39/AE XXI.GP
E N T S C H L I E S S U N G S A N T R A G
der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka
und Genossen
an die Bundesregierung
betreffend die Rückkehr zu einem Klima der Toleranz als Grundlage der Demokratie in
Österreich
In einem in der 2. Republik bisher nicht üblichen Ausmaß kam es in den Wochen und
Monaten vor der Nationalratswahl zu ausländerfeindlichen Äußerungen einzelner Politiker,
den sattsam bekannten ,,Überfremdungsplakaten“, bis hin zu offen rassistischen Flugblättern
und zur Verwendung einer Terminologie, die viele Personen bis hin zu Kardinal Dr. König
zu besorgten Äußerungen veranlaßte. Damit wurde ganz bewußt ein Klima der Verhetzung
und Aufhetzung verschiedener Personengruppen gegeneinander geschaffen.
In weiterer Folge sind Drohungen, Diffamierungen und tätliche Angriffe, vor allem gegenüber
jüdischen Mitbürgern in Wien, in den letzten Wochen in besorgniserregendem Ausmaß
angestiegen. Klagen von Vertretern der jüdischen Gemeinde über die Verschlechterung des
Toleranzklimas in Österreich sind ernstzunehmen; jeder Versuch, Opfer zu Tätern zu
stempeln ist schärfstens zurückzuweisen.
Österreich ging aus den Wirren und Verbrechen des Zweiten Weltkrieges als unabhängiger
und demokratischer Staat hervor und wurde dadurch zur geachteten österreichischen Nation,
daß es Toleranz und Respekt vor den Menschenrechten und vor den verschiedensten
ethnischen, politischen und religiösen Gruppierungen über das Trennende stellte.
Aus dieser Tradition heraus haben wir ein friedliches, tolerantes, demokratisches
Gemeinwesen aufgebaut, in dem die Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder
Hautfarbe miteinander leben. Österreich ist ein stabiles und offenes Land, verpflichtet den
Werten der Demokratie und der Menschenrechte, wie es in der österreichischen Verfassung
und in den Österreich bindenden internationalen Verträgen verankert ist. Unser Land hat dies
in den letzten Jahrzehnten eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Die Schatten der Vergangenheit sind uns präsent. Wir leugnen sie nicht und beschäftigen uns
laufend
mit dieser Vergangenheit, damit ihre Lehren auch für die Zukunft
fortwirken. Wir
distanzieren uns klar und deutlich von der menschenverachtenden Ideologie des
Nationalsozialismus und von jeder Verharmlosung der schrecklichen Verbrechen, welche
diese Ideologie mit sich gebracht hat. Dies verpflichtet uns aber auch, gegen jede Form des
Rassismus, der ein Kernelement des Nationalsozialismus war, aufzutreten und uns von jeder
rassistischen oder auch verhetzenden Äußerung zu distanzieren.
Wir wissen, was es heißt, unter autoritären, diktatorischen Regimen leben zu müssen. Dies
haben wir vor mehr als 50 Jahren im eigenen Land, aber auch an den Beispielen unserer
östlichen Nachbarländer erfahren müssen. Daher war es für uns selbstverständlich,
hunderttausende von Flüchtlingen aufzunehmen, die nach den gescheiterten
Demokratieversuchen in kommunistischen Staaten Osteuropas ihr Land verließen. In den
letzten Jahrzehnten hat Österreich eine Million Menschen aufgenommen und als Bürgerinnen
und Bürger integriert. Österreich ist auch als Transitland für jüdische Auswanderer aus der
ehemaligen Sowjetunion seiner humanitären Tradition gerecht geworden. Wir bemühen uns,
ausgezeichnete Beziehungen zu allen Ländern zu pflegen. Dies gilt in besonderem Maße auch
für Israel, mit dem uns seit Jahren gute, freundschaftliche Beziehungen verbinden.
Auch in der jüngsten Vergangenheit hat Österreich über hunderttausend Flüchtlinge aus dem
Balkan Zuflucht gewährt. Österreich kann aufgrund seiner Größe und vieler anderer Faktoren
nur Menschen, die aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen in ihrer Heimat der
Verfolgung ausgesetzt sind, Zuflucht bieten. Für eine darüber hinaus gehende
Einwanderungspolitik brauchen wir ein gesamteuropäisches Konzept. Wir haben aber die
Notwendigkeit erkannt, jene Menschen in Österreich besser zu integrieren, die sich bei uns
rechtmäßig aufhalten: sei es, weil wir sie gerufen haben, sei es, weil wir ihnen Asyl
gewährten. Der Ghettoisierung und einer damit verbundenen möglichen Entstehung von
Vorbehalten in der Bevölkerung müssen wir vorbeugen. Wir bekennen uns zu einer
integrativen Fremdenpolitik, die das friedliche Zusammenleben der Menschen ermöglicht.
Es wird jedoch nicht ausreichen, über diese jüngsten Ereignisse hinweg zur Tagesordnung der
politischen Arbeit in der beginnenden Legislaturperiode zurückzukehren. Es werden
insbesondere verschiedene Maßnahmen seitens der Bundesregierung, aber auch aller
politischen Kräfte in Österreich bedürfen, um die Gefahr einer Aufschaukelung eines
fremdenfeindlichen Klimas in Österreich zu bannen und zu einem gegenseitigen Miteinander
aller Bevölkerungsgruppen zurückzukehren. Wir sind es den davon betroffenen in Österreich
lebenden Mitbürgern, aber auch dem Ansehen Österreichs in der Welt verpflichtet, durch
aktives Handeln Fremdenfeindlichkeit und gegenseitiges Mißtrauen abzubauen.
Um im Interesse der Demokratie das Menschenverbindende und nicht das Trennende in den
Vordergrund
zu rücken, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g
1. Die Bundesregierung wird ersucht, eine Kampagne zur Begutachtung der Menschenrechte
zur Verbesserung der Verständigung zwischen Volksgruppen und für das Miteinander
aller Bevölkerungsgruppen in Österreich zu starten.
2. Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, § 283 StGB („Verhetzung“) einer Prüfung zu
unterziehen, ob die formulierten Normen im Lichte ihrer Anwendung der Intention des
Gesetzgebers gerecht wurden oder ob es einer Gesetzesänderung bedarf, um betroffene
Gruppen besser gegen Angriffe schützen zu können. Jedenfalls wird der Bundesminister
für Justiz ersucht sicherzustellen, dass bekannt werdende Verhetzungstatbestände von
Amts wegen erfasst und schärfer verfolgt werden.
3. Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie der
Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr werden ersucht, gemeinsam ein Programm
auszuarbeiten, mit dem die Grundlagenforschung über Antisemitismus,
Fremdenfeindlichkeit und Hasspotential ausgebaut wird, um deren Ursachen besser zu
erforschen und Wege aufzuzeigen, wie diesem Phänomenen schon im Kindergarten und in
der Pflichtschule besser begegnet werden kann und unter anderem durch konkrete
Angebote von Sprachkursen auch für Eltern.
4. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und der Bundesminister für
Wissenschaft und Verkehr werden ersucht, gemeinsam mit den im Bundesjugendring
organisierten Jugendorganisationen, der Bundesschülervertretung und der
Österreichischen Hochschülerschaft Aktionen durchzuführen, mit welchen die
Österreichische Jugend zur besonderen Kritikfähigkeit gegenüber fremdenfeindlichen und
antisemitischen Strömungen geführt wird.
5. Die Bundesregierung wird ersucht, gemeinsam mit den Ländern sowie dem Städte - und
Gemeindebund Konzepte zu entwickeln, wie der ,,Ghettoisierung“ in manchen
Wohngegenden entgegengewirkt und eine vollständige Integration neuer Mitbürger in
wirtschaftlichen sowie kulturellen Belangen ermöglicht werden kann.
In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Menschenrechtsausschuß
zuzuweisen.