34/AE XXI.GP
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Georg Schwarzenberger, Dr. Fasslabend, Dkfm. Dr. Puttinger
und Kollegen
an die Bundesregierung
betreffend Toleranz als Grundlage der Demokratie in Österreich
Die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen als Grundlage
jeglichen Handelns ist ein zentrales Anliegen aller im Nationalrat vertretenen Parteien. Die
politischen Parteien erachten es daher als ihre Pflicht, in der politischen Auseinandersetzung
darauf zu achten, daß nicht ein Klima der Verhetzung und des Hasses entsteht.
Insbesondere muß verhindert werden, daß jüdische Mitbürger und andere Minderheiten durch
Drohungen und Diffamierungen verletzt werden.
Österreich ging nach den Wirren des Ersten Weltkrieges aus einem Vielvölkerstaat hervor.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es dadurch zur geachteten österreichischen Nation,
daß es Toleranz und den Respekt voreinander und vor verschiedensten ethnischen, politischen
und religiösen Gruppierungen über das Trennende stellte. Aus dieser unserer Tradition heraus
haben wir ein friedliches, tolerantes, demokratisches Gemeinwesen aufgebaut, in dem die
Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe miteinander leben. Österreich
ist ein stabiles und offenes Land, verpflichtet den Werten der Demokratie und der
Menschenrechte, wie es in der österreichischen Verfassung und in den Österreich bindenden
internationalen Verträgen verankert ist. Unser Land hat dies in den letzten Jahrzehnten
eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Die Schatten der Vergangenheit sind uns präsent. Wir leugnen sie nicht und beschäftigen uns
laufend mit dieser Vergangenheit, damit ihre Lehren auch für die Zukunft fortwirken. Wir
distanzieren uns klar und deutlich von der menschenverachtenden Ideologie des
Nationalsozialismus und von jeder Verharmlosung der schrecklichen Verbrechen, welche
diese Ideologie mit sich gebracht hat.
Viele Österreicherinnen und Österreicher haben selbst noch erlebt, was es heißt, unter
autoritären, diktatorischen Regimen leben zu müssen. Dies haben wir vor mehr als 50 Jahren
im eigenen Land, aber auch an den Beispielen unserer östlichen Nachbarländer erfahren
müssen. Daher war es für uns selbstverständlich, Hunderttausende von Flüchtlingen
aufzunehmen, die nach den gescheiterten Demokratieversuchen in den kommunistischen
Staaten Osteuropas ihr Land verließen. In den letzten Jahrzehnten hat Österreich eine Million
Menschen aufgenommen und als Bürgerinnen und Bürger integriert. Österreich ist auch als
Transitland für jüdische Auswanderer aus der ehemaligen Sowjetunion seiner humanitären
Tradition
gerecht geworden. Wir bemühen uns, ausgezeichnete Beziehungen zu allen
Ländern
zu pflegen. Dies gilt in besonderem Maße auch für Israel, mit dem uns seit Jahren gute,
freundschaftliche Beziehungen verbinden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Österreich hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen, die
aus Ost - bzw. Südosteuropa vertrieben wurden.
Auch in der jüngsten Vergangenheit hat Österreich über hunderttausend Flüchtlingen aus dem
Balkan Zukunft gewährt. Österreich kann aufgrund seiner Größe und vieler anderer Faktoren
nur Menschen, die aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen in ihrer Heimat der
Verfolgung ausgesetzt sind, Zuflucht bieten. Für eine darüber hinausgehende
Einwanderungspolitik brauchen wir ein gesamteuropäisches Konzept. Wir haben aber die
Notwendigkeit erkannt, jene Menschen in Österreich besser zu integrieren, die sich bei uns
rechtmäßig aufhalten: sei es, weil wir sie gerufen haben, sei es, weil wir ihnen Asyl
gewährten. Der Ghettoisierung und einer damit verbundenen möglichen Entstehung von
Vorbehalten in der Bevölkerung müssen wir vorbeugen. Wir bekennen uns zu einer
integrativen Fremdenpolitik, die das friedliche Zusammenleben der Menschen ermöglicht.
Es wird jedoch nicht ausreichen, über diese jüngsten Ereignisse hinweg zur Tagesordnung der
politischen Arbeit in der beginnenden Legislaturperiode zurückzukehren. Es wird
insbesondere verschiedener Maßnahmen seitens der Bundesregierung, aber auch aller
politischen Kräfte in Österreich bedürfen, um die Gefahr einer Aufschaukelung eines
fremdenfeindlichen Klimas in Österreich zu bannen und zu einem gegenseitigen Miteinander
aller Bevölkerungsgruppen zurückzukehren. Wir sind es den davon betroffenen, in Österreich
lebenden Mitbürgern schuldig, aber auch dem Ansehen Österreichs in der Welt verpflichtet,
durch aktives Handeln, Fremdenfeindlichkeit und gegenseitiges Mißtrauen abzubauen.
Ein weitreichender politischer Konsens sichert unserem Land seit langem sozialen Frieden
und Wohlstand, an dem alle Einwohner gleichberechtigt Anteil haben. Österreich verfügt über
eine gesunde Demokratie, die zum Selbstverständnis unserer Bürgerinnen und Bürger zählt.
Wir haben nicht das geringste Interesse und nicht den geringsten Anlaß, diesen erfolgreichen
Weg zu verlassen.
Die vergangenen demokratischen Wahlen zum österreichischen Nationalrat ändern nichts
daran, daß alle im Nationalrat vertretenen Parteien diesen Weg fortsetzen wollen.
Um im Interesse der Demokratie das Menschenverbindende und nicht das Trennende in den
Vordergrund zu rücken, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, eine Kampagne zur Verbesserung der gegenseitigen
Verständigung und für das Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in Österreich zu starten.
Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, § 283 StGB „Verhetzung“ einer Prüfung zu
unterziehen, ob die formulierten Normen im Lichte ihrer Anwendung der Intention des
Gesetzgebers gerecht wurden oder es einer Gesetzesänderung bedarf, um betroffene Gruppen
besser
gegen Angriffe schützen zu können. Jedenfalls wird der Bundesminister
für Justiz
ersucht, sicherzustellen, dass bekannt werdende Verhetzungstatbestände von Amts wegen
erfasst und schärfer verfolgt werden.
Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie der
Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr werden ersucht, gemeinsam ein Programm
auszuarbeiten, mit dem die Grundlagenforschung über Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit
und Hasspotential ausgebaut wird, um deren Ursachen besser zu erforschen und Wege
aufzuzeigen, wie diesen Phänomenen schon im Kindergarten und in der Pflichtschule besser
begegnet werden kann, unter anderem durch konkrete Angebote von Sprachkursen auch für
Eltern.
Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und der Bundesminister für
Wissenschaft und Verkehr werden ersucht, gemeinsam mit den im Bundesjugendring
organisierten Jugendorganisationen, der Bundesschülervertretung und der Österreichischen
Hochschülerschaft Aktionen durchzuführen, mit welchen die österreichische Jugend zur
besonderen Kritikfähigkeit gegenüber fremdenfeindlichen und antisemitischen Strömungen
geführt wird.
Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, gemeinsam mit den Landeshauptleuten sowie
dem Städte - und Gemeindebund Konzepte zu entwickeln, wie der Ghettoisierung in manchen
Wohngegenden entgegengewirkt und eine vollständige Integration neuer Mitbürger in
wirtschaftlichen sowie kulturellen Belangen ermöglicht werden kann.
In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Menschenrechtsausschuß
zuzuweisen.