21/AE XXI.GP
der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respekts als Grundlage der
Demokratie in Österreich
Im Nationalratswahlkampf 1999 kam es wie auch in der Vergangenheit zu sprachlichen
Verschärfungen in der Argumentation der politischen Parteien und deren Vertreter. In
einem in der 2. Republik jedoch bisher nicht üblichen Ausmaß wurde durch
Wahlkampfplakate, Broschüren sowie Aussagen von politischen Spitzenrepräsentanten
ein Klima der Verhetzung und Aufhetzung verschiedener Personengruppen
gegeneinander geschaffen.
Der Wahlkampf ist nunmehr seit mehr als einem Monat beendet und es muss ein
Anliegen aller Parteien sein, die notwendigen Distanzierungen vorzunehmen und zu
einer würdigen Art der politischen Auseinandersetzung zurückzufinden, die die Achtung
der Menschenrechte und - würde als Grundlage ihres Handelns anerkennt.
Drohungen, Diffamierungen und tätliche Angriffe gegenüber jüdischen BürgerInnen und
Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft in Wien, aber auch anderen Orten
Österreichs, sind in den letzten Wochen in besorgniserregendem Ausmaß angestiegen.
Klagen von Vertretern der jüdischen Gemeinde sowie verschiedener Organisationen von
MigrantInnen über die Verschlechterung des Klimas in Österreich sind ernst zu nehmen;
jeder Versuch Opfer zu Tätern zu stempeln ist schärfstens zurückzuweisen.
Wir können daher nicht über diese Ereignisse und Entwicklungen hinweg zur
Tagesordnung der politischen Arbeit in der beginnenden Legislaturperiode zurückkehren.
Nach dem Lichtermeer im Jahr 1993 wurde eine Grundlagenforschung über
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Auftrag gegeben. Der erste Band wurde im
September dieses Jahres vorgestellt. Es ist nun an der Zeit, der Grundlagenforschung
konkrete politische Maßnahmen folgen zu lassen.
Wir sind derzeit von einer Integration der in Österreich lebenden BürgerInnen, die nicht
die österreichische oder die Staatsbürgerschaft eines EWR - Staates besitzen, weit
entfernt. Wir müssen daher in erster Linie die MigrantInnen aus dem sozialen Ghetto
herausholen. Dies bedeutet rasche Einführung des Wahlrechts bei Betriebsrats - ,
Arbeiterkammer - und ÖH - Wahlen, Familiennachzug ohne Quotenbeschränkung und
Aufenthaltsverfestigung nach fünfjährigem Aufenthalt verbunden mit kommunalem
Wahlrecht für MigrantInnen. Weiterer wesentlicher Bestandteil ist die Schaffung eines
Antidiskriminierungsgesetzes, wobei der Vorschlag des Ludwig Boltzmann - Institutes für
Menschenrechte, der derzeit in einer Arbeitsgruppe erarbeitet wird, übernommen
werden kann. Im Übrigen sind dringend Maßnahmen zur Eindämmung der
Fremdenfeindlichkeit und des zunehmenden Antisemitismus und Rassismus in den
Medien erforderlich. Zu diesem Zweck sollte der Presserat nach dem deutschen Vorbild
gesetzlich geregelt und mit ordentlichem
Budget ausgestattet werden. Gleichzeitig sollte
festgeschrieben werden, dass mehrere Verurteilungen (drei oder mehr) automatisch zur
Streichung der allgemeinen Presseförderung im kommenden Jahr führen. Zu überlegen
ist auch, ob das Mediengesetz dahingehend novelliert wird, dass dem Presserat ein
Anklagerecht eingeräumt wird. Außerdem sollte die Zuständigkeit des Werberates auch
auf die Werbemaßnahmen der Parteien ausgedehnt werden, sodass auch diese einer
Prüfung unterzogen werden. Der Werberat soll nicht nur bei Benetton - Plakaten sondern
auch bei Plakaten der politischen Parteien einschreiten können. Zuletzt hat der Werberat
zum Inserat der FPÖ „machtlos gegen tausend Nigerianer“ festgestellt, dass dieses
Inserat klar gegen den Selbstbeschränkungskodex des österreichischen Werberates
verstößt. Laut Ansicht des Werberates erfolgte mit diesem Inserat die Diskriminierung
einer Gruppe von Menschen in schamloser und nicht akzeptabler Weise. Der
österreichische Werberat ist derzeit statutenmäßig jedoch ausschließlich für
Wirtschaftswerbung zuständig. Die Statuten sollten daher entsprechend angepasst
werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Die Bundesregierung wird ersucht, folgende Maßnahmen zur Verbesserung der
gegenseitigen Verständigung und für das Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in
Österreich durchzuführen.
1. Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, bis 1.3.2000 einen Entwurf zur
Novellierung des § 283 StGB dem Nationalrat vorzulegen, der entsprechend dem
Art 4 der Rassendiskriminierungskonvention jede Verbreitung von Ideen, die sich
auf die behauptete Überlegenheit einer „Rasse“ gründet oder die
Verächtlichmachung bzw Herabsetzung von Personengruppen aufgrund ihrer
Hautfarbe, Abstammung, Rasse, Muttersprache, Herkunft, ethnischen oder
kulturellen Zugehörigkeit, Staatsbürgerschaft, religiösen oder politischen
Anschauung, Behinderung oder sexuellen Identität oder Ausrichtung zum Inhalt
hat, strafrechtlich ahndet.
2. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales wird ersucht, bis 1.3.2000 einen
Entwurf zur Novellierung des Arbeiterkammergesetzes und
Arbeitsverfassungsgesetzes dem Nationalrat vorzulegen, der vorsieht, dass allen
Personen unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit das aktive und passive
Wahlrecht eingeräumt wird.
3. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird ersucht, bis 1.3.2000 dem
Nationalrat einen Entwurf zur Novellierung des ÖH - Gesetzes vorzulegen, der
vorsieht, dass allen ordentlichen HörerInnen unabhängig von ihrer
Staatszugehörigkeit das aktive und passive Wahlrecht eingeräumt wird.
4. Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat bis 1.3.2000 einen
Entwurf zur Novellierung des Fremdengesetzes vorzulegen, der insbesondere den
quotenfreien Nachzug von Familienangehörigen, nämlich EhegattInnen, Verwandte
in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus,
sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, sowie Verwandte des Ehegatten/der
Ehegattin in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird,
über Antrag
im In - oder Ausland die Niederlassungsbewilligung in Österreich vorsieht; sowie
Personen, die sich bereits fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im
Bundesgebiet niedergelassen haben, nicht mehr wegen mangelnder Mittel zu ihrem
Unterhalt bzw mangelndem ausreichendem Krankenversicherungsschutz oder nach
rechtskräftiger Verurteilung wegen Begehung einer strafbaren Handlung oder
wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit ausgewiesen
werden dürfen.
5. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales wird ersucht, bis 1.6.2000 einen
Entwurf zur Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vorzulegen, der
vorsieht, dass
a) Personen, die als Familienangehörige zu ihren Verwandten nach Österreich
gezogen sind, nach zweijährigem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich
freier Zugang zum Arbeitsmarkt eingeräumt wird;
b) Personen, die sich fünf Jahre ununterbrochen in Österreich rechtmäßig
aufhalten, freien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
6. Der Bundeskanzler wird aufgefordert, bis 1.1.2001 einen Gesetzesentwurf
vorzulegen, der vorsieht, dass allen nichtösterreichischen StaatsbürgerInnen, die
sich mindestens fünf Jahre in Österreich rechtmäßig aufhalten, aktives und
passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen eingeräumt wird.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Menschenrechtsausschuss
vorgeschlagen.