569/A/E XXI.GP

Eingelangt am: 12.12.2001

 

 


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die konjunkturell vorteilhafte Zweckbindung von Wohnbaufördermitteln für
umfassende Gebäudesanierungen im Wege einer Art. 15a-Vereinbarung Bund-
Länder

In Österreich gibt es derzeit ein Klimaschutz-Defizit und einen Einbruch in der
Baubranche. Vor allem arbeitsplatzintensive Bereiche der Bauwirtschaft sind in der
Krise, die Arbeitslosigkeit steigt, die Klimaschutzziele scheinen fast unerreichbar und
die Betriebs- und vor allem Heizkosten im Gebäudebereich steigen. Österreich
braucht daher gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten eine rasch greifende und
beschäftigungswirksame Offensive für ein zweites Klimaschutzpaket durch eine
ökologisch orientierte Sanierungsmilliarde.

Im einzelnen ist in der Bauwirtschaft die Produktion im 2. Quartal 2001 stark
eingebrochen und lag österreichweit real um 5,5% unter dem Vorjahrswert. Schon
seit längerer Zeit geht die Produktion im Wohnungsbau zurück. Die Zahl der in
Österreich fertiggestellten Wohnungen dürfte heuer unter 50.000 sinken, das sind um
etwa 10.000 weniger als jährlich in der Periode 1996 bis 1999. Der Rückgang der
Bauproduktion hatte einen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt zur Folge. Österreichweit
lag die Beschäftigung in der Bauwirtschaft im Durchschnitt von Jänner bis August um
11.000 (-4,3%) unter dem Niveau des Vorjahres, die Zahl der Arbeitssuchenden war
im August um 3.400 höher als im Vorjahr. Auch im Sanierungsbereich kam es im
September zu einem Rückgang von sieben Prozent. Für den Jahresdurchschnitt wird
mit einem Rückgang der Bauproduktion um real 3% gerechnet. Die Prognose der
Bundesinnung des Baugewerbes für Dezember liegt bei 30.000 Bau-Arbeitslosen.

Unbestritten ist, daß der Sanierungsbereich die größten beschäftigungspolitischen
Chancen im Bausektor bietet. Eine Milliarde Schilling investiert im Sanierungsbereich
bringt laut Wirtschaftsforscherinnen bis zu 2.000 Arbeitsplätze. Laut WIFO löst 1 Mrd.
ATS Förderung 4,53 Mrd. ATS Investitionen aus, das bedeutet ein
Beschäftigungsvolumen von bis zu 4.000 Arbeitsplätzen im Bau- und 1.000
Arbeitsplätzen im Zulieferbereich. Im Vergleich dazu können bei
Infrastrukturmaßnahmen (Straße, Schiene,...), denen derzeit das Schwergewicht des
Engagements der Bundesregierung gilt, mit derselben Summe wegen des hohen
Automatisierungsgrades nur 600 Arbeitsplätze gesichert werden. Nur eine
Sanierungsoffensive ist somit eine echte Chance für Arbeitsplätze und Bauwirtschaft.

Zugleich könnten signifikante Vorteile für Wohnungseigentümerinnen und -
mieterlnnen erzielt werden. Die Betriebskosten betragen bereits bis zu einem Drittel
der Wohnungskosten, davon entfallen auf Heizkosten meist mehr als 50 Prozent.
Drei Viertel des Energiebedarfs einer Wohnung gehen in die Heizung, wobei in
Altbauten bis zu 250 kWh Energie pro Quadratmeter verbraucht werden. Gerade
sozial schwache Haushalte sind davon besonders betroffen. Im September 2001   .
lagen die Kosten für Beleuchtung und Beheizung um 11,4 Prozent über dem


Verbrauchpreisindex 1996 - zwischen 1999 und 2000 stiegen die Verbraucherpreise
für Haushaltsenergie um 6,5 %, der VPI insgesamt um 2,35%. Im Vergleich dazu fiel
die Pensionsanpassung mit 1,10% sehr bescheiden aus.

Bauen und Wohnen sind für nicht weniger als 40% des Endenergieverbrauchs in
Österreich verantwortlich. Eine Reduktion ist hier vergleichsweise leicht möglich.
Förderungen könnten an die Bedingung von thermischen Sanierungsmaßnahmen
geknüpft werden, wie es auch Minister Molterers Entwurf zur Klimastrategie vorsieht:
„Die Fördermittel sollten dabei in allen Ländern in Abhängigkeit von der nach der
Sanierung erreichten Gebäudequalität vergeben werden (z.B. Differenzierung nach
Energiekennzahlen). Generalsanierungen sollten generell nur mehr bei
Miteinbeziehung substanzieller energetischer Verbesserungen durch die öffentliche
Hand unterstützt werden." Die Umweltchance durch ein solches Klimaschutzpaket für
Österreich im Bau- und Wohnbereich wäre enorm und würde auf verstärkte EU-
Initiativen zur Energieverbrauchssenkung treffen: Mittlerweile bringen auf EU-Ebene
ein Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie zur Energieversorgungs-
sicherheit" und ein Richtlinienentwurf gesetzliche Instrumente zur Senkung des
Energieverbrauchs von Gebäuden und damit in letzter Konsequenz für niedrigere
Energierechnungen für die Konsumentinnen. Österreich liegt dabei im europäischen
Vergleich des Energieverbrauchs im Gebäudesektor bei Berücksichtigung des
klimatischen Faktors weit hinter Vorreitern wie zB Dänemark. Um das auf ca. 22%
geschätzte, wirtschaftlich lukrierbare EU-Einsparungspotenzial zu realisieren, sieht
die Richtline einen Gesetzesrahmen zur Verringerung des Verbrauchszuwachses im
Gebäudebereich mit nationaler Umsetzung vor. Für Frühjahr 2002 sieht eine EU-
Richtlinie für jeden Neubau einen Energieausweis vor, wobei die Zustimmung des
Rates -trotz Bekenntnisse zum Klimaschutz - und des EU-Parlaments noch fehlen.

Im Wohnbaubereich ist aufgrund der Marktsättigung, wie sie von WIFO-Experten mit
Rückgängen im Neubau um 6 - 9 Prozent festgestellt wird, ein Kurswechsel nötig.
Ein wesentliches Wachstumspotenzial liegt im Renovierungssektor, „besonders im
Bereich thermischer Sanierung können Konjunkturimpulse gesetzt werden" (WIFO).
Ein Drittel der Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll könnte durch thermische
Sanierung von Wohnbauten realisiert werden. Neben steuerlichen Anreizen - wie
z.B. Abschreibungsmodellen - gilt es, auch die Wohnbauförderung gezielter dafür
einzusetzen. Die Größe des Potentials unterstreicht eine Altersklassenanalyse des
Bestandes: Auf die Bauperiode von 1945-70 entfallen 26 Prozent der
Wohnnutzfläche, auf die Bauperiode 1961-70 rund 33 Prozent und auf die
Bauperiode 1971-80 rund 40 Prozent. Bei den Bauten zwischen 1945 und 1980
besteht der größte Sanierungsbedarf, durchschnittlich werden 150 kWh Wärme pro
m2 verbraucht (Neubau: 65 kWh/m2). Eine Studie der Donau-Universität Krems sieht
ein Investitionsvolumen in der Größenordnung von 350 bis 450 Mrd. ATS für die
heimische Bauwirtschaft im Zusammenhang mit den mehr als 1,5 Mio. österreichweit
zur Sanierung anstehenden Wohneinheiten. Insgesamt könnte der CO2-Ausstoß bei
den 1945 bis 1980 errichteten Wohnhäusern durch thermische Sanierung um rund
60 Prozent reduziert, 15 Mrd. kWh pro Jahr könnten eingespart werden.

Mit 5,6 Mrd. ATS pro Jahr aus der Wohnbauförderung ließen sich im Wohn- und
Kleinverbrauch bis 2008 an die 4,4 Mio. t CO2-Äquivalent einsparen und könnten
9.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies schlug bereits 1998 der
Klimaschutzbeirat vor. Ein breites Kyoto-Paket (unter, Einschluss des Energie- und
Verkehrssektors) hat sowohl im Beschäftigten- als auch im Budgetbereich deutlich


positive Effekte und würde zu einer gesamtwirtschaftlichen All-Winner-Strategie
führen: Jährlich über 10 Jahre bis zu 14.000 zusätzlich Beschäftigte, 8-13 Mrd ATS
Netto-Einnahmen d. öffentlichen Budgets. Dazu kommt, daß der Sanierungsbereich
im Vergleich zum Neubau oder zu großen Straßeninfrastrukturmaßnahmen nur kurze
Vorlaufzeiten braucht, etwa ein halbes Jahr im Vergleich zu drei und mehr Jahren.

Das WIFO sieht in der thermischen Gebäudesanierung eine gesamtwirtschaftliche
Rentabilität von 16% bei einer Amortisationsdauer von 8 Jahren. Demnach ergäbe
die gesamtwirtschaftliche Effizienz des Projekts „thermische Gebäudesanierung" pro
Jahr plus 36 Mrd. ATS beim Brutto-lnvestitionsvolumen, plus 27 Mrd. ATS bei der
Wertschöpfung, plus 44.000 Beschäftigte, plus 15 Mrd. ATS bei den
Steuereinnahmen, 9 Mrd. ATS vermiedenen Aufwand für Arbeitslose sowie eine
Leistungsbilanzentlastung um 15-20 Mrd. ATS.

Die Energieverwertungsagentur und ihre Mitarbeiterinnen haben weitere wichtige
Anregungen zur Ausgestaltung von Instrumentarien des Klimaschutzes im Bereich
thermischer Gebäudesanierung beigesteuert. Zumindest eine Verdoppelung der
thermisch-energetischen Sanierungsraten von derzeit rund 1% wird dabei für
unabdingbar gehalten. Aufgrund der schlechten Realisierungchancen geballter
Vorstöße im Ein- und Zweifamilienhausbereich solle im großvolumigen Wohnbau
eine Verdreifachung erfolgen. Dazu müssen allerdings Wohnbauförderungsmittel auf
umfassende Gebäudesanierungsmaßnahmen fokussiert werden.

Im Finanzausgleich 2000 wurden den Ländern durch die Aufhebung der
Zweckbindung der Wohnbauförderung (24,5 Mrd. ATS) auch die Verantwortung für
die Umsetzung des Kyoto-Ziels zum Klimaschutz übertragen: Art. 3 §1 (1) - „...zur
Finanzierung von Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen".
Genaue vertragliche Verpflichtungen mit genauen Vorgaben fehlen, sodaß die
Länder autonome Strategien entwickeln können. Darüber hinaus erhalten die Länder
Anteile der Energiesteuereinnahmen für Klimaschutzmaßnahmen - eine
zweckorientierte Verwendung steht jedoch bis heute aus. Um einerseits diese
großteils wenig zufriedenstellenden Entwicklungen der vergangenen Jahre in eine
konjunkturell wie ökologisch nutzenoptimierende Richtung umzusteuern und
andererseits für einen hinreichend verbindlichen Rahmen der nötigen Offensive zu
sorgen, ist eine Art. 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern dringend nötig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf schnellstem Wege eine Vereinbarung
gemäß Art. 15a B-VG mit den Bundesländern im Hinblick auf eine Zweckbindung von
Wohnbauförderungsmitteln in der Höhe von 5,6 Mrd. ATS jährlich (Empfehlung des
Klimaschutzbeirates 1998) für umfassende Gebäudesanierungen im Sinne des
Klimaschutz-Ziels und eines nachhaltigen Konjunkturimpulses zu treffen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Bautenausschuß vorgeschlagen.