine der wichtigsten politischen Aufgaben der nächsten Zeit. Ich bin sicher und weiß, daß auch viele Abgeordnete in diesem Haus diese Einschätzung teilen.

Ich hoffe und wünsche, daß Ihnen in Zukunft auch auf diesem Gebiet viel gelingt. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, daß Sie in Zukunft unnütze Blockaden werden vermeiden können und daß Sie alle Möglichkeiten für Verbesserungen und Veränderungen im positiven Sinn nützen können.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen allen für die Zusammenarbeit und wünsche denjenigen, die auch in der nächsten Legislaturperiode in diesem Haus weitermachen, alles Gute für die weitere politische Arbeit! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort. (Abg. Nürnberger: Hören wir jetzt schon die Abschiedsrede – oder morgen?)

21.15

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die ÖVP schweigt zu diesem Thema (Abg. Mag. Kukacka: Abwarten!), zumindest bisher. Der Vertreter der Jungen ÖVP, Amon, hat kein Wort über die Problematik der Deserteure verloren. (Abg. Mag. Kukacka: Warte! Ich rede dazu! – Ruf bei der ÖVP: Jetzt hast du ihm den Faden genommen!)

Herr Abgeordneter Ofner hat in seiner Rede zumindest versucht, um Verständnis für seine Haltung zu ringen. Meine Damen und Herren! Kollege Jung hat hier schon weniger versucht, das zu verdecken, was offensichtlich nicht zu verdecken ist: ein Bewußtsein über unsere Geschichte, die sehr schwierig ist, weil sie vor 1945, in einer bestimmten Zeit, auf der einen Seite ganz klar verbrecherisch war und weil auf der anderen Seite sehr viele Menschen zu Opfern geworden sind.

Sie wurden aus verschiedenen Gründen zu Opfern, zum einen, weil deklariert war, daß diese oder andere Menschen "Untermenschen" sind; andere wiederum wurden zu Opfern, weil sie nicht wußten, weil sie verblendet waren, verhetzt waren, zu jung waren – nicht im Sinne des Namens, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Jung! Es ist vielleicht kein Zufall, daß es gerade Ihnen vorbehalten war, dieses Thema hier in dieser Art und Weise zu behandeln, der Sie ja in den letzten Sitzungen im Zusammenhang mit den Maschinengewehren aus dem Bundesheer davon gesprochen haben: Das waren nur ganz kleine Abzeichen. (Abg. Jung: Beschußzeichen waren das!) Ganz kleine Beschußzeichen – die Nazi-Zeichen, das Hakenkreuz war fast nicht sichtbar. Es ist kein Zufall, daß es gerade Sie waren, der gemeint hat, es sei eine Frage der Größe des Zeichens. Wäre das Zeichen ganz groß auf dem Gewehr abgebildet, dann wäre es ein größeres Problem für Herrn Minister Fasslabend.

Aber ich möchte es mir nicht so einfach machen wie Sie, Herr Kollege Jung, einfach zu sagen: Na ja, Sie wollen eben Herrn Khol seine Kameradschaftsbündler für den 3. Oktober abspenstig machen! – Herr Keimel machte ja diesen heldenmütigen Vorstoß im Sinne seiner Kameraden und wollte mit Herrn Khol reden. Sie wissen ganz genau, daß dort selbstverständlich auch ein Wählerpotential vorhanden ist.

Ich glaube, daß man das Thema, das Problem viel zu kurz, viel zuwenig differenziert bearbeiten und sehen würde, wenn man das Thema auf Ihren vordergründigen Versuch, hier die Kameradschaftsbündler auf Ihre Seite zu ziehen, reduzieren würde.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen aus ein paar Protokollen vorlesen, Aussagen von Menschen, von denen Herr Ofner meint, daß hier ein Gesetz auf dem Rücken der Betroffenen gemacht wird. Herr Kollege Ofner! Ich kann Ihnen kurz sagen, wie es zu dieser Sache gekommen ist.

Ich bin froh darüber, daß ich nicht schon 1960 in diesem Hause war. 1960 wäre ich wahrscheinlich unglücklich darüber gewesen, daß ich diesen Antrag nicht durchgebracht hätte. Denn es hat immerhin bis 1999 gedauert, bis es zu einem solchen Antrag gekommen ist, der so harmlos dasteht und gegen den eigentlich kein Abgeordneter etwas haben kann, so, wie die Formulierung lautet – ich weiß nicht, was Sie an diesem Antrag gefunden haben –:

"... die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit einschließlich des Reichskriegsgerichtes Berlin, insbesondere nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung, zu veranlassen und zu fördern sowie nach Vorliegen der Forschungsergebnisse für die Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen im Sinne der § 4 des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes, StGBl. Nr. 48/1945, und nach Möglichkeit für die Verständigung der Hinterbliebenen hiervon zu sorgen."

Ich kann hier kein einziges Wort finden, das Ihre falsch verstandenen Schuldgefühle verletzen könnte oder das Ihre falsch verstandenen Rücksichtnahmen verletzen oder berühren könnte. Aber was ist der tiefe Hintergrund? Was ist diese psychologische Frage, die hier offensichtlich immer wieder aufrührt und die auch so viele Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, nach diesem verbrecherischen Krieg immer wieder aufrührt, immer wieder Wunden aufreißt?

Meine Damen und Herren! Ich lese Ihnen hier vor: Ein Deserteur hat bei der Fliegerabwehr gearbeitet – er war Flugmechaniker –, bevor er desertierte. Das geschah aus vielen Gründen. Es war nicht unbedingt Feigheit – wie hier von einigen immer leichtfertig unterstellt wird –, sondern es war eine Überlegung, die viele Hintergründe hatte.

Nach 1945 vermied er es weitgehend – so berichtet er –, über seine Desertion zu sprechen: Nach dem Krieg natürlich auch schon leichte Kontaktstörungen gehabt; ich bin halt ein wenig durcheinandergekommen, habe nicht mehr wissen wollen von allem. Mein seelisches Gleichgewicht war einfach erschüttert nach allem, was ich da mitgemacht habe. In den achtziger Jahren und Anfang der neunziger Jahre erzählte ich mehrmals in Schulen von meinen Erlebnissen.

Seine Generation sprach ja lieber über die Greuel der russischen Kriegsgefangenschaft als über die eigene Mitschuld und über die eigene Verantwortung, die bei jedem einzelnen unterschiedlich war. Und er sagt dann: Ich habe die Tugend des Schweigens entwickelt.

Er hat später das Gefühl gehabt: Eigentlich habe ich wie ein Widerstandskämpfer gehandelt. Trotzdem waren die Sachen viel zuwenig überlegt, sage ich mir immer. Man hätte eigentlich mehr Anleitung gebraucht, irgendwelche Hinweise und Informationen. Daran hat es überall gemangelt. Trotz der Schwierigkeiten und Anfeindungen beziehungsweise des Nichtverständnisses im Nachkriegs-Österreich bereue ich das nicht, was ich getan habe – sagt er –, ich habe im großen und ganzen doch richtig gehandelt.

Natürlich, mein Gott, vollkommen ist ja kein Mensch, Herr Ofner! – Aber im großen und ganzen habe ich versucht, richtig zu handeln, und insofern wäre ich schon zufrieden mit dem, was ich getan habe.

Herr Ofner! Jetzt geht es darum, daß diesen Menschen Gerechtigkeit widerfährt. Es gibt auch noch einen anderen, der einfach sagt: Ich hätte ganz gern, daß diese Handlungen entkriminalisiert werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.)

Herr Ofner, schauen Sie: Es war das nicht einfach eine Armee, in der Desertion bestraft wurde, sondern es gibt in der ganzen Geschichte keine vergleichbaren Verurteilungen in dieser Dimension. (Abg. Dr. Ofner hält ein Schriftstück in die Höhe. – Abg. Jung: Wissen Sie, wie viele die Franzosen erschossen haben? Wissen Sie das?) Ich meine jetzt nicht eine Kolonialmacht mit autoritären Zügen. (Abg. Jung: Nein, in Frankreich! Schon im Ersten Weltkrieg! Wissen Sie das?)

Ich meine jetzt einfach, daß es Verurteilungen gab, Zigtausende, die zu Tode verurteilt wurden wegen "Wehrkraftzersetzung", wegen eines unbedachten Wortes, wegen einer Bemerkung. "Dieser verdammte Krieg!" hat schon genügt, damit er vor dem Kriegsgericht gestanden hat und dann verurteilt worden ist.

Und Sie, Herr Jung, verweigern diesen Menschen heute hier und jetzt, daß man Ihnen zumindest fünfzig Jahre danach mitteilt: Es war richtig, daß du aus einer Armee gegangen bist, die das Verbrechen zum Großteil auf die Fahnen geschrieben hatte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

70 Prozent der Todesurteile entfielen auf "Wehrkraftzersetzung" und auf "Fahnenflucht", meine Damen und Herren! Jetzt frage ich Sie, Herr Jung, Herr Ofner, Herr Scheibner und wie Sie alle heißen: Was veranlaßt Sie heute, 1999, zu sagen: Es ging nur darum, ein paar junge linke Historiker zu beschäftigen? – Angesichts eines Unrechts in unserer Geschichte, die man sehr differenziert betrachten muß und von der man nicht einfach sagen kann: Alle, die damals dabei waren, waren Verbrecher! (Abg. Jung: Eben! Eben!)

Herr Jung! Es geht darum, daß wir heute hier und jetzt unseren ganz bescheidenen Beitrag als Volksvertreter leisten und sagen: Jene Menschen, die in einer fremden Armee, in einer Besatzungsarmee ... – und das war auch immer die historische Lüge Österreichs, daß behauptet worden ist, wir seien von einer fremden Armee überfallen worden! In Deutschland hat man nämlich im Bundestag genau diese Regelung schon beschlossen, Herr Ofner, und man hat jenen Menschen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dort war es die eigene Armee.

In Österreich war es die fremde Armee. Es war an sich überhaupt nicht einmal eine Desertion. Aber Sie hören auf Herrn Keimel und auf Herrn Khol, auf das Schweigen des Herrn Amon und auf das Schweigen anderer ÖVP-Abgeordneter, die auch Angst vor dem 3. Oktober haben: Es könnte uns ja ein Kameradschaftsbündler weglaufen!

Meine Damen und Herren! Es geht um Gerechtigkeit, und es geht darum, daß die Frage, was damals Pflichterfüllung war, neu beurteilt wird. Wer hat damals seine Pflicht erfüllt? – Eine schwierige Frage! Was war damals Pflichterfüllung, Herr Jung? War es damals Pflichterfüllung, zu schweigen, sich zu ducken und abzuwarten? Oder war es damals Pflichterfüllung, auf die Seite der Alliierten zu laufen, wie das jener Deserteur getan hatte?

Wissen Sie, was dem widerfahren ist? – Er kämpfte dann zwei Jahre bei den Alliierten gegen die Faschisten, und diese zwei Jahre, die er bei den Alliierten gekämpft hatte, wurden ihm bei der Pensionsversicherung nicht angerechnet. Dort, wo es um die Zeit ging, in der er noch in der Wehrmacht arbeitete (Abg. Jung: Wer hat damals in Österreich regiert?), Herr Jung, dort hat es keine Probleme gegeben. Dort hat es Witwenrenten und Waisenrenten gegeben, dort hat es selbstverständlich für die Verwandten, für die Opfer, für die Kinder, die nichts dafürkonnten ... (Abg. Dr. Graf: Aber wir sitzen nicht in der Regierung seit 1945! Das ist Ihr Irrtum! Wir sitzen nicht in der Regierung seit 1945! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, warum ich zu Ihnen rede? (Abg. Dr. Graf: Das ist nicht unser Gesetz gewesen!) Weil ich den Eindruck habe, daß Sozialdemokraten sehr wohl verstanden haben, daß nach 1945 in diesem Bereich viele Fehler gemacht wurden. Ich bin ja ein Abgeordneter in diesem Hause, der auch von Sozialdemokraten für viele Reden in diesem Zusammenhang aufs wüsteste beschimpft worden ist.

Aber ich rede zu Ihnen, weil ich den Eindruck habe, daß Sie heute, an diesem Tag, diesen bescheidenen Ansatz der Rehabilitierung von Menschen, denen Unrecht passiert ist, immer noch etwas entgegenstellen, das unverständlich ist.

Herr Ofner! Wenn ich daran denke, daß Sie Justizminister in dieser Republik waren, dann ist das auch – und das sage ich ganz offen, Herr Jung – ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Ich habe es immer sehr problematisch gefunden, daß jene Sozialdemokratische Partei, der mein Vater angehört hat, mit Freiheitlichen zusammengegangen ist, die ein sehr problematisches Selbstverständnis gehabt haben, wie es auch heute hier wieder zum Ausdruck kommt.

Meine Damen und Herren! Herr Ofner und Herr Jung! Es wäre heute Ihre Pflicht, diesen bescheidenen Beitrag zu leisten. Herr Amon! Es wäre heute Ihre Pflicht gewesen, gerade in Anbetracht Ihres Parteigängers Waldheim hier nicht Ihre Pflicht zu erfüllen, indem Sie darüber kein Wort verlieren und schweigen, sondern darüber eine klare Sprache zu finden.

Das gilt auch für Sie, Herr Khol! Vielleicht erzählen Sie uns, wie das Gespräch mit Herrn Keimel verlaufen ist. (Abg. Dr. Graf: Sie werden uns aber nicht sagen, was da unsere Pflicht ist!) Vielleicht erklären Sie uns das, vielleicht können Sie darüber differenziert reden. Ich verstehe schon Herrn Keimel, ich verstehe die Sorge jener Menschen, die Angst haben, daß jetzt plötzlich fünf Jahre, sieben Jahre, zehn Jahre und mehr völlig wertlos waren; nicht nur wertlos, sondern daß sie selbst zum Teil Werkzeug einer verbrecherischen Maschinerie waren.

Das ist schwierig! Das kann niemand! Meine Damen und Herren! Wir alle hier in diesem Haus wissen, wie schwierig es ist, einfache Verfehlungen zuzugeben. Ein paar gefälschte Rechnungen machen schon Bauchweh. Ein paar verfälschte Rechnungen ergeben schon Malversationen. Ein paar verfälschte kleine Dinge führen schon dazu, daß der Koalitionsfriede gefährdet ist. Und wenn es gar um Verbrechen geht, die sich in unserer Geschichte ereignet haben, ist es natürlich unendlich schwierig!

Herr Khol! Tun Sie Ihre Pflicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner als Kontraredner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

21.31

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wabl, wir brauchen Ihre Belehrungen hier wirklich nicht! Denn Sie haben es als einziger Abgeordneter der Zweiten Republik geschafft, hier Fahnen herumzuzeigen, die in diesem Haus wirklich nichts verloren haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier in diesem Hause – und dazu stehen wir – hat nur die rotweißrote Fahne etwas verloren – und nicht die Fahne, mit der Sie versucht haben, Ihre entsprechenden politischen Botschaften rüberzubringen und populistische Aufmerksamkeit zu erzielen, Herr Kollege Wabl, so wie Sie es jetzt wieder machen! Sie stellen sich hierher und sagen: Leider hat es bis zum Jahr 1999 ge-dauert, bis Kollege Wabl und die grüne Fraktion eine Initiative setzen, daß Opfer des Nationalsozialismus rehabilitiert werden. – Herr Kollege Wabl! Das ist ganz einfach nicht wahr! Österreich hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel versäumt, wenn es darum gegangen ist, für die Opfer des Nationalsozialismus Genugtuung zu leisten. Aber in diesem Fall war man sehr rasch, im Gegensatz zu Deutschland, wo erst vor wenigen Jahren die Urteile aus der Zeit der nationalsozialistischen Gerichtsbarkeit aufgehoben wurden. Bei uns hat es bereits 1945 die volle Rehabilitierung für all jene gegeben, die gegen den Nationalsozialismus und für ein freies, unabhängiges Österreich gekämpft haben und die deshalb verurteilt worden sind. Seit 1945 gibt es diese Rehabilitierung. Und jeder, der das möchte, hat das Recht, eine derartige Bestätigung zu beantragen.

Was Sie mit Ihrem Antrag anstreben, ist nicht die Rehabilitierung, sondern nur eine pauschale aktenmäßige Aufarbeitung durch eine Historikerkommission. Das mag man befürworten. Ich sage Ihnen: Wir haben jetzt sehr viele Historikerkommissionen, und mir wäre es lieber, wenn das Geld, das für diese Kommissionen aufgewendet wird, den Opfern zukäme, denn bei diesen gibt es sicherlich noch einiges wiedergutzumachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident Fischer, ich spreche Sie jetzt als Abgeordneten an, der hier in diesem Zusammenhang auch Zwischenrufe gemacht hat: Sie haben, angesprochen auf Justizminister Tschadek, gesagt, daß dieser keine Urteile gefällt hat. – Darauf sage ich: Justizminister Tschadek hat keine Urteile gefällt, aber der Marinerichter Tschadek, der Militärrichter Tschadek hat Urteile gesprochen, vielleicht auch Todesurteile. Und jetzt frage ich Sie, Herr Präsident, meine Damen und Herren: Was war Herr Tschadek? War er ein verdienter Sozialdemokrat, weil er in der Zweiten Republik Justizminister gewesen ist, oder war er ein Verbrecher, ein Nationalsozialist, weil er Militärrichter gewesen ist und Urteile gesprochen hat, die heute hier zur Diskussion stehen? – Man sollte auch diesbezüglich nicht mit zweierlei Maß messen, sondern versuchen, einen objektiven Standpunkt einzunehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht selbstverständlich nicht darum, irgend etwas zu beschönigen. Kein Regime und keine Regierung, nach deren Rechtsordnung Todesurteile verhängt werden, hat unsere Zustimmung, ob in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft. Deshalb ist es wichtig und notwendig, daß dieser Fünfparteienantrag über die Ächtung der Todesstrafe heute verabschiedet wird, denn auch fünfzig Jahre nach diesem Unrechtsregime und den Unrechtsakten, die dieses Regime gesetzt hat, ist die Todesstrafe selbst in der westlich zivilisierten Welt noch nicht gänzlich abgeschafft.

Meine Damen und Herren! Sie können jetzt sagen: Der Kameradschaftsbund und die Offiziersgesellschaft sind Ewiggestrige und Rechtsextremisten, die nichts gelernt haben. – Ich glaube, darum geht es nicht! Vielmehr geht es darum, daß wir es nicht zulassen können, daß eine Generation, die sich immer weniger zur Wehr setzen kann, Schritt für Schritt pauschal diffamiert und kriminalisiert wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Wabl, ich sage noch einmal: Wir haben nur Einwendungen dagegen vorgebracht, daß man pauschal sagt, daß jeder Deserteur und jede Desertion per se gerechtfertigt sind – egal, welche Umstände dabei geherrscht haben. Darum geht es, Herr Kollege Wabl! (Abg. Wabl: Herr Scheibner! Ihre Rede ist beschämend!)

Auch im Rahmen von Desertionen ist es zu Mord und Totschlag gekommen. Daher sollte eben nicht pauschal beurteilt werden, sondern auf den Einzelfall gerichtet. Herr Wabl! Das mögen Sie beschämend finden, ich meine jedoch, daß das eine richtige Vorgangsweise ist! (Abg. Wabl: Ihre Rede ist wirklich beschämend!)

Herr Kollege Wabl! Wir werden es nicht zulassen – und ich hoffe, daß wir in diesem Haus noch genug Mitstreiter haben –, daß man sagt: Alle, die in der Wehrmacht gedient und sich nicht dagegen zur Wehr gesetzt haben und nicht desertiert sind, waren Angehörige einer Verbrechensorganisation und damit selbst Verbrecher. In diesem Punkt haben wir zu differenzieren und die Generation unserer Väter und Großväter zu verteidigen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kukacka. – Bitte.

21.36

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich einleitend zu diesem wichtigen und schwierigen Thema folgendes festhalten: Wir sollten uns davor hüten, heute, 55 Jahre nach der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus, aus sicherer Entfernung, in wohlgeordneten demokratischen Verhältnissen und mit gesicherten historischen Erkenntnissen mit dem moralischen Zeigefinger auf die Generation von 1933 bis 1945 zu deuten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Pauschale Urteile, meine Damen und Herren, helfen niemandem. Sie mißachten den Einzelfall, und es wird auf diese Weise neues Unrecht gesetzt.

Als die Entschließung vor rund einer Woche in der Öffentlichkeit bekannt wurde, wurde auch der Vorwurf laut – zum Beispiel auch vom Kameradschaftsbund –, daß damit die Deserteure pauschal rehabilitiert würden und daß all diejenigen, die im Krieg geblieben sind und nicht desertiert sind, von uns mit dieser Erklärung ins moralische Abseits gestellt und als die Versager der Geschichte bis 1945 abqualifiziert würden. – Genau das, meine Damen und Herren, will die Österreichische Volkspartei aber ganz sicher nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Achtung vor der Kriegsgeneration, vor den Soldaten, die glaubten, bis zum Schluß ihre Pflicht – oder das, was sie dafür gehalten haben – erfüllen zu müssen, die schwere Verwundungen erlitten haben, lange Zeit in Kriegsgefangenschaft waren oder ihr junges Leben eingebüßt haben, ihre Ehre bleibt unangetastet. Ihnen gilt auch heute noch unser Respekt! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir lassen aber auch keinen Zweifel daran: Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffskrieg, der vom nationalsozialistischen Deutschland ausgegangen ist, er war ein von diesem Regime verschuldetes Verbrechen. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden auch Zehntausende österreichische Soldaten und Zivilpersonen Opfer von Verurteilungen wegen der Tatbestände Kriegsdienstverweigerung, Desertion, Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung, und Tausende von ihnen wurden hingerichtet. Und die Mehrzahl der von der Wehrmachtsjustiz während des Zweiten Weltkrieges wegen dieser Tatbestände verhängten Urteile waren, wenn man rechtsstaatliche Wert- und Rechtsmaßstäbe anlegt, krasses Unrecht. Daher begrüßen wir es, daß bereits mit dem Bundesgesetz vom 3. Juli 1945 festgestellt wurde, daß die entsprechenden damaligen Urteile als nicht erfolgt zu gelten haben.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich wissen wir, daß es schwierig ist, heute, 55 Jahre nach dem Krieg, in die Wirren der damaligen Kriegszeit hinein zu ermitteln und festzustellen, ob ein konkretes Urteil rechtmäßig war oder nicht. Aber historisch ist es nicht aufrechtzuerhalten, daß alle Urteile wegen Wehrkraftzersetzung und wegen Fahnenflucht zu Unrecht gefällt wurden.

Anläßlich der Debatte im Deutschen Bundestag in den Jahren 1997 und 1998 zum gleichen Thema, die heute hier schon angesprochen wurde, sind im Rechtsausschuß des Bundestages über 200 Akten mit Einzelentscheidungen vorgelegen, die davon Zeugnis geben, daß viele Deserteure auch deshalb geflohen sind, weil sie selbst vorher ein Unrecht verübt haben, indem sie beispielsweise der Zivilbevölkerung Verbrechen zugefügt haben, und daher befürchten mußten, einem gerechten Urteil entgegenzugehen, oder weil sie sich ganz einfach der großen Gefahr entziehen wollten. – Deshalb kann nicht pauschal gefordert werden, daß alle Deserteure insgesamt zu rehabilitieren seien. Vielmehr muß in jedem Einzelfall geprüft werden, welche die Gründe der Desertion waren und warum sich die Soldaten so verhalten haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Deshalb hätten wir dem ursprünglichen Entschließungsantrag Wabls, alle Urteile der nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit gegen Österreicher von Amts wegen aufzuheben, nicht zugestimmt, denn das wäre zu pauschalierend und zu weit gefaßt, weil eben nicht jedes Urteil der Militärgerichtsbarkeit unrechtmäßig oder verbrecherisch war, sondern offensichtlich wohl nur jene, die unter Verstoß gegen elementare Prinzipien der Grund- und Freiheitsrechte zur Durchsetzung oder zur Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind.

Meine Damen und Herren! Der österreichische Nationalrat bezeigt mit der heutigen Entschließung – wie ich glaube – den Opfern und deren Familien zumindest indirekt Achtung, Respekt und Mitgefühl, und das ist gut so. Der Nationalrat bezeigt mit dieser Erklärung zum Beispiel Franz Jägerstätter und seiner Familie Achtung und Respekt. Franz Jägerstätter wurde 1943 durch ein sogenanntes Feldurteil des Reichskriegsgerichtes wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Verlust der Wehrwürdigkeit, der bürgerlichen Ehrenrechte und zum Tode verurteilt und dann hingerichtet, also ermordet. Er hatte seinem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet und seinen militärischen Vorgesetzten gesagt, er lehne den Kampf mit der Waffe aus religiösen Gründen ab, da ihm sein christlicher Glaube die Tötung von Menschen verbiete. – Meine Damen und Herren! Als Reserveoffizier habe ich Respekt vor dieser Haltung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten aber auch eingestehen, daß das strenge Anlegen unserer heutigen Wertmaßstäbe vielfach den Lebensumständen der Kriegsgeneration und der damaligen Soldaten vor mehr als einem halben Jahrhundert nicht gerecht wird. Deshalb darf die heutige Entschließung auch nicht insofern mißgedeutet werden – wie das manche zumindest unterschwellig versuchen –, daß der Deserteur prinzipiell der bessere Mensch und der Soldat der schlechtere und moralisch minderwertigere Mensch sei. Wir wollen die Desertion moralisch nicht höher stellen als die Ableistung der Dienstpflicht, der sich die meisten Soldaten gestellt haben, weil sie es für ihre Pflicht hielten, für ihr Vaterland zu kämpfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Für welches Vaterland: das österreichische oder das deutsche?)

Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zur Situation des Bundesheeres: Die Soldaten des österreichischen Bundesheeres – Herr Kollege Wabl, das möchte ich auch Ihnen klar hinter die Ohren schreiben! – stehen vor einer anderen Situation. Sie stehen in der Armee eines demokratischen Rechtsstaates, aber auch sie sind ihrem Staat mittels Eids verpflichtet. Die Verfassungsgrundlage der Republik Österreich gewährt unseren Soldaten die Kriegsdienstverweigerung, und sogar die Verweigerung des Militärdienstes beziehungsweise des Präsenzdienstes unter alternativer Ableistung des Zivildiensts – das ist längst de facto zur freien Wahl geworden. Das Wehrgesetz und das Militärstrafgesetz bestimmen, daß die Soldaten Befehle für den Fall ablehnen können, wenn damit die Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung angeordnet wird oder damit die Menschenwürde verletzt werden würde. Wenn diese Rechtsgrundlage nicht verletzt wird, darf aber selbstverständlich auch der Soldat einer demokratischen Armee nicht desertieren. Dafür würde jegliche rechtliche und politisch-moralische Legitimation fehlen, und dafür würde es von uns auch kein Verständnis geben! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.46

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der vorliegenden Entschließung betreffend die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die Nazi-Militärgerichtsbarkeit setzt der Nationalrat einen wichtigen symbolischen Schritt, den ich voll und ganz begrüße, weil damit eine deutliche und unmißverständliche Ablehnung des Nazi-Verbrecherregimes verbunden ist. Weiters wird auf diese Weise klargestelllt, daß Personen, die sich diesem Regime entziehen wollten, nicht selbst als Verbrecher behandelt werden dürfen.

Da im Ausschuß von der FPÖ, insbesondere von Herrn Abgeordnetem Ofner, gesagt wurde, daß Deserteure nirgends angesehen seien, sage ich deutlich: Es ist ein ganz wesentlicher Unterschied, Hohes Haus, ob jemand aus einer Armee eines demokratischen Staates desertiert oder ob ein Österreicher aus der vom nationalsozialistischen Regime befehligten deutschen Wehrmacht desertiert ist. Hohes Haus! Dies ist die Wehrmacht, in der nach dem Juliputsch 1944 gegen den Nazi-Massenmörder Hitler mit dem Nazi-Massenmörderparteigruß gegrüßt werden mußte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Das nationalsozialistische Regime war – davon bin ich zutiefst überzeugt – das verbrecherischste Regime in der Geschichte der Menschheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Auch alle anderen Argumente der FPÖ in diesem Zusammenhang sind nur als zynisch und unsachlich zu bezeichnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Ich bin weit davon entfernt, alle Wehrmachtsangehörigen beziehungsweise die Kriegsgeneration pauschal zu verurteilen oder diese in ein schlechtes Licht zu rücken. (Abg. Scheibner: Warum tun Sie es dann?) Herr Kollege Scheibner! Ich glaube aber, daß man nicht sagen kann, daß mit dem heutigen Beschluß jene Soldaten diskriminiert werden, die nicht desertiert sind. Dazu muß man auch wissen, daß die vorliegende Entschließung juristisch gesehen – ich glaube, diesbezüglich sind wir einer Meinung – kaum etwas Neues bringt. Denn unsere Justiz war schon bisher der Auffassung, daß die Nazi-Militärjustiz in ihrem Verfahrensrecht rechtsstaatlichen Grundsätzen prinzipiell nicht entsprochen hat, daß es sich bei der deutschen Wehrmacht entsprechend der herrschenden Okkupationstheorie um eine fremde Armee gehandelt hat und daß einschlägige Verurteilungen von österreichischen Staatsbürgern als nicht erfolgt gelten. – Der Herr Bundesminister für Justiz hat in einer Anfragebeantwortung diesbezüglich schon wichtige Klarstellungen vorgenommen.

Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Trotzdem bin auch ich nicht der Auffassung, daß Desertion etwas grundsätzlich Positives ist. So bekenne ich mich dazu, daß eine Desertion aus einem Bundesheer eines demokratischen Staates, etwa unserer Republik Österreich, auch strafrechtlich verfolgt werden kann. Aber ich sehe, wie ich soeben gesagt habe, einen riesigen Unterschied zwischen einer Desertion aus dem Heer eines demokratischen Staates und einer Desertion aus der Wehrmacht des Nazi-Staates!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich finde, daß es notwendig ist, daß man diesen Unterschied erkennt, wie es auch notwendig ist, daß man den unendlich großen Unterschied zwischen unserer demokratischen Republik und dem nationalsozialistischen Unrechtsregime insgesamt erkennt und auch entsprechend würdigt. Denn jenen, Hohes Haus, die sich geweigert haben, auf Frauen und Kinder zu schießen, Menschen in die Gaskammern zu liefern und Dörfer und Städte niederzubrennen, und sich deshalb von ihrer Armee entfernt haben, gebührt Ehre! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Wenn diese aus jenen Gründen – und es gibt noch viele mehr – desertiert sind, dann gebühren ihnen unsere Anerkennung und unser Respekt. Ich sage von diesem Pult aus: Auch diese Menschen waren Widerstandskämpfer für ein freies, demokratisches und friedliches Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Zusammenfassend sei gesagt: Ich breche keineswegs den Stab über jenen vielen Tausenden Österreichern, die, meist ohne es selbst zu wollen, in der deutschen Wehrmacht gedient haben und nicht desertiert sind. Unzählige von ihnen wurden – wie wir wissen – selbst Opfer des grausamen nationalsozialistischen Krieges.

In Anbetracht all dessen halte ich es für richtig, daß wir heute für die Deserteure und andere Opfer der Nazis und der Nazi-Militärgerichtsbarkeit einen symbolischen Schritt setzen. Denn schließlich haben auch diese Menschen objektiv mit dazu beigetragen, daß der Nationalsozialismus letztendlich nicht gesiegt hat, sondern in Schimpf und Schande untergegangen ist!

Hohes Haus! Aus den Reden der FPÖ-Abgeordneten zu diesem Thema hört man immer wieder die Ideologie der Ewiggestrigen heraus. – Ich bin stolz darauf, Hohes Haus, daß unsere demokratische Republik Österreich stark genug ist, daß wir uns von den Ewiggestrigen nicht fürchten müssen. Wachsam müssen wir aber trotzdem sein: Wehret den Anfängen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Zweite Wortmeldung, Restredezeit: 16 Minuten. – Bitte.

21.53

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um kurz auf die Ausführungen von Klubobmann Herbert Scheibner zu replizieren. Denn ich möchte für meinen Teil klarstellen – und das wird, wie aus den Wortmeldungen hervorgegangen ist, auch für die anderen gelten –, daß es in diesem Zusammenhang überhaupt nicht um pauschale Verurteilungen geht. (Abg. Scheibner: Da hast du aber Wabl nicht zugehört!) Wart, Herbert! Laß mich das erst sagen!

Ich halte es für unangemessen, daß in dieser Frage vom Rednerpult aus zuerst eine Behauptung aufgestellt wird, die dann vom Rednerpult aus widerlegt wird, obwohl sie vorher niemand anderer aufgestellt hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das stört mich an diesen Diskussionen im zunehmenden Maß, sensibilisiert mich und macht mich unruhig. Es würde mich freuen, wenn die Diskussion nicht so nach rückwärts gewandt wäre, wenn nicht Abgeordneter Jung hier sagen würde, daß die Sozialdemokraten auch einmal einen oder vielleicht auch mehr als einen gehabt haben, der in der Zeit des Nationalsozialismus – vielleicht, vielleicht auch nicht, aber eher doch – Verfehlungen begangen und dann hohe Positionen erreicht hat.

Wenn das so ist, dann sollte man das auf den Tisch legen und dann muß man darüber reden. Es muß aber in diesen Diskussionen klar sein, daß der Wille besteht, so etwas einfach nicht zuzulassen. Es darf aus der Diskussion nicht hervorgehen, daß es um Aufrechnung geht, sondern es muß deutlich sein, daß der Wille besteht, so etwas nicht zuzulassen, weil man daraus gelernt hat. – Das wurde jedenfalls von der Sozialdemokratischen Partei im Hause und – wie ich meine – auch von der ÖVP und von den anderen Fraktionen klargelegt, das vermisse ich jedoch von der FPÖ! Denn die Sensibilität, Herr Klubobmann, mit der man den Tätern beziehungsweise der Generation gegenübersteht, die aus Opfern und Tätern bestand, hätte ich mir auch einmal in einer Wortmeldung von Ihnen gegenüber den Opfern erwartet. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Nein, Herbert! Ich führe jetzt ganz bewußt wieder das Beispiel des Abgeordneten Krüger an. Es war Abgeordneter Krüger, der bisher als einziger in diesem Hause – ihm war es vorbehalten – von diesem Pult aus gesagt hat, daß KZs "Straflager" sind! (Abg. Dr. Graf: Das war Gabriela Moser!) Nein! Das war nicht Gabriela Moser, sondern das war Abgeordneter Krüger! Er hat sich sogar die Mühe gemacht, auch noch den "Brockhaus" zu holen, um das zu untermauern. Sie können es im Stenographischen Protokoll nachlesen. Und er hat es bis heute nicht der Mühe wert gefunden, davon auch nur irgend etwas zurückzunehmen. Das halte ich für das Bedenkliche, denn er ist uns auch die Antwort darauf schuldig geblieben, welche Verbrechen denn jene mindestens eineinhalb Millionen Kinder, die in KZs – seiner Meinung nach: "Straflagern" – zu Tode gekommen sind, auf sich geladen haben.

Daß ein in die Anwaltsliste eingetragener Anwalt in der Zweiten Republik im Jahre 1999 noch so etwas sagen kann, ohne je auf die Idee zu kommen, daß er das hier vom Rednerpult aus vielleicht doch einmal klarstellen sollte, ist einfach eine Schande! Das macht die Diskussion so problematisch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte im Zusammenhang damit, was ich hier in diesem Hause bisher vertreten habe – und das gilt auch für meine Fraktion –, klarlegen: Es geht nicht um Aufrechnung, sondern es geht darum, festzuhalten, daß der Wille besteht, daß solche Verirrungen und solche (Ruf bei den Freiheitlichen: Alibiaktion!) – das ist keine Alibiaktion! – Verfehlungen einfach nicht mehr zugelassen werden. Es sollte in Wahrheit ein Anliegen aller fünf Fraktionen sein und nicht immer nur ein Anliegen von vier Fraktionen! – Danke schön! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Krüger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

21.57

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Barmüller hat mir unterstellt, ich hätte Konzentrationslager als "Straflager" verniedlicht.

Ich stelle dazu richtig, daß ich das nicht gemacht habe. Ich habe damals Kollegen Haider verteidigt, der sagte: Schon einmal in der Zeit des Nationalsozialismus sind ethnische Minderheiten fast zur Gänze vernichtet worden. – Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan. Wenn Sie nicht gewillt sind, das einzusehen und zu respektieren, dann fällt es mir schwer, mich davon zu distanzieren, daß Sie einmal jemand als "geistigen Tiefflieger" hier im Hohen Hause bezeichnet hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Redezeit ist der Rest von 1 Minute. – Bitte.

21.58

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Hohes Haus! Für all diejenigen unter meinen Vorrednern, die den Standpunkt vertreten haben, daß es um keinen pauschalen Vorgang ginge, zitiere ich aus dem Bericht des Justizausschusses:

"Der Justizminister kommt in der obgenannten Anfragebeantwortung zum Schluß, daß in den Fällen der verurteilten Deserteure aufgrund des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes und des Strafregistergesetzes 1968 jedenfalls von der Unbescholtenheit der Betroffenen auszugehen ist." – Das ist geltendes Recht.

Jetzt zum entscheidenden Satz: "Diese faktische Rehabilitation ist jedoch unzureichend. Einerseits besteht immer noch eine rechtliche Unsicherheit, sodaß bei entsprechender politischer Interpretation nach wie vor die Gefahr besteht, daß ein Antrag eines Deserteurs auf Urteilsaufhebung negativ beschieden wird."

Wenn das keine pauschale Betrachtung ist! Nach den Vorgaben des Nationalrates darf nicht ein einziger von der Kommission als nicht geeignet für diesen Vorgang bezeichnet werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die einzelnen Ausschußanträge getrennt durchgeführt wird.

Als erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2066 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir nehmen sofort die dritte Lesung vor.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Erklärungen der Republik Österreich in 1763 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, auch dieser Beschluß auf Genehmigung ist mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses abstimmen, wonach das vorliegende Übereinkommen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters stimmen wir ab über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, daß dieses Übereinkommen hinsichtlich seiner dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, irischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Textfassung dadurch kundgemacht wird, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Beschluß ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über die dem Ausschußbericht 2069 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser dem Ausschußbericht beigedruckten Entschließung ihre Zustimmung erteilen, dies zu bekunden. – Der Beschluß erfolgt mit Stimmenmehrheit. (E 209.)

Schließlich stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Posch, Amon, Dr. Kier, Mag. Stoisits, Dr. Ofner und Genossen betreffend internationale Kampagne zur Aussetzung der Todesstrafe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist einstimmig angenommen. Der Beschluß ist einstimmig gefaßt. (E 210.)

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Gaugg, Mag. Haupt, Dolinschek und Apfelbeck auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Untersuchung der Vorgänge rund um die öffentlichen Aufträge und Förderungen für die "Euroteam"-Gruppe sowie der politischen Verantwortlichkeiten.

Der Antrag wurde an alle Mitglieder des Hauses verteilt; eine Verlesung hat daher nicht stattzufinden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Mag. Haupt, Dolinschek, Apfelbeck betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG zur Untersuchung der Vorgänge rund um die öffentlichen Aufträge und Förderungen für die "Euroteam-Gruppe"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung der Vorgänge rund um die öffentlichen Aufträge und Förderungen für die ,Euroteam-Gruppe‘ sowie der politischen Verantwortlichkeiten für die Vergabe dieser Aufträge und Förderungen und die mangelnde Kontrolle der Leistungen wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum und 1 Grüne besteht."

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein. Der Erstredner verfügt über eine Redezeit von 10 Minuten.

Der Erstredner ist der Erstantragsteller, Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.03

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Hätte der Unterausschuß in etwa 30 Stunden nicht die Förderungsfälle der Gemeinschaftsinitiative "Europäischer Sozialfonds" und des Arbeitsmarktservice geprüft, wüßten wir nicht, daß hier Günstlingswirtschaft, Habererpartie und ähnliches mehr im Mittelpunkt standen. (Abg. Dr. Niederwieser: Jetzt wiederholst du dich aber! Das haben wir ja alles schon fünfmal gehört! Wir sind ja nicht deppert!) Es wäre nie an die Decke gekommen, was hier mit Steuergeld, das an und für sich für Jugendbeschäftigung vorgesehen war, passiert ist.

Der Untersuchungsausschuß, den wir fordern, ist auch deshalb notwendig, weil das Arbeitsmarktservice von diesen Vorgängen seit November 1998 weiß, aber von November 1998 bis Juli 1999 nicht einen Finger gerührt hat mit der Ausnahme, daß es einen Brief an Herrn Stuhlpfarrer geschickt hat, in dem es gebeten hat, von der Doppelverrechnung in Hinkunft abzusehen, und auch erwähnt hat, daß das Förderungsprojekt nicht den Vorstellungen entspricht.

Es wird umso interessanter, wenn man einen Presseartikel liest, worin Frau Brigitte Ederer, Stadträtin in Wien, ehemalige EU-Staatssekretärin, von sich weist, daß Herr Stuhlpfarrer jemals bei ihr beschäftigt war; er sei nur bis 1994 EU-Beauftragter in der SPÖ-Leopoldstadt gewesen. Interessant und bezeichnend ist auch ihre Aussage dazu, daß man ihr unterstellt, daß Herr Stuhlpfarrer bei ihr beschäftigt war: Das könnten nur Parteifreunde tun, die wegen dieser "Euroteam"-Affäre nervös geworden sind. – Das ist hochinteressant!

Einer, der schon nervös geworden ist, ist der Herr Bundeskanzler, denn sonst wäre er gestern hier gewesen und hätte Rede und Antwort gestanden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler drückt sich vor der parlamentarischen Verantwortung, denn zur selben Zeit, als er hier Rede und Antwort hätte stehen sollen, war er gerne bereit, über seine Abwesenheit mit den Medien in Österreich zu kommunizieren. Das ist ganz interessant. Wenige Tage vor Einbringung der Dringlichen Anfrage meinte er in einer APA-Aussendung, er steht selbstverständlich dem Parlament Rede und Antwort, wenn es soweit ist. – Tatsache ist, daß er mehr zu wissen scheint, als er zugibt, denn sonst könnte ja Frau Ederer auch nicht auf die Idee kommen zu sagen: Parteifreunde sind es gewesen, die letztlich nervös geworden sind wegen der "Euroteam"-Affäre.

Die Auskunftsfreude gegenüber der Zeitung hat Herr Bundeskanzler Klima schon bewiesen. Wir haben auch im Unterausschuß einen Antrag gestellt, daß Bundeskanzler Klima als Auskunftsperson erscheint. Der wurde von der SPÖ – no na! –, aber bedauerlicherweise auch von der ÖVP (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist nichts Neues!), die immer wieder von sich behauptet, sie würde mit aufklären, abgelehnt. Es wurde abgelehnt, daß er erscheint. Ich kann der ÖVP nur sagen: Liebe Freunde, zu Tode gefürchtet ist auch gestorben! Es geht ja mit Sicherheit auf Dauer nicht, daß Sie ständig irgendwelche Anpatzereien in der Öffentlichkeit machen – Steindl an der Spitze –, aber letztlich, wenn es ernst wird, dann im Liegen umfallen, wie schon öfters erwähnt.

Es müßte auch in Ihrem Interesse sein – nämlich im Interesse der sozialdemokratischen Abgeordneten und der Ministerien –, Licht in diese dunkle Affäre zu bringen, um den Bundeskanzler zu schützen. Denn wenn er kein schlechtes Gewissen hat, könnte er hierher kommen und die ganze Sache aufklären (Abg. Dr. Niederwieser: Sie würden es ohnehin nicht kapieren!): Wie sein Sohn dort hineinkommt, wie sein Pressesprecher hineinkommt, wieso interessanterweise ausgerechnet ein SPÖ-Mitglied, Herr Stuhlpfarrer, der prädestinierteste Lehrlingsbeauftragte in Österreich ist und ähnliches mehr.

Es ist der Vorwurf der Parteienfinanzierung erhoben worden: Dazu wird hier herinnen nicht einmal mit dem Ohrwaschel gewackelt. Draußen dagegen ist man äußerst nervös. Man muß schon hinterfragen, was das zu bedeuten hat, daß Inserate in einem beachtlichen Umfang – zehn Einschaltungen – erscheinen, bei denen auf einmal die Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Winternitz, Aufsichtsratsvorsitzender bei der "Euroteam AG", der auch 349 Beratungsstunden in Anspruch genommen hat, aufscheint. Dann – und das weiß man ja auch erst seit der Einsetzung des Unterausschusses – gibt es eine gewisse Astrid Hofer, Geschäftsführerin eines Call Centers, die auch inseriert hat, nur: Sie ist die Lebensgefährtin von Herrn Stuhlpfarrer! (Abg. Dolinschek: Unglaublich!) – Das ist eine Freunderlwirtschaft, wie sie schon lange nicht mehr vorgekommen ist, auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten der Jugendlichen!

Da gibt es Projekte wie zum Beispiel "PROfessions for ROMA" – 3,8 Millionen Schilling, 8 Teilnehmer, haben wir schon gehört –: für die Projektleitung 837 000 S, für die Sekretariatsarbeit 437 800 S! Das schreit nach Aufklärung, meine sehr geehrten Damen und Herren, über den Mitteleinsatz und über die Mittelverwendung, und dies letztlich auch – und ich betone es noch einmal – zum Schutz des Herrn Bundeskanzlers. Ihr wollt ihn ja schützen! Es kann doch nicht im Raum stehenbleiben, daß man dem Herrn Bundeskanzler Vetternwirtschaft, Parteienfinanzierung und Auftragsvergaben ohne ordnungsgemäße EU-konforme Ausschreibungen unterstellt! Das läßt ihr alles zu? – Es ist schon erstaunlich, was da noch alles zutage treten wird.

Herr Steindl von der ÖVP geht hier heraus und meint, er kann aus Koalitionstreue nicht anders handeln, und daher stänkern wir zwar ein bißchen, aber letztlich stimmen wir, wie bei allem, mit der SPÖ mit.

Die letzte Chance, die diese ÖVP in dieser Legislaturperiode noch hat, einmal Rückgrat zu beweisen, würde darin bestehen, daß sie diesem Untersuchungsausschuß zustimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben den Sommer über Zeit, diese Dinge aufzuklären. Denn 10 aus insgesamt 160 Fällen, bei denen es um mehrere hundert Millionen Schilling an Steuergeldern geht, sind dubios. In allen zehn Fällen geht es um Projekte, die nicht nachvollziehbar sind, die aber mit Sicherheit eines haben, nämlich keine Beschäftigung gebracht, außer für jene, die dort als Referenten agiert haben. Das ist das einzige, was gemacht worden ist: Reisen in die ganze Welt, Telephonkosten bei einem Seminar von vier Wochen in der Höhe von 125 000 S! Das muß ein Weltmeister gewesen sein, der hat wahrscheinlich 24 Stunden am Tag telephoniert! Das stinkt doch zum Himmel! (Abg. Haigermoser: Wer weiß, wo der überall hintelephoniert hat!)

Ich sage Ihnen folgendes: Die Sommerpause wird Sie in dieser Frage nicht retten, denn wir werden nicht lockerlassen, weil jedes dieser 160 geförderten Projekte einzeln geprüft gehört. Hier geht es im Einzelfall um Beträge zwischen 2 und 10 Millionen Schilling! (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.) Es kann doch nicht so sein, daß Ihnen das völlig egal geworden ist! Nur weil die Konjunktur ein wenig besser war, nur weil die Beschäftigung aufgrund der Konjunktur ein bißchen besser wird, glauben Sie, daß diese Probleme alle unter dem Deckmantel, daß das ja ohnedies Beschäftigung gebracht hat, als erledigt betrachtet werden können.

Ich sage Ihnen eines: Es gilt, die Hotline zu klären! Die Hotline war Thema: Der Herr Bundeskanzler hat im Fernsehen angekündigt, die SPÖ werde eine Hotline einrichten. Das wurde dann auch getan. Bezahlt hat diese Hotline der SPÖ aber letztlich der Steuerzahler. – Alle diese Dinge machen den Untersuchungsausschuß dringend notwendig.

Scheingesellschaften sind gegründet worden, Firmenkonglomerate ins Leben gerufen worden von einem Menschen, der sich nicht einmal an die Usancen eines Rechtsstaates hält, wie ich gestern am späten Abend feststellen mußte (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger), der im Wissen, hier keine Tonbandaufnahmen machen zu dürfen, hier hereinkommt, sich frech hinsetzt und macht, was er will (Abg. Haigermoser: Potzfrech war er! Potzfrech!), um letztlich für sich und seine Getreuen das Füllhorn der Steuergelder weiterhin fließen lassen zu können.

Daher noch einmal: Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist unumgänglich, allein aufgrund der Reisefreudigkeit, der Honorarnoten, der Mieten für SPÖ-Lokale, des Mietenwuchers bei einigen Förderungsprojekten und letztlich der Hotline. Der schwerste Vorwurf aber, der an Ihnen haften bleibt, ist der der Parteienfinanzierung.

Ich meine daher, es müßte das gesamte Hohe Haus, alle Abgeordneten dieses Hauses, reges Interesse daran haben, diese Machenschaften zunächst einmal abzustellen und dann aufzuklären, was bisher passiert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

22.13

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich kurz auf die Worte des Abgeordneten Gaugg replizieren.

Ich halte fest, daß sowohl im Bericht steht als auch im Unterausschuß des Rechnungshofes festgehalten wurde, daß es keine Parteienfinanzierung gegeben hat. Ich halte fest, daß im Unterausschuß ... (Abg. Scheibner: Der Steindl hat etwas anderes gesagt! – Zwischenruf des Abg. Gaugg.)

Kollege Gaugg, Sie kennen, nehme ich an (Abg. Gaugg: Finger weg!), den Bericht genauso gut (Abg. Gaugg: Finger weg!), und wenn Sie ihn nicht kennen, dann können Sie ihn zumindest nachlesen. (Abg. Gaugg: Steindl! Stimmt das jetzt mit der Parteienfinanzierung oder nicht?)

Zweitens: Staatssekretär Wittmann hat im Unterausschuß (Abg. Gaugg: Der weiß doch überhaupt nichts!) eine exakte Aufklärung über die Hotline gegeben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das beweist gar nichts! Der ist ja der Schwiegervater vom Klima!) Wenn Ihnen das zuwenig war, dann hätten Sie gefragt und keine Ermüdungserscheinungen im Ausschuß gezeigt! (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens, zu Ihren ständigen Anspielungen auf die Inserate: Es liegt dem Bericht eine exakte Aufstellung über alle Medien bei, welche Inserate geschaltet haben. Das ging durch alle Teile der österreichischen Presse und andere Zeitungen. (Abg. Gaugg: Eben deswegen ist es ja kritisiert worden! Sonst wüßten wir es ja gar nicht!)

Ich halte weiters fest, daß wir für diesen Ausschuß, und zwar unterschrieben von Vertretern aller fünf Parteien, ein Korsett erstellt haben, an welchen Tagen (Abg. Öllinger: Ein "Korsett"! Das ist der richtige Ausdruck!) zu welchen Zeiten zu welchen Themen gesprochen wird, und daß wir auch eine Liste der zu Ladenden erstellt haben.

Ich halte weiters fest, Hohes Haus, daß wir, weil man wußte, daß man das in dieser Woche in das Plenum bringen will, sehr wohl auch vereinbart haben, daß es am Abend ein "open end" gibt und es keine zeitliche Begrenzung gibt. Es stand jedem frei, Fragen zu stellen, solange er wollte und solange seine Lust zu fragen noch nicht erschöpft war. – Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Meine Damen und Herren! Ich halte aber auch fest, weil von Ihnen immer wieder erwähnt wurde, Herr Stuhlpfarrer hätte nochmals hermüssen, daß wir nichts dagegen gehabt hätten! Sie selbst, Herr Abgeordneter Gaugg, waren es – und auch hiezu liegt das Protokoll vor –, der am 29. Juni den Antrag zurückgezogen hat. (Abg. Scheibner: Aber da weißt du auch, warum! Weil ihr uns falsch informiert habt!) Nein, nein! (Abg. Scheibner: Oder wart ihr auch falsch informiert?)

Am 1. Juli war dann die nächste Sitzung. Da wäre eine Möglichkeit gewesen, ihn zu laden. Da wußte man schon, daß er da ist, denn da hat Herr Stuhlpfarrer seine Pressemeldung (Abg. Gaugg: "Er ist in Chicago" – unter Zeugen!) schon abgegeben, und erst dann ... (Abg. Gaugg: ... absichtlich die Unwahrheit gesagt! Absichtlich!) Das lasse ich mir von Ihnen nicht unterstellen! (Abg. Gaugg: ... absichtlich die Unwahrheit gesagt, unter Zeugen, daß er in Chicago ist!) Sie wissen ganz genau, daß er am 1. Juli bereits Zeitungsaussendungen gemacht hat, Pressemeldungen gemacht hat, daß er da war und daß Sie keinen Antrag auf Ladung gestellt haben! (Abg. Gaugg: Das kann er von Chicago aus machen! Das können Sie mit Internet oder E-Mail machen!) Sie haben erst am 6. Juli, als die letzte Sitzung festgelegt war und als der Ausschußbericht diskutiert wurde (Abg. Gaugg: ... Manipulation ...!) – auch das lasse ich mir von Ihnen nicht unterstellen (Abg. Gaugg: Aber es ist so!), das ist eben nicht so! –, den Antrag gestellt. Das ist erwiesen. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer.) Sie wissen doch überhaupt nichts! Sie waren weder dabei, noch haben Sie sonst irgendeine Ahnung, wie Sie in den letzten Wochen schon bewiesen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich halte fest, daß dieser Ausschuß genügend Zeit gehabt hat und Zeit gehabt hätte, alles Weitere zu untersuchen. Ich halte fest, daß es beispielgebend in dieser Republik ist, daß der Herr Bundeskanzler und die Frau Sozialminister den Rechnungshof mit der Untersuchung beauftragt haben. (Abg. Gaugg: Aber nicht im Parlament erscheint, um Rede und Antwort zu stehen!) Ich halte auch fest, daß über eventuelle relevante Straftatbestände ein ordentliches Gericht entscheidet.

Ich halte aber auch fest, daß wir uns nicht für ein Polittheater hergeben. Ein Polittheater wollen wir nicht, denn wenn es etwas aufzuklären gibt, wird es der Rechnungshof tun.

Ich halte aber auch eines fest – damit das gleich ausgeräumt ist –: Auch wir Sozialdemokraten verwahren uns dagegen, daß man gegen parlamentarische Bestimmungen vorgeht, wie dies durch die Tonbandaufnahmen von Herrn Stuhlpfarrer geschehen ist (Abg. Haigermoser: Wie ist dann Herr Stuhlpfarrer hier hereingekommen?), und auch wir verwahren uns gegen Drohungen mittels eines Rechtsanwaltes gegenüber Abgeordneten. Auch dagegen sind wir! Ich halte das ausdrücklich fest. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen, meine Damen und Herren (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident –: Wir brauchen den Bundeskanzler nicht zu schützen, denn von seiner Seite ist ordnungsgemäß vorgegangen worden. Er hat ordnungsgemäß gehandelt, und wir sind stolz auf diesen Kanzler, der auch weiterhin darauf achten wird, daß alles rechtens und in Ordnung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

22.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.19

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liest man die Zeitungen von heute, ist die Aussage zum Thema "Euroteam" eine klare: Bundeskanzler Klima ist feig, er traut sich nicht ins Parlament, er steckt den Kopf in den Sand. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Ihr wollt ihn ja gar nicht da haben!) – Lassen Sie es mich argumentieren, und urteilen Sie nachher, Kollege Haigermoser! – Er ist damit derjenige, der von der Öffentlichkeit und von den Journalisten, aber auch von diesem Haus als der bezeichnet wird, der letztlich Nepotismus und Günstlingswirtschaft fördert, und das ist etwas, was in diesem Hause natürlich auch diskutiert werden muß. (Abg. Gaugg: Und richtig abgestimmt!)

Ich sage: Der Bericht des Unterausschusses des Rechnungshofes hat eine glasklare Aussage getroffen – zu dieser steht die ÖVP –, und diese Aussage betrifft die politische Verantwortung. Zwei Personen sind es, die im Zusammenhang mit "Euroteam" die politische Verantwortung tragen: erstens Bundeskanzler Klima, zweitens Sozialministerin Hostasch. (Abg. Scheibner: Warum wolltet ihr dann nicht mit ihm diskutieren?) – Das ist die glasklare politische Conclusio dieses Berichtes des Unterausschusses. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Die Unverfrorenheit des mittlerweile sattsam bekannten Herrn – wie heißt er? – Stuhlpfarrer und die Unverfrorenheit des sattsam bekannten Herrn Gerstbauer ist aber etwas, was natürlich auch hier einmal mehr diskutiert werden muß. "Unverfroren" sage ich deswegen, weil sie imstande sind, als Politgünstlinge, die sie zweifelsfrei sind (Abg. Gaugg: Unter dem Schutz der ÖVP!), Abgeordnete dieses Hohen Hauses letztlich durch Nötigung, durch gefährliche Drohung von ihrer politischen Tätigkeit abzuhalten, und das im Zusammenhang mit der Diskussion um "Euroteam".

So sagt beispielsweise dieser Stuhlpfarrer, er sei deswegen gestern bei der Debatte persönlich anwesend gewesen, weil es dies erleichtere – ich zitiere –, "weitere Denunziationen, Lügen und Unwahrheiten im O-Ton unverzüglich einzuklagen"! (Abg. Schieder: Das ist aber eine ungefährliche Drohung, keine gefährliche Drohung!)

Und der persönliche Sekretär von Sozialministerin Hostasch – und Sie ist daraufhin nicht aufgestanden, um zu den betroffenen Abgeordneten ein Wort der Entschuldigung zu sagen –, dieser Herr Gerstbauer, sagt, er bringt deswegen eine Klage gegen Abgeordneten Steindl ein, damit Steindl weitere unwahre Tatsachenbehauptungen über Gerstbauer nicht verbreiten kann!

Ich sage für die ÖVP: Kein ÖVP-Abgeordneter wird sich von einem jener Leute, die ich soeben zitiert habe, oder von irgend jemand anderem mundtot machen lassen! (Beifall bei der ÖVP.) Steindl wird nicht kuschen! Kein ÖVP-Abgeordneter läßt sich in seiner politischen Arbeit etwas verbieten!

Dann kam gestern (Abg. Gaugg: Wann kommt ihr dann dazu?) – ich komme dazu – Klubobmann Kostelka heraus, wachelte mit dem roten Buch (Abg. Scheibner: Gestern seid ihr extra hier hereingerannt bei der Abstimmung! – Abg. Gaugg: Ihr fällt ja im Liegen um! Im Liegen fällt ihr um!), der Bundesverfassung, zitierte Artikel 57, oberlehrerhaft im Ton, und sagte: Aber, bitte sehr! Was soll denn das? Wir sind doch ohnedies alle miteinander immun!

Herr Klubobmann Kostelka! Ich habe immer gedacht, Sie seien ein ausgezeichneter Experte in Sachen Justiz (Abg. Gaugg: Ist er ja auch!), Verfassung, Strafgesetz und ähnliches. Haben Sie vielleicht, Herr Klubobmann Kostelka, in diesem Zusammenhang den § 251 Strafgesetzbuch gelesen? Ich zitiere, was darin im Zusammenhang mit "Nötigung" steht:

"Wer ein Mitglied des Nationalrates, des Bundesrates, der Bundesversammlung, der Bundesregierung, eines Landtags, einer Landesregierung des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs oder den Präsidenten oder Vizepräsidenten des Rechnungshofs mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung nötigt oder hindert, seine Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinn auszuüben," (Abg. Silhavy: Eine Klage ist keine gefährliche Drohung!) "ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und im Falle einer schweren Nötigung mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen." – (Abg. Schieder: Das war keine gefährliche Drohung! Das war ja eine ungefährliche Drohung!)

Herr Klubobmann Kostelka! Dies sei im Zusammenhang mit § 74 Strafgesetzbuch gesagt, der klar und deutlich von einer gefährlichen Drohung in diesem Zusammenhang spricht. (Abg. Gaugg: Die ÖVP ist unglaubwürdig!) Hören Sie mir zu! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident – und deshalb sage ich es ja klar und deutlich (Abg. Gaugg: Die ÖVP ist unglaubwürdig!) –, Sie haben als Präsident dieses Hauses auch eine Obsorgepflicht gegenüber den Abgeordneten. (Abg. Dr. Rasinger: Jawohl!) Ich verlange von Ihnen, daß Sie klagen, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens hat auch die Ministerin eine Obsorgepflicht, eine Aufsichtspflicht und damit auch eine Anzeigepflicht gegenüber ihrem Mitarbeiter. Sie ist dieser Pflicht nicht nachgekommen.

Ich sage daher zusammenfassend: Wir von der ÖVP haben festgestellt – und der Bericht des Rechnungshofunterausschusses hat es geklärt –: Die politische Verantwortung in diesem Zusammenhang liegt auf dem Tisch, sie ist evident und bekannt: Klima trägt sie! Hostasch trägt sie! (Abg. Scheibner: Aber reden wollt ihr nicht mit ihm! Gestern habt ihr zweimal dagegen gestimmt!) Daß der Untersuchungsausschuß deswegen obsolet ist, weil die politische Arbeit getan ist, das geben wir zu. Wir werden dem Untersuchungsausschuß nicht ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Gaugg, Haigermoser und Scheibner.) Nein! Denn der Herr Präsident wird seine Aufgabe wahrnehmen, und wir werden dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Der Scharfrichter der ÖVP, Kiss, hat geurteilt!)

22.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. Er hat die gleiche Redezeit. – Bitte.

22.24

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die heutige Debatte um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nimmt jetzt schön langsam kuriose Formen an.

Sehr geehrter Herr Kollege Kiss! Ich teile Ihre Meinung: Die Verteidigung der Demokratie in diesem Hohen Hause und auch die Verteidigung der Rechte unserer Abgeordneten und das Durchsetzen, daß keine Pressionen gegen Abgeordnete dieses Hohen Hauses ausgeübt werden, hätte ich mir gestern schon durch den Präsidenten und das Präsidium gewünscht und wünsche ich mir auch heute und in aller Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine gestrigen Worte zu diesem Thema waren deutlich genug und sind in der Zukunft in den entsprechenden Protokollen nachzulesen, falls es solche noch geben wird. Ich bin auch dankbar dafür, daß wenigstens Kollege Brix heute nach einer 24stündigen Schrecksekunde das nachgeholt hat (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Der braucht immer so lang! – Abg. Leikam: Da ist der Bauer schon schneller!), was ich mir schon gestern in den immerhin zwei Wortmeldungen des Klubobmanns der stärksten Fraktion, jener, die hier aus Verfassungsgründen über die Sperrminorität mit mehr als einem Drittel der Abgeordneten dieses Hohen Hauses verfügt, gewünscht hätte: kein dürres Zitat der Bundesverfassung, sondern einen entsprechenden Schutz der Demokratie und einen Schutz der Abgeordneten. – Das, Herr Kollege Kostelka, haben Sie gestern nicht zuwege gebracht.

Nunmehr zur politischen Verantwortung: Sie haben richtigerweise gesagt, daß sich Frau Bundesminister Hostasch für Herrn Kollegen Gerstbauer – im Sinne des "Kollegen" von Stuhlpfarrer und nicht in dem für die Abgeordneten dieses Hauses geltenden Sinne von "Kollegen" – vor diesem Hohen Haus und auch im Ausschuß in entsprechender Form mehrstündig gerechtfertigt hat, ihre Sicht und ihre Darstellung gegeben hat. Ich nehme auch zur Kenntnis, daß Frau Bundesminister Hostasch in bezug auf jene Aussagen, die Herr Gerstbauer in den letzten 48 Stunden getätigt hat, sofort und klar ihre abweichende Meinung und Position vertreten hat.

Nicht jedoch, Herr Kollege Kiss, teile ich Ihre Meinung, daß der Herr Bundeskanzler sich geäußert hat. (Abg. Kiss: O ja! In den Medien!) Er hat sich in den Medien geäußert, zu vielen Themen, zu anderen Themen, und hat mehrfach das Kommen versprochen. (Abg. Scheibner – in Richtung ÖVP –: Aber da wolltet ihr ihn nicht haben!) Wir haben gerade vorhin darüber diskutiert, daß es Vorverurteilungen nicht geben kann, auch nicht solche im demokratischen Sinn der politischen Verantwortung. Eine endgültige Beurteilung des Herrn Bundeskanzlers und seiner Schuld oder seiner Nichtschuld im politischen Sinne wird es erst dann geben, wenn der Herr Bundeskanzler selbst eindeutig und klar ausgesagt hat.

Was Ihre Haltung betrifft – so verlockend sie in Wahlzeiten sein mag –, die Meinung oder Meinungsenthaltung des Herrn Bundeskanzlers ohne Gegenäußerung im Sinne des österreichischen Rechtsstaates als Zustimmung zu Stuhlpfarrer/Mock zu interpretieren, so mögen Sie recht haben. Wenn man aber einen höheren demokratischen Standpunkt einnimmt, so ist nur durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, bei dem der Herr Bundeskanzler nach der Strafprozeßordnung einer Aussagepflicht und demgemäß auch einer Pflicht zur Aussagewahrheit unterliegt, eine objektive Betrachtung seiner Schuld oder Nichtschuld und seiner politischen Verantwortung möglich. Wenn Sie sich dieser Meinung anschließen würden, würde es mich aus rechtspolitischer Sicht freuen. Wenn Sie die andere Meinung vertreten, daß man unter der Rechtssicherheit des österreichischen Staatswesens den Grundsatz "Wer schweigt, stimmt zu" gelten lassen soll, dann machen wir uns vielleicht verdächtig, dieses Thema in den Wahlkampf ziehen zu wollen – was Sie ja vorgeben, mit einem Untersuchungsausschuß nicht tun zu wollen – und nicht ein objektives Verfahren anstreben zu wollen.

Ich glaube daher, wenn man Demokrat ist, wenn man eine entsprechende Verantwortung hat und beide Seiten hören will, wenn man es mit dem "audiatur et altera pars" wirklich ernst meint, muß man für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Man kann nicht gegen einen Untersuchungsausschuß sein!

Oder man macht es sich wirklich leicht und macht für vermutete Verfehlungen des Herrn Bundeskanzlers tatsächlich in Wahlkampfzeiten der SPÖ und manchen dort in die Irre Geleiteten, die noch immer glauben, den Herrn Stuhlpfarrer verteidigen zu müssen, die Mauer und den Paravent. – Das kann nicht im Sinne der Demokratie, das kann nicht im Sinne des Parlamentarismus und damit auch nicht im Sinne der Gerechtigkeit sein.

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, daß gerade in dieser Materie, gerade, weil Wahlkampf ist, und gerade, wenn man fair ist, ein Untersuchungsausschuß das einzige Mittel ist, um eine faire und eine parlamentarische Untersuchung so zu gestalten, daß die österreichische Öffentlichkeit – und die hat ja ein Recht darauf – schlußendlich weiß, wie die Aktion Stuhlpfarrer/"Euroteam" gelaufen ist und wer die politische Verantwortung dafür trägt. Ich glaube, auch die Agierenden – der Herr Bundeskanzler und die Frau Bundesminister – haben allen Grund, sich anzusehen, warum Herr Stuhlpfarrer immer im nachhinein – mit einem einzigen Ausnahmefall – neue Firmen- und GesmbH-Gründungen durchgeführt hat, um die entsprechenden Dinge, die er von der Bundesregierung übermittelt bekommen hat, dann auch abrechnen zu können, und in seinen Abrechnungen trotzdem nicht in der Lage war, klare Trennungen durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.29

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen.

Ich werde nicht jene Argumente wiederholen, die bereits aus den anderen Debattenbeiträgen herausgeklungen sind, sondern möchte nur auf den gestrigen Redebeitrag des Herrn Abgeordneten Koppler verweisen. Nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Steindl, der hier seine Darstellungen betreffend Firmengeflecht und ähnliches präsentiert und sehr glaubwürdig klargelegt hat, daß noch viel mehr dahintersteckt, als im Unterausschuß des Rechnungshofes herausgekommen ist, ging Abgeordneter Koppler hier herunter und sagte: Die Akten über Lassing sind viel dicker – aber lassen wir das!

Ich denke, das ist Grund genug, daß klar ist, daß es da einfach ein Paktum und einen Deal zwischen den Regierungsfraktionen gibt, nach dem Motto: Rühr du mir da nichts auf, dann lasse ich dich dort in Ruhe!

Das werden wir nicht hinnehmen. Deshalb stimmen wir der Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses zu. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

22.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Es gilt die gleiche Redezeit. – Bitte.

22.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Ich denke, daß die Grünen in der Frage "Euroteam" im Unterausschuß und im Zusammenhang mit der Aufklärung dieser Causa keine schlechte Arbeit geleistet haben.

Ich denke, man wird uns nicht den Vorwurf machen können, daß wir dort ganz bewußt versucht hätten, zu dramatisieren und zu pauschalieren, sondern man wird einräumen, daß wir sehr präzise versucht haben, die Vorwürfe auch dort, wo sie unserer Meinung nach zu Recht bestehen, einzugrenzen und die Fakten herauszuarbeiten. Das können Sie auch in der Abweichenden Stellungnahme, die wir für diesen Unterausschuß gemacht haben, nachlesen. Wenn Sie uns da nachweisen können, daß wir gelogen hätten, daß wir Unwahrheiten gesagt hätten, daß wir bewußt pauschaliert oder versucht hätten, dem Bundeskanzler oder der Frau Sozialministerin unehrenhafte, grob falsche und vorsätzliche Taten zu unterstellen, dann können wir darüber diskutieren, ob unsere Arbeit falsch war.

Ich bin wirklich etwas verwundert darüber – auch wenn ich gestern ganz klar gesagt habe, daß ich diese Haltung des Herrn Stuhlpfarrer, seine Art, das Parlament anzugreifen, und auch die Haltung des Herrn Gerstbauer gegenüber dem Kollegen Steindl für falsch halte –, daß das jetzt zu einer Causa der "armen" ÖVP-Abgeordneten, die unter Druck gesetzt werden, hochstilisiert wird und daß man bei dieser ganzen Angelegenheit darauf vergißt, daß noch vor wenigen Monaten der Abgeordnete Pilz, im Wiener Landtag tätig, von einer Baufirma mit einer 100-Millionen-Schilling-Klage eingedeckt worden ist, obwohl er in dem, was er gesagt hat, nichts anderes behauptet hat, als was bereits der Wiener Kontrollausschuß festgestellt hatte.

Ich habe von niemandem hier herinnen gehört, daß mit derselben Entschiedenheit, mit welcher der Druck oder der versuchte Druck oder die Andeutung eines Drucks auf Kollegen Steindl zurückgewiesen wird – und ich teile diese Haltung –, auch diese anderen Angriffe zurückgewiesen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen auch folgendes sagen: Dasselbe, was Herr Kollege Steindl erhalten hat, habe ich schon vor Wochen vom selben Anwalt erhalten, auch den Kollegen Gerstbauer vom Sozialministerium betreffend. (Abg. Haigermoser: Wie schützt uns der Präsident? Die Frage stellt sich für mich!) Herr Stuhlpfarrer hat mir fünf Klagen angedroht: Widerruf, Unterlassung, Rufschädigung, Kreditschädigung, üble Nachrede. (Abg. Haigermoser: Aber mit Ordnungsrufen immer schnell zur Hand!)

Ich hätte mir auch gewünscht, meine Damen und Herren von der ÖVP – Sie alle haben es in den Medien nachlesen können –, daß diese Dinge mit derselben Entschiedenheit – nicht nur, weil es um einen ÖVP-Abgeordneten geht, sondern weil hier prinzipielle Fragen zur Debatte stehen, nämlich ob man als Abgeordneter in dieser Republik überhaupt noch etwas sagen darf – von Ihrer Seite auch dann, wenn es andere Abgeordnete betrifft, auch dann, wenn es etwa Kollegen Brix oder sonst irgend jemanden aus dem Unterausschuß betreffen sollte, dezidiert klargestellt werden. Auch dann, wenn es FPÖ-Abgeordnete betrifft, gehört klargestellt, daß wir uns nicht unter Druck setzen lassen dürfen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, das ist ein entscheidender Punkt! Wir sollten hier wirklich nicht versuchen, diese Sache zur Angelegenheit einer Partei und eines Briefes zu machen. Diese Pressionen gibt es pausenlos, wenn man als Oppositionspartei tätig wird.

Mit Erstaunen vermerke ich, daß dann, wenn die ÖVP zum ersten Mal ein bißchen Mut zeigt – ohnehin nur ein klein bißchen, und dann macht sie gleich wieder kehrt und sagt: Aber weiter wollen wir ohnehin nichts untersuchen! –, große Aufregung in der ÖVP darüber losbricht, wie sie von irgendwelchen Menschen gedemütigt und geknechtet wird. Das kann es auch nicht sein, meine Damen und Herren, das gehört zum Brot. Dazu sollten wir uns alle bekennen und uns gemeinsam dagegen wehren.

Meine Damen und Herren! Zu diesem Sich-Wehren gehört aber auch, daß nach diesem Unterausschuß, der die Fragen nur andiskutieren konnte – weil er sich in einem Korsett befand, wie Kollege Brix richtig bemerkt hat –, ein Untersuchungsausschuß die Fragen klären muß. Es geht nicht mehr nur darum, daß wir uns hier ein Match liefern und daß die ÖVP ein bißchen Leine bekommt, damit sie die SPÖ anbellen darf – dann aber wird die Leine sofort wieder zurückgenommen, wenn es um den Untersuchungsausschuß geht oder wenn es darum geht, daß der Bundeskanzler hier Rede und Antwort stehen muß.

Meine Damen und Herren! Was lassen Sie sich in diesem Haus denn noch gefallen? – Sie regen sich darüber auf, daß Sie Pressionen ausgesetzt werden. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Aber wenn es darum geht, daß der Bundeskanzler vorgeladen wird, dann kuschen Sie! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und des Liberalen Forums.)

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Gaugg auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Gaugg und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen bekunden. – Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt. (Abg. Gaugg – in Richtung ÖVP –: Traurig! – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen in Richtung ÖVP.)

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist noch abzustimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen, dem Gesundheitsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 1123/A (E) der Abgeordneten Dr. Rasinger und Genossen betreffend Gesundheitsreform eine Frist bis 15. Juli 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Pumberger stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anfragen 6598/J bis 6620/J eingelangt sind.

Weiters ist eine Anfrage des Abgeordneten Steindl an den Präsidenten des Nationalrates eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, 15. Juli 1999, 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist der im Hause verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die morgige Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die heutige Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.38 Uhr