607/AE XXI.GP
Eingelangt am: 31.01.2002
der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Freundinnen und Freunde
betreffend eine österreichisch-tschechische Erklärung zu den Beneš-Dekreten
Die NS-Zeit und ihre
Folgen haben unvorstellbares Leid und Unrecht verursacht.
Auch die Bevölkerung der Tschechoslowakei war vom NS-Terrorregime
betroffen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nahezu alle Sudetendeutschen als NS-
Komplizen verfolgt und vertrieben.
Vieles davon muss noch
aufgearbeitet werden. Dazu gehören insbesondere jene der
143 im Verfassungsrang stehenden Beneš-Dekrete,
die sich mit der Aussiedlung
und Enteignung der deutschsprachigen und ungarischen Volksgruppen
beschäftigen.
Am 21. Jänner 1997 kam
es zu einer historischen Erklärung zwischen Deutschland
und Tschechien, in der beide Seiten das verursachte Unrecht und Leid bedauern.
Die damalige österreichische Bundesregierung begrüßte in einer
Stellungnahme
(vom 21. Jänner 1997) diesen Schritt und führte dazu aus: „Die
österreichische
Bundesregierung stellt mit Genugtuung fest, dass die beiden Seiten ihre
Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und
rechtlichen Fragen belasten werden. Versöhnung ist eine wesentliche
Grundlage für
die weitere Integration Europas." Schritte zu einer eigenen
österreichisch-
tschechischen Erklärung wurden jedoch nicht gesetzt.
Auch in den Gremien der
Europäischen Union wird die Frage der Beneš-Dekrete
als
bilaterale Angelegenheit betrachtet. Ein
EU-Beitrittshindernis für die Tschechische
Republik wird darin jedoch nicht gesehen. Die Europäische Kommission hat
zu einer
Mitgliedschaft Tschechiens bereits vor Jahren eine positive Stellungnahme
abgegeben: "Die Tschechische Republik verfügt über die Merkmale
einer Demokratie
mit stabilen Institutionen, die die rechtsstaatliche Ordnung, die
Menschenrechte und
die Achtung von Minderheiten und ihren Schutz
gewährleisten". Danach beschloss
der Rat der Europäischen Union die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit
der
Tschechischen Republik.
Die ÖVP-Delegationsleiterin im
Europaparlament, Ursula Stenzel, bestätigte das im
ORF-Mittagsjournal vom 14. August 2001 folgendermaßen: „Die
Erweiterung wurde
bereits durch die Entscheidungen im
Europaparlament sowie in den nationalen
Parlamenten der Mitglieds- und Beitrittsländer demokratisch
legitimiert."
Die österreichische
Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten, Ferrero-
Waldner, hat sich im Zuge einer weiteren Aufarbeitung auf bilateraler Ebene am
25.
Jänner 2002 für eine gemeinsame (oder gleich lautende) Erklärung
der Regierungen
oder Parlamente Tschechiens und Österreichs zu den Beneš-Dekreten
ausgesprochen.
Eine solche Erklärung sollte
ein wesentlicher Schritt sein, um die Debatte über die
strittigen Beneš-Dekrete politisch
aufzuarbeiten. Die Europäische Union ist nicht für
die
Vergangenheitsbewältigung ihrer Mitgliedstaaten zuständig. Das sind
jeweils
bilaterale Angelegenheiten, wie das auch Außenministerin Ferrero-Waldner
am 25.
Jänner d.J. betont hat.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert,
in Gesprächen mit der tschechischen
Regierung eine gemeinsame "österreichisch-
tschechische Erklärung" zu verhandeln, die sich an der 1997 vom
deutschen
Bundestag und dem tschechischen Parlament angenommenen
"Aussöhnungserklärung" orientiert und folgendes beinhaltet:
1) Ein kritisches Bekenntnis zur
Verantwortung von Österreichern innerhalb des NS-
Regimes, deren Handeln zur Zerschlagung und Besetzung der
Tschechoslowakischen Republik sowie zu "Flucht und Vertreibung von
Menschen
aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet" beigetragen hat. Weiters das
Bedauern über das Leid und Unrecht, das nationalsozialistische Verbrecher,
unter
denen auch Österreicherinnen und Österreicher zu finden waren,
verursacht haben
2) Die österreichische Seite ist
"sich auch bewusst, dass die nationalsozialistische
Gewaltpolitik gegenüber dem tschechoslowakischen Volk dazu beigetragen
hat, den
Boden für Flucht, Vertreibung und zwangsweise Aussiedelung zu
bereiten."
3) Die
tschechische Seite "bedauert insbesondere die Exzesse, die im Widerspruch
zu elementaren humanitären Grundsätzen und auch zu damals geltenden
rechtlichen
Normen gestanden haben
..."
In formeller
Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuß
vorgeschlagen.