132/A XXI.GP

 

D R I N G L I C H E R  A N T R A G

gem. § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs 1 GOG - NR

 

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer

 

und Kollegen

 

betreffend „Konsens in Rot - weiß - Rot"

 

Beinahe 3 Monate sind vergangen, seitdem die neue Bundesregierung ihr Amt angetreten hat und 14

Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen die Bundesregierung, und damit gegen Österreich,

Sanktionen verhängt haben. Die sog. „bilateralen Maßnahmen" wurden vom portugiesischen

EU - Ratspräsidenten und Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, Antonio Guterres, verkündet

und widersprechen sowohl dem Buchstaben wie auch dem Geist des EU - Vertrages. Die Sanktionen der

EU - 14 sind ein beispielloser Eingriff in das demokratische Leben und Selbstverständnis eines

gleichberechtigten Mitgliedstaates. Sie wurden auf den bloßen Verdacht hin beschlossen, daß eine

österreichische Bundesregierung gegen die Prinzipien und Grundwerte der EU verstoßen könnte,

stellen eine Vorverurteilung dar und sind wider jeder rechtsstaatlicher Tradition: denn Beschlüsse gegen

einen Mitgliedstaat der Union, ohne diesen überhaupt nur angehört zu haben widersprechen den

Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, wie sie auch im Art. 6 EU - V für die gesamte Union formuliert sind.

 

Obwohl politische Persönlichkeiten, Parteien, Institutionen und offizielle Vertreter mehrerer EU - Staaten

bereits zu erkennen gegeben haben, daß sie die Maßnahmen der EU - 14 für ungerechtfertigt,

überzogen, ja sogar kontraproduktiv erachten und in den meisten EU - Ländern Meinungsumfragen die

Ablehnung eines beträchtlichen Teiles der Bevölkerung gegenüber den Sanktionen ausgewiesen

haben, dauert die Diskriminierung Österreichs weiter an. Beteuerungen der EU - 14, daß sich die sog.

„bilateralen Maßnahmen“ nicht auf die Zusammenarbeit in den EU - Gremien auswirken würden, sind

keineswegs überzeugend. Die zwischenstaatlichen Beziehungen unter den 15 Mitgliedstaaten lassen

sich nicht mehr von der immer engeren multilateralen Zusammenarbeit im Rahmen der EU trennen. Als

ein Beispiel dafür sei lediglich auf die Präsentation des Programmes des künftigen französischen

Ratsvorsitzes verwiesen, wobei allerdings der österreichische Botschafter in Frankreich von dieser

ausgeladen wurde.

 

Es wird immer offensichtlicher, daß die Maßnahmen der EU - 14 gegen Österreich negative und höchst

bedauerliche Auswirkungen auf die österreichische Bevölkerung haben. Die Politik der EU - 14 hat

teilweise eine antiösterreichische Hysterie ausgelöst, durch die kulturelle, wissenschaftliche, sportliche

und zwischenmenschliche Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen wurden und werden. Die Absage

von Veranstaltungen mit österreichischen Künstlern, Beschimpfungen österreichischer Jugendgruppen,

der Ausschluß österreichischer Sportler und eine Bombendrohung bei einem Konzert der Wiener

Philharmoniker zählen zu den schlimmsten Vorkommnissen.

Die unglaublichen Vorfälle rund um die Eröffnung der EU - Beobachtungsstelle gegen Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit, wo ein österreichisches Regierungsmitglied ausdrücklich als unerwünscht erklärt

wurde, haben die österreichische Bevölkerung empört.

 

Die Behauptung von Regierungspolitikern der 14 EU - Staaten, daß die Sanktionen nur die

Bundesregierung, nicht aber die österreichische Bevölkerung treffen sollen, geht somit an der Realität

vorbei. Selbst Erzbischof Kardinal Schönborn bestätigt in einem Interview in „La Stampa“, daß die

Sanktionen „alle Österreicher ohne Unterschied treffen“ würden. Die Trennung zwischen einer

demokratisch zustande gekommenen Regierung, mit entsprechender parlamentarischer Mehrheit, und

dem Staatsvolk ist weder theoretisch nachvollziehbar noch wird sie von der betroffenen

österreichischen Bevölkerung so empfunden. Das Unverständnis und die Empörung über dieses

Verhalten der EU - 14 wächst deshalb bei der österreichischen Bevölkerung. Es gibt keine Handlungen

Österreichs die mit europäischen Grundsätzen und Prinzipien in Widerspruch stünden. Hier hat eine

ideologische Vorverurteilung Platz gegriffen, die - wie auch der Herr Bundespräsident bei der Eröffnung

der EU - Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgeführt hat - unter

europäischen Partnern beispiellos ist.

 

Auch in den anderen europäischen Staaten - bei den Mitgliedern der EU genauso wie bei den

Beitrittskandidaten - stoßen die gegen Österreich verfügten Maßnahmen auf immer stärkere Kritik. Die

Europa - Idee, auf der sich die Staats - und Regierungschefs der EU - 14 immer wieder berufen, hat bei

den Bürgern Europas Schaden genommen, da in allen Ländern nun Sorge vor weiteren vergleichbaren

Willkürakten unter Umgehung der demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien wächst. So schreibt

z.B. die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 14. April d. J. : „Das Ansehen der EU hat in vielen Ländern,

vor allem auch in jenen, die noch Mitglieder werden wollen, gelitten. Denn nach wie vor bestehen

massive Zweifel an den hehren Beweggründen des Kreuzzuges gegen Österreich: Mit der

präzedenslosen, die kodifizierten wie auch ungeschriebenen Regeln des Umganges innerhalb der EU

missachtenden Einmischung in den demokratischen Willensbildungsprozess eines Mitgliedslandes

verletzen die Vierzehn gerade jene europäischen Grundwerte der Demokratie und der

Rechtsstaatlichkeit, die sie angeblich schützen wollen.“ Und die FAZ schließt mit dem Satz: „Wenn die

EU nicht schweren Zeiten entgegengehen will, muss sie die Sanktionen gegen Österreich aufheben.“

Leider ist es bisher noch nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen aller politischen Kräfte Österreichs

gegen diese Sanktionen gekommen. In anderen Ländern hat sich immer wieder bestätigt, daß sich ein

gemeinsames Vorgehen aller Parteien gerade bei außenpolitischen Schwierigkeiten bewährt. In diesem

Zusammenhang sei beispielsweise an Italien erinnert, wo alle Parteien umgehend jüngste Aussagen

des deutschen Bundeskanzlers als Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten scharf

zurückgewiesen wurden, oder auch an Dänemark, wo unterdessen in einer anderen Form des

„Schulterschlusses“ alle Parteien übereinstimmen, daß die Maßnahmen der 14 europäischen Staaten

unbedacht und kontraproduktiv sind und daher zurückgenommen werden sollten.

Aufgrund jüngster Aussagen von SPÖ - Politikern ist nun zu hoffen, daß auch in Österreich alle

Parlamentsparteien gemeinsam mit der Bundesregierung gegen diese absurde Situation auftreten, die

von den EU - 14 geschaffen wurde. Dies wäre ein unüberhörbares Signal für Europa und die übrige Welt,

daß Österreich nach den harten politischen Diskussionen der letzten Monate, die als Ausdruck der

Lebendigkeit unserer Demokratie gewertet werden können, wieder Einmütigkeit zeigt, wenn es um die

Überwindung der Diskriminierung Österreichs und seinen angestammten Platz in der europäischen

Völkerfamilie geht.

 

Zum Zwecke eines gemeinsamen Vorgehens aller Parlamentsparteien

 

- zur Wahrung des Ansehens Österreichs,

 

- zur Beseitigung der Diskriminierung unseres Landes,

 

- in Würdigung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundwerte Europas und

 

- im Interesse der weiteren europäischen Integration

 

stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundeskanzler gemäß §74a Abs. 1 iVm §93 Abs.

1 GOG - NR folgenden

 

 

D R I N G L IC H E N  A N T R A G

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung wird ersucht,

 

- weiterhin alle Rechte und Pflichten der EU - Mitgliedschaft wahrzunehmen, die vom österreichischen

  Volk am 12. Juni1994 mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde,

 

- mit allem Nachdruck die anderen 14 EU - Mitgliedstaaten darauf hinzuweisen, daß Österreich als

  vollwertiges Mitglied der Europäischen Union zu achten ist und daher die gegen Österreich von den

  Staats - und Regierungschefs der EU - 14 verfügten ungerechtfertigten und EU - vertragswidrigen

  Sanktionen sofort aufzuheben sind,

 

- alle geeigneten politischen und rechtlichen Schritte gegen jegliche Österreich bzw. seine Bürger

  betreffenden Sanktionen bzw. Boykottmaßnahmen zu unternehmen,

 

- im Rahmen der Europäischen Union ein allgemein anwendbares rechtsstaatlich geordnetes

  Verfahren vorzuschlagen, das ausschließt, daß ohne nachweisbare und objektiv überprüfbare

  Verstöße gegen Artikel 6 und 7 EUV Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat verhängt werden.“

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74 a Abs. 1 i.Vm. 1 GOG - NR zum frühest

möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung

zu geben.